Hygienedemo

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Bericht des Berliner Tagesspiegel über Hygiene-Demo in Berlin
Bericht in der taz vom 26. April 2020
Bericht des Compact Magazin am 19. April 2020
Anselm Lenz und Hendrik Sodenkamp auf Stapeln mit „Der Widerstand“ - Zeitungen (April 2020)
Drei Teilnehmer einer Hygienedemo am 2. Mai 2020 mit so genannten Querdenkerkugeln (auch Querdenkerbommeln genannt) aus geknüllter Aluminiumfolie (Bild: RechercheNetzwerk.Berlin)
Bild des Twitter-Accounts mit eindeutigem Bezug zur Volksbühne, die sich jedoch von der Kommunikationsstelle Demokratischer Widerstand distanziert
Distanzierung der Volksbühne am 25. April 2020. Aus Protest wurden der Schriftzug Volksbühne und ein Denkmal schwarz verhüllt. Statement: „Wir positionieren uns klar gegen die Hygiene-Demos! Es ist falsch, die Pandemie herunterzuspielen und damit Andere in Gefahr zu bringen. Es ist falsch, gemeinsame Sache zu machen mit Rechts!“
organisatorisches Durcheinander bei der KDW im April 2020
Vergleich mit der Judenverfolgung im Nazionalsozialismus: Demonstrant einer Hygienedemo trägt einen gelben Stern mit der Aufschrift "nicht gegen Corona geimpft"

Hygienedemo ist der Name für eine Folge von regelmäßigen Protestversammlungen und Demonstrationen ab dem 24. März 2020, die sich vordergründig gegen behördliche und staatliche Maßnahmen zur COVID-19 Pandemie durch das Coronavirus SARS-2 CoV-2 richten. Organisator der Hygienedemos ist Ende März 2020 der Verein Kommunikationsstelle Demokratischer Widerstand in Berlin.[1] Zu Anbeginn der Demonstrationen waren der deutsche Autor und Dramaturg Anselm Lenz sowie Hendrik Sodenkamp die Hauptaktivisten hinter den Versammlungen und Demonstrationen unter dem Namen Hygienedemo. Mit öffentlichen Aktionen und einer eigenen Widerstandszeitung wendet man sich sowohl gegen Einschränkungen der Grundrechte in Deutschland als auch behördliche Maßnahmen gegen die Ausbreitung des Coronavirus SARS-CoV-2, dessen Existenz bezweifelt wird.

Die Demonstrationen wurden von Beginn an von Anhängern von Verschwörungstheorien, sowie Rechtsextremisten und Esoterikanhängern für die Darstellung ihrer Ansichten genutzt. Die ursprünglichen Organisatoren verloren in Folge die Kontrolle über diese Demonstrationen. Die Initiatoren mobilisierten nicht nur in Berlin zur größten rechten Straßenpräsenz in Deutschland nach Pegida.

Am Berliner Rosa-Luxemburg-Platz fanden mehrere so genannte Hygienedemonstrationen statt. Eine erste „Hygienedemo“ in Berlin mit ungefähr 40 bis 150 Teilnehmern (je nach berichtender Quelle und Zeitpunkt) wurde von der Polizei aufgelöst. Die Demonstration war zwar schriftlich am 24. März 2020 angemeldet worden, die Polizei stufte diese aber als nicht angemeldete Versammlung ein; diese habe gegen die geltenden Beschränkungen zur Eindämmung der Corona-Pandemie und gegen das Infektionsschutzgesetz verstoßen.[2] Eine spätere ungenehmigte „Hygienedemo“ am 11. April 2020 wurde von Anselm Lenz, Hendrik Sodenkamp und Uli Gellermann (Rationalgalerie) organisiert und von der Polizei aufgelöst. Auf der ungenehmigten Versammlung erschienen auch Ken Jebsen und Michael Mross.

Am 18. April 2020 fand erneut in Berlin eine Hygienedemo statt, wieder nicht genehmigt und diesmal mit mehr als 500 Teilnehmern. Es erschien ein Videoteam von Ken Jebsen, sowie der ehemalige Journalist und Erdoğan-Unterstützer Martin Lejeune, Michael Mross (MMnews-Blog und Homment) und der Rechtsextremist Nikolai Nerling, der sich „Volkslehrer“ nennt. Laut Nerling existiere das Virus nicht, und diene nur dazu, Panik zu schüren, damit die Regierung Gesetze verschärfen könne, um „unliebsame Persönlichkeiten“ mundtot zu machen. Nerling wurde am 18. April 2020 anlässlich einer der Hygienedemos von einem Videoteam von KenFM interviewt. Das gleiche Team befragte auch Dirk Pohlmann, Uli Gellermann und Thomas Schenk von Eingeschenkt TV. Anwesend waren weiterhin Nicolas Riedl (Rubikon), und ein Vertreter des YouTube-Kanals „Digitaler Chronist Alternative“ von Thomas Grabinger. Die AfD-Youtuberin Carolin Matthie streamte live von der Versammlung. Vor Ort war auch ein Team vom AfD-nahen Compact Magazin mit Martin Müller-Mertens.[3] Seit März 2020 wird das Compact Magazin vom deutschen Verfassungsschutz als rechtsextremer Verdachtsfall beobachtet. Ein produziertes Compact-Video wurde von Katrin Nolte anmoderiert, der Ehefrau des AfD-Politikers Jan Nolte. Zu erkennen war auch mindestens ein Teilnehmer mit einer Trump-Fahne, und Q-Anon-Anhänger. Vor Ort war auch ein Videoteam von Ruptly. Das Video von Ruptly zeigt ausschließlich Szenen, in denen die Polizei Demonstranten festnimmt. Das Video wurde über die russischen Staatssender RT Deutsch und Sputnik verbreitet. Anwesend war auch ein Team des russischen Fernsehsenders „Pervyj kanal“.

Die an der Demonstration teilnehmende Angelika Barbe, Kuratoriumsmitglied der AfD-nahen Desiderius-Erasmus-Stiftung und Teilnehmerin an PEGIDA-Demonstrationen, kommentierte, dass die eigentlichen Nutznießer hinter den Eindämmungsmaßnahmen gegen die Verbreitung des Virus die WHO sowie Bill Gates seien, der an den zukünftigen Impfstoffen verdiene.

Am 25. April 2020 kam es zu Gegendemonstrationen gegen die Hygienedemo. Darunter eine Protestkundgebung „Rosa-Luxemburg-Platz bleibt solidarisch“. Der Rosa-Luxemburg-Platz in Berlin wurde abgesperrt, nachdem eine maximal erlaubte Anzahl an Personen auf dem Platz anwesend waren. Zuvor hatten sich dort auch Gegenprotestanten sitzend und einem großen Abstand zueinander, niedergelassen. Die Volksbühne hisste ein Transparent mit der Aufschrift „Nicht eure Kulisse“ und verhüllte schwarz den Schriftzug „Volksbühne“ sowie ein Denkmal vor dem Gebäude. Zahlreiche Anwohner protestierten gegen die Hygienedemo mit Transparenten an den Fenstern. Auch die am gleichen Platz befindliche Parteizentrale der Partei Die Linke beteiligte sich mit Protesttransparenten. Die eigentliche Hygiene-Protestaktion fand aufgeteilt in Gruppen in den umliegenden Straßen statt. Unter anderem erschienen diesmal Politiker der AfD, der NPD, Ken Jebsen der sich auf das Dach eines Wohnmobils setzte und Billy Six. Die Berliner Tageszeitung taz schrieb dazu:

PolitikerInnen von AfD, NPD und der aufgelösten Bürgerbewegung Pro Deutschland vermischten sich in Berlin mit Szenegrößen wie dem Youtuber „Der Volkslehrer“ oder Vertretern des Compact-Magazins..[4]

Von der NPD erschien Udo Voigt, von der AfD Gunnar Lindemann und Lars Günther. Vor Ort waren auch Thomas Grabinger (Digitaler Chronist), Julia Szarvasy (Nuoviso) und Carolin Matthie (AfD-nah). Am 2. Mai 2020 erschien auch Heiko Schrang. Die Berliner Innenverwaltung sieht in den Aufrufen zur Hygienedemo „ideologische Anknüpfungspunkte für Rechtsextremisten, insbesondere für rechtsextremistische Reichsbürger“. Die Veranstaltungen hätten eine „sehr heterogene Teilnehmerschaft“, darunter „vereinzelte Rechtsextremisten, NPD-Mitglieder, Verschwörungstheoretiker, Impfgegner und Esoteriker“.[5]

Als eine Art Erkennungszeichen sind Aluminiumkugeln anzusehen, die bei mehreren Demonstranten gesehen wurden und auch Querdenkerkugeln genannt werden. Teilweise handelt es sich dabei um zerknüllte Aluminiumfolie oder kleine Kugeln, die an Weihnachtsbaumschmuck erinnern. Gelegentlich wurde auch das Zeigen von erhobenen fünf Fingern der Hand als Erkennungszeichen propagiert. Zuvor war bereits unter Ablehnern von Eindämmungsbemühungen gegen das Coronavirus das Zeigen von Handtüchern an Fenstern genannt worden.

Verein Kommunikationsstelle Demokratischer Widerstand

Siehe Artikel Anselm Lenz.

Corona Zeitung - „Der Widerstand“ oder „Demokratischer Widerstand“

Siehe dazu Artikel Anselm Lenz.

Ähnliche Organisationen und Bestrebungen

Ähnliche Bestrebungen wie die der „Kommunikationsstelle Demokratischer Widerstand“ sind:

  • die impfgegnerische Bürgerbewegung IBAM („NoName Partei“ - Lothar Hirneise, seit April 2020)
  • die Protestparteiinitiative Widerstand2020 von Bodo Schiffmann (April 2020)
  • Gruppe „Ärzte für Aufklärung“, die vor allem aus Homöopathen, Alternativmedizinern und Gegnern der wissenschaftlichen Medizin besteht
  • Vereinigung „Mediziner und Wissenschaftler für Gesundheit, Freiheit und Demokratie e.V.“ (MGfD)[6], gegründet von Sucharit Bhakdi
  • eine 99% Bewegung des ehemaligen SPD-Politikers Olav Müller versucht ebenfalls Gegner von staatlichen Massnahmen gegen das Coronavirus an sich zu ziehen. Müller kooperiert mit der Widerstand2020 Parteiintiative. Müllers Gruppierung verbreitet unter anderem die Verschwörungstheorie der Chemtrails.

Bilder von Hygienedemonstrationen in Berlin

Weblinks


  • www.nichtohneuns.de Webseite von Anselm Lenz

Quellennachweise

  1. KOMMUNIKATIONSSTELLE DEMOKRATISCHER WIDERSTAND E.V.I.GR. BERLIN
    Anselm Lenz, Hendrik Sodenkamp, Louise Thomas, Jill Sandjaja, Ulrich Gellermann, Gabriella Ogagwo, Batseba N'diaye, Matthias Goretzki & Kollegium
    Linienstraße 227, 10178 Berlin
    V.i.S.d.P.: Anselm Lenz & Hendrik Sodenkamp (ebenda), Vorstand K.D.W. e.V.i.Gr. Berlin
  2. https://www.morgenpost.de/berlin/article228797933/Polizei-nimmt-nach-Demonstration-in-Mitte-Personalien-auf.html
  3. https://taz.de/Corona-Verschwoererinnen-demonstrieren/!5677960/
  4. taz.de: Corona Verschwörungsdemos
  5. https://taz.de/Koepfe-der-Corona-Relativierer/!5681132/
  6. „Mediziner und Wissenschaftler für Gesundheit, Freiheit und Demokratie e.V.“ (mwgfd.de), Wittgasse 9, D-94032 Passau
    Sucharit Bhakdi, Vorsitzender der MWGFD e.V., Ronald Weikl, stellv. Vorsitzender der MWGFD e.V.
  7. https://www.tagesspiegel.de/berlin/kritik-an-corona-massnahmen-das-steckt-hinter-der-querfrontdemonstration-in-berlin/25752958.html