Regividerm

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Bildquelle: Mavena Health Care AG (mavena.com)

Einleitung

Regividerm ist der Handelsname einer Vitamin B12 (Cyanocobalamin) und Avocadoöl enthaltenden Salbe, die als nicht-apothekenpflichtiges Medizinprodukt der Klasse IIa gegen atopische Dermatitis (Neurodermitis) und Psoriasis (Schuppenflechte) registriert wurde, und deren Inverkehrbringung zur Zeit behördlich geprüft wird. Die Salbe sorgte im Oktober 2009 für Schlagzeilen und war Thema von Fernsehbeiträgen im öffentlich-rechtlichen TV-Programm ARD. Für Medizinprodukte ungewöhnlich wurde zu der Wundersalbe[1] Regividerm am 19. Oktober 2009 ein pseudokritischer Dokumentarfilm des WDR in der ARD gesendet, der dem Zuschauer den Eindruck vermittelte, das zukünftige Medizinprodukt würde von einflussreichen Pharmaunternehmen unterdrückt und sei gleichzeitig wirksamer als vergleichbare, herkömmliche Mittel und habe keine Nebenwirkungen. Der Autor des Films, Klaus Martens, ist gleichzeitig Autor eines Buches zum Thema (vom WDR als Buch zur Sendung bezeichnet), das im Zusammenhang mit den Fernsehsendungen an prominenter Stelle in der ARD vorgestellt wurde und zeitweilig als Folge des Medienrummels auf der Amazon-Bestsellerliste auf Platz 2 vorrückte.

Regividerm wird von dem Schweizer Pharmaunternehmen Mavena Health Care AG[2] vermarktet. 100 Gramm der Creme kosten 28,85 Euro.

Ausserhalb Deutschlands, der Schweiz und Österreichs ist das Produkt weitgehend unbekannt.

Regividerm

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Herstellung (Quelle:WDR-Film)

Regividerm ist der Handelsname eines vom TÜV registrierten Medizinproduktes der Klasse IIa[3] aus B12 und Avocadoöl. Eine Inverkehrbringung wird zur Zeit behördlich (Bezirksregierung Düsseldorf) geprüft, ebenso die Frage, ob es sich nicht eigentlich um ein zulassungspflichtiges Arzneimittel handelt.[4] Eine Apothekenpflicht als Medizinprodukt besteht nicht, es könnte in jedem Supermarkt angeboten werden. Im Gegensatz zu einem Arzneimittel braucht ein Medizinprodukt keinen Wirksamkeitsnachweis.[5] Wolfgang Becker-Brüser, Geschäftsführer der Arzneimittelinformation GmbH, die das Arznei-Telegramm herausgibt, wies in einem Gespräch mit dem WDR darauf hin, dass die Creme nicht als Arzneimittel zugelassen sei, sondern nur eine Zertifizierung als Medizinprodukt habe: "Eine Zertifizierung sagt nichts über den Nutzen aus, während eine Zulassung als Arzneimittel einen Hinweis auf den Nutzen gibt". Regividerm wurde demnach nicht zugelassen, sondern lediglich für Deutschland und die Schweiz registriert (Klasse IIa: mäßiger Invasivitätsgrad, kurzzeitige Anwendung am Körper). Die erforderlichen klinischen Tests für ein Medizinprodukt der Klasse II sind minimal und mit denen für ein Arzneimittel nicht zu vergleichen. Ein Medizinprodukt der Klasse II ist auch nicht für den längeren Gebrauch bestimmt.

Die Zertifizierung der Salbe erfolgte durch den TÜV und laut Spiegel bereits am 28. August 2009,[6] also lange vor den Fernsehaussendungen des 19. und 21. Oktober 2009. Allerdings steht noch eine endgültige Zulassung durch die zuständige Düsseldorfer Bezirksregierung aus. Laut Sprecherin der Behörde seien bis zum 23. Oktober 2009 die dafür notwendigen Unterlagen nicht eingetroffen. Zudem sehe die B12-Anwendung nach einer pharmakologischen Anwendung aus, was das aufwändigere Zulassungsverfahren für Arzneimittel notwendig machen würde.[7] Eine erste Charge von 25.000 Tuben wurde am 4. November 2009 an den Großhandel in Deutschland und der Schweiz ausgeliefert.

Die laut Anbieter genaue Zusammensetzung (Stand Herbst 2009) der Original Regividerm® Vitamin B12 Salbe ist:

  • 0,07 Gramm Vit­amin B12/Cyanocobalamin (der größte Teil der B12-Weltproduktion wird gentechnisch hergestellt)
  • 46 Gramm Avo­kadoöl
  • 45,42 Gramm Wasser
  • 8 Gramm TEGO® Care PS
  • 0,26 Gramm Kaliumsorbat
  • 0,25 Gramm Zitronensäure

In einer älteren Patentanmeldung (KLINGELHÖLLER, Karsten WO/1994/028907) von 1993/1994 war eine etwas abweichende Rezeptur mit Pantothensäure (Vit. B5) angegeben: 350 ml Avocadool, 350 ml dest. Wasser, 70 ml D-Panthenol, 525 mg Cyanocobalamin, 175 mg Hydroxycobalamin und 100 g Emulgator, z.B. erhältlich unter den Handelsnamen Euxyl K, Lamecreme oder Emulsan, vermischt und anschließend auf 1.000 ml aufgefüllt.[8]

Die Kosten für das Vitamin B12, das für 100 Gramm der Salbe benötigt wird, liegen bei 27 Eurocent, wenn der günstigste Weltmarktpreis von 400 € je 100 g zu Grunde gelegt wird.

Die Erfindung

Karsten Klingelhöller[9]
Webseite von 1999
Webseite von 1999

Als Erfinder von Regividerm gilt der damalige Medizinstudent Karsten Klingelhöller, der später sein Studium abbrach. Er und der befreundete Chemiestudent Thomas Hein rührten in einer Wuppertaler Wohnung Ende der 1980er Jahre eine Salbe mit Vitamin B12 zusammen und probierten sie an der Freundin des Studenten, Kerstin Suborg, aus. Die Haut sei durch die rosa Creme sofort besser geworden, Nebenwirkungen habe sie keine gespürt, erinnert sie sich laut Buchautor Martens. Die beiden Studenten überredeten den Bochumer Dermatologie-Professor Peter Altmeyer, das Mittel in einer Studie zu testen. Klingelhöller hat die Creme weltweit zum Patent angemeldet. Das Wirtschaftsprüfunternehmen Price Waterhouse Cooper soll den Wert der einfachen Rezeptur auf 936 Millionen Dollar geschätzt haben. Eigentümerin der Marke Regividerm ist die Regeneratio Pharma GmbH in Remscheid, Nachfolgerin der 2004 insolvent gegangenen Regeneratio Pharma AG. Nach Angaben der Regeneratio sollen "fast 10 Mio. DM Forschungs- und Entwicklungsgelder investiert" worden sein, als es mit Investoren zur Gründung der Regeneratio Pharma AG kam. Zitat: "Bis vor kurzem führte der Firmengründer Herr Klingelhöller die Regeneratio Pharma AG selbst [...] Mittlerweile hat Herr Klingelhöller die Position des Vorstandes an den international erfahrenen Manager Herrn Osman Burak Akdikmen abgegeben." Laut Bundesanzeiger kam es dann dennoch zur Insolvenz: 145 IN 126/04: Über das Vermögen der im Handelsregister des Amtsgerichts Wuppertal unter HRB 9680 eingetragenen REGENERATIO PHARMA Aktiengesellschaft, Kleine Klotzbahn 23, 42105 Wuppertal, vertreten durch den Vorstand Osman Burak Akdikmen, Hainstraße 155, 42109 Wuppertal, Geschäftszweig: Entwicklung, Produktion und Vermarktung von Arzneimitteln, wurde am 1. April 2004, 8:45 Uhr, das Insolvenzverfahren eröffnet.[10]

Noch bevor die Ergebnisse aus den Untersuchungen ab dem Jahr 2000 vorlagen, wurde das Produkt bereits 1998/1999 von der Regeneratio Pharma AG als ATU Red-Creme vermarktet, für 37,90 DM für eine 50-ml-Dose. Das Mittel wurde damals im Rahmen eines "innovativen Therapiekonzepts mit Regividerm®" als ein "Kosmetikangebot für alle Hauttypen, besonders zur unterstützenden Pflege bei Neurodermitis und Psoriasis mit B 12" angeboten. 1999 war auf der Webseite der Regeneratio Pharma AG auch zu lesen: "Die Verwendung von Vitamin B12 in der Kosmetik, speziell zur unterstützenden Pflege von Neurodermitis und Psoriasis, ist erstmals von der Regeneratio Pharma AG genau untersucht worden. Die positiven Effekte sind durch unsere Ergebnisse belegt und weltweit patentgeschützt." Bereits in den 1950er Jahren durchgeführte Versuche mit B12 bei Hauterkrankungen[11] wurden anscheinend nicht berücksichtigt. Zusammen mit der ATU Red-Creme wurde versucht, andere Mittel wie eine ATU-Energy-Creme ("mit juvenilisierendem Vitamin E") zu vermarkten.[12] In der ARD-Sendung hart aber fair wurde dies falsch dargestellt: Auf Nachfrage von Moderator Plasberg, was denn den "Spinner in der Garage" von Klingelhöller unterscheide, antwortete Martens sinngemäß, Klingelhöller habe erst klinisch geprüft und dann versucht, zu vermarkten. Er widerspricht damit seinem eigenen Bericht und den im Internet leicht recherchierbaren Fakten zur Geschichte von Regividerm. Aus Martens eigenem Bericht geht hervor, dass die Kleinstudien erst nach 1999 begonnen wurden.

Das Mittel wurde erstmals 1993 zum Patent angemeldet und Klingelhöller hat die Rezeptur – nach dem Martens-Bericht – schon ab 1994 mehreren Firmen angeboten. Zu Vertragsabschlüssen kam es jedoch nicht. Nach Aussage des Schweizer Immunologen Beda Stadler sollen dem Erfinder von der Pharmaindustrie 15 Millionen Euro für das Patent geboten worden sein. Das Angebot sei aber abgelehnt worden.[13] Die Ärztezeitung sprach in diesem Zusammenhang sogar von einem möglichen "dreistelligen Millionenbetrag".[14] Die Firma Regeneratio Pharma verbreitete hingegen: "Wir haben uns deshalb gegen alle Widerstände entschlossen, Regividerm® Salbe selbst zu produzieren und hoffen, damit schon bald den Betroffenen der großen Zivilisationskrankheiten Neurodermitis und Psoriasis (Schuppenflechte) wirksam und nebenwirkungsarm helfen zu können!"

Studienlage

Veröffentlichte Untersuchungen

Die Studienlage ist denkbar schlecht, um Regividerm als ein Wundermittel promoten zu können, was selbst der Hersteller zugibt: "Wir haben jedoch kleine Versuche durchgeführt, die alle zum gewünschten Resultat geführt haben", so Mavena-Geschäftsführer Hans-Joachim Zeisel. Regividerm habe laut Zeisel sowieso "keine Nebenwirkungen und könne im Gegensatz zu chemischen Neurodermitis-Medikamenten mit Cortison auch längere Zeit angewendet werden". Der WDR sieht das ganz anders und schreibt in einer schriftlichen Stellungnahme der „hart aber fair“-Redaktion an die ZAPP-Redaktion des NDR am 28. Oktober 2009: Der Redaktion liegen sechs Studien vor, die wir für valide und seriös halten.

Bei einer Suche in medizinischen Datenbanken stößt man auf zwei Studien zu Regividerm, beide vom Hersteller finanziert ("Acknowledgement: This investigation was supported by Regeneratio Pharma AG, Wuppertal, Germany")[15] und beide auf dem geringen Level IVa der Validitätskriterien einzuordnen. Laut Patentinhaber seien weitere Studien nicht geplant. Nach Ansicht der Deutschen Apotheker Zeitung reichen die beiden auswertbaren Studien keinesfalls aus, um die Rezeptur als Arzneimittel zuzulassen.[16]

Eine der beiden Untersuchungen erschien 2001 in der Zeitschrift Dermatology. Daran hatten gerade einmal 13 Patienten mit chronischer Plaquepsoriasis teilgenommen, von denen aber nur 11 berücksichtigt wurden.[17] Es handelte sich um eine randomisierte Studie, in der im intraindividuellen Rechts-Links-Vergleich an den Armen die rosafarbene Vitamin-B12-Avocadoöl-Salbe gegen eine weiße Calcipotriol-Salbe über zwölf Wochen getestet worden ist. Das Ergebnis: Die Calcipotriol-Salbe war nach vier Wochen am wirksamsten, dann ließ die Wirkung aber nach. Nach 12 Wochen war kein Unterschied zwischen beiden Mitteln mehr nachweisbar. Der dabei eingesetzte PASI-Score wurde durch die Salbe nicht besser als unter der kon­ven­tio­nellen The­rapie. Bei dieser Studie bleibt offen, inwieweit ungesättigte Fettsäuren im Avocadoöl eine Wirkung entfalteten.[18]

Die andere Studie wurde 2004 im British Journal of Dermatology publiziert. An der randomisierten und placebokontrollierten, aber unverblindeten Untersuchung nahmen 49 Neurodermitis-Patienten teil.[19] Über einen Zeitraum von 8 Wochen trug jeder Patient morgens und abends auf eine Armseite die Placebo-Salbe, auf die andere die Vitamin-B12-haltige Salbe auf. Ein seltsames Ausschlusskriterium war eine Known vitamin B12 allergy. Die Patienten bewerteten die Vitamin-B12-Salbe besser. Der Erfolg wurde mit dem vom untersuchenden Arzt erhobenen modified Six Area Six Sign Atopic Dermatitis score (SASSADS) gemessen und nicht an objektiveren Kriterien wie Cortisonverbrauch oder Anzahl der Arztbesuche. Der SASSADS gilt als ein Score, der vom Untersucher beeinflussbar ist: "As with many other tested atopic eczema sco­ring indices, the SASSAD index is sub­ject to signi­fi­cant interobserver varia­tion, reflec­ting the dif­fi­cul­ties in reli­ably asses­sing eczema seve­rity objectively."[20] Das Fazit der Studie: "At the con­clu­sion of the study, the inves­ti­gator and pati­ents awarded mostly a 'good' or 'very good' rating to the active drug (58% and 59%, respec­tively) and a 'mode­rate' or 'poor' rating to the pla­cebo (89% and 87%, respectively)."

Eine eingehende Analyse der Studien ist im Blog von Tobias Maier zu sehen.

Der Erstautor beider Studien, der Dermatologe Markus Stücker von der Ruhr-Universität Bochum, sieht, wie auf den Online-Seiten der Süddeutschen Zeitung zu lesen ist, weiteren Forschungsbedarf. Man habe auch mitnichten "ein Zaubermittel", er sehe das "verhalten" und "die Sicherheit [sei] noch nicht da", man habe bislang viele Medikamente gesehen, die das nicht halten konnten, was sie versprochen haben.[21] Stücker stellte auch Theorien um eine angebliche Unterdrückung des Mittels in Frage, die die Fernsehdokumentation der ARD suggeriert hatte: "Ich würde daraus keinen Betrug am Patienten konstruieren." In einem Interview im Jahre 2009 teilte Stücker zudem mit, damals die Rezeptur der eingesetzten Salbe nicht gekannt zu haben Da wir die Rezeptur für die Salbe, die jetzt ja plötzlich zugänglich ist [...] nie erhalten haben, konnten wir sie nicht selbst mischen und unsere Patienten nicht weiter behandeln.[22] Ein weiterer Autor der Studie, der Dermatologe Peter Altmeyer an der Uni Bochum, äußerte sich im Spiegel zur damaligen Untersuchung. Demnach habe man vor neun Jahren "rosa Hühnerkacke" auf die Haut von 13 Probanden geschmiert. "Es war eine äußerst simple Studie. Ein einfacher Seitenvergleich, ein Arm mit Salbe, einer ohne. Mehr nicht". Altmeyer sieht seine Ergebnisse aktuell missbraucht: "Das Ganze ist nichts als Werbemache".[23]

Jörg Prinz, Dermatologe und Experte für Schuppenflechte an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität, warnt davor, die Zahlen aus den Studien überzubewerten. "Die Studie zeigt möglicherweise eine Tendenz, die auf die Wirksamkeit des Mittels hindeutet [...] Aber gerade bei Hautkrankheiten haben viele Präparate auch eine psychische Wirkung. Es ist schwer, diese Faktoren auseinanderzuhalten." Prinz äußerte sich auch zum möglichen Wirkprinzip des Cyanocobalamins: "Wir wissen, dass Cyanocobalamin Stickoxid-Moleküle neutralisieren kann [...] und Stickoxid spielt bei Entzündungsreaktionen, wie sie bei Schuppenflechte auftreten, eine große Rolle. [...] Das Stickoxid, das durch das Vitamin B12 unschädlich gemacht wird, ist aber eine Folge der Entzündung, nicht deren Ursache". Eine Aussage, die eine "heilende Wirkung" von Regividerm in Frage stellt. Auch der Hamburger Dermatologe Kristian Reich kritisiert die mangelnde Datenlage: "Die Datenlage reicht nicht aus, um die Wirksamkeit und die Sicherheit des Produkts zu beurteilen."[24]

Eine weitere Untersuchung zum Thema B12 Salbe Regividerm vom August 2009 erschien in einer fragwürdigen Publikation (The Journal of Alternative and Complementary Medicine). Der hier berichtende amerikanische Behandler Januchowski ist als D. O., also ein Doctor of Osteopathy ausgewiesen (eine US-amerikanische Spezialität, ein Studium mit verminderten Ansprüchen) und hatte lediglich 21 Kinder behandelt. Im Film wird er als "Hautarzt" benannt (31:50) und auch im Untertitel als "Hautarzt" (32:02, 35:43) bezeichnet. Im Verzeichnis der Klinik, in der er angestellt ist, wird er jedoch als Leiter der "Family medicine" geführt,[25] was der deutschen "Allgemeinmedizin" entspricht.

Angebliche Untersuchungen des Erfinders

In der ersten Patenanmeldung zu Regividerm[26] wird beleglos behauptet, dass bei jeweils 10 Patienten mit Psoriasis und Neurodermitis ein 10 cm2 großes erkranktes Hautareal nach 30 Behandlungstagen auf 0 cm2 reduziert war. In einer weiteren Offenlegungsschrift[27] wird von vier Versuchen berichtet:

  1. Wirkung der Prophylaxe bei neurodermitischer Disposition der Eltern. Bei 10 gesunden Kleinkindern im Alter bis zu 1 Jahr, von denen zumindest ein Elternteil an Neurodermitis litt, sei 3 Monate lang 3-mal täglich die Salbe "auf die gesamte Hautoberfläche" aufgetragen worden. Es habe sich danach über einen Beobachtungszeitraum von einem halben Jahr bei keinem der Kinder eine "neurodermitische Hautveränderung" gezeigt.
  2. Wirkung der Prophylaxe bei Sonnenallergie. 20 Personen mit Sonnenallergie hätten sich über einen Zeitraum von 1 bis 2 Monaten vor Sonnenexposition mit der Salbe eingecremt, wonach bei 19 Personen lediglich eine "normale Bräunung" ohne negative Hautreaktionen festgestellt wurde.
  3. Wirkung bei Schäden nach ionisierender Strahlung. Bei 5 von 7 Personen, die einer Strahlendosis von "40-60 Gy" ausgesetzt gewesen sein sollen (das ist eine sehr hohe Dosis), sei nach 14 Tagen bei täglich viermaliger Anwendung der Salbe eine "vollständige Remission" einer Strahlendermatitis erreicht worden.
  4. Wirkung bei Verbrennungen. Bei 25 Patienten mit Verbrennungen 2. Grades seien durchschnittlich 7 Behandlungstage mit der Salbe bis zur "kompletten Abheilung" vergangen, bei einer Verbrennung 3. Grades 5 Wochen.

Aus diesen Ergebnissen sei ersichtlich, dass die Salbe "sowohl im prophylaktischen Bereich als auch auf dem Gebiet der Hautregeneration eine deutliche Wirkung besitzt". Falls diese "Untersuchungen" nicht nur Fantasieprodukte Klingelhöllers sind, wären sie nicht nur inhaltlich, sondern teilweise auch ethisch zweifelhaft, vor allem das Experiment Nr. 1 an Kleinkindern.

Unveröffentlichte (Auftrags-)Studien zu Regividerm

  • Dosefinding Study, randomised double-blind study, n=29 (atopic dermatitis) n=28 (psoriasis). 1998 FIRE CRO, Bonn (Dr. Michael Parnham)
  • Local Tolerability Study, randomised double-blind study. n=40 healthy volunteers. 2001, PHAROS CRO GmbH, D-89081 Ulm (Dr. Rudolph A. Theodor)
  • Explorative Phase II Clinical Trial on the Efficacy and Tolerability of Regividerm in Atopic Dermatitis, randomised, double-blind and placebo-controlled monocentre study with n=20 patients in intraindividual left/right side comparison. 2001, Universität Münster, Klinik Hornheide (Dr. Hans-Joachim Schulze)
  • Regividerm in Psoriasis, randomised, double-blind and placebo-controlled monocentre study with n=21 patients in intraindividual left/right side comparison. 2002, Universität Münster Klink Hornheide (Dr. Hans-Joachim Schulze)

Abgebrochene Studien

  • Abgebrochene Studie Evaluation of Topical B12 for the Treatment of Childhood Atopic Dermatitis April 2007. Study ID Number: IRB00001369, ClinicalTrials.gov Identifier: NCT00465699 [1]

Nebenwirkungen

Werbung bei FFH mit Interviews

Laut ARD-Dokumentarfilm und Aussagen im Fernsehen habe Regividerm keine Nebenwirkungen. Dies verbreitete auch Roland Kaske, Pressesprecher des Herstellers Mavena Health Care AG im FFH-Radio. Das "Medikament" habe "keinerlei Nebenwirkungen" und sei "zur Langzeittherapie geeignet".[28] Eine wörtliche Abschrift ist hier zu sehen: [2]. Offensichtlich machte der Inhaber der PR-Firma Dr. Kaske diese Aussagen in Unkenntnis der rechtlichen Voraussetzungen für Medizinprodukte der Klasse II, die eine Langzeitanwendung nicht zulassen. Des Weiteren stellen derartige Aussagen einen Verstoß gegen das Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) und das Heilmittelwerbegesetz (HWG) dar. Buch- und Filmtitel Heilung unerwünscht? suggerieren zudem, dass dem Mittel eine heilende (also ursächlich wirksame) Wirkung zukommt, eine Aussage, die von Experten zurückgewiesen wurde. Auf der Webseite des Herstellers sind jedoch mögliche Nebenwirkungen von Regividerm aufgelistet. Dort ist zu lesen: "[...] können auch unter der Behandlung mit Regividerm® Salbe sporadisch Hautreizungen (Rötungen, Juckreiz) auftreten. [...] Bei Fortbestehen der Hautreizungen wird eine Unterbrechung der Behandlung empfohlen, weil in seltenen Fällen eine Allergie auf den wirksamen Bestandteil (Vitamin B12) oder einen anderen Inhaltsstoff von Regividerm® Salbe (z.B. Avocadoöl) vorliegen kann."[29] Der Beipackzettel weist zudem auf eine "Vermeidung von Sonnenbestrahlung" hin, da B12 UV-empfindlich ist: "Bitte ergreifen Sie geeignete Sonnenschutzmaßnahmen. Halten Sie sich möglichst nur kurz in der Sonne auf, benutzen Sie Sonnenschutzprodukte und bedecken Sie die Haut mit entsprechender Kleidung."

Hinweise auf Nebenwirkungen zeigen sich in der erwähnten Studie zur Behandlung atopischer Dermatitis im British Journal of Dermatology aus dem Jahr 2004, und dies trotz der relativ kurzen Anwendung die unterhalb der üblichen Behandlungsdauer liegt. Die Gesamtzahl der Probanden war 49. In der Arbeit ist zu lesen: Altogether 33 cutaneous adverse events were recorded, and none of these was serious (Table 3). [...] With the exception of one cutaneous adverse event (weeping, itching, limited neck mobility following application of the placebo cream, moderate severity), all were of mild severity. In two cases a possible and in four cases a probable relationship with the trial medication was assumed for the skin irritations occurred only on the body side treated with vitamin B12 cream (burning in two patients, itching in two patients, redness in one and hyperthermia and formication in one patient). All adverse events were reversible within several days. No acneiform eruptions were reported.. Demnach brachen drei Patienten die Behandlung wegen Verschlechterung der Symptomatik und zwei wegen der Nebenwirkungen die experimentelle Behandlung ab. Zitat zu withdrawals Noncompliance 3. Deterioration of disease 3. Adverse events 2, one patient experienced burning, itching and swelling one patient experienced redness and swelling (gekürzt).[30]

Prinzipiell besteht bei Anwendung von Vitamin B12 die Möglichkeit einer allergischen Reaktion.[31][32]

Vermarktungsstrategie

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Regividerm wurde mit einer wirksamen und zeitlich optimalen Dreifachstrategie vermarktet, die auf zwei Erwähnungen im ARD-Fernsehen (19./21. Oktober 2009. Talkshow Sind wir Versuchskaninchen der Pharmaindustrie?)[33] einem unkritisch-werbeähnlichen Dokumentarfilm, der in der ARD zur Prime-time gezeigt wurde (Heilung unerwünscht – Wie Pharmakonzerne ein Medikament verhindern)[34], und einem gleichzeitig veröffentlichten Buch basierte, in dem das Medizinprodukt fälschlich als Medikament bezeichnet wird. Zeitgerecht zur Markteinführung im November 2009 wurde die Zielgruppe der etwa 5 bis 8 Millionen von Neurodermitis und Schuppenflechte Betroffenen auf diese Weise von dem angeblich neuen Mittel informiert und ihr das Buch des Filmautors und Medizinlaien Klaus Martens (laut WDR beschäftigt er sich schwerpunktmäßig mit Wirtschaftsthemen) präsentiert. Das Buch erreichte in der Folge vorderste Plätze auf der Amazon-Bestsellerliste (siehe weiter unten). Die beschriebene Salbe sei "frei von jeglichen Nebenwirkungen", heißt es auch in der Buchvorstellung. Das Buch gelangte am 2. November 2009 in den Buchhandel, zwei Tage vor der Auslieferung der ersten Regividerm-Charge an den Großhandel am 4. November 2009.

Autor Klaus Martens
Mavena-Pressesprecher Roland Kaske

Der Schweizer Tagesanzeiger berichtet über den Zeitpunkt des Erwerbs der Vertriebsrechte durch Hersteller Mavena: "Mavena erwarb erst im September die Vertriebsrechte, wie Klaus Sippel, Verwaltungsratspräsident der Muttergesellschaft Salt of Life International, auf Anfrage von Tagesanzeiger.ch/Newsnetz sagt".[35] Auch einem Bericht von Spiegel Online zufolge waren sich die Mavena AG und die Regeneratio Pharma GmbH bereits im September handelseinig.[36] Am 15. Oktober 2009 erschien Regividerm unter PZN Nummer 5523487 in der Apothekensoftware, das Produkt kann somit bestellt werden. Die Beantragung einer PZN-Nummer dauert in etwa 2-3 Wochen. Daher muss die Anmeldung der PZN bereits im September erfolgt sein. Nur drei Tage nach der ersten ARD-Sendung zu Regividerm präsentierte der Hersteller die fertige Verpackung des Mittels und am 24. Oktober 2009 teilte er mit, es seien die ersten 27.660 Tuben à 100 g produziert und verpackt worden.[37] Der angeblich ein Jahr lang recherchierende Autor Martens äußerte sich nach der Fernsehsendung auf einer Webseite des WDR in einer Weise, als ob diese Pläne auch für ihn neu waren: "Der Eigentümer der Patentrechte versucht jetzt, mit Hilfe eines Geschäftspartners, den er bereits gefunden hat, die B12-Creme unter der Bezeichnung "Regividerm" in eigener Regie auf den Markt zu bringen."

Eine Thematisierung von Regividerm in der Sendung hart aber fair vom 21. Oktober 2009 erfolgte auf Wunsch des Moderators Plasberg, ein weiteres Mal konnte Autor Klaus Martens Gratiswerbung für sein Buch machen. Eine gleichermaßen effektive Aufklärung über alternative Mittel oder physikalische Therapien oder andere Maßnahmen bei den genannten Erkrankungen unterblieb.

Untermalt waren Film und Talkshow von anrührenden Bildern und einer an die Gefühle appellierenden Wortwahl. So sagte der WDR-Moderator Frank Plasberg in der Sendung hart aber fair vom 21. Oktober 2009: "Besonders bedrückend ist es, wenn man sieht, wie sehr kleine Menschen unter Neurodermitis leiden" und stellte einen kleinen Neurodermitis-Patienten namens Bastian in den Dienst einer Schleichwerbung für ein gerade auf den Markt geworfenes Mittel, dessen Wirksamkeit bei der genannten Erkrankung nicht zweifelsfrei erwiesen ist.

Verweis der Regeneratio Pharma GmbH auf die PR-Firma Dr. Kaske

Am 7. Oktober 2009 wurde auf der Webseite der Firma Regividerm auf den bevorstehenden WDR-Film hingewiesen.[38] Passend zu den ARD-Werbesendungen bietet eine Agentur just in time neben einem Interviewtermin mit dem Geschäftsführer von Mavena die ARD-Sendung auf CD an. PR-Unterlagen zur neuen Salbe können ebenso geordert werden wie ein Muster der Salbe. Laut Psoriasis Selbsthilfe Arbeitsgemeinschaft e.V. soll die PR-Agentur Dr. Kaske den Verein eine Woche vor Aussendung des ARD-Dokumentarfilms auf die Sendung aufmerksam gemacht haben und kostenlose DVDs angeboten haben.[39] Nach EsoWatch vorliegenden Informationen wurden auch der Deutsche Neurodermitis Bund e.V. (DNB) sowie der Deutsche Psoriasis Bund e.V. und dessen Regionalgruppen von der Werbegentur Dr. Kaske im Vorfeld auf die Sendung hingewiesen.

Die Agentur Dr. Kaske ist im Auftrag der Regeneratio Pharma GmbH tätig.[40] Der Inhaber Roland Kaske tritt gleichzeitig als Pressesprecher des Regividerm-Herstellers Mavena Health Care AG auf. Die Agentur bewirbt ihre Fähigkeiten auf ihrer Webseite so: "Durch professionelle PR schaffen wir für Ihr Produkt einen Mehrwert, der mit konventioneller Werbung allein nicht zu erreichen ist. Unsere Kunden sind erfolgreich in der Gesundheitsbranche, der pharmazeutischen Industrie und im Tourismus tätig. Traditionelle Werbung ist problembehaftet. Einerseits mangelt es ihr an Glaubwürdigkeit, andererseits ist es schwierig, eine große Zielgruppe kosteneffizient zu erreichen. Deshalb ist gute Öffentlichkeitsarbeit nötig, um diese Schwachstellen auszugleichen und die Werbewirkung Ihrer Firma zu verbessern." Roland Kaske tritt verschiedentlich als Befürworter von umstrittenen alternativmedizinischen Verfahren und Produkten in Erscheinung, insbesondere der sog. Entgiftung.[41][42] 2002 verschickte er Spam-E-Mails mit Werbung für ein Chlorella-Präparat namens bio-reu-rella. Ein Buch des Heilpraktikers Uwe Karstädt über dessen medizinisch fragwürdige Vorstellungen wurde von Kaske lobend besprochen.[43]

Ein im Film vorgestellter angeblicher Hautarzt[44] namens Michael Kroll ist in Wirklichkeit ein Allgemeinmediziner und Pharmaberater aus Kleve, der eine Firma namens KLIFO-MED GmbH (vormals Dr. Dr. Kroll GmbH) betreibt. Die KLIFO-MED bietet laut Auskunft ihrer (derzeit aus unbekannten Gründen nicht sichtbaren) Webseite Dienstleistungen für pharmazeutische Unternehmen zur Erlangung der Zulassung für pharmazeutische Präparate (Zitat) an. Arzt und Chemiker Kroll ist auch Auditor der Firma WIESO CERT, Zertifizierungsstelle für die Zertifizierung von Qualitätsmanagementsystemen speziell im Gesundheitswesen.[45] Im Dokumentarfilm telefoniert Hausarzt Kroll mit dem Pharmalizenzhändler und -berater Josef Karl Merges, der ihm eine Apothekenlösung zur Beschaffung der Regividerm-Salbe verspricht.[46] Es handelt sich um eine gestellte Szene, da im Film gleichzeitig der andere Gesprächspartner Merges beim gleichen Telefonat gezeigt wird. Merkwürdigerweise ist die inszenierte Szene nur in der Langfassung, aber nicht in der gekürzten Fassung zu sehen. Sie widerlegt die Kernthese des Films, dass nämlich Patienten keinen Zugang zu dem Mittel hätten. Kroll und Merges kennen sich, man schrieb gemeinsam ein Buch über Entgiftung[47] und arbeitet in der gleichen Firma, der MIT GmbH in Kleve. MIT bietet Dienstleistungen an wie Pharm.-tox. und Klin. Gutachten, Zulassungswesen, Qualitätsmanagement und Selbstinspektionen nach PharmBetrV.

Zeitlicher Ablauf der Regividerm-Entwicklung und Vermarktung

  1. 1950er Jahre: In den USA wird an B12-haltigen Mitteln zur Behandlung von Hautkrankheiten geforscht
  2. Ende der 1980er Jahre: Karsten Klingelhöller wendet experimentell eine B12/Avocadoöl-Creme bei einer Freundin an
  3. 1993: Erste Patentanmeldung durch Klingelhöller
  4. 1996: Erteilung eines Patents (EP 0705102)
  5. 1999: Die Regeneratio Pharma AG vermarktet eine ATU Red-Creme, die B12 und Avocadoöl enthält
  6. 1999: Eintragung von Regividerm als geschütze Wortmarke beim DPMA
  7. 2001: Studie in der Zeitschrift Dermatology über Anwendung bei 11 Patienten
  8. 2004: Regeneratio Pharma AG wird insolvent
  9. 2004: Gründung der neuen Regeneratio Pharma GmbH
  10. 2004: Studie im British Journal of Dermatology
  11. 2008: Der Bundesverband Neurodermitiserkrankter bietet an, nach einer erfolgreichen pharmazeutischen Testung nach Patienten zu suchen, das Angebot bleibt ungehört
  12. 28. August 2009: Zertifizierung der Salbe
  13. September 2009: Mavena erwirbt Vertriebsrechte, Beantragung einer PZN-Nummer
  14. 7. Oktober 2009: Die Webseite der Firma Regividerm weist auf den bevorstehenden WDR-Film "Heilung unerwünscht" hin
  15. Donnerstag, 15. Oktober 2009: Regividerm erscheint unter PZN 5523487 in der bundesweiten Apothekensoftware
  16. Freitag, 16. Oktober 2009: Die PR-Agentur Dr. Kaske beginnt mit der Bewerbung des WDR-Dokumentationsfilms über E-Mail-Rundschreiben. Weitere Rundschreiben in den Folgetagen
  17. Montag, 19. Oktober 2009: Aussendung des Dokumentarfilms Heilung unerwünscht
  18. Montag 19. Oktober 2009: Das Buch von Klaus Martens beginnt den Anstieg auf der Amazon-Bestsellerliste
  19. Mittwoch 21. Oktober 2009: Fernsehsendung hart aber fair. Moderator Plasberg lädt Martens zur Show ein, spontane Zweifel an der Regividerm-Story durch Gast Beda Stadler
  20. Donnerstag 22. Oktober 2009: Zeitungsberichte über hohe Anfragen nach Regividerm in Apotheken
  21. Donnerstag 22. Oktober 2009: Hersteller Mavena präsentiert Regividerm-Verpackung
  22. Freitag 23. Oktober 2009: Mavena teilt mit, dass die ersten 27.660 Tuben à 100 g produziert und verpackt worden seien
  23. Montag 2. November 2009: Martens-Buch ist im Handel erhältlich
  24. Mittwoch 4. November 2009: 25.000 Tuben Regividerm gelangen an den Großhandel in Deutschland und der Schweiz

Der WDR-Film Heilung unerwünscht

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Gruia Ionescu mit Regividerm

In dem am 19. Oktober 2009 ausgestrahlten Film Heilung unerwünscht aus der WDR-Reihe story (Redaktion: Mathias Werth, Autor: Klaus Martens) wurde dem Zuschauer suggeriert, dass das Regividerm-Mittel nicht nur "allen Patienten" mit Neurodermitis und Psoriasis helfe, sondern auch, dass es klinisch geprüft und nebenwirkungsfrei sei. Weiterhin wurde der Eindruck erweckt, dass das Mittel nur deshalb angeblich nicht käuflich zu erwerben sei, weil verschiedene pharmazeutische Unternehmen es trotz seiner "erprobten Wirksamkeit" nicht produzieren wollten, da es teureren Eigenprodukten Marktanteile streitig machen würde. Es wurde suggeriert, dass diese Firmen den leidenden Patienten das angeblich "nebenwirkungsfreie" Mittel vorenthielten, um ihre eigenen Mittel weiterhin absetzen zu können, die im Film als nebenwirkungsreich bei gleichzeitiger unzureichender Wirksamkeit dargestellt wurden. Dazu wurden in suggestiver Weise Erlebnisberichte von Betroffenen eingespielt, die den Zuschauer von Wirksamkeit und Nebenwirkungsfreiheit überzeugen sollten. Das gesendete Video ist als Dokumentarfilm ausgewiesen, enthält jedoch auch Spielfilmszenen. Auffällig sind fehlerhafte Berufsbezeichnungen bei thematisierten Personen, die offenbar Aussagen aufwerten sollen.

Im Eigenanspruch meinen die story-Macher über sich und ihre Sendereihe: "die story ist ein journalistisches und ein filmisches Produkt. Sie setzt auf gute Recherche, einen klaren Erzählstil und berührende Themen. Gerade bei jüngeren Zuschauern sind es die lebensnahen, bildstarken Geschichten, die höhere Akzeptanz finden."

Teile des WDR-Dokumentarfilmes wurden in der Spezialklinik Neukirchen im bayerischen Neukirchen beim Heiligen Blut im Bayerischen Wald gefilmt. In dieser Klinik werden u.a. Neurodermitis und Schuppenflechte ohne Kortison "ganzheitlich" behandelt.[48] Leiter der Einrichtung ist der promovierte Biologe und rumänische Spätaussiedler John Gruia Ionescu, der auch einen Professorentitel einer inzwischen geschlossenen amerikanischen Titelmühle namens Capital University of Integrative Medicine in Washington, D.C. (CUIM) führt und dort als Dozent und Professor for Clinical Biochemistry and Oxidology angegeben ist.[49] Zur obskuren oxidology (Oxidologie) findet sich selbst in der englisch-sprachigen Wikipedia kein Eintrag. Die CUIM war 1995 von Robert (Bob) Bradford gegründet worden, auf den der alternativmedizinische Bradfordtest zurückgeht. Die Einrichtung bot diverse Doktortitel an.[50] Ionescu hatte sich 1986 mit einer angeblich revolutionären Methode zur Heilung von Hautkrankheiten im Wallfahrtsort Neukirchen niedergelassen. Er erwarb unter günstigen Umständen zwei Kliniken und verband beide Klinikbetriebe mit einem Pharmaunternehmen. Die Staatsanwaltschaft Regensburg ermittelte zwei Jahre lang wegen mutmaßlicher Kunstfehler, Betrugs bei der Abrechnung von Klinikleistungen und irreführender Werbung. Am Ende wurde ein Arzt wegen unerlaubter Titelführung und Körperverletzung verurteilt.[51] Ionescu ist auch Autor bei CoMed[52] (die Themen wie Skalarwellen und Impfgegnerschaft breiten Raum einräumt) und ist Anhänger der Hypothese, dass Amalgamfüllungen als Ursache der Neurodermitis und der Psoriasis anzusehen seien[53][54]. Daher seien so genannte Ausleitungen und Amalgamentfernungen hier hilfreich. Belege dafür liegen jedoch nicht vor, Ionescu kann eigene beobachtete Besserungen im klinischen Bild von Neurodermitis- und Psoriasis die er gemacht haben will, nicht durch die gemessenen Quecksilberspiegel belegen, zumal auch kein Zusammenhang mit dem Schweregrad der Neurodermitis bzw. Psoriasis besteht. Ionescu steht damit in der Tradition der pseudomedizinischen klinischen Ökologie nach Randolph.

  1. Zitat aus: Stefan Löffler, PR-Falle Medikamente Falsche Versprechungen für Patienten. DER STANDARD, Printausgabe vom 02.11.2009 [3]
  2. Mavena Health Care AG, Haselstrasse 1, 5401 Baden, Schweiz
  3. Regividerm B12 Salbe, PZN 5523487, Lauer-Taxe
  4. http://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/pharmazie/news/2009/10/28/das-medizinprodukt-regividermR-und-die-moeglichkeiten-der-behoerden.html
  5. http://www.mig.tu-berlin.de/fileadmin/a38331600/2008.lectures/Berlin_2008.08.25_rb_MDS-Medizinprodukte.pdf
  6. http://www.spiegel.de/wissenschaft/medizin/0,1518,657070-2,00.html
  7. http://www.faz.net/s/Rub7F74ED2FDF2B439794CC2D664921E7FF/Doc~EC8352BCAB6DB4AB3B0B053BB856B5B2A~ATpl~Ecommon~Scontent.html
  8. http://www.wipo.int/pctdb/en/wo.jsp?WO=1994028907&IA=EP1994001951&DISPLAY=DESC
  9. Bild: WDR-Dokumentation Heilung unerwünscht 2009
  10. http://www.boocompany.com/index.cfm/content/story/id/12307/ und http://www.ebundesanzeiger.de
  11. Experience with vitamin B12 in the treatment of dermatoses, particularly of seborroic origin. Med Klin (Munich). 1954 Aug 13;49(33):1293-4.
  12. http://web.archive.org/web/19991012124727/http://regividerm.de/ und http://web.archive.org/web/20000604165121/regividerm.de/body_bestell.html
  13. http://hpd.de/node/8050
  14. http://www.aerztezeitung.de/medizin/krankheiten/haut-krankheiten/article/571661/geld-zaehlte-verantwortung.html?sh=7&h=2086331490
  15. Stücker M; Memmel U; Hoffmann M; Hartung J; Altmeyer P (2001): Vitamin B12 Cream Containing Avocado Oil in the Therapy of Plaque Psoriasis. Dermatology 203(2):141-147 (Gratis-Volltext-Version beim WDR)
  16. http://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/pharmazie/news/2009/10/22/heilung-unerwuenscht-alles-zufall-oder-nur-profitgier.html
  17. Stücker M; Memmel U; Hoffmann M; Hartung J; Altmeyer P (2001): Vitamin B12 Cream Containing Avocado Oil in the Therapy of Plaque Psoriasis. Dermatology 203(2):141-147 (Gratis-Volltext-Version beim WDR)
  18. Wolters M: Diet and Psoriasis: Experimental Data and Clinical Evidence: Vitamin B 12. The British Journal of Dermatology. 2005;153(4):706-714.
  19. Stücker M; Pieck C; Stoerb C; Niedner R; Hartung J; Altmeyer P (2004): Topical vitamin B12 – a new therapeutic approach in atopic dermatitis-evaluation of efficacy and tolerability in a randomized placebo-controlled multicentre clinical trial. Br J Dermatol 150, 977-983
  20. Charman CR; Venn AJ; Williams HC (2002): Reliability testing of the Six Area, Six Sign Atopic Dermatitis severity score. Br J Dermatol 146(6), 1057-1060
  21. http://www.sueddeutsche.de/wissen/479/491842/text/
  22. [4]
  23. Der Spiegel, Ausgabe 44/2009, Seite 105
  24. http://www.abendblatt.de/ratgeber/gesundheit/article1241569/Wirbel-um-die-neue-Neurodermitis-Salbe.html
  25. http://www.spartfam.org/clerkships.html
  26. DE 4319629 A1: Verwendung von Corrinoiden zur topischen Anwendung bei Hauterkrankungen. Anmeldetag: 15. Juni 1993. Offenlegungstag: 22. Dezember 1994. Anmelder: Klingelhöller, Karsten, 42275 Wuppertal. Erfinder: gleich Anmelder
  27. DE 10130846 A1: Verwendung von Corrinoiden zur Anwendung bei Hauterkrankungen. Anmeldetag: 26. Juni 2001. Offenlegungstag: 26. Januar 2003. Anmelder: Regeneratio Pharma AG. Erfinder: Klingelhöller, Karsten, 42275 Wuppertal
  28. http://www.ffh.de/downloads/kaske_new.mp3
  29. http://www.regividerm.de/fragen-und-antworten/
  30. Stücker M; Pieck C; Stoerb C; Niedner R; Hartung J; Altmeyer P (2004): Topical vitamin B12 – a new therapeutic approach in atopic dermatitis-evaluation of efficacy and tolerability in a randomized placebo-controlled multicentre clinical trial. Br J Dermatol 150, 977-983
  31. Rodriguez, A. et al., Occupational contact allergy to vitamin B12. Journal of Allergy and Clinical Immunology. Vol. 89, no. 1 part 2, S. 329. (1992)
  32. Kleinschmidt, F. et Hogan, L., Allergic reaction to a vitamin B12 preparaton. Drug Intelligence and Clinical Pharmacy. Vol. 14, Seiten 716-717. (1980)
  33. Sendung hart aber fair, Talkshow mit dem Titel: "Sind wir Versuchskaninchen der Pharmaindustrie?", ARD 21. Oktober 2009
  34. Dokumentarfilm Heilung unerwünscht – Wie Pharmakonzerne ein Medikament verhindern, gesendet in der ARD am 19. Oktober 2009 um 21:00 Uhr. Geplante weitere Aussendungen waren: Phoenix am 23. Oktober 2009 um 22:00 Uhr und am 24. Oktober 2009 um 10:00 Uhr, 1Extra am 24. Oktober 2009 um 17:00 Uhr und am 4. November 2009 um 20:15 Uhr eine Ein­stun­den­ver­sion des Films, WDR Fernsehen am 30. November 2009 um 22:00 Uhr
  35. Tagesanzeiger vom 22. Oktober 2009 [5]
  36. http://www.spiegel.de/wissenschaft/medizin/0,1518,657070,00.html
  37. http://www.regividerm.de/produktion-der-ersten-charge/ Aufruf am 24. Oktober 2009
  38. http://www.regividerm.de/dokumentarfilm-heilung-unerwuenscht/ (inzwischen gelöschte Seite, Screen-Shot: [6])
  39. http://faz-community.faz.net/blogs/fernsehblog/archive/2009/10/22/aufklaerung-unerwuenscht-frank-plasberg-und-das-wundermittel-gegen-neurodermitis.aspx
  40. http://www.regividerm.de/kontakt/ Aufruf am 24. Oktober 2009
  41. R. Kaske: Schadstoff-Ausleitung. Co'med 9/2002
  42. http://www.wellness-gesund.info/Artikel/9467.html Artikel vom 24. Juli 2009 (typischer Dr.-Kaske-Artikel zu Entgiftung und Chlorella)
  43. http://www.naturheilpraxis.de/DB-BOOK/a_0801b11.html
  44. Michael Kroll wird in der Phönix-Langfassung des Dokumentarfilms zweimal als Hautarzt bezeichnet, einmal 22:49:50 ("Hautarzt Dr. Kroll ist einer der wenigen, der seine Patienten mit ein paar Proben der B12-Creme behandeln konnte. Seitdem hofft auch er, dass es endlich auf den Markt kommt.") und 22:50:55 ("Dem Patienten ist die Creme ausgegangen. Die kleine Menge, die ihm sein Hautarzt geben konnte, reichte gerade für fünf Tage.")
  45. http://www.wieso-cert.de/wieso_cert.php
  46. Dr. Kroll: "Herr Merges, ich ruf da mal an wegen der ... Salbe. Haben Sie da noch einige Muster zur Verfügung?"
    Dr. Merges: Ich könnte mir vorstellen, dass wir für Sie, wie in der Vergangenheit, eine Apothekenlösung schaffen. Da müsste ich aber erst einmal mit dem Rohstoffhändler und dem Apotheker telefonieren, in welchem Zeitraum der etwas für Sie und Ihre Patienten herstellen kann."
  47. M Kroll, J K Merges, J Aoulad-Ali. Schwermetalle und Schwermetallausleitung. Verlag: MTW Gesundheit, 2004 (Inhaber des MTW-Verlags ist J. K. Merges)
  48. http://www.spezialklinik-neukirchen.de/index-ori.html
  49. Professor for Clinical Biochemistry and Oxidology at the Capital University of Integrative Medicine, Washington, D.C. (USA). Prof. Ionescu is also member of the Editorial Board of the Journal of the Capital University of Integrative Medicine. http://www.antiageingconference.com/index.html?pg=speakers
  50. http://www.quackwatch.org/04ConsumerEducation/Nonrecorg/cfcm.html
  51. http://www.focus.de/politik/deutschland/gesundheitsreform-reibach-mit-krankenhaeusern_aid_143606.html
  52. CoMed Hefte 05/2003, 03/2004, 02/2005 und 02/2007
  53. Ionescu, G. (1995). Allergotoxische Einflüsse von Umweltschadstoffen bei Allergiekranken. Forsch Komplementärmed 2, 109-115
  54. Ionescu, G. (1996). Schwermetallbelastung bei Neurodermitis. Biol Med 25, 65-68