Scheinstaat

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Scheinstaatbewohner Hans Joachim Kempe mit Ehefrau und Sohn
Terrania-Autokennzeichen zum Gebrauch auf Privatgrundstücken oder zu Dekorationszwecken

Scheinstaaten (auch Mikrostaat, Mikronation, Spaßstaat, virtueller Staat) sind private Konstrukte und Staatssimulationen, die den Anschein erwecken, eigenständige souveräne Staaten zu sein.

Allgemeines

Scheinstaaten fehlen die völkerrechtlichen Vorraussetzungen, als eigenständiger Staat zu existieren und handeln zu können. Derartige Gebilde werden daher auch nicht von anderen Staaten anerkannt. Sie sind ebenfalls keine "atypischen Völkerrechtssubjekte" wie der "Souveräne Malteserorden" oder das "Internationale Komitee vom Roten Kreuz", die selbst keine Staaten sind, aber über eine internationale Anerkennung verfügen.

Schein- und Mikrostaaten sind nicht mit so genannten Zwergstaaten (San Marino, Monaco, Liechtenstein) oder Kirchenstaaten wie dem Vatikan zu verwechseln.

Scheinstaaten werden meist aus finanziellem Interesse gegründet. Zukünftigen "Staatsbürgern" werden niedrige oder fehlende Steuern versprochen oder gegen Gebühren Dokumente aller Art, Autokennzeichen, Führerscheine und Diplomatenpässe mit "diplomatischer Immunität" verkauft.

Auch gab es zahlreiche Scheinstaaten, die gegründet wurden, um politischen Ziele einer Gruppierung oder Bewegung mehr Aufmerksamkeit zu verleihen. So gab und gibt es Scheinstaatbildungen aus der so genannten Szene der kommissarischen Reichsregierungen.

Manche Scheinstaaten sind lediglich internetbasierend (Cybernation) oder computerspielbasiert und beanspruchen somit kein herkömmliches Staatsgebiet oder Territorium.

Einige Scheinstaaten wurden von Personen geründet, die man als Exzentriker bezeichnen könnte.

Scheinstaaten im deutschsprachigen Raum

Im deutschen Sprachraum bekannte Scheinstaaten waren die "Republik Freies Wendland" von Atomenenergiegegnern, die Berliner "Autonome Republik Utopia", die Republik "Kugelmugel" des Wiener Künstlers Edwin Lipburger, die Dorfrepublik Rüterberg, die Bunte Republik Neustadt in Dresden und NeuDeutschland.

Weitere Scheinstaatprojekte waren oder sind:

Fürstentum Germania

Wappen des Fürstentum Germania

Das Fürstentum Germania war ein als "basisdemokratischer Kirchenstaat" getarntes KRR-Projekt und Scheinstaat, dem zu seinen Hochzeiten maximal etwa 220 Personen aus dem gesamten Bundesgebiet angehörten. Zu diesem Personenkreis gehören rechtslastige Anhänger der Idee einer kommissarischen Reichsregierung (KRR), Freiwirtschaftler und "Libertäre" (im Sinne des englischsprachigen Begriffs "libertarian") um einen angeblichen Jessie Marsson (der unter diversen weiteren Pseudonymen auftritt) und einen Adoptiv-Adeligen namens Michael Freiherr von Pallandt, der im Fürstentum als Fürst fungierte. Ein Unterstützer war Braunesoteriker Jo Conrad. Zentraler Anlaufpunkt des Mikro-Scheinstaates war von Februar bis Mai 2009 ein baufälliges Schloss in der brandenburgischen Ortschaft Krampfer, das als Staatssitz fungierte, während das 4.000 m2 große Grundstück als Staatsgebiet bezeichnet wurde. Am 19. Mai 2009 wurde das Schloss durch die Polizei geräumt.

Spaß- und "Weltnetzwerkstaat" Terrania

Terrania.jpg

Das 2011 entstandene internetbasierte Spaßstaatprojekt "Welt-Netzwerk-Staat Terrania" kann als eine Art Ausdruck des Generationenkonflikts von Internetinteressierten in Deutschland angesehen werden. Eine Beziehung zur KRR-Szene besteht insofern, als Terranieraktivisten unterstellen, dass Staatsbürger der Bundesrepublik Deutschland automatisch auch Staatsbürger des "Deutschen Reichs" seien. Als "Botschafter" von Terrania will ein "Jesus Urlauber" (alias Georg Berres, Spitzname "Bauchi") fungieren. Siehe auch: Nu Era).

Germanitien

Falscher Diplomatenpass des Scheinstaats "Germanitien" von Karl Meyer, Mitglied des Zentralrat Souveräner Bürger. (Bild: Polizei Bayern)

Unter dem Namen Germanitien versuchen Privatleute (so genannte "Germaniten"), ebenfalls innerhalb des Hoheitsgebiets der Bundesrepublik Deutschland, einen eigenen Scheinstaat in der Ortschaft Westerheim zu betreiben, dem 7.000 Staatsbürger angehören sollen. Allerdings bezeichnen sich auch Personen ausserhalb von Westerheim als zu Germanitien zugehörig. Dazu zählt beispielsweise die "Erbschänke Zum Schwan" in Schwanstetten. Nach Ansicht der "Präsidentin" Ulrike Kuklinski (zugleich Präsidentin der Ringvorsorge (RV)) “reiche es aus, sich auf ein "320. Übereinkommen (89/1) der UN" und eine Staatsproklamation zu berufen, um einen neuen Kleinstaat gründen zu können.[1] Eine Erörterung des Falls "Germanitien" und der staatsrechtliche Hintergrund werden in einem interessanten Artikel der "Schwäbischen" vom 13. Mai 2011 erörtert.[2]

Verein Weltanschauungsgemeinschaft NeuDeutschland

Neudeutsches Kennzeichen

Der Verein "Weltanschauungsgemeinschaft NeuDeutschland e.V." eines Peter Fitzek aus Wittenberg ist Anbieter von privaten Schildern, die als Autokennzeichen verwendet werden sollen. Das "Staatsgebiet" scheint sich auf einzelne Privatanschriften in Wittenberg zu erstrecken: Coswigerstr. 7, Schloßstr. 29, Mittelstr. 7 und Am Bahnhof 4. Kunden wird dabei vermittelt, sie müssten bei Kauf der Schilder keine KFZ-Steuer mehr entrichten. Auch wird behauptet, dass Käufer zukünftig ihre Bußgeldbescheide in einem Scheinstaat "NeuDeutschland" entrichten müssten. Der jährliche Mitgliedsbeitrag beträgt 120 Euro. Angenommen wird aber auch so genanntes "Engelgeld".

Im "Team" des Scheinstaats wirkt auch der aus Italien stammende Esoteriker Roberto Liuzzi. Unterstützung erfährt "NeuDeutschland" durch ein "Lichtzentrum Wittenberg".[3]

Anfang Juli 2011 verurteilte die 8. Strafkammer des Landgerichts Dessau Peter Fitzek wegen Kennzeichenmissbrauch zu 150 Tagessätzen à zwölf Euro. In der Vorinstanz war Fitzek zu vier Monaten Freiheitsentzug auf Bewährung verurteilt worden. Gegen das Urteil hatten sowohl er als auch die Staatsanwaltschaft Berufung eingelegt.[4]

Volksgemeinschaft "Das Deutsche Reich" (DDR)

Als Reichsdeutsche verstehen sich die Anhänger einer obskuren und rechtsgerichteten "Volksgemeinschaft Deutsches Reich". Als Abkürzung wurde DDR gewählt. Als einzige erkennbare Aktivität wird derzeit (Stand Mai 2012) eine dazugehörige "Weltnetzseite" präsentiert, die auf ihrer Frontseite Adolf Hitler zitiert.[5] Steckenpferde der Volksgemeinschaft sind Germanische Neue Medizin, Freie Energie, Chemtrails, Impfen, AIDS, Holocaustkritik, NWO und so genannte Reichsmobile. Ein DDR-Verkaufsportal und ein "Silbershop" soll folgen; hier sollen Produkte (mit Siegel: Hergestellt in der Volksgemeinschaft DDR) verkauft werden, für die die Verkäufer 1% Provision zahlen sollen. Erlöse sollen per Hermespaket in "Silber" ausgezahlt werden. Das Silber stamme dabei aus einer eigenen Reichsbank. Ziel sei es, die Volksgemeinschaftler vom verhassten Euro "zu trennen". Ein bereits eingerichtetes Forum für "Volksgenossen mit ID-Karte" sei zur Zeit gesperrt, heißt es, obwohl der Verfassungsschutz bereits die Identität der "Volksgenossen kenne". Zitat:

Letztendlich setzen wir Reichsdeutsche auf die Gier und Geiz der Bundesbürger, die dann unser Portal benutzen. Sie werden jeden Tag mit der deutschen Realität konfrontiert und irgendwann, werden Sie dann einige Links auch einmal ankicken. Jeder von Euch kennt den Aufwachprozeß, einmal falsch geklickt und schon erschlägt einen die bittere Realität.

Initiator ist ein Ingo Köth (alias Ingo von der Schmiede, Zitat: Viele haben mir geschrieben, ich soll Sie nicht mit dem Nazikram belästigen. Das wäre auch ganz gut so, aber es geht leider nicht.) aus D-06369 Arensdorf, der eine (steuerfreie) "erste freie Reichswerkstatt der DDR - Das Deutsche Reich" führt.[6]

Minderheitenstaat Freies Deutschland

Eine Scheinstaatbildung in Deutschland nennt sich seit Mai 2012 "Minderheitenstaat Freies Deutschland" (FD) mit dem "Kommissarischen Präsidenten" Peter Frühwald. Wie aus einem Schreiben der FD-Aktivisten an den UN-Generalsekretär Ban Ki-Moon ersichtlich wird, hofft man auf die Rückkehr zu einem deutschen Staat in den Grenzen von 1937: "Die Alliierten Siegermächte haben am 29.09.1990 durch den 2plus4-Vertrag Deutschland in den Grenzen von 1937 freigegeben – durch ein Postliminium im Artikel 7 dieses Vertrages."

Weblinks

Quellennachweise