Cicero Galli Coimbra (Youtube)

Das Coimbra Protokoll (engl. Coimbra protocol) ist eine in Teilen geheim gehaltene umstrittene Behandlungsmethode des brasilianischen Arztes Cicero Galli Coimbra, die auf der hochdosierten Anwendung von Vitamin D basiert, welches er als "Hormon" bezeichnet. Coimbra wendet sich mit seinem Behandlungskonzept an Patienten die an Multipler Sklerose (MS) erkrankt sind. Allerdings soll seine Methode bei sämtlichen Autoimmunerkrankungen hilfreich sein. Anwendern seines Coimbra Protokolls wird im Sinne einer Wundertherapie das Ausbleiben von MS-"Schüben" versprochen sowie ein Rückgang der bisher eingetretenen Symptome. Etwa 95% der MS-Patienten sollen unter Anwendung des Coimbra-Protokolls eine dauerhafte Remission aufweisen. Im deutschsprachigen und im internationalen Internet finden sich in großer Zahl positive Stimmen sowie begeisterte Rückmeldungen von Anwendern.

Coimbra ist der Ansicht, dass Patienten mit der Autoimmunerkrankung MS eine genetisch bedingte Resistenz gegen Vitamin D (Vitamin D-Resistenz) aufweisen. Dadurch soll es zu einer „Th17 Reaktion“ kommen. Th17-Zellen sind eine Untergruppe von T-Lymphozyten (Zellen des Immunsystems) die den Botenstoff Interleukin IL-17 produzieren, der bei der Pathogenese der MS eine Rolle spielt.

Zum Coimbra-Protokoll liegen (im Januar 2020) keine belastbaren wissenschaftlichen Studien vor. Insbesondere fehlen kontrollierte klinische Studien am Menschen. Seine Methode entspricht daher nicht den Anforderungen, die heute an Therapiemethoden zu stellen sind, insbesondere nicht in der Therapie der Multiplen Sklerose. Folgerichtig finden sich das Coimbra Protokoll oder eine gleichwertige Empfehlung nicht in den Leitlinien von medizinischen Fachgesellschaften.

Die Kosten der Methode sind relativ hoch. Im ersten Anwendungsjahr sind etwa 400 bis 1000 € für Laboruntersuchungen und die Behandlungsstunden bei sog. „zertifizierten“ Ärzten zu zahlen. Danach reduzieren sich die Kosten auf 100 – 300 Euro pro Jahr. Das benötigte Vitamin kostet zwischen 20 und 200 Euro pro Monat.

Hinweis: Psiram gibt keine medizinischen Ratschläge. Von der Eigenmedikation mit ultrahochdosiertem Vitamin D ist ausserhalb von kontrollierten Studien in jedem Fall abzuraten

Methode

Das Coimbra Protokoll ist als solches nicht öffentlich genau beschrieben oder publiziert. Hier kann vermutet werden, dass für diesen in der Medizin unüblichen Umstand geschäftliche Gründe eine Rolle spielen. Dennoch lässt sich aus mehreren Quellen die Methode rekonstruieren.

Die Patienten müssen zunächst ihren Parathormonspiegel im Blut bestimmen lassen. Das Parathormon (PTH) ist ein Hormon, welches den Calciumspiegel reguliert. Die Freisetzung von PTH wird von Vitamin D gehemmt, sodass der PTH-Spiegel als Indikator für die biologische Aktivität von Vitamin D genutzt wird. Das Messergebnis ist sodann ausschlaggebend für die täglich einzunehmende Menge an Vitamin D. Täglich sollen bis zu 200.000 IE eingenommen werden (20.000 bis 200.000 IE), was üblicher Weise als "ultrahohe Dosierung" bezeichnet wird. Nach Angaben der Deutschen Multiple Sklerose Gesellschaft (DMSG) sollen allerdings im Rahmen des Coimbra Protokolls nur bis zu 60.000 IE eingenommen werden.[1] Eine andere Quelle nennt einen Wert von 1000 Einheiten pro Kilogramm Körpergewicht. Ziel ist offenbar ein Blutspiegel von 375 nmol/l für Vitamin D, ein Wert, der weit über üblichen Werten der allgemeinen Bevölkerung von 30 – 150 ng/l liegt (Unterversorgung: <50-80 ng/l, Mangel bei <10 ng/l). Es gibt Berichte über Werte von 400 bis 4000 nmol/l unter dieser Therapie. Der PTH-Spiegel soll durch die Einnahme von Vitamin D auf einen Wert nahe der unteren Grenze des Normalbereichs eingestellt werden, was wiederum nahe an einem toxischen Limit liegt. (Wegen fehlender Veröffentlichung des Protokolls sind sämtlichen Angaben zur Methode ungenau) Zusätzlich muss eine spezielle Calcium-arme Diät eingehalten werden. Auf Milchprodukte soll verzichtet werden und viel Wasser getrunken werden. Die MS-Patinten sollen zudem Sport treiben, um einem therapiebedingten Knochenabbau und Osteoporose entgegen zu wirken. Auch sollen sich die Behandelten viel in der Sonne aufhalten. Die hohen Vitamin D Einnahmen sollen nach Coimbra zu einer Heilung der Multiplen Sklerose führen, ein derzeit nicht realisierbares Therapieziel in der Medizin. Wegen der möglichen toxischen Wirkungen von Vitamin D / hohem Calcium sind häufigere Kontrollen durch Ärzte notwendig, insbesondere wegen der Gefahr von Knochenbrüchen.

Zu Behandlungsbeginn soll angeblich eine höhere Dosierung für die Dauer von zwei Monaten gewählt werden. Eine Kombination mit herkömmlichen Therapie sei möglich, heißt es aus Kreisen von Befürwortern.

Es bleibt unklar, wie lange die Therapie nach Coimbra durchgeführt werden soll. Aus Befürworterkreisen ist zu erfahren, dass sie nicht lebenslang durchgeführt werden soll. Irgendwann "vergesse" das Immunsystem die jeweilige Autoimmunerkrankung. Dies gelte jedoch nicht für bereits weit fortgeschrittene Fälle einer MS.

Zum Coimbra Protokoll kursieren auch weitere Empfehlungen, bei denen aber unklar ist, ob sie zum "Protokoll" im engeren Sinn dazu gehören. So solle Stress vermieden werden, Zigaretten und Alkohol sollen gemieden werden; ebenso wie heiße Bäder. Infektionen sollen auch nicht in Kauf genommen werden. Es gibt auch von Befürwortern die Empfehlung, im Rahmen des Protokolls zusätzlich Magnesium einzunehmen.

Mögliche unerwünschte Wirkungen - Nebenwirkungen

Hohe Vitamin D Aufnahmen sind toxisch und führen zur Hypervitaminose D. Insbesondere können die Calciumwerte stark ansteigen, was zu Hyperkalzämie und Nierenschäden führen kann. Daher soll auch auf Milchprodukte verzichtet werden. Es droht die Gefahr einer Demineralisierung der Knochen mit der möglichen Folge von Osteoporose und häufigeren Knochenbrüchen.

Ein amerikanischer Laien-Befürworter hoher Vitamin D - Einahmen ist Gary Null, der selbst Vitamine verkauft. Er zog sich durch den Konsum seines eigenen Produkts "Gary Null's Ultimate Power Meal" eine Vitamin-D-Vergiftung zu. Null zeigte ab Dezember 2009 schwere Symptome, nachdem er täglich 2 Einheiten seines "Vitaminmehls" zu sich genommen hatte und glaubt, dass er fast an Nierenversagen gestorben wäre. Er verklagte daraufhin den Hersteller seiner eigenen Produkte, da das Produkt 1.000 mal so viel Vitamin D enthielt wie angegeben.[2][3][4]

Studienlage

Cicero G. Coimbra lehnt selbst die Durchführung von kontrollierten Studien zu seiner Methode ab.

Vor Coimbra und unabhängig von ihm ist bereits über die Rolle des Vitamin D bei der Entstehung der MS geforscht worden. Studien haben Vitamin D als wichtigen Umweltfaktor identifiziert und legen einen Zusammenhang zwischen Vitamin D und Autoimmunität nahe, auch wenn dieser Zusammenhang noch nicht vollständig verstanden ist.[5] So ging man der Frage nach, ob die Unterversorgung mit Vitamin D ein Risikofaktor für die MS ist. Die meisten MS-Patienten weisen tatsächlich einen Vitamin D-Mangel auf. Mehrere Studien berichten, dass Menschen mit einem hohen Vitamin-D-Spiegel ein geringeres Risiko haben, später im Leben an Multipler Sklerose zu erkranken. Eine geringere MS-Aktivität (geringere Schubrate; weniger schwere Schübe) wurde bei höheren Vitamin-D-Spiegeln beobachtet. Die meisten dieser Studien konnten jedoch nicht klären, ob der Vitamin D-Mangel eine Folge oder die Ursache der MS ist oder ob es konfundierende Variablen gibt (Vitamin-D-Mangel als sog. Epiphänomen). Auch das breitengradabhängige Auftreten der MS wird mit Vitamin D in Zusammenhang gebracht, wobei der Sonderfall Inzidenz von MS bei in der Aktis lebenden Inuit zu berücksichtigen ist.

Die bislang größte durchgeführte Studie zum therapeutischen Effekt einer Vitamin-D-Supplementation, die SOLAR-Studie, ist aus wissenschaftlicher Sicht negativ ausgegangen. Das Studienziel einer völligen Remission konnte nicht erreicht werden. Für den Einsatz von Vitamin D als Intervention bei MS gibt es momentan (Januar 2020) keine klare medizinische Evidenz.[6]

Cicero Galli Coimbra

Cicero Galli Coimbra ist ein Arzt aus der Stadt São Paulo in Brasilien. Er ist Dozent für Neurologie und Neurowissenschaften an der Escola Paulista De Medicina (Universidade Federal De São Paulo - Unifesp).[7] In der Vergangenheit setzte er auch hohe Vitamin D Dosen (10.000 IE / Tag) bei Parkinson-Patienten ein. Sein Coimbra - Protokoll enstand in den Jahren 2008 bis 2012. Bereits 2002 verschrieb er 10.000 IE Vitamin D / Tag bei Autoimmunerkrankungen.

Zitate

  • Fazit
    Eine Behandlung nach dem Coimbra-Protokolls als Zusatztherapie für MS-Patienten ist nach unserer Ansicht nur im Rahmen eines Studienprotokolls zu rechtfertigen, um weitere Erkenntnisse über diesen Ansatz zu erlangen. Bislang gibt es aus wissenschaftlicher Sicht jedoch noch keine Erkenntnisse, die den Einsatz des Coimbra-Protokolls befürworten: randomisierte kontrollierte Studien sind ganz klar notwendig, um den Einsatz von ultrahochdosiertem Vitamin D zu rechtfertigen und um mögliche schädliche Auswirkungen sehr hoher Vitamin D-Dosen ausschließen zu können.

    Quelle: DMSG, HOCHDOSIERTES VITAMIN D ALS ZUSATZTHERAPIE IN DER BEHANDLUNG DER MULTIPLEN SKLEROSE? – EIN UPDATE- 28.9.2017[8]
  • “When we started with vitamin D and found out that it was effective, we made a life choice. We left academia behind – this thing of drugs here, drugs there, launches of drugs, testing of new drugs, allegedly satisfactory successes. We put it all aside and thought only of the interest of the patient who was there, at our office, in that moment.” Cicero G. Coimbra

Befürwortung einer Vitamin D Supplementierung

Ablehnung einer Vitamin D Einnahme

Literatur

Weblinks


Quellennachweise