Überhorizontradar

Aus Psiram
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Ein Überhorizontradar (englisch over-the-horizon radar, OTHR) ist eine im Kurzwellenbereich arbeitende Radaranlage. Unterschiede zu herkömmlichen Radaranlagen sind der Frequenzbereich (Kurzwelle anstatt Mikrowelle) sowie die Tatsache, dass die Antennen nicht drehbar sind und somit nur einen bestimmten Winkelbereich erfassen. Die Reichweite ist viel höher, typisch werden 900 bis 3.000 km genannt, dafür ist die Auflösung mit einigen 10 km recht niedrig. Vor allem wegen der erforderlichen großen Antennen ist der technische Aufwand enorm. Hauptzweck der Anlagen ist das Erfassen von fliegenden Raketen und Flugzeugen; teilweise können aber auch Schiffe detektiert werden. Heute sind diese Relikte des Kalten Krieges weitgehend durch Satellitenaufklärung ersetzt.

Überhorizontradaranlagen wurden - und werden teilweise noch - u.a. von Russland, den USA, Großbritannien, Frankreich und Australien betrieben. Allein die US-Luftwaffe hatte 7 Anlagen des Typs AN/FPS-118,[1] die jedoch inzwischen alle außer Betrieb sind. In Europa sind die DUGA-3 Anlage in der Ukraine (ebenfalls stillgelegt) sowie eine britische Anlage auf Zypern besser bekannt geworden. In Mitteleuropa noch häufiger zu empfangen sind die Signale des französischen NOSTRADAMUS-Systems von einem Standort etwa 100 km westlich von Paris, das in den 1990er Jahren entwickelt und 2005 an das französische Militär übergeben wurde.

Funktionsprinzip

Abgerüstete AN/FPS-118-Anlage in Oregon

Überhorizont-Radaranlagen bestehen aus einem starken Kurzwellensender und einem typischerweise 20-200 km entfernten Empfänger. Der Sender strahlt Impulsfolgen aus (Pulsfolgefrequenz beim DUGA-3: 10 Hz). Die Strahlungsleistung (effectivce radiated power ERP = Produkt aus der Leistung des Senders und dem sog. Antennengewinn) kann mehrere Megawatt betragen. Der Empfänger registriert diese Impulse, aber ebenso die (viel schwächeren) Reflexionen einer Vielzahl von Objekten, die in der Lage sind, Funkwellen im Kurzwellenbereich zu reflektieren. Ausgewertet wird, wie beim konventionellen Radar, die Signallaufzeit, also die Zeit bis zum Eintreffen der reflektierten Welle, die ein Maß für die Entfernung zum Objekt ist. Überhorizontradare nutzen die Tatsache, dass Funkwellen an bestimmten Schichten der Atmosphäre reflektiert werden (z.B. der E-Schicht und der F-Schicht in 100 bis 400 km Höhe) und sich so über den Horizont hinweg ausbreiten. Es gibt allerdings neuere OTHR-Konzepte, bei denen nicht diese so genannte Raumwelle, sondern die Bodenwelle ausgewertet wird.

DUGA-3

Antennenanlage DUGA-3

Über dieses ehemalige sowjetische System nahe dem ukrainischen Tschernobyl sind relativ viele Daten bekannt.[2] Der Sender arbeitete auf häufig wechselnden Frequenzen zwischen 7 und 19 MHz bei einer Leistung von 10 MW ERP. Die Impulsfrequenz war 10 bis 20 Hz, die Bandbreite der Aussendungen lag bei 40 kHz. Die Signale hörten sich in Kurzwellenempfängern ähnlich wie das Klopfen eines Spechts an, deshalb war die Anlage unter dem Namen Woodpecker bekannt; die NATO-Bezeichnung war Steel Yard. Sie war von 1976 bis 1989 in Betrieb und wurde von vielen Nutzern anderer Funkdienste auf Kurzwelle (z.B. Flugfunk, Seefunk, Rundfunk, Amateurfunk) wegen der davon ausgehenden Störungen als Plage empfunden.

Verschwörungstheorien um Überhorizontradaranlagen

Die Anlagen unterlagen lange Zeit strikter militärischer Geheimhaltung. Zusammen mit den oftmals gigantischen Abmessungen war dies Zündstoff für alle möglichen Verschwörungstheorien. Beispielsweise wurde behauptet, dass die Anlagen gar nicht Ortungszwecken dienen, sondern "Gehirnwellen" des Menschen beeinflussen sollen, um diese im Sinne einer Neuen Weltordnung mittels Mind Control beliebig zu manipulieren. Es gibt jedoch keine konkreten Berichte über "geglückte" derartige Manipulationen mit Kurzwelle. Analog zur Ionosphärenforschungsstation HAARP in Alaska sollen derartige Anlagen auch an entfernten Orten Zerstörungen anrichten können, heißt es gerne. Überhorizontradaranlagen können auf Grund der viel zu geringen Leistung und der schlechten Bündelbarkeit der Funkwellen jedoch prinzipiell keine Ziele zerstören, wie dies oft quellenlos behauptet wird. Allenfalls im absoluten Nahbereich sind Schäden denkbar.

Einigen Verschwörungstheoretikern (z.B. Werner Altnickel) zufolge soll die DUGA-3-Anlage in der Ukraine Teil eines größeren, in Aufbau befindlichen Systems zum Zweck der Wetterbeeinflussung, Mind Control und anderer finsterer Machenschaften gewesen sein. Beispielsweise sollte damit 1986 ein Erdbeben in Kalifornien ausgelöst werden. Eine "kleine, geheime US-Aktionsgruppe" sei dem aber im April 1986 zuvor gekommen und habe den angeblichen Skalarwellen-Sender zerstört. Als Folge sei es zur Katastrophe von Tschernobyl gekommen, da der dortige Kernreaktor den Sender mit Strom versorgte.

Weblinks

Quellenangaben