Änderungen

878 Bytes hinzugefügt ,  20:10, 20. Jun. 2015
keine Bearbeitungszusammenfassung
Zeile 1: Zeile 1:  
[[image:Gesichtsdeutung.jpg|300px|thumb]]
 
[[image:Gesichtsdeutung.jpg|300px|thumb]]
Unter '''Physiognomik''' versteht man das [[pseudowissenschaft]]liche Konzept, dass man aus dem unveränderlichen physiologischen Äußeren des Körpers, besonders des Gesichts, auf die seelischen Eigenschaften eines Menschen schließen kann. Der Unterschied zur [[Antlitzdiagnostik]] besteht darin, dass bei der Physiognomik keine Krankheiten diagnostiziert werden, sondern psychische Eigenschaften eines Menschen. Mögliche Treffer in der Physiognomik lassen sich mit [[Cold Reading]] sowie dem [[Barnum-Effekt]] erklären.  
+
Unter '''Physiognomik''' (aus altgr. phýsis, ‚Natur‘, ‚Gestalt‘, und  gnōmē, ‚Erkenntnis‘) versteht man das [[pseudowissenschaft]]liche Konzept, aus der Beschaffenheit und Ausprägung der äußeren Teile des Körpers, besonders des Gesichts, auf die seelischen und charakterlichen Eigenschaften eines Menschen schließen zu können. Der Unterschied zur [[Antlitzdiagnostik]] besteht darin, dass bei der Physiognomik keine Krankheiten diagnostiziert werden, sondern psychische Eigenschaften eines Menschen. Eventuelle, scheinbar treffende Vorhersagen in der Physiognomik lassen sich mit [[Cold Reading]] sowie dem [[Barnum-Effekt]] erklären.  
    
==Methoden==
 
==Methoden==
Bei der Physiognomik werden äußere Besonderheiten, wie z.B. die Proportionen einzelner Teile des Gesichts wie Augenabstand, Maße des Jochbeins, des Kinns, der Stirn, kleinere Normabweichungen u.s.w. dazu herangezogen, psychische und charakterliche Eigenschaften des Menschen zu beschreiben. Dabei ist die Zuweisung der Eigenschaft völlig willkürlich, zudem ist sie je nach Anbieter unterschiedlich. Beispiele für solche Deutungen sind: Menschen mit einem breiten Jochbein sollen eine starke Durchsetzungsfähigkeit haben. Ein eckiges und spitzes Kinn deute auf eine "perfektionistische Veranlagung" hin, eine schmale Oberlippe stehe für Kontaktarmut. An der Stirn zeige sich das "religiöse Denken und Fühlen", während sich am Seitenhaupt der "Sinn für die Sammlung kultureller Güter" befinde, und seitlich über der Augenbraue liege der "Sinn für den geschickten Umgang mit Geld".<ref name='SPON'></ref>
+
Bei der Physiognomik werden äußere Besonderheiten, wie z.B. die Proportionen einzelner Teile des Gesichts wie Augenabstand, Maße des Jochbeins, des Kinns, der Stirn, kleinere Normabweichungen usw. dazu herangezogen, psychische und charakterliche Eigenschaften des Menschen zu beschreiben. Dabei ist die Zuweisung der Eigenschaft völlig willkürlich, zudem ist sie je nach Anbieter unterschiedlich. Beispiele für solche Deutungen sind: Menschen mit einem breiten Jochbein sollen eine starke Durchsetzungsfähigkeit haben. Ein eckiges und spitzes Kinn deute auf eine "perfektionistische Veranlagung" hin, eine schmale Oberlippe stehe für Kontaktarmut. An der Stirn zeige sich das "religiöse Denken und Fühlen", während sich am Seitenhaupt der "Sinn für die Sammlung kultureller Güter" befinde, und seitlich über der Augenbraue liege der "Sinn für den geschickten Umgang mit Geld".<ref name='SPON'></ref>
    
==Geschichte==
 
==Geschichte==
Bereits aus dem Altertum sind bei Aristoteles, Cicero, Quintilian, Plinius, Seneca und Galenus Quellen zur Physiognomik erhalten. Im Zeitalter der Aufklärung kam die Physiognomik zu einer populärwissenschaftlichen Blüte. Ende des 18. Jahrhunderts veröffentlichte der Pfarrer Johann Caspar Lavater seine "Physiognomischen Fragmente", in denen er z.B. aus dem Stirnmaß auf die Intelligenz und andere Persönlichkeitsmerkmale schloss.
+
Bestrebungen, aus der menschlichen Physiognomie Rückschlüsse auf charakterliche Eigenschaften zu schließen, sind wahrscheinlich so alt wie die Menschheit. Bereits aus dem Altertum sind von Aristoteles, Pythagoras, Hippokrates, Cicero, Quintilian, Plinius, Seneca und Galenus Quellen zur Physiognomik erhalten. Einen Aufschwung erlebte die Physiognomik in der Renaissance als Teilbereich der [[Okkultismus|okkulten Künste]]. Im Zeitalter der Aufklärung kam die Physiognomik zu einer populärwissenschaftlichen Blüte. Ende des 18. Jahrhunderts veröffentlichte der Schweizer Pfarrer Johann Caspar Lavater (1741-1801) seine ''Physiognomischen Fragmente'', in denen er z.B. aus dem Stirnmaß auf die Intelligenz und andere Persönlichkeitsmerkmale schloss.
    
Im 19. und 20. Jh. wurde die Physiognomik als „wissenschaftlicher“ Unterbau für Rassismus und Eugenik herangezogen. Willkürliche Rangfolgen von Schädelformen sollten im Nationalsozialismus die Wertunterschiede zwischen „höher entwickelten“ und „niederen“ Rassen als wissenschaftliche Fakten darstellen. Juden und „lebensunwertes Leben“ sollten bereits an der Gesichts- und Schädelform erkannt werden.
 
Im 19. und 20. Jh. wurde die Physiognomik als „wissenschaftlicher“ Unterbau für Rassismus und Eugenik herangezogen. Willkürliche Rangfolgen von Schädelformen sollten im Nationalsozialismus die Wertunterschiede zwischen „höher entwickelten“ und „niederen“ Rassen als wissenschaftliche Fakten darstellen. Juden und „lebensunwertes Leben“ sollten bereits an der Gesichts- und Schädelform erkannt werden.
   −
In der Gegenwart ist die Physiognomik wegen ihres rassistischen Kontextes und ihrer unwissenschaftlichen Grundlage als Wissenschaft völlig diskreditiert, während sie in [[Esoterik|esoterischen]] Kreisen immer noch als eine Art "Geheimwissen" zirkuliert. Beispiele sind die von Carl Huter begründete [[Psycho-Physiognomik nach Huter|Psycho-Physiognomik]] und die so genannte Pathophysiognomik. Eine Sonderform der Physiognomik ist das [[Handlesen]].
+
In der Gegenwart ist die Physiognomik wegen ihres rassistischen und diskriminierenden Kontextes sowie ihrer unwissenschaftlichen Grundlage als Wissenschaft völlig diskreditiert, während sie in [[Esoterik|esoterischen]] Kreisen immer noch als eine Art "Geheimwissen" zirkuliert. Beispiele sind die von Carl Huter begründete [[Psycho-Physiognomik nach Huter|Psycho-Physiognomik]] und die so genannte Pathophysiognomik. Eine Sonderform der Physiognomik ist das [[Handlesen]].
    
==Physiognomik in der Personalauswahl von Unternehmen==
 
==Physiognomik in der Personalauswahl von Unternehmen==
Zeile 27: Zeile 27:  
* [[Orientaldiagnose]]
 
* [[Orientaldiagnose]]
 
* Pathophysiognomik nach Natale Ferronato
 
* Pathophysiognomik nach Natale Ferronato
 +
 +
==Literatur==
 +
*Uwe Peter Kanning: ''Von Schädeldeutern und anderen Scharlatanen: Unseriöse Methoden der Psychodiagnostik.'' Pabst, Lengerich 2009, ISBN 978-3899676037
 +
 +
==Weblinks==
 +
*Wikipedia-Eintrag: [http://de.wikipedia.org/wiki/Physiognomik Physiognomik] mit einer ausführlichen Darstellung der Geschichte der Physiognomik
 +
*Uwe Kanning: [http://www.gwup.org/inhalte/92-themen/psychotechniken/995-schaedeldeutung-und-co- Schädeldeutung und Co.: Absurde Methoden der Psychodiagnostik] GWUP, Skeptiker 3/2010
 +
*Bärbel Schwertfeger: [http://www.spiegel.de/unispiegel/jobundberuf/obskure-personalauswahl-gescheitert-am-schaedeldeuter-a-691667.html  Obskure Personalauswahl: Gescheitert am Schädeldeuter] Spiegel online, 4.Mai 2010
 +
*Bärbel Schwertfeger: [http://www.spiegel.de/unispiegel/jobundberuf/personalauswahl-per-gesichtsanalyse-verraeterische-beule-am-kopf-a-446426.html Personalauswahl per Gesichtsanalyse: Verräterische Beule am Kopf] Spiegel online, 6. November 2006
 +
*Florian Freistetter: [http://derstandard.at/2000013080376/Schaedelkunde-Erfolg-kommt-mit-der-richtigen-Form-des-Kopfes Schädelkunde: Erfolg kommt mit der richtigen Form des Kopfes] derStandard.at, 18. März 2015
    
==Quellenverzeichnis==
 
==Quellenverzeichnis==
 
<references/>
 
<references/>
*[http://de.wikipedia.org/wiki/Physiognomik Wikipedia-Eintrag zu Physiognomik] mit einer ausführlichen Darstellung der Geschichte der Physiognomik
  −
*[http://www.science-at-home.de/lexikon/lexikon_det_00160601080024.php Physiognomik auf science.at]
  −
*[http://www.spiegel.de/unispiegel/jobundberuf/0,1518,691667,00.html Spiegel online vom 04.05.2010: Obskure Personalauswahl - Gescheitert am Schädeldeuter]
  −
*[http://www.gwup.org/zeitschrift/skeptiker-archiv/995-schaedeldeutung-und-co- Kanning, Uwe: Schädeldeutung und Co., Absurde Methoden der Psychodiagnostik, Skeptiker 3/2010]
  −
*[http://www.scienceblogs.de/astrodicticum-simplex/2010/05/astrologie-und-schadeldeutung-unseriose-methoden-bei-der-personalauswahl.php Astrologie und Schädeldeutung: Unseriöse Methoden bei der Personalauswahl]
      
[[category:Pseudowissenschaft]]
 
[[category:Pseudowissenschaft]]
 
[[category:Diagnostik in der Pseudomedizin]]
 
[[category:Diagnostik in der Pseudomedizin]]
1.276

Bearbeitungen