Hyperschalltheorie nach Gebbensleben

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Reiner Gebbensleben

Das Wort Hyperschall wird gelegentlich als Bezeichnung für Schall oberhalb einer Frequenz von etwa 1 GHz benutzt, also für sehr hochfrequenten Ultraschall. Bei Alltagsphänomenen spielt solcher Schall keine Rolle. Der Ingenieur Reiner Gebbensleben (geb. 1939, Magdeburg) aus Dresden vertritt dagegen die pseudowissenschaftliche Ansicht, dass viele technische und natürliche Vorgänge auf dem Vorhandensein von Hyperschall beruhen und dass er mit dieser Erkenntnis einem "unerträglichen Erklärungsnotstand" der Naturwissenschaften abhelfe.[1][2] Unter anderem ist Hyperschall seiner Meinung nach vom Menschen wahrnehmbar und Elektrosmog sei in Wahrheit Hyperschall.

Inhalte von Gebbenslebens Theorie

 
Schaubild von Gebbensleben[1]
 
Angebliche Schallpegel von Hyperschallquellen[3]

Unter Hyperschall versteht Gebbensleben mechanische Schwingungen und Wellen im GHz- bis THz-Frequenzbereich, die zur Ausbreitung "ein Medium wie Wasser oder Luft" brauchen (er bezeichnet diese Schwingungen physikalisch falsch als Materiewellen). Die Entstehung dieses Hyperschalls erklärt er so:

Treffen freie Elektronen auf Materie, setzen sie beim elastischen Stoß ihre gesamte kinetische Energie in mechanische Impulse um. Dabei werden Atome und Moleküle zu atomaren Eigenschwingungen angeregt, die sich in Stoßrichtung als longitudinal schwingende Materiewelle fortpflanzen.

Hier ist ein vager Bezug Gitterschwingungen oder Phononen zu erkennen. Allerdings haben sehr hochfrequente Schallwellen in Festkörpern und erst recht in Gasen wegen der starken Absorption eine geringe Reichweite, bei einer Frequenz von z.B. 1 GHz typisch unter 1 mm. Gebbensleben meint dagegen, seine Hyperschallwellen gelangten "wegen ihres hohen Durchdringungsvermögens nicht nur bis in die Tiefen der Weltmeere, sondern durchlaufen auch den gesamten Globus."

Technisch messbar sei dieser Hyperschall nicht, wohl aber mit den Mitteln der Radiästhesie nachweisbar. Gebbensleben benutzt dazu eine Wünschelrute aus gebogenem Draht (Winkelrute). Überhaupt seien alle radiästhetischen Phänomene wie Erdstrahlen usw., die er als reale Gegebenheiten ansieht, auf die Anwesenheit von Hyperschall zurückzuführen. Auch will er beim Menschen ein "sensorisches System für die Perzeption von Hyperschall" entdeckt haben, das aus insgesamt 82 Stellen in der Knochenhaut von "Röhrenknochen des Bewegungsapparates" bestehe. An der Wahrnehmung beteiligt seien außerdem die Meridiane.

Auch wenn Gebbensleben seine Erkenntnisse für einen "Sprung in der Evolution menschlichen Denkens" hält, so sind sie doch lediglich eine Sammlung unbelegter und abstruser Behauptungen. Zwar stellt er in seinem Buch Der sechste Sinn und seine Phänomene[2] auch einige Experimente vor, mit denen er auf radiästhetischem Weg beispielsweise das erwähnte "sensorische System" untersucht habe, aber den Bezug zum Hyperschall postuliert er nur. Einige weitere Behauptungen:

  • Es gebe ein natürliches "globales Hyperschallfeld", das durch kosmische Strahlung hervorgerufen werde.
  • "Elektrosmog ist Hyperschall". Alle elektronischen Geräte und ganz besonders Energiesparlampen gäben Hyperschall ab. Nur "Glühlampen bleiben mit ihren Hyperschallamplituden im natürlichen Bereich".
  • Mit Hyperschall seien auch solche Phänomene erklärbar, für die es "bis heute keine schlüssige Erklärung" gebe, Als Beispiele nennt Gebbensleben u.a. das Hummel-Paradoxon, Freie Energie, Wasseradern, Telepathie oder den Vogelzug, also Phänomene, die tatsächlich keineswegs rätselhaft oder schlicht Hirngespinste sind.
  • Die von Esoterikern behauptete "Pyramidenenergie" basiere auf der Bündelung von natürlichem Hyperschall im Innern einer Pyramide.
  • "Champignons und Löwenzahn, die durch knochenharten Asphalt durchbrechen", könnten so starken Hyperschall erzeugen, "dass Asphalt butterweich wird". Der Asphalt werde dabei "zu anderen Elementen transmutiert".
  • Meteoriten erzeugten "extrem starke Hyperschallfelder, die mitunter tagelang in Wohnräumen gespeichert bleiben und grippeähnliche Symptome hervorrufen".
  • Hyperschall spiele "beim Auskristallisieren informationstragender Milchzuckerlösung auf Globuli" und somit in der Homöopathie eine Rolle.
  • Lebewesen erzeugen laut Gebbensleben ebenfalls Hyperschall, die Quellen seien "feuernde Synapsen". Die stärkste biologische Hyperschallquelle sei das menschliche Gehirn.
  • Im Gehirn würden "Hyperschallfelder" gespeichert. Bei Komapatienten brächen diese Felder zusammen und die Erinnerungen gingen dadurch verloren.

Gebbensleben gibt auch Schallpegel in dB (Dezibel) an, wobei aber unklar ist, was er unter "Emissionspegel" versteht, d.h. in welcher Entfernung von der Schallquelle die genannten Werte gelten sollen. Ebenso unklar ist die Bezugsgröße bei seinen Pegeln.[4] Er sagt zwar, 0 dB entspräche der "Wahrnehmungsschwelle", aber nicht, welche physikalische Größe (also z.B. Schalldruck oder Teilchengeschwindigkeit) und welchen Wert er meint. Davon abgesehen hantiert Gebbensleben mit mathematisch grotesken Werten von mehreren hundert bis über 1000 dB. So erzeuge eine 23 Watt-Energiesparlampe einen Hyperschallpegel von "312 dB". Nimmt man als "Wahrnehmungsschwelle" einen Schalldruck von 20 µPa an, der Standardwert für den Hörfrequenzbereich, so müsste diese Lampe eine Schallleistung von über 1019 Watt abstrahlen.[5]

Rezeption

Trotz der offenkundigen Unsinnigkeit von Gebbenslebens "Theorie" wurde sie verschiedentlich unkritisch aufgegriffen, etwa von Pyramidenenergie-Hobbyforschern, vom Radiästhesie-Anhänger Friedrich Balck, oder vom Hersteller der Master Power Plates, einem Scharlatanerieprodukt, das gegen Elektrosmog schützen soll. Raum & Zeit, eine Zeitschrift für Esoterik und Pseudowissenschaften aller Art, gab Gebbensleben bis 2014 viermal Gelegenheit, seine Vorstellungen zu verbreiten.[6] [7][8][9] Anklang fanden sie auch bei Alternativmedizinern. Vor allem der Arzt Richard Kraßnigg, der auch Vorsitzender des Vereins Internationale Medizinische Gesellschaft für Elektroakupunktur nach Voll e.V. (IMGEAV) ist, bemüht sich um die Verbreitung. 2013 und 2014 veröffentlichte er fünf Artikel zum Thema in CoMed,[10][11][12][13][14] eine Zeitschrift, die pseudomedizinischen Methoden und Vorstellungen eine Werbeplattform bietet. Kraßnigg hält Vorträge zu Hyperschall, beispielsweise auf einem Symposium des Vereins DGEIM im Jahr 2013. Bei der BeTeWi-Akademie ist eine DVD von ihm mit dem Titel "Hyperschall & EAV erhältlich. Zusammen mit Gebbensleben bietet Kraßnigg "Ausbildungen" in "Medizinischer Hyperschallakustik" an.[15]

Quellen

  1. 1,0 1,1 Reiner Gebbensleben: Hyperschall. Das unsichtbare Licht (von Gebbensleben im Internet verbreitete Abhandlung, 2013)
  2. 2,0 2,1 Reiner Gebbensleben: Der sechste Sinn und seine Phänomene. Physikalische und neurophysiologische Grundlagen der Wahrnehmung von Hyperschall. Books on Demand GmbH, Norderstedt, 2010
  3. Reiner Gebbensleben: Elektrosmog – was wirklich dahinter steckt (von Gebbensleben im Internet verbreitete Abhandlung, 2011)
  4. Ein Pegel L in dB ist ein "Verhältnismaß", d.h. er gibt an, um wieviel größer oder kleiner eine Messgröße gegenüber einem Bezugswert ist. Beispielsweise ist der Schalldruckpegel gegeben durch L = 20 lg(prms/pref), dabei ist prms der quadratische Mittelwert (auch RMS-Wert, root mean square) des Schalldrucks und pref der Bezugsschalldruck. Bei Luftschall im Hörfrequenzbereich hat pref üblicherweise den Wert 20 µPa. Dies hat historische und andere Gründe, so liegt die menschliche Hörschwelle bei einer Frequenz von 1000 Hz im Mittel (allerdings mit großen individuellen Abweichungen) bei etwa 20 µPa. Bei einer vollständige Angabe eines Pegels wird der Bezugswert mit genannt; bei Schallpegeln heißt es dann z.B. 70 dB re 20 µPa.
  5. Für diese Rechnung wurde angenommen, dass der von Gebbensleben genannte Pegel der sogen. Schallleistungspegel ist, d.h. er herrscht auf einer Kugel mit 1 m2 Oberfläche mit der (punktförmig gedachten) Schallquelle im Mittelpunkt, oder vereinfacht gesagt, in etwa 30 cm Abstand von der Quelle. Der Bezugsschalldruck von 20 µPa entspricht dann ziemlich genau einer abgestrahlten Schallleistung von 1 pW und die von Gebbensleben behaupteten "312 dB" dem 1031,2-fachen davon oder 1,58⋅1019 W. nach Angaben von statista.com entspräche das etwa dem 7-Millionen-fachen der weltweit installierten Kraftwerksleistung.
  6. Elektro-Smog. Ist technischer Hyperschall der geheimnisvolle Übeltäter? raum&zeit 175 (2012), 78-83
  7. Hyperschall – universeller Informations- und Energieträger. Teil 1: Entstehung und Eigenschaften. raum&zeit 190 (2014), 62-66
  8. Hyperschall – universeller Informations- und Energieträger. Teil 2: Auswirkungen auf den Menschen. raum&zeit 191/2014, 64-69
  9. Hyperschall – universeller Informations- und Energieträger. Teil 3: Gefährdungspotenzial und Nutzen. raum&zeit, Nr. 192/2014, 52-57
  10. R. Kraßnigg: Hyperschall – Neue Erkenntnisse für die biologische und klinische Grundlagenforschung (Teil 1). Co'Med 07/2013, 44-49
  11. R. Kraßnigg: Hyperschall – ihre Nutzung in der medizinischen Hyperschalldiagnostik und Hyperschalltherapie (Teil 2). Co'Med 08/2013, 34-37
  12. R. Kraßnigg: Hyperschall – Die Ausleitung von organischen Lösungsmitteln (Teil 3). Co'Med 10/2013, 50-54
  13. R. Kraßnigg, R. Gebbensleben: Hyperschall – Homöopathie – wichtigste medizinische Basistherapie der Zukunft (Teil 4). Co'Med 11/2013 ,34-38
  14. R. Kraßnigg: Hyperschall – Borelliose (Teil 2). Co'Med 12/2014, 42
  15. Flyer Medizinische Hyperschallakustik. Ausbildung 2015