Interuniversitäres Kolleg für Gesundheit und Entwicklung

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Schloss Seggau

Das Interuniversitäre Kolleg für Gesundheit und Entwicklung (Interuniversitäres Kolleg Graz/Schloss Seggau)[1]ist eine österreichische Bildungseinrichtung, die verschiedene Masterlehrgänge auf alternativmedizinischen Gebiet als (berufsbegleitende) Fernkurse anbietet. Angeboten wird ein Fernstudiengang zum Master in Complementary Health Sciences Die Führung eines der angebotenen Titel allein berechtigt den Titelinhaber jedoch weder zur Stellung von Diagnosen noch zur Durchführung therapeutischer Handlungen. Ausdrücklich weist das Kolleg darauf hin, dass der vergebene Master-Grad "Ihre wissenschaftliche Kompetenz im Komplementärheilkundlichen nach[weist], was Sie vor unqualifizierten Angriffen und Versuchen, Sie und Ihre Methode als Scharlatanerie abzustempeln, schützt".[2]

2005 wurde das Ludwig Boltzmann Institut für Homöopathie (Leiter Michael Frass) als Institut des Kollegs übernommen.

Der Standort Schloss Seggau in Leibnitz (Südsteiermark) ist ein Kongress-, Tagungs- und Seminarzentrum und verfügt über ein eigenes Hotel und ein Schloss-Café sowie einen überregional bekannten Weinkeller eines bischöflichen Weinguts. Der Bischofsitz Schloss Seggau ist vor allem auf Grund der dort stattfindenen Weinseminare bekannt.

Personalia

Christian Endler

Wissenschaftlicher Leiter ist Peter Christian Endler (geb. 1958). Der wissenschaftskritische[3] Endler war früher am Ludwig Boltzmann Institut für Homöopathie[4] in Graz tätig, war Leiter der Ludwig Boltzmann Forschungsstelle für niederenergetische Bioinformation und publizierte über hochpotenzierte Schilddrüsenhormone. Medizinischer Leiter ist Jens Türp, die "tiefenpsychologische Leitung" hat Paul Paß. Für den Bereich Gesundheitsförderung ist Elke Mesenholl-Strehler zuständig. Im Beirat sitzen Michael Frass, Veronique Gorris, Peter Helms, Max Haidvogl, K. R. Lewin, Jürgen Schulte und Franz Senekowitsch.

Die Lehrkräfte sind häufig auch an anderen Einrichtungen und Hochschulen, wie den Universitäten Graz, Klagenfurt, Urbino und Freiburg, der Privatuniversität Witten-Herdecke und der Fachhochschule Neubrandenburg tätig. Eine Kooperation besteht mit der Deutschen Gesellschaft für Energetische- und Informationsmedizin (DGEIM).

Lehre

Kurse zum Master of Science

Angeboten werden zwei Fernlehrgänge:

  • MSc Health Sciences. Komplementäre, Psychosoziale und Integrative Gesundheitswissenschaften
  • MSc Child Development. Entwicklungsförderung im Kindes- und Jugendalter

Teilnehmer müssen an 4 Wochenendseminaren pro Jahr teilnehmen und werden im Internet dazu angeleitet. Nach einem Jahr kann ein Certificate for Integrated Health Sciences erworben werden, nach zwei Jahren ein Diploma for Integrated Health Sciences und nach drei Jahren ein Master-Abschluss (Master of Science, MSc). In Österreich und einigen anderen Ländern gilt dieser als akademischer Grad. In Deutschland gilt dies derzeit nur für das Bundesland Bayern. In den anderen deutschen Bundesländern führen die bisherigen deutschen Absolventen des Kollegs den Abschluss derzeit nicht als "MSc", sondern in der Form "AbsolventIn des MSc-Lehrganges für Komplementäre Gesundheitsförderung". Um den teuren Abschluss schmackhafter zu machen, wird damit geworben, dass die Abschlussurkunde zum MSc aber zur Darstellung einer erworbenen fachlichen Qualifikation in Praxisräumlichkeiten verwendet werden könne.

Im Rahmen der interuniversitären Zusammenarbeit des Kollegs soll darüber hinaus in Zukunft die Möglichkeit eines Upgrades zu einem überall in Deutschland als akademischen Grad führbaren Master eingerichtet werden.

Ein MSc–Lehrgang kostet zur Zeit (2011) 11.700 €. Hinzu kommen Unterbringungskosten.

Umstrittener Kurs zum Energiemediziner

In Zusammenarbeit mit der Deutschen Gesellschaft für Energetische und Informationsmedizin e.V. DGEIM wurde ein Kurs "Energy Medicine" bzw. "Energie- und Informationsmedizin" angeboten. Den Bedarf erklärte der Präsident der DGEIM, Hendrik Treugut damit, dass eine "neue zukunftsträchtige Lehrkonstruktion" außerhalb etablierter Gleise einer "konventionell-akademischen Wissensvermittlung" bestände, um eine "im Wachsen begriffene medizinische Disziplin energy medicine" zu fördern. Die DGEIM beschäftigt sich mit Geistheilen, Skalarwellen, Pseudowissenschaften von Hulda Clark wie dem Hokupokus Zapper, Vakuum-Energie, Schumannwellen-Generatoren usw. Als Autoren der Lehrbriefe wurden außer Treugut selbst unter anderem genannt: Reimar Banis, Marco Bischof, Dieter Broers, Rüdiger Dahlke, Manfred Doepp, Arno Heinen, Bert Hellinger, Dieter Jossner, Dietrich Klinghardt, Bodo Köhler, Konstantin Korotkov, Dieter Lazik, Johann Lechner, Konstantin Meyl, Hartmut Müller, James Oschman, Fritz-Albert Popp, Alexander Rossaint, Bernd Senf, Marcus Schmieke und Ulrich Warnke.

Das Kolleg teilte zu dem Kurs mit, dass es keinen Mastergrad für Energy Medicine anbietet. Es handele sich vielmehr um eine Zusammenarbeit mit der DGEIM, "die als Rechtsträger eines Kurses Energy Medicine" fungiere. Weiter heißt es: "Manche TeilnehmerInnen dieses Kurses sind – formal und inhaltlich davon unabhängig – auch Studierende des Masterlehrganges für Komplementäre Gesundheitswissenschaften am Interuniversitären Kolleg."[5]

Forschung

Die nähere Betrachtung der Forschung, die von den Betreibern des interuniversitären Kolleg für Gesundheit und Entwicklung genannt wird, offenbart esoterische Hypothesen und Pseudowissenschaftliches vermischt mit Alternativmedizin. Als Forschungsgegenstände werden unter anderem genannt:

  • Tierversuche mit homöopathischen Mitteln (Amphibienmodell Homöopathie, Versuche an Fröschen)
  • Untersuchungen pseudowissenschaftlicher Hypothesen zu "nichtmolekulare Wirkungen von Hormonen", die auf der Wirkung von Musik von CDs usw. beruhen sollen.
  • Untersuchungen über homöopathisch zubereitetes Saatgut
  • Untersuchungen über mit "Infrarotlicht beaufschlagtem Wasser"
  • Kinesiologie
  • Bachblüten

Abschlussarbeiten

Am Kolleg wurden wiederholt Masterarbeiten angefertigt, die außerwissenschaftliche Hypothesen und pseudomedizinische, nicht validierte Verfahren nicht nur als Untersuchungsgegenstand aufgreifen, sondern wahlweise auch als vermeintlich etablierte Messmethoden heranziehen. Im Jahr 2007 wurde beispielsweise die Wirkung "elektronisch abgespeicherter Zahn- und Gelenksnosoden" bei Rheuma untersucht. Zum Nachweis wurde u.a. die Elektroakupunktur nach Voll eingesetzt. Die Arbeit führte zu einer Veröffentlichung in einer alternativmedizinischen Zeitschrift.[6] 2008 wurde in einer Masterarbeit untersucht, ob Pausen zwischen den Verdünnungsschritten bei der Herstellung einer homöopathischen D30-Potenz des Pflanzenhormons Gibberellinsäure die Wirkung des fertigen Präparats auf das Wachstum von Weizenkeimlingen unterschiedlich beeinflussen.[7] In der Arbeit wird die "generalisierte Quantentheorie" von Harald Walach als Erklärungsmodell herangezogen, in der ohne jede Rechtfertigung der quantenmechanische Begriff der Verschränkung auf makroskopische Objekte angewendet wird. So ist von einer "Verschränkung zwischen Arzneimittel und Substanz" und einer "Verschränkung der Kontrollgruppe mit den anderen Gruppen" die Rede. Ein weiteres Beispiel ist eine Arbeit aus dem Jahr 2010, die zu dem Ergebnis kommt, dass "die Befindlichkeit bei psychosomatischen Störungen" durch Anwendung des Ingenium-"Therapiesystems", einer Art Bioresonanz-System, "signifikant verbessert werden kann".[8] Als Nachweismethode diente die Stimmfrequenzanalyse "Vocalyse" des Friedrichshafener Arztes Arno Heinen. Diese Masterarbeit, ein Gemeinschaftswerk von drei Autoren, darunter der Ingenium-Vermarkter Fritz Madreiter, wurde von Arno Heinen und Hendrik Treugut betreut. Sie folgt oft typischen pseudomedizinischen und esoterischen Sprach- und Argumentationsmustern, etwa mit der ungenau gehaltenen Verwendung von Begriffen wie Welle, Interferenz, Resonanz, usw. und Bezugnahme auf scheinwissenschaftliche Konzepte wie Morphische Felder und Skalarwellen.

Ansichten und Aktivitäten von Lehrenden

Die am Kolleg tätigen Sören Ventegodt und Joav Merrick unterrichten dort in "Komplementären Gesundheitswissenschaften" und sind als "ganzheitliche" Ärzte bekannt, die die Germanische Neue Medizin 2005 in einem Artikel des von Ventegodt herausgegebenenScientific World Journal verteidigten. Dort verkündeten sie, dessen "eiserne Regel" sei ein "etabliertes Prinzip der holistischen Medizin". Der "holistische" Autor Sören Ventegodt verlor inzwischen seine Approbation wegen "therapeutischer" Vaginalmassagen[9][10] und ist nicht mehr am Kolleg tätig. Seinem Scientific World Journal wurde zudem vorgeworfen, Artikel gegen Bezahlung zu publizieren.[11] Die Ventegodt/Merrick-Studie ist auch dadurch gekennzeichnet, dass die Autoren fast nur sich selbst aus ihrer eigenen Zeitschrift heraus zitieren, anstatt auf die umfangreiche Fachliteratur zum Thema einzugehen.

Die ehemalige und von Kollegleiter Peter Christian Endler geführte Ludwig Boltzmann Forschungsstelle für niederenergetische Bioinformation hat die Wirkung des Produktes "levitiertes Quellwasser-Informationskonzentrat" eQwell der Firma Atlion Wasserforschung GmbH bestätigt, die behauptet, eine Wasseraufbereitung mittels "Elektronenstrahlen" zu bewerkstelligen. Nach Endler sei die ungenaue Bezeichnung "niederenergetische Bioinformation" einfach als "extrem schwache Signale" zu verstehen, die Auswirkungen auf Lebewesen haben sollen. Endler darf seit seiner Tätigkeit als Lehrbeauftragter am Institut für ganzheitliche Medizin der Universität Urbino (Italien) als "Univ.-Prof. (ac., Italien) a. D." auftreten. In Homöopathiekreisen ist Endler für seine Kaulquappenversuche bekannt. In den Veröffentlichungen dazu ist die Angabe zu finden, dass das Hormon Thyroxin in der Hochpotenz D30, laut Autoren dabei also so stark verdünnt, dass kein einziges Molekül des Hormons mehr zu erwarten ist ("substances so much diluted that no original molecule is present")[12], dennoch die Entwicklung von Kaulquappen verlangsame. Angeblich genüge es dafür bereits, die "Frequenzen" der homöopathischen Lösung auf CD zu brennen, sie in Wasser einzuspielen und dieses in einer verschlossenen Glasphiole ins Becken der Froschlarven zu hängen, um einen Effekt zu erzielen.[13]

Eine weitere Lehrkraft des Interuniversitären Kollegs ist der Zahnarzt Heinz Spranger (geb. 1942), unter dessen Namen man auf Webseiten wie "VirusMyth" und "AIDS-Kritik" stößt. Dort spekuliert Spranger über "chemische Vergiftungen" als wahre Ursache von BSE und äußert vehemente Zweifel an der von "amateurhafter Hilflosigkeit" geprägten Theorie, dass HIV die Ursache von AIDS sei. Im Beirat des Interuniversitären Kolleg sitzt Michael Frass, Leiter der AKH-Ambulanz "Homöopathie bei malignen Erkrankungen". Frass beschäftigt sich auch mit dem esoterischen Atox Bio Computer, dem er eine Wirksamkeit attestierte.

Erstaunlich ist auch das Staff-Mitglied Johannes Endler, seines Zeichens ehemaliger Assistent der Grazer Zirkusschule, das am Kolleg "Trainer für Integratives Jonglieren" ist.

Literatur

  • Ulrich Berger: Quantenmystik und Biokram. DER STANDARD, 27.07.2007

Weblinks

Quellennachweise

  1. Interuniversitäres Kolleg für Gesundheit und Entwicklung, Petrifelderstaße 4, A-8042 Graz
  2. http://www.inter-uni.net/download/Expedition_Masters_Health_Sciences.pdf
  3. http://www.samuel-hahnemann-stiftung.de/veranst_diverse/02_tag_2001_endler.html
  4. http://www.gwup.org/images/stories/pdf/skeptiker/vor%202008/altern.wiss.in-oesterreich-1.pdf
  5. http://www.inter-uni.net/Kritische_Stimmen Aufruf am 15. Juni 2011
  6. Schuller J, Galle M (2007): Untersuchung zur Prüfung der klinischen Wirksamkeit elektronisch abgespeicherter Zahn- und Gelenksnosoden bei Erkrankungen des Rheumatischen Formenkreises. Forschende Komplementärmedizin 4:289-296
  7. Jürgen Hofäcker: Der Einfluss der Intervalldauer bei der Herstellung ultrahochverdünnter homöopathischer Präparate (homöopathische Hochpotenzen). Thesis zur Erlangung des Grades Master of Science (MSc) am Interuniversitären Kolleg für Gesundheit und Entwicklung Graz / Schloss Seggau, Juni 2008. Betreuer: Christian Endler
  8. Fritz Madreiter, Christiane Renkl Hetzenauer, Jürgen Bergauer: Verlaufsbeobachtung von psychosomatischen Störungen an 30 Probanden unter Anwendung des Ingenium-Matrix-Bionic-Systems. Thesis zur Erlangung des Grades Master of Science (MSc) am Interuniversitären Kolleg für Gesundheit und Entwicklung Graz / Schloss Seggau, September 2010. Betreuer: Privatdozent Dr. med. Hendrik Treugut, Dr. Arno Heinen
  9. http://www.berlingske.dk/article/20051129/danmark/111290743/
  10. http://www.kvp.se/Nyheter/1.397878/soren-ventegodt-ville-bota-med-vaginal-massage
  11. http://kasperolsen.wordpress.com/2005/12/19/more-dangerous-pseudo-science/
  12. Endler PC, Pongratz W, Smith CW, Schulte J: Non-molecular information transfer from thyroxine to frogs with regard to homeopathic toxicology. Vet Hum Toxicol. 1995 Jun;37(3):259-60 pdf
  13. PC Endler, C Heckmann. E Lauppert, W Pongratz, J Alex, D Dieterle, C Lukitsch, C Vinattieri, CW Smith, F Senekowitsch, H Moeller, J Schulte (1998): The metamorphosis of amphibians and information Thyroxin storage via the bipolar fluid water and on a technical data carrier; transference via an electronic amplifier. In: J Schulte and PC Endler (eds.), Fundamental Research in Ultra High Dilution and Homoeopathy, 155-187. Kluwer Academic Publishers