Consolidated Sales 2008/2010[1]
Zertifikat für angeblichen Kursteilnehmer "Donald Duck" als "Boiron certified specialist" (italienisch: Paperino=Donald Duck[2])

Das französische Pharmaunternehmen Boiron ist der weltweit größte Hersteller von homöopathischen Heilmitteln. Filialen der börsennotierten Firma sollen in 59 Ländern existieren. Jedoch ist Boiron in keinem deutschsprachigen Land präsent.

Boiron gibt für das Jahr 2009 einen Umsatz von 526 Millionen Euro an (Gewinn 91 Millionen Euro), der in 2010 leicht auf 520 Millionen Euro zurückging. Der Umsatz in Frankreich betrug 2010 279 Millionen Euro und Boiron hatte 4.081 Beschäftigte. Die Mehrheit der Aktien hält die Familie Boiron, die auch den Geschäftsführer und Vorstandsvorsitzenden stellt. 2010 gab Boiron 128 Millionen für Marketing, aber nur 6,3 Millionen für Forschung aus (Pharmazeutische Firmen geben im Allgemeinen etwa das Doppelte für Marketing als für Forschung aus) - eine Ratio von 20 zu 1.[1]

Im Juni 2005 wurde die Firma Dolisos Laboratories von Boiron aufgekauft, ebenfalls Hersteller homöopathischer Mittel.

Angeboten werden Mittel aus der klassischen Homöopathie nach Hahnemann sowie auch weitere "poly"-Mittel aus der Komplexmittelhomöopathie.

Geschichte

Der eigentliche Firmengründer war im Jahr 1911 der Pariser Apotheker und Homöopathie-Anhänger René Baudry, der die "Pharmacie générale homéopathique française" in Paris gründete (boulevard Malesherbes 68, im 8. Pariser Arrondissement). 1922 verkaufte Baudry seinen Betrieb und gründete in Lyon ein "Laboratoire central homéopathique rhodanien".

Später nahmen die Gebrüder Jean und Henri Boiron (beide Apotheker) Kontakt mit Baudry auf und wurden von Baudry angestellt. 1932 gründeten die Brüder Boiron an der bereits genannten Pariser Adresse das "Laboratoire central homéopathique de France", das später zum "Laboratoires Homéopathiques Modernes" (LHM) wurde.

1967 entstand der Boiron-Konzern durch die Union mehrerer Homöopathiehersteller. 1987 folgte der Börsengang (Lyon). In der Folgezeit übernahm Boiron weitere Pharmaunternehmen.

Boiron-Mittel Oscillococcinum

Eines der bekanntesten Boiron-Mittel ist Oscillococcinum (Oscillo), Milchzucker-Präparate, die gegen die Grippe wirksam sein sollen. Der Name leitet sich von der Vermutung des französischen Arztes Joseph Roy (1891–1978) ab, der 1917 während einer Grippeepidemie Bakterien einer Gattung Oscillococcus im Blut Erkrankter vermutete. In den USA ist Oscillococcinum C200 das meistverkaufte homöopathische Mittel. Eine Wirksamkeit von Oscillococcinum bei Grippe ist wissenschaftlich nicht belegt.

Klagedrohung gegen Boiron-Kritiker und Blogger Samuele Riva

 
Drohbrief von Boiron Teil 1 (zum Vergrößern anklicken)
 
Beanstandeter Artikel mit umgehend entfernten Karikaturbildern (Hinweis dazu in roter Schrift) bei blogzero.it
 
Drohbrief von Boiron Teil 2
 
Aufmerksame Verfolgung der Klagedrohung und Reaktionen im Internet ("Streisand-Effekt") bei "börsennews.de"[3]

Nachdem der italienische Blogger Samuele Riva aus Mailand am 13. und 27. Juli 2011 zwei karikaturähnliche Artikel zur Homöopathie unter der Überschrift "Homöopathie - Mythos und Legende" (omeopatia mito e leggenda) berichtet hatte,[4] erhielt er einen Drohbrief von Boiron. Dabei hatte der 28-jährige Informatiker Riva auch zwei Bilder des Mittels Oscillococcinum gezeigt. Nach Angaben aus dem Drohbrief der Firma Boiron hatte er unter die Bilder geschrieben:

  • 13.07.2011 Il piu Nulla totale che secondo la Boiron cura l'influenza ... diluito 200K non contiene alcuna molecola di pricipio attivo. ("Das absolute Nichts, das nach Boiron die Grippe heilen soll ... verdünnt 200K enthält kein Molekül der Wirksubstanz")
  • 27.07.2011 Nuoce gravemente all'intelligenza (di chi lo aquista) ("schadet schwerwiegend der Intelligenz (des Käufers)")

Die italienische Filiale von Boiron reagierte gereizt und drohte eine Klage wegen Beleidigung an. Der Blogger entfernte daraufhin die Bilder aus den Artikeln. Nach Angaben des "British Medical Journal" (BMJ), das sich über die Klagedrohung informierte und mit Boiron Kontakt aufnahm, sei die Boiron-Mitarbeiterin Silvia Nencioni am 28. Juli 2011 an den Hoster des Blogs herangetreten und habe ihn schriftlich aufgefordert, jegliche Hinweise auf die Firma Boiron zu entfernen und den Zugang zu den Artikeln zu sperren, andernfalls werde Boiron klagen. Nach Ansicht von Boiron seien die Angaben in den Artikeln "falsch" und geeignet, Boiron sowie der Homöopathie insgesamt zu schaden. Der Hoster weigerte sich, Boiron die Adresse und Identität des Bloggers mitzuteilen, nur staatlichen Stellen würden die Daten unter Umständen offengelegt. Riva äußerte sich zur Klagedrohung:

Als ich von dem Drohbrief erfuhr, habe ich die Bilder und die Bezüge zur Firma Boiron und ihren Produkten entfernt, dabei habe ich aber die Artikel zur Homöopathie belassen. Auch habe ich brieflich Boiron darüber in Kenntnis gesetzt, ihre Forderungen erfüllt zu haben, allerdings habe ich bis heute keine Antwort bekommen [...] (nach BMJ-Angaben zitiert)

Den Verlauf der Klagedrohungen hat Riva in seinem Blog blogzero.it dokumentiert und dazu auch eine Webseite in englischer Sprache erstellt, da die Klagedrohung international beachtet wurde.[5] Mehr als einhundert Blogs und Webseiten berichteten im Sommer 2011 über die Klagedrohung. Wie Riva in seinem Blog berichtet, seien seine zwei beanstandeten Artikel in den ersten 56 Stunden von maximal 150 Personen gelesen worden. Nach der Klagedrohung sei sein Blog dagegen mehrere tausend Mal pro Tag besucht worden.[6][7]

Nach Angaben des BMJ hat Boiron regelmäßig die Presse und das Internet auf der Suche nach Berichten zu Boiron überwacht.

Entschädigungszahlung an unzufriedene Kunden

2012 wurde bekannt, dass Boiron fünf Millionen Dollar an unzufriedene Boiron-Kunden zahlte, die gegen das Pharmaunternehmen geklagt hatten. Die Kläger sahen sich durch die Werbung getäuscht und klagten auf Basis der "California’s unfair competition and false advertising laws”. Die Kläger behaupteten, dass Boiron-Produkte (darunter Oscillococcinum) nicht die Wirkung gezeigt hätten, die in der Werbung versprochen wurde. Im Laufe des Prozesses konnte Boiron nicht beweisen, dass die entsprechenden homöopathischen Mittel eine wissenschaftlich nachweisbare Wirksamkeit haben. Es kam letztendlich nicht zu einem Urteil, sondern zu einem Vergleich und Zahlungen durch Boiron.[8] Nach diesem Vergleich will Boiron weitere sieben Millionen Dollar für eine an die Gesetzgebung angepasste Etikettierung der Produkte und Kundeninformationen ausgeben.[9][10][11]

Anderssprachige Psiram-Artikel

Literatur

  • Fabio Turone: "News - Homoeopathy multinational Boiron threatens amateur Italian blogger", BMJ 2011, 343:d5197 doi: 10.1136/bmj.d5197 (12. August 2011)
  • Oscillococcinum, le joli grand canard. Science et Pseudo-sciences, Cahiers bimestriels de l'Association Française pour l'Information Scientifique, Nr. 202, März-April 1993

Weblinks



Quellennachweise