AFA-Algen: Unterschied zwischen den Versionen

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'''Afa-Algen ''' (Aphanizomenon flos-aquae) sind Bakterien der Abteilung [http://de.wikipedia.org/wiki/Cyanobakterien Cyanobakterien] und werden auch Blaualgen genannt. Diese werden seit einigen Jahren als [[Nahrungsergänzungsmittel]] (NEM) angeboten. Entsprechend der häufigen Vorgehensweise von Vermarktern von "Wundermitteln" wurden über diese schlichte Alge diverse Märchen und beleglose Behauptungen verbreitet und ihr Heilwirkungen bei [[Ritalinkritik|ADHS]] bis [[Unkonventionelle Krebstherapien|Krebs]] und natürlich allen üblichen [[Zivilisationskrankheit]]en angedichtet. Nahrungsergänzungsmittel sind rechtlich jedoch Lebensmittel und unterliegen daher dem [[LFGB]] (Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuch). Laut LFGB sind gesundheitsbezogene Werbung und werbeähnliche Äußerungen untersagt und können kostenpflichtig abgemahnt werden. Problematisch ist, dass in diesen Algen z.T. sehr giftige (lebertoxische) Microcystine vorhanden sein können.
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'''AFA-Algen''' (''Aphanizomenon flos-aquae'') sind Bakterien der Abteilung [http://de.wikipedia.org/wiki/Cyanobakterien Cyanobakterien] und werden fälschlicherweise auch als Blaualgen bezeichnet. AFA-Algen werden seit einigen Jahren als [[Nahrungsergänzungsmittel]] (NEM) angeboten und unter anderem als Heilmittel gegen [[Ritalinkritik|ADHS]], aber auch [[Unkonventionelle Krebstherapien|Krebs]] und alle üblichen [[Zivilisationskrankheit]]en vermarktet. Nahrungsergänzungsmittel sind rechtlich jedoch Lebensmittel und unterliegen daher in Deutschland der [[Nahrungsergänzungsmittelverordnung]] (NemV) und im EU-Recht der Richtlinie 2002/46/EG sowie dem [[LFGB]] (Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuch). Laut LFGB sind gesundheitsbezogene Werbung und werbeähnliche Äußerungen untersagt und können kostenpflichtig abgemahnt werden.  
  
==Afa-Algen sind keine Pflanzen, sondern Cyanobakterien==
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==Systematik==
Die als Afa-Algen bezeichneten Lebewesen sind zur Photosynthese befähigte Einzeller (Eubakterien), die evolutionsgeschichtlich sehr alt sind. Viele Stämme dieser Bakterien sind in der Lage, hochwirksame Gifte (Microcystine, Anatoxine, Saxitoxin) zu produzieren, welches sich in den Bakterien selbst sowie in den sie verzehrenden Meerestieren anreichert. Man nennt sie deshalb auch blaugrüne Cyanobakterien. Eine ausführliche Darstellung über Microalgen und deren Belastung mit Algentoxinen finden sie in den Guidelines for Safe Recreational-water Environments (Vol. I: Coastal and Fresh-waters), Oktober 1998 <ref>http://www.transgallaxys.com/~tennisplatzis/paralex/content/who_Recreawat-II.pdf</ref>.
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Die als AFA-Algen bezeichneten Lebewesen sind zur Photosynthese befähigte Bakterien (Eubakterien), die evolutionsgeschichtlich sehr alt sind. Viele Stämme dieser Bakterien sind in der Lage, hochwirksame Gifte (Mikrocystine, Anatoxine, Saxitoxin) zu produzieren, welche sich in den Bakterien selbst sowie in den sie verzehrenden Meerestieren anreichern. Eine ausführliche Darstellung über Mikroalgen und deren Belastung mit Algentoxinen findet sich in den Guidelines for Safe Recreational-water Environments (Vol. I: Coastal and Fresh-waters), Oktober 1998.<ref>http://www.who.int/water_sanitation_health/bathing/srwe1/en/</ref>
  
==Beworbene Indikationen==
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==Beworbene Einsatzgebiete==
Afa-Algen werden von unterschiedlichen Firmen als Lebensmittel angepriesen. Je nach Lokalisation der Firma werden verschiedene heilende Aussagen getroffen. In den USA werden die Mittel u.a. von der Fa. Bluegreen (von der auch deutsche Firmen ihre Produkte beziehen) als Mittel zur Behandlung von Krebs, HIV, Immunschwächeerkrankungen anderer Art, ADHS, Hypercholesterinämie und zur Stärkung des allgemeinen Wohlbefindens beworben. Für diese propagierten Aussagen liegen keine glaubwürdigen Wirksamkeitsnachweise vor.
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AFA-Algen werden von diversen Firmen als Nahrungsergänzungsmittel angepriesen. In den USA werden die Mittel u.a. von der Fa. Bluegreen (von der auch deutsche Firmen ihre Produkte beziehen) zur Behandlung von Krebs, HIV, Immunschwächeerkrankungen anderer Art, ADHS, Hypercholesterinämie (zu hoher Cholesterinspiegel) und zur Stärkung des allgemeinen Wohlbefindens beworben. Für diese Aussagen liegen jedoch keine glaubwürdigen Wirksamkeitsnachweise vor. In Deutschland ist kein Cyanobakterien-haltiges Präparat als Arzneimittel zugelassen.
  
==Studienlage==
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==Toxinbelastung==
Seriöse Studien über die Wirkung der AFA-Algen gibt es im internationalen wissenschaftlichen Schrifttum nicht. Es gibt allerdings einige Nischenpublikationen wie einen Buchbeitrag (Manoukain et al. 1998) und Journalartikel (Kushak et al. 2000, Jensen et al. 2000). Letztere stammen aus dem Journal of the American Nutraceutical Association (JANA). Allein diese Titelwahl soll den Leser verwirren, denn die American Medical Association, die größte US-Vereinigung für Fachärzte der Inneren Medizin, gibt mit JAMA eine ähnlich klingende Fachzeitschrift heraus, die sich Journal of the American Medical Association (JAMA) nennt. JANA ist nicht in medizinischen Fachinformationsdiensten wie Medline gelistet, JAMA hingegen sehr wohl.
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[[image:afa1.jpg|Anabaena|thumb]]
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Das Hauptproblem der AFA-Produkte ist die Beimengung von Cyanobakteriengiften, besonders die Mikrozystine. Mikrozystine sind ein starkes Lebergift, welches eine ähnliche Wirkung wie das Gift in Knollenblätterpilzen hat. Mikrozystine sind krebserregend und können auch giftig für das Gehirn und die Nieren sein.<ref>http://www.uni-konstanz.de/news/mittshow.php?nr=12&jj=2008</ref> In der Online-Giftpflanzendatenbank des Instituts für Veterinärpharmakologie und -toxikologie der Uni Zürich ist Aphanizomenon flos-aquae mit dem Vermerk "stark giftig" zu finden.<ref>http://www.scinexx.de/dossier-detail-224-9.html</ref>
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Ferner produzieren einige Stämme von ''Aphanizomenon flos-aquae'' Anatoxine. Das sind Gifte, die entweder direkt eine permanente Stimulation der Acetylcholinrezeptoren in den Nervenzellen bewirken oder das Enzym Acetylcholinesterase hemmen und so in ihrer Wirkung mit Nervengasen wie Sarin und Tabun vergleichbar sind. Einige in Deutschland gefundene Stämme von ''Aphanizomenon flos-aquae'' produzieren die Gifte Cylindrospermopsin und Saxitoxin. Diese Gifte können beim Trinken kontaminierten Wassers oder beim Schwimmen in verseuchten Gewässern für Tiere lebensbedrohlich sein.<ref>http://de.wikipedia.org/wiki/Gr%C3%BCne_Spanalge#Giftigkeit</ref>
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In aktuellen Publikationen, in denen verschiedene Gattungen der blaugrünen Cyanobakterien ''Anabaena'', ''Aphanizomenon'', ''Calothrix'', ''Cylindrospermum'', ''Nostoc'', ''Microcystis'', ''Planktothrix'', ''Oscillatoria'' und ''Synechococcus genera'' untersucht wurden, fanden sich immer wieder Arten, die Gifte der Klasse der Mikrozystine und der Anatoxine produzierten.<ref name='Lyra'>Lyra C, Suomalainen S, Gugger M, Vezi C, Sundman P, Paulin L, Sivonen K: Molecular characterization of planktic cyanobacteria of Anabaena, Aphanizomenon, Microcystis and Planktothrix genera. Int J System Evolut Microbiol 51: 513-526, 2001</ref> Untersuchungen handelsüblicher AFA-Algenpräparate durch die Universität Konstanz (2008) haben gezeigt, dass der Summenrichtwert für das Toxin Mikrozystin zum Teil bis zum Achtfachen überschritten wurde.<ref>http://www.uni-konstanz.de/news/mittshow.php?nr=12&jj=2008</ref>
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Wissenschaftler sind sich des Toxinproblems in Algen bewusst. Ray schrieb schon 1991, dass einige AFA-Stämme hochwirksame Nervengifte produzieren können, diese Gifte aber in Nahrungsmitteln aus Algen des Upper Klamath Sees in Oregon nicht gefunden worden seien.<ref>Ray RA: Microalgae as food and supplement. Crit Rev Food Sci Nutr 30: 555-573, 1991</ref> Seine Ansicht wird durch die Arbeit von Schaeffer et al. unterstützt, die in Algen eine Beimengung durch eine Mikrozystin-produzierende Alge (Microcystis&nbsp;spp.) nachwiesen. Demzufolge verursache diese Beimischung den Toxineintrag.<ref name='Schaefer'>Schaeffer DJ, Maplas PB, Barton LL: Risk assessment of microcystins in dietary Aphanizomenon flos-aquae. Ecotoxicol Envinron Saf 44: 73-80, 1999</ref>
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Inzwischen gibt es eine Veröffentlichung, die sich mit Mikrozystinbelastungen von AFA-Nahrungsergänzungsmitteln befasst, die aus dem Upper Klamath See gewonnen werden. Gilroy et al. analysierten Mikrozystinkonzentrationen in vier verschiedenen AFA-Produkten über vier Jahre hinweg (1996-1999) und alle Produkte enthielten Mikrozystine in unterschiedlicher Menge.<ref>Gilroy DJ, Kauffman KW, Hall RA, Huang X, Hu FS: Assessing potential health risks from microcystin toxins in blue-green algae dietary supplements. Environment Healtch Perspect 108: 435-439, 2000</ref> 
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Anbieter von AFA-Produkten weisen jedoch die Mikrozystinbelastung generell weit von sich. Sie stellen sich auf den Standpunkt, dass ''Aphanizomenon flos aquae'' keine Mikrozystine produziere und führen Studien an, in denen dergleichen nachgewiesen worden sei. Das wirkt befremdlich, denn selbst der sich für Algenprodukte einsetzende US-amerikanische Professor Wayne Carmichael schrieb am 30.&nbsp;Januar 2002 auf seiner Webseite unter Bezugnahme auf einen Artikel im Scientific American:
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:''[...] Anabaena, Oscillatoria, Lyngbya, and Aphanizomenon produce neurotoxic anatoxins and/or saxitoxins. Anatoxin-a and Anatoxin-a(s) seem unique to cyanobacteria, while saxitoxin also arise in certain marine algae. Anatoxin-a is a potent nicotinic agonist that mimics acetylcholine and is used as a research tool in neurobiology. Anatoxin-a(s) is a structurally new organophosphate that inhibits acetylcholinesterase. Saxitoxin prevents acetylcholine from being released from neurons by blocking the inward flow of sodium ions across the axonal membrane channels, disrupting the communication between neurons and muscle cells [...]''
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Wirft man einen Blick in die Fachliteratur, gibt es offenbar einige Stämme von ''Aphanizomenon flos aquae'', die keinerlei Mikrozystine produzieren. Lyra et al. (2001) nennen hier Aphanizomenon&nbsp;sp. 202, A.&nbsp;sp. TR183 (AJ133155), A.&nbsp;sp. PCC 7905, A.&nbsp;sp. PH-271, A.&nbsp;flos aquae NIES&nbsp;81 und Aphanizomenon gracilie PH-219.<ref name='Lyra'></ref> Allerdings sind diese ''Aphanizomenon''-Bakterien genetisch ausgesprochen eng verwandt mit den Anabaena-Bakterien, die selbst durchaus Neurotoxine erzeugen.
  
In der Studie von Manoukain et al. (1998) wurde festgestellt, dass man durch die Gabe von 1.5 g Afa-Algen bei fünf gesunden Freiwilligen eine signifikante Verringerung der Natürlichen Killerzellen innerhalb von 2 Stunden nach dem Schlucken bewerkstelligen konnte. Die Menge an NK-Zellen sank um 63%. Dies verwundert nicht, denn die unten noch näher beschriebenen Algentoxine greifen u.a. direkt die Zellstrukturen von weißen Blutkörperchen an und können die Aufnahme von Nahrungsenergie (z.B. Glukose) durch die Zellwand hemmen. Wahrscheinlich resultiert die Reduktion der NK-Zellen auf einer direkten Giftwirkung der in den Afa-Algen vorhandenen Microcystine oder des Saxitoxins, das in geringeren Mengen Auswirkungen auf Blutzellen hat.
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==Studienlage zur Wirksamkeit==
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Seriöse Studien über die Wirkung der AFA-Algen gibt es im internationalen wissenschaftlichen Schrifttum nicht. Es gibt allerdings einige Nischenpublikationen wie einen Buchbeitrag von Manoukain et al.<ref name='Manu'>Manoukain R, Citton M, Huerta R, Rhode B, Drapeau C, Jensen GS: Effects of the blue-green algae aphanizomenon flos aqua (L.) Ralphs on human natural killer cells. In: Savage L (Ed.): Phytoceuticals. 1.1. Chap. 3.1., Seite 233-241, 1998</ref> und Journalartikel<ref name='Kushak'>Kushak RI, Drapaeu C, Van Cott, EM, Winter, HH: Favorable effects of blue-green algae Apha-nizomenon flos-aquae on rat plasma lipids. Journal of the American Nutraceutical Association, 2(3), 59-65, 2000</ref>. Letztere stammen aus dem Journal of the American Nutraceutical Association (JANA). Hinsichtlich der Titelwahl ist anzumerken, dass die American Medical Association, die größte US-Vereinigung für Fachärzte der Inneren Medizin, mit JAMA (Journal of the American Medical Association) eine ähnlich klingende Fachzeitschrift herausgibt. JANA ist nicht in medizinischen Fachinformationsdiensten wie Medline gelistet, JAMA hingegen sehr wohl.
  
In einer zweiten Studie (Jensen et al. 2000) wurden 21 gesunde Probanden mit 1.5 g Afa-Algen über sechs Wochen behandelt. Unter der Afa-Algenbehandlung kam es zu einem deutlichen Anstieg bestimmter weißer Blutkörperchen, was unter Placebogabe nicht eintrat. Dieser Effekt wurde von den Autoren als Stimulation des Immunsystems interpretiert, die eine Verbesserung der Abwehrsituation anzeige. Diesen Schluss ist lächerlich, denn wenn man eine Substanz verzehrt, die Zellgifte enthält, welche im Organismus z.B. Leberzellen verstärkt in den Selbstmord treiben können (Auslösung der Apoptose), erklärt sich der Anstieg der Abwehrzellen wesentlich offensichtlicher. Stirbt im Organismus Zellgewebe ab, weil es beschädigt wurde, dann ändert sich die Oberflächenstruktur der betroffenen Zellen. Diese werden dadurch für das Abwehrsystem als zur Entsorgung freigegeben gekennzeichnet, daraufhin von weißen Blutkörperchen angegriffen und verzehrt. Je mehr solche betroffenen Zellen sterben, desto höher ist der Bedarf an den sie verzehrenden weißen Blutkörperchen. Die Erhöhung bestimmter weißer Blutkörperchen ist nur die Folge einer durch Algengifte verursachten, niedrigschwelligen Entzündungsreaktion u.a. von Leberzellen. Jensen et al. (2000) verloren kein Wort über den Zustand der Leber oder der Nieren der Probanden.
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In der Studie von Manoukain et al. wurde beobachtet, dass die Gabe von 1,5&nbsp;g AFA-Algen bei fünf gesunden Freiwilligen eine signifikante Verringerung der natürlichen Killerzellen (NK) innerhalb von zwei Stunden nach der Einnahme bewirkte. Die Menge an NK-Zellen sank um 63%.<ref name='Manu'></ref>
  
Kushak et al. (2000) veröffentlichten eine Studie, die an Ratten zeigen sollte, dass der Konsum von Afa-Algen den Blutfettspiegel zu regulieren in der Lage sei. Sie gaben den Tieren unterschiedliche, mit ungesättigten Fettsäuren angereicherte Diäten. Daneben reicherten Sie die Diät z.T. mit 10-15% Afa-Algensubstanz an. Im Vergleich zu der Kontrollgruppe, die keinen Afa-Zusatz erhielt, wiesen die beiden Afa-Untersuchungsgruppen eine deutliche Senkung des Gesamtcholesterin- und Triglyzeridspiegels im Serum auf. Die Autoren kamen zu dem Schluss, dass Afa-Algen einen cholesterinsenkenden Effekt hätten und empfahlen, diese Wirkung im Lebensmittelsektor auszunutzen. Auch dieses Resultat wundert mich nicht, lässt es sich doch erneut mit der Giftwirkung von Algentoxinen erklären. Die Leber ist das Zielorgan für Microcystine, die sich dort anreichern. Dies ist auch bei Ratten nachgewiesenermaßen der Fall. Die Leber ist aber gleichzeitig der Produktions- und Umschlagsort für Blutfette. Da Microcystine auch in niedriger Dosierung auf Leberzellen von Ratten schädigend wirken, sinkt mit steigender Afa-Menge logischerweise die Syntheseleistung der Leberzellen, weil sich eine zunehmende toxinbedingte Organentzündung in einer verschlechterten Syntheseleistung niederschlägt. Interessanterweise hatten die Autoren weder Leberwerte berichtet, die auf die Organfunktion hätten schließen lassen, noch hatten sie nach dem Fütterungsversuch über histologische Leberuntersuchungen der Tiere berichtet, um eventuelle Auswirkungen der Algentoxine zu bewerten. Dies lässt darauf schließen, dass sie offenbar befürchteten, negative Auswirkungen zu finden. Wer nicht sucht, findet nicht und kann dem Leser in die Tasche lügen.
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Dies kann darauf zurückzuführen sein, dass die Algentoxine u.a. direkt die Zellstrukturen von weißen Blutkörperchen angreifen und die Aufnahme von Nahrungsenergie (z.B. Glusose / Traubenzucker) durch die Zellwand hemmen können. Wahrscheinlich resultiert die Reduktion der NK-Zellen aus einer direkten Giftwirkung der in den AFA-Algen vorhandenen Mikrocystine oder des Saxitoxins, das in geringeren Mengen Auswirkungen auf Blutzellen hat.
  
Die drei Studien sind kein Beleg für die Wirkung von Afa-Algen, zumal keiner der Autoren in seinen Berichten genaue Angaben über die Microcystin-, Anatoxin- und Saxitoxingehalte der verwendeten Afa-Produkte machte. Bei jeder Studie war ein Vertreter von Bluegreen, dem größten US-amerikanischen Afa-Algenproduzenten, Mitautor. Dies lässt auf eine direkte Einflussnahme und auf Gefälligkeitsstudien schließen.
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In einer zweiten Studie  von Jensen et al.<ref>Jensen GS, Ginsberg DI, Huerta P, Citton M, Drapeau C: Consumption of Aphanizomenon flos-aquae has rapid effects on the circulation and function of immune cells in humans. A novel approach to nutritional mobilization of the immune system. Journal of the American Nutraceutical Association, 2(3), 50-58, 2000</ref> nahmen 21&nbsp;gesunde Probanden über sechs Wochen täglich 1,5&nbsp;g AFA-Algen ein. Im Vergleich zur Placebogruppe kam es unter der AFA-Algen-Einnahme zu einem deutlichen Anstieg bestimmter weißer Blutkörperchen. Dieser Effekt wurde von den Autoren als Stimulation des Immunsystems interpretiert, die eine Verbesserung der Abwehrsituation anzeige. Dieser Schluss ist unplausibel, denn wenn man eine Substanz verzehrt, die Zellgifte enthält, welche im Organismus, z.B. in der Leber, zu einem verstärkten Zelluntergang (Auslösung der Apoptose) führen, erklärt sich der Anstieg der Abwehrzellen wesentlich offensichtlicher. Stirbt im Organismus Zellgewebe ab, weil es beschädigt wurde, ändert sich die Oberflächenstruktur der betroffenen Zellen. Diese werden dadurch für das Abwehrsystem als "zur Entsorgung freigegeben" gekennzeichnet, daraufhin von weißen Blutkörperchen angegriffen und verzehrt. Je mehr solche betroffenen Zellen sterben, desto höher ist der Bedarf an den sie verzehrenden weißen Blutkörperchen. Die Erhöhung bestimmter weißer Blutkörperchen ist also die Folge einer durch Algengifte verursachten, niedrigschwelligen Entzündungsreaktion u.a. von Leberzellen. Jensen et al. machten keinerlei Angaben über den Zustand der Leber oder der Nieren der Probanden.
  
Es gibt im Bereich der Therapie hyperaktiver Kinder bisher keine einzige seriöse Studie, die bewiesen hätte, dass Afa-Algen einen therapeutischen Vorteil erbracht hätten. Man muss sich recherchemäßig fast auf den Kopf stellen, um zumindest indirekte Hinweise zu erhalten, denn im internationalen medizinischen Fachschrifttum gibt es keine einzige Afa-Studie. Auch das Durchforsten von Doktorarbeiten oder Habilitationsschriften deutscher Universitäten erbringt keine einzige Untersuchung mit diesem Nahrungsergänzungsmittel.
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Kushak et al.<ref name='Kushak'></ref> veröffentlichten eine Studie, die an Ratten zeigen sollte, dass der Konsum von AFA-Algen den Blutfettspiegel regulieren könne. Sie gaben den Tieren unterschiedliche, mit ungesättigten Fettsäuren angereicherte Diäten. Daneben reicherten sie die Diät z.T. mit 10-15% AFA-Algensubstanz an. Im Vergleich zu der Kontrollgruppe, die keinen AFA-Zusatz erhielt, wiesen die beiden AFA-Untersuchungsgruppen eine deutliche Senkung des Gesamtcholesterin- und Triglyzeridspiegels im Serum auf. Die Autoren kamen zu dem Schluss, dass AFA-Algen einen cholesterinsenkenden Effekt hätten und empfahlen, diese Wirkung im Lebensmittelsektor auszunutzen. Auch dieses Resultat lässt sich mit der Giftwirkung von Algentoxinen erklären: Die Leber ist das Zielorgan für Mikrozystine, die sich dort anreichern. Dies ist auch bei Ratten nachgewiesenermaßen der Fall. Die Leber ist aber gleichzeitig der Produktions- und Umschlagsort für Blutfette. Da Mikrozystine auch in niedriger Dosierung auf Leberzellen von Ratten schädigend wirken, sinkt mit steigender AFA-Menge die Syntheseleistung der Leberzellen, weil sich eine zunehmende toxinbedingte Organentzündung in einer verschlechterten Syntheseleistung niederschlägt. Allerdings hatten die Autoren weder über Leberwerte, die auf die Organfunktion hätten schließen lassen, noch über histologische Leberuntersuchungen der mit AFA-Algen gefütterten Tiere berichtet, um eventuelle negative Auswirkungen der Algentoxine auf die Leberzellfunktion zu bewerten.  
  
In einem Buch der Heilpraktikerin und Diplom-Politologin Barbara Simonsohn (2001), die Afa-Algen als Ersatz für Ritalin vorstellt, findet man einen ersten Hinweis. Sie berichtet über Einzelfälle, die als Belege dargestellt werden: Julian, 13, war sprunghaft, ungewöhnlich rastlos, unkonzentriert und ermüdete schnell. Sein Verhalten war dominant, undiplomatisch und oft verständnislos. Julian ist seit Afa-Algen-Einnahme weniger impulsiv, er findet nach einem Wutanfall leichter zurück zum Normalzustand, kann besser nachgeben und ist lustiger und fröhlicher. Diesem lächerlichen Beweis fehlt so ungefähr alles, was es erlaubt, eine seriöse DSM-IV-basierte Beurteilung der Hyperaktivität des Kindes zu erstellen. Die Heilpraktikerin hat nur einen winzigen Ausschnitt der tatsächlichen Symptomatik eines hyperaktiven Kindes beschrieben. Da die anderen Fallbeschreibungen in ihrem Buch von ähnlicher Güte sind, stellt sich die Frage, ob Simonsohn wirklich eine Ahnung von dem hat, über was sie schreibt. Da sie als Werbeinstrument für Algenhersteller dient, sind ihre Publikationen wohl nichts anderes als direkte Schleichwerbung für Afa-Algen, an denen sie gut verdient. Sie selbst gibt in ihrem Buch offen zu, von mindestens drei deutschen Anbietern mit Afa-Pillen im Marktwert von 7.500 Euro ausgestattet worden zu sein, um Kinder von 44 Familien zu behandeln. Die Heilpraktikerin empfahl den Kindern eine Dosis von 1.5 g/d und die Beobachtung soll 10 Wochen gedauert haben. Kalkuliert man die Tagesdosis mit 1 Euro, hätte die Dame 5.000 Tagesdosen ausreichen können. Weil man 80 Tagesdosen pro Kind braucht, hätte man mindestens 60 Kinder behandeln können. Es sind aber nur 19 Kinder in der Publikation der Heilpraktikerin grob beschrieben. Da 44 Familien gemeinsam wohl kaum 19 Kinder haben können, dürfte sich die Heilpraktikerin entweder jene Fälle herausgesucht haben, bei denen ihre schlampige Diagnostik einer wahrscheinlich gar nicht bestehenden ADHS durch Afa-Algen 'geheilt' wurde oder sie hat, wie in solchen Jubelpublikationen üblich, die Krankengeschichten erfunden.
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Diese drei Studien sind folglich kein Beleg für eine positive Wirkung von AFA-Algen auf Immunsystem oder Fettstoffwechsel, zumal keiner der Autoren in seinen Berichten genaue Angaben über die Mikrozystin-, Anatoxin- und Saxitoxingehalte der verwendeten AFA-Produkte machte und der Zustand der Leber nach der Einnahme der AFA-Algen nicht untersucht wurde. Bei jeder Studie war ein Vertreter von Bluegreen, des größten US-amerikanischen AFA-Algenproduzenten, Mitautor.  
  
Blickt man in populärwissenschaftliche Zeitschriften der [[Ganzheitsmedizin]], findet sich eine Publikation von Simonsohn im Jahr 2000. Hier berichtete sie über verschiedene Studien, die angeblich die Wirksamkeit bei Afa-Algen bewiesen haben sollen. In der sog. The kid.com Study, die von einem Afa-Anbieter durchgeführt worden sein soll, sollen Symptomverbesserungen bei Kindern erreicht worden sein. Was genau diagnostiziert wurde und welches Resultat sich vor und nach der Studie exakt dargeboten hat, gibt die Autorin nicht wieder. Sie gibt nur folgendes bei den Kindern an: Signifikante Verbesserungen in ihrer Fähigkeit, zu fokussieren, Anweisungen zu folgen und sich zu konzentrieren. Eine Abnahme von streitsüchtigem, fordernden und kämpferischen Benehmen. Weniger Symptome von Angst und Depression. Verbesserung des sozialen Verhaltens. Weniger Zeichen von emotionalen und verhaltensmäßigen Abgelenktsein. Weniger Wutanfälle und Erziehungsprobleme. Weniger Verhaltensauffälligkeiten, die man als merkwürdig klassifizieren könnte. Weniger körperliche Symptome wie Kopfschmerzen und Magenschmerzen, für die kein offensichtlicher Grund vorliegt.
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Es gibt zur Therapie hyperaktiver Kinder bisher keine seriöse Studie, die bewiesen hätte, dass AFA-Algen einen therapeutischen Vorteil erbringen können. Im internationalen medizinischen Fachschrifttum gibt es keine AFA-Studie, auch in Doktorarbeiten oder Habilitationsschriften deutscher Universitäten ist keine Untersuchung mit diesem Nahrungsergänzungsmittel zu finden.
  
Wenn man diese Untersuchungsmerkmale mit den DSM-IV Diagnosekriterien für ADHS vergleicht, kommt man mit sehr viel Mühe auf gerade einmal zwei ADHD-Merkmale. Das lässt den Verdacht aufkommen, dass es sich bei den Kindern in der Kid.com-Studie nicht um hyperaktive Kinder gehandelt hat. Da wundert es nicht, wenn Simonsohn (2000) schreibt: Die beiden Behandlungsformen (gemeint ist der Vergleich zwischen Ritalin und Afa-Algen) waren gleichermaßen effektiv. Wer den Eindruck hinterlässt, Äpfel mit Birnen zu vergleichen und gleichzeitig so wenig Ahnung von ADHS hat, wie Frau Simonsohn, mag diesen Schluss ziehen.
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Dagegen existieren sehr wohl Studien über die Schädlichkeit von AFA-Algen. So wurden in einer toxikologischen Studie der Universität Konstanz 16 AFA-Präparate unterschiedlicher Hersteller untersucht. Zehn davon überschritten den Summenrichtwert für das Toxin Mikrozystin zum Teil erheblich. Die höchste Konzentration an Mikrozystin im Untersuchungsgut lag bei mehr als acht Mikrogramm pro Gramm Algenpräparat.<ref>http://www.uni-konstanz.de/news/mittshow.php?nr=12&jj=2008</ref>
  
Ähnlich sieht es bei einer zweiten Studie aus, die Simonsohn (2000) referiert. Es handelt sich um den The Children & Algae Report, bei dem die beteiligten Eltern die Produkte eines Afa-Algenanbieters sogar selbst zahlen mussten. Die Bewertung der Kinder erfolgte mit einem Aschenbach-Bewertungsschema, welches u.a. Aufmerksamkeit, Aggression, soziale Probleme, Ängstlichkeit/Depression, Straffälligkeit, Denkprobleme, Zurückgezogenheit und eine Bewertung namens somatisch beurteilen soll. Diese pseudowissenschaftliche Bewertungsschema ist in der seriösen ADHS-Diagnostik vollständig unbekannt.
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==AFA-Algen und ADHS==
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Besonders angepriesen werden AFA-Algen als Alternative zu Methylphenidat (Ritalin(R)) bei Kindern mit ADHS. Für derartige medizinische Wirkungen von AFA-Algen-Produkten gibt keinerlei wissenschaftliche Belege.  
  
In keiner der von Befürwortern durchgeführten Studien, sofern diese überhaupt erreichbar sind, ist eine glaubwürdige, realitätsbezogene Selektion des untersuchten Kollektivs nach etablierten Diagnosemethoden erfolgt. Offenbar wurden die üblichen DSM-Kriterien nicht als Bewertungs- und Einstufungsgrundlage angewendet. Allein diese methodischen Unzulänglichkeiten machen die bisherigen Befürworterstudien in meinen Augen unglaubwürdig. Der Umstand, dass in keiner Studie mitgeteilt wird, ob nach Toxinen in den Afa-Algen gesucht worden war oder ob zumindest Leber- und Nierenparameter zur Absicherung von negativen Auswirkungen dieser Gifte laborchemisch bestimmt worden sind, zeigt, dass in diesen Studien offenbar nicht mit großer wissenschaftlicher Genauigkeit vorgegangen wurde.
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Beispielsweise bewirbt die Diplom-Politologin und [[Heilpraktiker]]in [[Barbara Simonsohn]] AFA-Algen intensiv als "''Grünes Manna aus der Urzeit für die Probleme der heutigen Zeit''" und stellt in ihrem Buch AFA-Algen als Ersatz für Ritalin vor.<ref>Simonsohn B: Hyperaktivität - warum Ritalin keine Lösung ist. W. Goldmann Verlag, München, 2001</ref> Sie berichtet anekdotisch über Einzelfälle, die als Wirksamkeitsbelege dargestellt werden:
  
Eine weitere Quelle, der sog. ''The Nicaragua Report'', die von der US-Algenfirma Bluegreen gesponsort wurde, ist in Wahrheit eine spanischsprachige Doktorarbeit aus dem von Wirtschaftskrisen und politischen Händeln zerrissenen Nicaragua. Das Land ist bekannt dafür, eine hungernde Bevölkerung zu besitzen und es ist leicht, dort für wenige Dollars Gefälligkeitsstudien zu lancieren. In der seriösen wissenschaftlichen Szene wären diese bedeutungslos, aber für den unwissenden Verbraucher sind solche Studien exzellentes Marketingmaterial. In einem 14 Seiten dünnen A5-Heftchen wird auf populärwissenschaftliche Weise beschrieben, wie Afa-Algen in einer Schule, in der zu Studienbeginn mehr als 80% der 6-11jährigen Kinder unterernährt waren, der Ernährungsstatus, die Schulnoten und das Verhalten der Kinder positiv beeinflusst worden sein sollen. Angeblich sei innerhalb eines halben Jahres die Fehlernährungsrate von 86% auf 21% gefallen. Überflüssig zu betonen, dass auch hier weder Toxinbestimmungen der Afa-Algen noch einschlägige Leber- und Nierenwerte berichtet wurden. Dass vorher mangelernährte Kinder mit wenigen Gramm proteinhaltiger, aber vitamin- und mineralstoffarmer Afa-Algen Normalgewicht erreichen sollen, wirkt einfach nur lächerlich. Höchstwahrscheinlich wurden die teilnehmenden Kinder mit einer Schulspeisung angelockt und nahmen deshalb zu. Niemand dürfte vor Ort etwas gegen dieses Vorgehen eingewendet haben. Dass man die daraus resultierenden Scheinergebnisse im Westen als Beweis verkauft, dürfte in Nicaragua unbekannt sein und spielt für die Menschen dort in Wirklichkeit auch keine Rolle.
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:''Julian, 13, war sprunghaft, ungewöhnlich rastlos, unkonzentriert und ermüdete schnell. Sein Verhalten war dominant, undiplomatisch und oft verständnislos. Julian ist seit AFA-Algen-Einnahme weniger impulsiv, er findet nach einem Wutanfall leichter zurück zum Normalzustand, kann besser nachgeben und ist lustiger und fröhlicher.''
  
==Marketingskampagnen für AFA-Algen==
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Ein solcher Einzelfallbericht lässt eine seriöse [http://de.wikipedia.org/wiki/Diagnostic_and_Statistical_Manual_of_Mental_Disorders DSM-IV]-basierte Beurteilung der Hyperaktivität des Kindes keineswegs zu. Simonsohn beschreibt nur einen winzigen Ausschnitt der tatsächlichen Symptomatik eines hyperaktiven Kindes. Da auch die anderen Fallbeschreibungen in ihrem Buch ähnliche Charakteristika aufweisen, kann man weder von einer seriösen ADHS-Diagnose noch von einer Besserung der Symptome sprechen.
In den letzten Jahren schlug eine Marketingkampagne aus den USA in Europa auf. Im Zuge der Diskussion um Kinder mit Aufmerksamkeits-Defizit-und-Hyperaktivitäts-Syndrom (ADHS), wurde eine Vielzahl von Alternativen zur etablierten [[Ritalin]]therapie auf den Markt gebracht. Dabei spielt die Psychosekte [[Scientology]] im Konzert mit anderen sektenähnlich operierenden Gruppen und Firmengeflechten eine herausragende Rolle.
 
  
Da bis zu 15% der kindlichen Bevölkerung an ADHS leiden, jedoch nur ein winziger Bruchteil adäquat versorgt wird, sind die Eltern dieser Kinder einer enormen Belastung ausgesetzt. Sie suchen nach Alternativen und diese werden ihnen in Form angeblicher Wundermittel angeboten. Dazu gehören auch die Nahrungsergänzung aus blaugrünen Algen der Gattung Aphanizomenon flos Aquae (sog. Afa-Algen). Diese werden als therapeutische Alternative zur Substition mit Methylphenidat (Ritalin/Novartis, Medikinet/Medice, Equasym/Celltech Group) propagiert.
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Da sie als Werbeinstrument für Algenhersteller dienen, sind ihre Publikationen als Schleichwerbung für AFA-Algen anzusehen, an denen sie gut verdient. Sie selbst gibt in ihrem Buch offen zu, von mindestens drei deutschen Anbietern mit AFA-Pillen im Marktwert von 7.500&nbsp;Euro ausgestattet worden zu sein, um Kinder von 44&nbsp;Familien zu behandeln. Die Heilpraktikerin empfahl den Kindern eine Dosis von 1,5&nbsp;g/Tag; die Beobachtung soll zehn Wochen gedauert haben.  
  
==Unverantwortliche Werbeaussagen==
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In Zeitschriften der [[Ganzheitsmedizin]] findet sich eine Publikation von Simonsohn aus dem Jahr 2000. Hier berichtete sie über verschiedene Studien, die angeblich die Wirksamkeit von AFA-Algen bewiesen haben sollen. In der so genannten ''The kid.com Study'', die von einem AFA-Anbieter durchgeführt worden sein soll, sollen Symptomverbesserungen bei Kindern erreicht worden sein. Was genau diagnostiziert wurde und welches Resultat sich vor und nach der Studie exakt dargeboten hat, gibt die Autorin nicht wieder. Sie gibt nur Folgendes zu den Kindern an: Signifikante Verbesserungen in ihrer Fähigkeit, zu fokussieren, Anweisungen zu folgen und sich zu konzentrieren, eine Abnahme von streitsüchtigem, forderndem und kämpferischem Benehmen, weniger Symptome von Angst und Depression, Verbesserung des sozialen Verhaltens, weniger Zeichen von emotionalem und verhaltensmäßigem Abgelenktsein, weniger Wutanfälle und Erziehungsprobleme, weniger Verhaltensauffälligkeiten, die man als merkwürdig klassifizieren könnte sowie weniger körperliche Symptome wie Kopfschmerzen und Magenschmerzen, für die kein offensichtlicher Grund vorliegt.
Im April 2002 verschickte KEIMLING Naturkost in Buxtehude einen Werbebrief, in dem unter dem Titel "Sind Klamath Uralgen gefährlich?" u.a. folgende Behauptung zu lesen war: ''Das Landwirtschaftsministerium in Oregon hat einen Grenzwert von 1.0 Microgramm/kg Klamath Uralge festgesetzt. Wenn Sie täglich 2 g der Uralgen verzehren, wären demnach 2 Microgramm Microcystin zulässig. Ihr amtlicher Sicherheitsfaktor beträgt 11655.''.... und weiter heißt es: ''...Demnach könnte ein Mensch mit 70 kg Körpergewicht 23310 Microgramm Microcystin-LR zu sich nehmen, ohne gesundheitliche Schäden befürchten zu müssen''. Dies mag der Geschäftsführer der Firma Keimling, Winfried Holler, einmal am eigenen Leibe auspropieren. Er dürfte diesen Selbstversuch mit dem Leben bezahlen. Allerdings hat sein Haus einen Vorteil: es verkauft tiefgefrorene E3LIVE(tm)-Algen. Unseren Analysen zufolge enthält dieses Produkt keinerlei Microcystine ... der mikroskopische Augenschein zeigt aber ebenso, dass es sich offenbar nicht um ein Afa-Cyanobakterienprodukt handelt. Vielmehr tauchen unter dem Mikroskop Gräser und normale Algen auf, so dass man den Eindruck hat, als ob jemand einfach mit der Harke durch einen See gefahren ist, das Resultat zerkleinert hat und als Cyanoalgenprodukt anpreist.
 
  
==Herstellung und AFA-Algen Anbau==
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Wenn man diese Untersuchungsmerkmale mit den DSM-IV Diagnosekriterien für ADHS vergleicht, kommt man auf gerade einmal zwei ADHS-Merkmale. Das lässt den Verdacht aufkommen, dass es sich bei den Kindern in der Kid.com-Studie gar nicht um Kinder mit ADHS handelte.  
[[image:klamath2.jpg|Luftbildaufnahme am Abfluss des Upper Klamath Lake in den Link River aus geringer Höhe|250px|left|thumb]]
 
[[image:klamath3.jpg|Luftbildaufnahme am Abfluss des Upper Klamath Lake in den Link River aus größerer Höhe|250px|thumb]]
 
[[image:klamath4.jpg|Infrarotaufnahme der Region um den Upper Klamath Lake mit dichter landwirtschaftlicher Nutzung|thumb]]
 
Aphanizomenon flos Aquae-Algen werden in unterschiedlichen Regionen der Erde gefunden. Jene Produkte, die derzeit in den USA und Europa verkauft werden, stammen nach Angaben der Hersteller aus dem Upper Klamath Lake im US-Bundestaat Oregon. Dieser See ist Teil einer riesigen Seenplatte, aus der nur ein einziger Fluss (der Klamath River) nach dem Grenzübertritt in den US-Bundesstaat California in den Pazifik mündet. Die Region dient als Brutstätte für Seelachse, ist aber seit 150 Jahren dicht besiedelt und wird intensiv landwirtschaftlich genutzt. Der Upper Klamath Lake dient als Wasserreservoir für die ihn an drei Seiten umgebenden, intensiv landwirtschaftlich genutzten Anbaugebiete. Die exzessive Wasserentnahme der letzten Jahrzehnte hat zu einer erheblichen Senkung des Seewasserspiegels geführt, so dass derzeit die den See bildende Wasserschicht dünner ist als die Schlammschicht am Seegrund. Die Wasserqualität und der Sauerstoffgehalt ist mittlerweile so desolat, dass es regelmäßig zu Fischsterben im Upper Klamath Lake kommt. Umweltschutzorganisationen versuchen seit Jahrzehnten, den zu hohen Wasserabzug aus dem See zu bremsen und die Wasserqualität zu steigern. Das Fischsterben ist regelmäßig auf die Produktion von Microcystinen durch im Wasser vorkommende und durch die Überdüngung massiv wachsenden blaugrünen Cyanobakterien zurückzuführen.
 
  
Während die Anbieter von Afa-Algen dem Käufer mit offensichtlich geschönten Seeaufnahmen eine heile Umwelt vorzugaukeln versuchen, teilen Anwohner des Upper Klamath Lakes in Webforen mit, dass die Gewinnung der im See wachsenden Algen z.T. mit Schleppern und Baumaschinen erfolgt, wobei das dicht wachsende Gemisch aus Algen, Seegras und blaugrünen Cyanobakterien zum Teil vermischt mit Schlamm herausgebaggert wird.  
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Ähnlich sieht es bei einer zweiten Studie aus, die Simonsohn 2000 referiert<ref>Simonsohn B: Aufmerksamkeitsstörungen und Hyperaktivität - ein Problem unserer Zeit. [[Erfahrungsheilkunde]], Nr. 8, 516-527, 2000</ref>. Es handelt sich um den ''The Children & Algae Report'', bei dem die beteiligten Eltern die Produkte eines AFA-Algenanbieters sogar selbst zahlen mussten. Die Bewertung der Kinder erfolgte mit einem Aschenbach-Bewertungsschema, welches u.a. Aufmerksamkeit, Aggression, soziale Probleme, Ängstlichkeit/Depression, Straffälligkeit, Denkprobleme, Zurückgezogenheit und eine Bewertung namens "somatisch" beurteilen soll. Dieses pseudowissenschaftliche Bewertungsschema ist in der seriösen ADHS-Diagnostik vollständig unbekannt.
  
Aufgrund dieser Anbaumethoden ist es nicht verwunderlich, dass die Qualität einiger der gewonnenen Afa-Produkte zu wünschen übrig lässt.
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In keiner der von Befürwortern durchgeführten Studien ist eine glaubwürdige, realitätsbezogene Selektion des untersuchten Kollektivs nach etablierten Diagnosemethoden erfolgt. Offenbar wurden die üblichen DSM-Kriterien für ADHS nicht als Bewertungs- und Einstufungsgrundlage angewendet. Allein diese methodischen Unzulänglichkeiten machen die bisherigen Befürworterstudien unglaubwürdig. Der Umstand, dass in keiner Studie mitgeteilt wird, ob nach Toxinen in den AFA-Algen gesucht worden war oder ob zumindest Leber- und Nierenparameter zur Absicherung von negativen Auswirkungen dieser Gifte laborchemisch bestimmt wurden, zeigt, dass diese Studien offenbar nicht mit der gebotenen wissenschaftlichen Genauigkeit vorgingen.
  
==Der Werbetrick mit der Kameraperspektive==
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Bei einer weiteren Quelle, dem so genannten ''The Nicaragua Report'', der von der US-Algenfirma Bluegreen gesponsort wurde, soll es sich um eine spanischsprachige Doktorarbeit aus Nicaragua handeln. In der seriösen wissenschaftlichen Szene wäre diese bedeutungslos, aber für den unwissenden Verbraucher sind solche Studien exzellentes Marketingmaterial. In einem 14&nbsp;Seiten dünnen DIN&nbsp;A5-Heftchen wird auf populärwissenschaftliche Weise beschrieben, wie AFA-Algen in einer Schule, in der zu Studienbeginn mehr als 80% der 6&nbsp;bis&nbsp;11-jährigen Kinder unterernährt waren, den Ernährungsstatus, die Schulnoten und das Verhalten der Kinder positiv beeinflusst haben sollen. Angeblich sei innerhalb eines halben Jahres die Fehlernährungsrate von 86% auf 21% gefallen. Auch hier wurde weder über Toxinbestimmungen der AFA-Algen noch einschlägige Leber- und Nierenwerte berichtet. Dass vorher mangelernährte Kinder mit wenigen Gramm proteinhaltiger, aber vitamin- und mineralstoffarmer AFA-Algen Normalgewicht erreichen sollen, ist unglaubwürdig.
[[image:klamath8.jpg|thumb]]
 
Der Geschäftsführer Sanacells, Eckart Pinnow, verkündete in seiner Hauspostille Forum - Informationen für Mitglieder des GesundheitsNetzwerkes (Nr. 5, 2002), dass seine Afa-Produkte nicht microcystinbelastet seien. Pinnow ist in dieser Ausgabe in einem Boot abgebildet, dass auf dem Upper Klamath Lake schwimmt. Der Untertitel lautet: "Dipl.-Ing. Eckart Pinnow überprüft persönlich den Qualitätssicherungsprozess am Klamath-See". Sein Boot ist dabei an der einzigen Stelle des Sees positioniert, die nicht von Landwirtschaft und Industrie umgeben ist. (siehe zum Vergleich weiter oben). Pinnow ist ursprünglich vom Ostufer des Sees einige hundert Meter in den See gefahren und ließ sich in östlicher Richtung mit Blick auf die Berge photographieren. Wäre die Kamera einige Grad nach links geschwenkt, hätte man die Straße und einige Wohngebiete der naheliegenden Stadt gesehen.
 
  
==AFA-Algen und Microcystinbelastung==
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==Marketingskampagnen für AFA-Algen==
[[image:afa1.jpg|Anabaena|thumb]]
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In den letzten Jahren erfuhr eine Marketingkampagne aus den USA eine Ausweitung auf Europa. Im Zuge der Diskussion um Kinder mit Aufmerksamkeits-Defizit-und-Hyperaktivitäts-Syndrom (ADHS) wurde eine Vielzahl angeblicher Alternativen zur etablierten [[Ritalin]]therapie auf den Markt gebracht. Dabei spielt die Psychosekte [[Scientology]] im Konzert mit anderen sektenähnlich operierenden Gruppen und Firmengeflechten eine herausragende Rolle.
Das Hauptproblem der Algenprodukte stellt nicht ihr Lebensmittelcharakter dar, denn es handelt sich um eher minderwertige Nahrungsmittel mit geringem Mineralien- und Vitamingehalt (Ausnahme: Vitamin A) und hohem Proteingehalt. Hauptproblem ist vielmehr die Beimengung von Cyanobakteriengiften.
 
  
In aktuellen Publikationen, die verschiedene Stämme der blaugrünen Cyanobakterien Anabaena, Aphanizomenon, Calothrix, Cylindrospermum, Nostoc, Microcystis, Planktothrix, Oscillatoria und Synechococcus genera untersuchten, fanden sich immer wieder Sorten, die die Kampfgifte der Klasse der Microcystine und der Anatoxine produzierten (Lyra et al. 2000). Auch ist bekannt, dass einige Arten der blaugrünen Cyanobakterien das Nervengift Saxitoxin produzieren können.
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Da bis zu 15% der kindlichen Bevölkerung an ADHS leiden, jedoch nur ein winziger Bruchteil adäquat versorgt wird, sind die Eltern dieser Kinder einer enormen Belastung ausgesetzt. Sie suchen nach Alternativen, die ihnen in Form angeblicher Wundermittel angeboten werden. Dazu gehört auch die Nahrungsergänzung aus blaugrünen Algen der Gattung Aphanizomenon flos Aquae (so genannte AFA-Algen). Diese werden als therapeutische Alternative zur Substitution mit Methylphenidat (Ritalin/Novartis, Medikinet/Medice, Equasym/Celltech Group) propagiert.
  
Befürworter der Algen sind sich des Toxinproblems bewußt. Ray (1991) schrieb schon vor 10 Jahren, dass einige A.f.a.-Stämme hochwirksame Nervengifte produzieren könnten, diese Gifte aber in Nahrungsmitteln aus Algen des Upper Klamath Sees in Oregon nicht gefunden worden seien. Seine Ansicht wird von einer Arbeit von Schaeffer et al. (1999) unterstützt, die in Algen eine Beimengung durch eine Microcystin-produzierende Alge (Microcystis spp.) nachwiesen. Demzufolge sei diese Beimischung an dem Toxineintrag schuld.
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==Gewinnung und Anbau==
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[[image:klamath2.jpg|Luftbildaufnahme am Abfluss des Upper Klamath Lake in den Link River aus geringer Höhe|250px|left|thumb]]
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[[image:klamath3.jpg|Luftbildaufnahme am Abfluss des Upper Klamath Lake in den Link River aus größerer Höhe|250px|thumb]]
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[[image:klamath4.jpg|Infrarotaufnahme der Region um den Upper Klamath Lake mit dichter landwirtschaftlicher Nutzung|thumb]]
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''Aphanizomenon flos aquae'' kommt in unterschiedlichen Regionen der Erde vor. Jene Produkte, die derzeit in den USA und Europa verkauft werden, stammen nach Angaben der Hersteller aus dem Upper Klamath Lake im US-Bundestaat Oregon. Dieser See ist Teil einer riesigen Seenplatte, aus der nur ein einziger Fluss (der Klamath River) nach dem Grenzübertritt in den US-Bundesstaat Kalifornien in den Pazifik mündet. Die Region dient als Laichgebiet für Seelachse, ist aber seit 150&nbsp;Jahren dicht besiedelt und wird intensiv landwirtschaftlich genutzt. Der Upper Klamath Lake dient als Wasserreservoir für die ihn an drei Seiten umgebenden, intensiv landwirtschaftlich genutzten Anbaugebiete. Die exzessive Wasserentnahme der letzten Jahrzehnte führte zu einer erheblichen Senkung des Seewasserspiegels, so dass derzeit die den See bildende Wasserschicht eine geringere Höhe hat als die Schlammschicht am Seegrund. Wasserqualität und Sauerstoffgehalt sind mittlerweile so desolat, dass es regelmäßig zu Fischsterben im Upper Klamath Lake kommt. Umweltschutzorganisationen versuchen seit Jahrzehnten, den zu hohen Wasserabzug aus dem See zu reduzieren und die Wasserqualität zu steigern. Die Fischsterben sind regelmäßig auf die Produktion von Mikrocystinen durch im Wasser vorkommende und durch die Überdüngung massiv wachsende Cyanobakterien zurückzuführen.
  
Inzwischen gibt es eine Veröffentlichung, die sich mit Microcystinbelastungen von A.f.a.-Nahrungsergänzungsmitteln befasst, die aus dem Upper Klamath See gewonnen werden. Gilroy et al. (2000) analysierten Microcystinkonzentrationen in vier verschiedenen Afa-Produkten über vier Jahre hinweg (1996-1999) und alle Produkte enthielten Microcystine in unterschiedlicher Menge.
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Während die Anbieter von AFA-Algen damit werben, ihr Produkt entstamme einer reinen Natur, gaukeln sie dem Käufer mit offensichtlich geschönten Seeaufnahmen eine heile Umwelt vor. Simonsohn bezeichnet auf ihrer Internetseite den See als ein einzigartiges Biotop in einem Naturschutzgebiet mit seltenen Vögeln wie Weißkopfadlern.<ref>http://barbara-simonsohn.de/algen.htm</ref> Anwohner des Upper Klamath Lake teilen in Webforen mit, dass die Gewinnung der im See wachsenden Algen z.T. mit Schleppern und Baumaschinen erfolgt, wobei das dicht wachsende Gemisch aus Algen, Seegras und blaugrünen Cyanobakterien zum Teil vermischt mit Schlamm herausgebaggert wird.
  
Anbieter von A.f.a.-Produkten weisen jedoch die Microcystinbelastung generell weit von sich. Sie stellen sich auf den Standpunkt, dass Aphanizomenon Flos Aquae keine Microcystine produziere und führen Studien an, in denen dergleichen nachgewiesen worden sei. Das wirkt befremdlich, denn selbst der sich für Algenprodukte einsetzende US-amerikanische Professor Wayne Carmichael schrieb noch am 30.01.2002 auf seiner Homepage unter Bezugnahme auf einen Artikel im Scientific American: ''..Anabaena, Oscillatoria, Lyngbya, and Aphanizomenon produce neurotoxic anatoxins and/or saxitoxins. Anatoxin-a and Anatoxin-a(s) seem unique to cyanobacteria, while saxitoxin also arise in certain marine algae. Anatoxin-a is a potent nicotinic agonist that mimics acetylcholine and is used as a research tool in neurobiology. Anatoxin-a(s) is a structurally new organophosphate that inhibits acetylcholinesterase. Saxitoxin prevents acetylcholine from being released from neurons by blocking the inward flow of sodium ions across the axonal membrane channels, disrupting the communication between neurons and muscle cells...''
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Aufgrund dieser Abbaumethoden ist es nicht verwunderlich, dass die Qualität einiger der gewonnenen AFA-Produkte zu wünschen übrig lässt.
  
Richtet man den Blick in die Fachliteratur, gibt es offenbar einige Stämme von Aphanizomenon Flos Aquae, die keinerlei Microcystine produzieren. Lyra et al. (2001) nennen hier Aphanizomenon sp. 202, A. sp. TR183 (AJ133155), A. sp. PCC 7905, A. sp. PH-271, A. flos aquae NIES 81 und Aphanizomenon gracilie PH-219. Allerdings sind diese Aphanizomenon-Bakterien genetisch ausgesprochen eng verwandt mit den Anabaena-Bakterien, die selbst durchaus Neurotoxine erzeugen. Beide Gattungen sind ausgesprochen klein und unterscheiden sich offenbar nur unter dem Mikroskop eindeutig voneinander.
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==Der Werbetrick mit der Kameraperspektive==
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Der Geschäftsführer der Firma Sanacell, Eckart Pinnow, verkündete in seiner Hauspostille "Forum - Informationen für Mitglieder des GesundheitsNetzwerkes" (Nr. 5, 2002), dass seine AFA-Produkte nicht mikrocystinbelastet seien. Pinnow ist in dieser Ausgabe in einem Boot abgebildet, das auf dem Upper Klamath Lake schwimmt. Der Untertitel lautet: "Dipl.-Ing. Eckart Pinnow überprüft persönlich den Qualitätssicherungsprozess am Klamath-See". Sein Boot ist dabei an der einzigen Stelle des Sees positioniert, die nicht von Landwirtschaft und Industrie umgeben ist (siehe zum Vergleich weiter oben). Pinnow fuhr ursprünglich vom Ostufer des Sees einige hundert Meter in den See und ließ sich in östlicher Richtung mit Blick auf die Berge fotografieren. Wäre die Kamera einige Grad nach links geschwenkt, hätte das Foto die Straße und einige Wohngebiete der naheliegenden Stadt gezeigt.
  
 
==Unzuverlässige Testmethoden==
 
==Unzuverlässige Testmethoden==
Microcystine und Saxitoxine, die wichtigsten Gifte in Cyanobakterienprodukten, sind nicht einfach zu messen. Es gibt verschiedene Messmethoden, die teilweise sehr aufwändig, zeitraubend und teuer sein können. Grundsätzlich stellt sich das Problem der Wahl des Nachweisverfahrens, denn es gibt Verfahren, die die Gifte direkt sichtbar machen, und Analysen, die die Gifte nur indirekt messen. Außerdem sind die Messverfahren unterschiedlich empfindlich. Zusätzlich erschwert wird die Suche, weil diese Tests in der Lebensmittelanalytik nur selten benutzt werden.
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Mikrocystine und Saxitoxine, die wichtigsten Gifte in Cyanobakterienprodukten, sind nicht einfach zu messen. Es gibt verschiedene Messmethoden, die teilweise sehr aufwändig, zeitintensiv und teuer sind. Grundsätzlich stellt sich das Problem der Wahl des Nachweisverfahrens, denn es gibt Verfahren, die die Gifte direkt sichtbar machen, und Analysen, die die Gifte nur indirekt messen. Außerdem sind die Messverfahren unterschiedlich empfindlich. Zusätzlich erschwert wird die Analyse, weil diese Tests in der Lebensmittelanalytik nur selten eingesetzt werden.
  
 
Prinzipiell stellt sich die Wahl zwischen dem Enzyme Linked Immunosorbent Assay (ELISA) oder dem Protein Phosphatase Inhibition Assay (PPIA). Andere Verfahren wie die High Performance Liquid Chromatography (HPLC) oder Liquid Chromatography/Mass Spectrometry (LC/MS) kommen wegen zu hoher Kosten oder noch nicht etablierter Nachweismethodik nicht in Frage. Die Testmethoden von ELISA und PPIA sind unterschiedlich.
 
Prinzipiell stellt sich die Wahl zwischen dem Enzyme Linked Immunosorbent Assay (ELISA) oder dem Protein Phosphatase Inhibition Assay (PPIA). Andere Verfahren wie die High Performance Liquid Chromatography (HPLC) oder Liquid Chromatography/Mass Spectrometry (LC/MS) kommen wegen zu hoher Kosten oder noch nicht etablierter Nachweismethodik nicht in Frage. Die Testmethoden von ELISA und PPIA sind unterschiedlich.
  
Im ELISA werden hochspezifische Antikörper eingesetzt, die gegen Microcystinmoleküle gerichtet sind. Diese Antikörper docken an Microcystine an. In einem zweiten Schritt klebt man einen weiteren Antikörper, der nur an den bereits eingesetzten Antikörper, nicht aber direkt an Microcystin andocken kann, an diesen Microcystin-Antikörperkomplex. Dies tut man, weil erst der zweite Antikörper einen fluoreszierenden Farbstoff tragen kann, den man mit speziellen Analyseverfahren sichtbar macht und dann in seiner Konzentration messen kann. Ein direktes Ankoppeln des zweiten, den Farbstoff tragenden, Antikörpers an das Microcystin ist nicht möglich, da dieser Antikörper zu klobig und ungenau wäre. Vergleichbar ist dieses Verfahren mit dem Angeln. Der Fisch ist das Microcystin, der Köder ist der 1. Antikörper und erst, wenn man den Fisch mit der Angelschnur (dem 2. Antikörper) herausgezogen hat, weiss man am Ende, was man gefangen hat. Der ELISA hat den Vorteil, dass er direkt das vorhandene Gift misst. Er kann dies mit einer Genauigkeit tun, die ein Microcystinmolekül in einer Lösung von 10 Milliarden anderen Molekülen herausfinden kann. Die Genauigkeit liegt bei 0,1 ppb.
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Im ELISA werden hochspezifische Antikörper eingesetzt, die gegen Mikrocystinmoleküle gerichtet sind. Diese Antikörper docken an Mikrocystine an. In einem zweiten Schritt klebt man einen weiteren Antikörper, der nur an den bereits eingesetzten Antikörper, nicht aber direkt an Mikrocystin andocken kann, an diesen Mikrocystin-Antikörperkomplex. Dies geschieht, weil erst der zweite Antikörper einen fluoreszierenden Farbstoff tragen kann, der mit speziellen Analyseverfahren sichtbar gemacht und dann in seiner Konzentration gemessen wird. Vergleichbar ist dieses Verfahren mit dem Angeln. Der Fisch ist das Mikrocystin, der Köder ist der 1.&nbsp;Antikörper und erst, wenn man den Fisch mit der Angelschnur (dem 2.&nbsp;Antikörper) herausgezogen hat, weiß man am Ende, was man gefangen hat. Der ELISA hat den Vorteil, dass er das vorhandene Gift direkt misst und dies mit einer Genauigkeit, die ein Mikrocystinmolekül in einer Lösung von 10&nbsp;Milliarden anderen Molekülen herausfinden kann, also 0,1&nbsp;ppb (parts per billion).
  
Im PPIA ist das Testprinzip hingegen völlig anders. Hier wird die bremsende Wirkung der Microcystine auf eine enzymatisch gesteuerte Umwandlungsreaktion gemessen. Microcystine bremsen die Protein Phosphatase, die die Dephosphorylierung von p-Nitrophenylphosphat steuert. Durch Nachweis der Ausgangs- und Endprodukte des Umwandlungsprozesses kann man indirekt auf die Konzentration der Microcystine zurückschließen. Ein direkter Nachweis der Microcystine geschieht jedoch nicht. Der Test hat auch den Nachteil, dass er nur eine einzige Wirkung der Microcystine erfasst und dabei unberücksichtigt lässt, dass im Organismus durch verschiedene Microcystintypen unterschiedliche Enzymsysteme beschädigt werden können. Der PPIA ist nicht so genau wie der ELISA, denn er gibt nach Lawrence et al. (2001) in der Regel deutlich niedrigere Belastungswerte für Microcystine aus, die manchmal 10-40% unter den im ELISA gemessenen Konzentrationen liegen können.
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Im PPIA ist das Testprinzip hingegen völlig anders. Hier wird die bremsende Wirkung der Mikrocystine auf eine enzymatisch gesteuerte Umwandlungsreaktion gemessen. Mikrocystine bremsen die Proteinphosphatase, die die Dephosphorylierung von p-Nitrophenylphosphat steuert. Durch Nachweis der Ausgangs- und Endprodukte des Umwandlungsprozesses kann man indirekt auf die Konzentration der Mikrocystine zurückschließen. Ein direkter Nachweis der Mikrocystine geschieht jedoch nicht. Der Test hat auch den Nachteil, dass er nur eine einzige Wirkung der Mikrocystine erfasst und dabei unberücksichtigt lässt, dass im Organismus durch verschiedene Mikrocystintypen unterschiedliche Enzymsysteme geschädigt werden können. Der PPIA ist nicht so genau wie der ELISA, denn er gibt nach Lawrence et al. (2001) in der Regel deutlich niedrigere Belastungswerte für Mikrocystine aus, die manchmal 10-40% unter den im ELISA gemessenen Konzentrationen liegen können.
  
Anbieter von AFA-Algen legen zum Nachweis der angeblichen Produktgüte in der Regel PPIA-Analysen vor. Dies ganz offensichtlich deshalb, weil mit dieser Testmethode nur ein Teil der Microcystine (und dieser wiederum nicht sicher) gemessen werden kann. Auf diese Weise schönt man die Resultate mit der methodenbedingten Ungenauigkeit des Messverfahrens nach unten. Dies trägt zur Verunsicherung des Verbrauchers bei und kann (wie unten näher beschrieben) sogar vor Gericht Vorteile bringen, weil Richter nicht selten bereits zu abgehoben sind, um sich mit den Hintergründen von Prüfmethoden zu befassen.
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Anbieter von AFA-Algen legen zum Nachweis der angeblichen Produktgüte in der Regel PPIA-Analysen vor. Dies offenbar deshalb, weil mit dieser Testmethode nur ein Teil der Mikrocystine (und dieser wiederum nicht sicher) gemessen werden kann. Auf diese Weise schönt man die Resultate mit der methodenbedingten Ungenauigkeit des Messverfahrens nach unten. Dies trägt zur Verunsicherung des Verbrauchers bei.
  
 
==Gesundheitsschäden==
 
==Gesundheitsschäden==
In den USA listete die US-Gesundheitsbehörde FDA im leider mittlerweile nicht mehr online abrufbaren Med Watch Programm 57 Schadensfälle bis zum Jahre 1998 auf, die in zeitlichem Zusammenhang mit Afa-Konsum zu stehen schienen. Ebenso warnte Health Canada Online bereits im Jahre 1999 vorbeugend vor blaugrünen Algenprodukten, vor allem vor der Anwendung bei Kindern. Auch Erwachsene sollten Vorsicht bei der Einnahme bis zu dem Zeitpunkt walten lassen, an dem die Produktsicherheit zweifelsfrei gewährleistet sei <ref>*http://www.hc-c.gc.ca/english/protection/warnings/1999/9969ebk.htm </ref>. Der STERN veröffentlichte im Artikel Die Grüne Gefahr (Nr.8/2002) Warnungen über die Giftstoffe in Algenprodukten am 14.02.2002.  
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In den USA listete die US-Gesundheitsbehörde FDA im mittlerweile nicht mehr online abrufbaren ''Med Watch Programm'' bis zum Jahr 1998 57&nbsp;Schadenfälle in zeitlichem Zusammenhang mit AFA-Konsum auf. Ebenso warnte Health Canada Online im Jahre 1999 vorbeugend vor blaugrünen Algenprodukten, vor allem vor der Anwendung bei Kindern. Auch Erwachsene sollten Vorsicht bei der Einnahme bis zu dem Zeitpunkt walten lassen, an dem die Produktsicherheit zweifelsfrei gewährleistet sei.<ref>http://web.archive.org/web/20030218025812/http://www.hc-sc.gc.ca/english/protection/warnings/1999/9969ebk.htm</ref> Der STERN veröffentlichte am 14.&nbsp;Februar 2002 im Artikel "Die Grüne Gefahr" Warnungen vor den Giftstoffen in Algenprodukten.<ref>[http://www.pseudokrupp.net/seiten/stern_artikel.htm Stern Wissenschaft Spezial: Die grüne Gefahr] STERN 08/2002, zitiert bei pseudokrupp.net</ref>
  
Obgleich den deutschen Lebensmittelüberwachungsbehörden sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene seit Mai 2002 Laboranalysen über den Microcystingehalt in Afa-Produkten vorliegen, haben sie bis heute keinerlei Schutzmassnahmen über die bereits angesprochene Warnmeldung hinaus unternommen. Dies wird mit dem Fehlen eines Microcystingrenzwertes begründet (vgl. hierzu [[Spirulina]]). Es drängt sich der Verdacht auf, dass hier Grüner Lobbyismus im Spiel ist, denn offenbar pflegen einige Algenhersteller exzellente Kontakte zu den dt. Bündnisgrünen nahestehenden Prüflabors, die sich einer verbraucherkritischen Untersuchung der Algenprodukte entziehen. Vor Allem in alternativen und esoterischen Kreisen wurden die Wunderalgen stark propagiert. Offenbar befürchtet man bei den Grünen, aufgrund des eigenen Fehlverhaltens in den sich abzeichnenden Skandal einbezogen zu werden.
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Obgleich den deutschen Lebensmittelüberwachungsbehörden sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene seit Mai 2002 Laboranalysen über den Mikrocystingehalt in AFA-Produkten vorliegen, haben sie bis heute keinerlei Schutzmaßnahmen über die bereits angesprochene Warnmeldung hinaus unternommen. Dies wird mit dem Fehlen eines Mikrocystingrenzwertes begründet (vgl. hierzu [[Spirulina]]).  
Es gibt mittlerweile auch in Deutschland Berichte über Personen, die über Symptome nach dem Konsum von Afa-Algenprodukten klagten. Diese Symptome stellten sich nach einigen Monaten kontinuierlicher Einnahme ein, klangen nach dem Absetzen aber wieder ab und verschwanden. Eine Betroffene bekam Taubheitsgefühl in den Fingern bis hin zum totalen Durchblutungsstopp in den letzten zwei Fingergliedern, desweiteren häufiges Kribbeln wie bei einer Minderdurchblutung und dies auch ansatzweise in den Zehen. Desweiteren beklagten die Betroffenen brüchige, wie erweicht erscheinende Fingernägel sowie eitrige, sich langwierig hinziehende Entzündungsherde der Haut im Bereich des Gesichts und des Rückens. Ein anderer Betroffener schilderte, dass er nach längerer Einnahme sehr schmerzhafte, chronische Halsschmerzen entwickelt hätte und neben den analog bereits beschriebenen Hautentzündungserscheinungen vor Allem extrem langanhaltende Muskelschmerzen bereits nach normaler sportlicher Aktivität bekommen habe.
 
  
Diese Hinweise deuten auf eine chronische Langzeitbelastung mit Microcystinen hin. Microcystine verursachen Leberschäden, Nierenversagen und können auch, weil sie die Natriumkanäle der Nerven blockieren können, die Impulsübertragung menschlicher Nervenzellen unterbrechen, was bis zum Tod durch Atemstillstand führen kann. Auch krebserzeugende Wirkungen sind nachgewiesen (NCI 2000). In China gibt es beispielsweise ausreichend Hinweise dafür, dass microcystinbelastetes Trinkwasser die Hauptursache für die hohe Sterblichkeit an Leberkarzinomen in bestimmten Provinzen des Landes ist (Yu 1995, Ueno 1996). Aktuell publizierte Tierversuche an schwangeren Ratten (Zhang et al. 2002) zeigen, dass die Gabe von 4 Microgramm Microcystin-LR pro kg Körpergewicht bereits zu leichten Veränderungen im Lebergewebe der ungeborenen Feten innerhalb von 10 Tagen führen kann. Interessant ist, dass sich solche Ergebnisse bei Mäusen selbst bei Dosen von 2-128 Microgramm pro kg Körpergewebe nicht einstellen (Chernoff et al. 2002). Es kommt also auf das Tiermodell an, das verwendet wird. Die offenbar gegen Microcystine recht robust erscheinenden Mäuse sind das bevorzugte Tiermodell bei Studien aus der Algenszene. Offenbar weiss man genau, dass man nur mit Mäusen eine Verharmlosung der Giftwirkung der Microcystine beweisen kann, da dies in allen anderen Tiermodellen nicht gelingt.
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Es gibt mittlerweile auch in Deutschland Berichte über Personen, die über Symptome nach dem Konsum von AFA-Algenprodukten klagten. Diese Symptome stellten sich nach einigen Monaten kontinuierlicher Einnahme ein, klangen nach dem Absetzen aber wieder ab und verschwanden. Eine Betroffene entwickelte Taubheitsgefühle in den Fingern bis hin zur fehlenden Durchblutung in den letzten beiden Fingergliedern, des Weiteren häufiges Kribbeln wie bei einer Minderdurchblutung und dies auch ansatzweise in den Zehen. Als weitere Nebenwirkungen beklagten die Betroffenen brüchige, wie erweicht erscheinende Fingernägel sowie eitrige, sich langwierig hinziehende Entzündungsherde der Haut im Gesicht und am Rücken. Ein anderer Betroffener schilderte, dass er nach längerer Einnahme sehr schmerzhafte, chronische Halsschmerzen entwickelt und neben den analog bereits beschriebenen Hautentzündungserscheinungen vor allem extrem langanhaltende Muskelschmerzen bereits nach normaler sportlicher Aktivität bekommen habe.
  
Beim Menschen korreliert die Microcystinbelastung im Trinkwasser eindeutig mit der Häufigkeit von Leberkrebs (Yu et al. 2001), wie Studien aus China beweisen. Dort hat man schon lange Probleme mit microcystinbelastetem Trinkwasser, das in etlichen Provinzen Chinas ursächlich mit dem gehäuften Auftreten von Leberkarzinomen assoziiert zu sein scheint. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat einen Trinkwassergrenzwert für Microcystine von 1 Teil pro 1 Millarde Teile Wasser empfohlen (1 ppb), der in Kanada, Australien und Großbritannien mittlerweile auch in Kraft ist. In den USA oder der Bundesrepublik Deutschland ist dergleichen nicht umgesetzt worden. Dies ist vor dem Hintergrund, dass die Gesundheitsbehörden des US-Bundesstaates Oregon eine Microcystinbelastung bis zu 1.000 ppb (= 1 parts per million/ppm) in Algenprodukten tolerieren, inakzeptabel.
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Diese Hinweise deuten auf eine chronische Langzeitbelastung mit Mikrocystinen hin. Mikrocystine verursachen Leberschäden, Nierenversagen und können durch Blockierung von Natriumkanälen in Nervenzellen die Impulsübertragung menschlicher Nervenzellen unterbrechen, was zum Tod durch Atemlähmung führen kann. Auch krebserzeugende Wirkungen sind nachgewiesen.<ref>NCI Nomination: Blue-Green Algae. Submitted to the NTP. September 2000</ref> In China gibt es beispielsweise ausreichend Hinweise dafür, dass in bestimmten Provinzen des Landes mikrocystinbelastetes Trinkwasser die Hauptursache für die hohe Sterblichkeit an Leberkarzinomen ist.<ref>Yu SZ: Primary prevention of hepatocellular carcinoma. J Gastroenterol Hepatol 10: 674-682, 1995</ref> Aktuell publizierte Tierversuche an trächtigen Ratten zeigen, dass die Gabe von 4&nbsp;Mikrogramm Mikrocystin-LR pro&nbsp;kg Körpergewicht bereits zu leichten Veränderungen im Lebergewebe der ungeborenen Feten innerhalb von 10&nbsp;Tagen führen kann.<ref name='Zhang'>Zhang Z, Lian M, Liu Y, Wei G, Yu S, Kang S, Zhang Y, Chen C: Teratosis and damage of viscera induced by microcystin in SD rat fetuses. Zhonghua Yi Xue Za Zhi 82: 345-347, 2002</ref> Interessant ist, dass sich solche Ergebnisse bei Mäusen selbst bei Dosen von 2-128&nbsp;Mikrogramm pro&nbsp;kg Körpergewebe nicht einstellen.<ref>Chernoff N, Hunter ES, Hall LL, Rosen MB, Brownie CF, Malarkey D, Marr M, Herkotivs J: Lack of teratogenicity of microcystin-LR in the mouse and toad. J Appl Toxicol 22: 13-17, 2002</ref> Es kommt also auf das verwendete Tiermodell an. Die offenbar gegen Mikrocystine relativ unempfindlichen Mäuse sind das bevorzugte Tiermodell bei Studien aus der Algenszene.  
  
Versucht man eine grobe Risikoabschätzung der Microcystinbelastung in den Algenprodukten vorzunehmen, so scheint eine klinische Symptomatik nach einigen Monaten Konsum von Produkten mit Belastungen ab 100 ppb einzutreten. Dies zeigt, dass das der WHO-Trinkwassergrenzwert von 1 ppb mit einem vernünftigen Sicherheitsabstand von 1:1000 zum Algengrenzwert aus Oregon durchaus begründet ist und sicherheitshalber auf Lebensmittel übertragen werden sollte. Von Algenanbietern wie Sanacell und Algavital wird immer wieder die Falschmeldung verbreitet, dass der in Oregon etablierte Grenzwert für die gesamte USA gelten würde. Dem ist nachweislich nicht der Fall. Zudem ist der Grenzwert nicht verbindlich, sondern lediglich ein US-amerikanischer Empfehlungswert, ab dessen Überschreitung microcystinbelastete Afa-Produkte aus dem Verkehr gezogen werden sollen (nicht müssen!).
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Beim Menschen korreliert die Mikrocystinbelastung im Trinkwasser eindeutig mit der Häufigkeit von Leberkrebs, wie Studien aus China beweisen.<ref>Yu SZ, Chen G: Blue-green algae toxins and liver cancer. Chin J Cancer Res 6: 9-17, 1994</ref> Dort hat man schon lange Zeit Probleme mit mikrocystinbelastetem Trinkwasser, das in etlichen Provinzen Chinas ursächlich mit dem gehäuften Auftreten von Leberkarzinomen assoziiert zu sein scheint. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfahl einen Trinkwassergrenzwert für Mikrocystine von 1&nbsp;Teil pro 1&nbsp;Millarde Teile Wasser (1&nbsp;ppb), der in Kanada, Australien und Großbritannien mittlerweile auch in Kraft ist. In den USA und der Bundesrepublik Deutschland wurde dies nicht umgesetzt. Dies ist vor dem Hintergrund, dass die Gesundheitsbehörden des US-Bundesstaates Oregon eine Mikrocystinbelastung bis zu 1.000&nbsp;ppb (=1&nbsp;parts per million/ppm) in Algenprodukten tolerieren, inakzeptabel.
  
Legt man die oben geschilderten Fälle zugrunde und bedenkt man, dass sich Microcystine sowohl in der Leber- als auch im Nerven- und Muskelgewebe angereicht als auch nur langsam ausgeschieden werden, wäre es möglich, dass Dauerkonsumenten erst mit monatelanger Verzögerung Gesundheitsprobleme entwickeln. Microcystindosen können beim Schwein, das uns Menschen vor Allem bei der Leberfunktion sehr ähnlich ist, bereits in Dosen von 25 Microgramm pro Kilogramm Körpergewicht Leberschäden auslösen, während Ratten und Mäuse wesentlich robuster reagieren. Deshalb ist es absolut denkbar, dass der Mensch, der in vielen gesundheitlichen Bereichen empfindlicher als Tiere reagiert, schon bei niedrigeren Dosen Gesundheitsprobleme entwickelt, die anfänglich nicht mit den A.f.a.-Produkten assoziiert werden.
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Versucht man eine grobe Risikoabschätzung der Mikrocystinbelastung in Algenprodukten vorzunehmen, so scheint eine klinische Symptomatik nach einigen Monaten Konsum von Produkten mit Belastungen ab 100&nbsp;ppb einzutreten. Dies zeigt, dass der WHO-Trinkwassergrenzwert von 1&nbsp;ppb mit einem vernünftigen Sicherheitsabstand von 1:1.000 zum Algengrenzwert aus Oregon durchaus begründet ist und sicherheitshalber auf Lebensmittel übertragen werden sollte. Von Algenanbietern wie Sanacell und Algavital wird immer wieder die Meldung verbreitet, der in Oregon etablierte Grenzwert gelte für die gesamten USA. Das ist nachweislich nicht der Fall. Zudem ist der Grenzwert nicht verbindlich, sondern lediglich ein Empfehlungswert der US-amerikanischen Behörden, bei dessen Überschreitung mikrocystinbelastete AFA-Produkte aus dem Verkehr gezogen werden sollen, aber nicht müssen(!).
  
Legt man eine Verzehrsmenge von 2 Gramm Algenmasse mit einer Belastung von 100 Microgramm pro kg Algenmasse (100 ppb) zugrunde, würde man sich pro Tag eine Microcystinmenge von 0,2 Mikrogramm einverleiben. Da die oben geschilderten beiden Verbraucher erst nach 7 Monaten, dann aber zügig, gesundheitliche Probleme entwickelten, wäre zu spekulieren, dass bei einer Gesamtmenge von 40 Microgramm Microcystinen von ersten klinischen Symptomen auszugehen sein könnte (von einer unbemerkten Krebsschädigung nicht zu reden!). Diese zugegebenermaßen spekulative Obergrenze für bemerkbare, klinische Probleme scheint nicht unrealistisch zu sein, da eine weitere Verbraucherin, die über Monate hinweg eine mit 76 ppb belasteten Probe konsumiert hatte, keine gesundheitlichen Probleme berichtete. Die Wirksamkeitsschwelle zur Auslösung klinischer Symptome beim Menschen dürfte derzeit bei einer Gesamtaufnahmemenge von 40-50 Microgramm liegen, die je nach Belastung des A.f.a.-Produkts mehr oder weniger schnell erreicht ist.
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Betrachtet man die oben geschilderten Fälle und bedenkt, dass Mikrocystine sowohl in der Leber- als auch im Nerven- und Muskelgewebe angereichert und auch nur langsam wieder ausgeschieden werden, wäre es möglich, dass Dauerkonsumenten erst mit monatelanger Verzögerung Gesundheitsprobleme entwickeln. Mikrocystin kann beim Schwein, das uns Menschen vor allem bei der Leberfunktion sehr ähnlich ist, bereits in Dosierungen von 25&nbsp;Mikrogramm pro&nbsp;kg Körpergewicht Leberschäden auslösen, während Ratten- und Mäuselebern erst bei wesentlich höheren Mengen Schaden nehmen. Deshalb ist es absolut denkbar, dass der Mensch, der in vielen gesundheitlichen Bereichen empfindlicher als Tiere reagiert, schon bei niedrigeren Dosen Gesundheitsprobleme entwickelt, die anfänglich nicht mit den AFA-Produkten assoziiert werden.
  
In Australien wird für Trinkwasser ein Microcystin-LR Richtwert von 1,3 Microgramm/Liter empfohlen. Alle Grenzwerte, auch der von der WHO empfohlene, orientieren sich an Hochrechnungen, die ihre Grundlage in Tierversuchen am Mausmodell haben. Mäuse halten aber eine deutlich höhere Microcystinbelastung aus, ohne Leberschäden oder körperliche Symptome zu entwickeln, als andere Tiergattungen (z.B. Ratte oder Schwein). Zeigen sich bei Mäusen noch keine Zeichen von Leberschädigungen bei intraperitonealen Gaben von Microcystinen in Dosen von 25-50 Microgramm/kg Körpergewicht (vgl. Fromme, Berlin, 1999), treten bei Rattenfeten bereits ab 4 Microgramm/kg Körpergewicht Schäden auf (Zhang et al. 2002). Schweine überleben nach Beasley et al. (2000) gerade noch eine Microcystindosis von 25 Microgramm/kg Körpergewicht, erleiden dabei aber bereits nachweisbare Organschäden u.a. im Bereich der Leber. Beim Menschen fehlen entsprechende Untersuchungen aus naheliegenden Gründen. Niemand würde die Erlaubnis erhalten, selbst bei Freiwilligen solche Versuche durchzuführen. Deshalb ist man auf Analogieschlüsse angewiesen, die sich sinnvollerweise auf die Trink- oder Badewasserbelastung mit Microcystinen beziehen, denn hier zeigen Studien aus China, dass der Konsum microcystinbelasteten Trinkwassers eindeutig mit einem erhöhtem Auftreten von Leberkarzinomen assoziiert ist (z.B. Shun-Zhang 1995).
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Legt man eine Verzehrmenge von 2&nbsp;Gramm Algenmasse mit einer Belastung von 100&nbsp;Mikrogramm pro kg Algenmasse (100&nbsp;ppb) zugrunde, nähme man pro Tag eine Mikrocystinmenge von 0,2&nbsp;Mikrogramm ein. Da bei den beiden oben geschilderten Fällen erst nach sieben Monaten, dann aber rasch progredient, gesundheitliche Probleme auftraten, wäre einzubeziehen, dass bei einer Gesamtmenge von 40&nbsp;Mikrogramm Mikrocystinen von ersten klinischen Symptomen auszugehen sein könnte (von einer unbemerkten Krebsschädigung nicht zu reden!). Diese zugegebenermaßen spekulative Obergrenze für bemerkbare, klinische Probleme scheint nicht unrealistisch zu sein, da eine weitere Verbraucherin, die über Monate hinweg eine mit 76&nbsp;ppb belastete Probe konsumiert hatte, über keine gesundheitlichen Probleme berichtete. Die Wirksamkeitsschwelle zur Auslösung klinischer Symptome beim Menschen dürfte derzeit bei einer Gesamtaufnahmemenge von 40-50&nbsp;Mikrogramm liegen, die je nach Belastung des AFA-Produkts mehr oder weniger schnell erreicht ist.
  
Das Institut für Umweltanalytik und Humantoxikologie (ITox) in Berlin empfiehlt in der Gesundheitlichen Bewertung von Blaualgentoxinen (Microcystinen) in Badegewässern bereits ab einer Belastung von 10-100 Microgramm pro Liter, auf das gesundheitliche Risiko beim Baden in entsprechend belasteten Gewässern hinzuweisen und vom Baden abzuraten sowie ab Microcystinwerten oberhalb von 100 Microgramm pro Liter das Baden in solchen Gewässern zu untersagen. Es liegt nahe, diesen Trinkwassergrenzwert auf die Algenprodukte zu übertragen, denn in der von mir initiierten Untersuchung fand ich zwei Personen, die nach mehrmonatiger Einnahme von Algenprodukten in einer geschätzten Microcystin-Gesamtdosis von etwas über 40 Microgramm klinische Symptome entwickelt hatten, die auf eine chronische Vergiftung durch Microcystine schließen lassen.
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In Australien wird für Trinkwasser ein Mikrocystin-LR Richtwert von 1,3&nbsp;Mikrogramm/Liter empfohlen. Alle Grenzwerte, auch der von der WHO empfohlene, orientieren sich an Hochrechnungen, die ihre Grundlage in Tierversuchen am Mausmodell haben. Mäuse tolerieren aber eine deutlich höhere Mikrocystinbelastung als andere Tiergattungen wie Ratte oder Schwein, ohne Leberschäden oder körperliche Symptome zu entwickeln. Während die Mikrocystin-Injektion in die Bauchhöhle in Dosen von 25-50&nbsp;Mikrogramm/kg Körpergewicht (vgl. Fromme, Berlin, 1999) bei Mäusen noch keine Zeichen einer Leberschädigungen hervor rief, treten bei Rattenfeten bereits ab 4&nbsp;Mikrogramm/kg Körpergewicht Schäden auf.<ref name='Zhang'></ref> Schweine überleben nach Beasley et al. gerade noch eine Mikrocystindosis von 25&nbsp;Mikrogramm/kg Körpergewicht, erleiden dabei aber bereits nachweisbare Organschäden u.a. an der Leber.<ref>Beasley VR, Lovell RA, Holmes KR, Walcott, HE, Schaeffer DJ, Hoffmann WE, Carmichael WW: Microcystin-LR decrease hepatic and renal perfusion and causes circulatory shock, severe hypoglycemia and terminal hyperkalemia in intravasculary dosed swine. J Toxicol Environm Health 61 (Part A): 281-203, 2002</ref> Aus naheliegenden Gründen fehlen beim Menschen entsprechende Untersuchungen. Selbst bei Freiwilligen erhielte kein Forschungslabor die Erlaubnis, solche Versuche durchzuführen. Deshalb ist man auf Analogieschlüsse angewiesen, die sich sinnvollerweise auf die Trink- oder Badewasserbelastung mit Mikrocystinen beziehen, denn hier zeigen Studien aus China, dass der Konsum mikrocystinbelasteten Trinkwassers eindeutig mit einem erhöhtem Auftreten von Leberkarzinomen assoziiert ist.<ref>Shun-Zhang Y: Primary prevention of hepatocellular carcinoma. J Gastroenterol Hepatol 10: 675-682, 1995</ref> 
  
Wenn also Tierversuche zeigen, dass Mäuse zur Risikoabschätzung durch Microcystin aufgrund ihrer Unempfindlichkeit ungeeignet sind, Ratten und Schweine hingegen viel empfindlicher reagieren und zudem erste Hinweise bei Erwachsenen zeigen, dass Gesamtdosen von etwa 40 Migrogramm Microcystinen - auch über längere Zeit verteilt eingenommen - zu Gesundheitsschäden führen können, muss gefordert werden, dass der WHO-Trinkwassergrenzwert für Microcystine von 1 Microgramm/Liter auch bei den Algenprodukten einzuhalten ist. Die im US-Bundesstaat Oregon tolerierten Microcystinmengen in Algenprodukten (1.000 Microgramm pro kg), die nur auf Schätzungen aus Mausmodellen beruhen (Schaeffer et al. 1999), sind offensichtlich wesentlich zu hoch. Sie liegen um den Faktor 1.000 überhalb der für Trinkwasser empfohlenen WHO-Richtwerte.
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Das Institut für Umweltanalytik und Humantoxikologie (ITox) in Berlin empfiehlt in der gesundheitlichen Bewertung von Blaualgentoxinen (Mikrocystinen) in Badegewässern, bereits ab einer Belastung von 10-100&nbsp;Mikrogramm pro Liter auf das gesundheitliche Risiko beim Baden in entsprechend belasteten Gewässern hinzuweisen und vom Baden abzuraten sowie ab Mikrocystinwerten oberhalb von 100&nbsp;Mikrogramm pro Liter das Baden in solchen Gewässern zu untersagen. Es liegt nahe, diesen Trinkwassergrenzwert auf die Algenprodukte zu übertragen.
  
Legt man die übliche Verzehrsempfehlung von 2 Gramm Algenmasse pro Tag, eine durchschnittliche Microcystinbelastung von 0,1 Microgramm pro Algengramm und eine Dosisschwelle von 40 Microgramm Microcystinen bei Erwachsenen zugrunde, ab der offensichtlich klinische Symptome auftreten können, so kann man innerhalb von etwa 6-7 Monaten die kritische Belastungszone zum Auftreten körperlicher Beschwerden erreichen. Es gibt jedoch Algenanbieter, deren entsprechend belastete Algenprodukte mit Verzehrsempfehlungen bis zu 20 Pillen (5 Gramm) täglich angepriesen werden. Bei solchen Verzehrsmengen ist es kein Wunder, wenn die kritische Schwelle bereits innerhalb weniger Wochen erreicht wird und die Patienten anfänglich mit schnell auftretenden Hautausschlägen konfrontiert werden. Sanacell und Algavital nutzen beide gern die Dienste der Heilpraktikerin Barbara Simonsohn, die einschläge Ritalin-kritische und AFA-propagierende Bücher publiziert hat sowie einschlägige werbende Artikel in Szene-Zeitschriften veröffentlichte. Sie tritt für noch höhere Dosen pro Tag (20 Gramm und mehr) ein. Bei den Microcystinmengen, die in den Produkten von Sanacell und Algavital gefunden wurden, würde dies eine Krebsgefahr bedeuten sowie nach wenigen Wochen bis Monaten klinische Symptome einer Microcystinvergiftung bewirken.
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Da Tierversuche zeigen, dass Mäuse zur Risikoabschätzung durch Mikrocystin aufgrund ihrer relativen Unempfindlichkeit ungeeignet sind, Ratten und Schweine hingegen viel empfindlicher reagieren und zudem erste Hinweise bei Erwachsenen zeigen, dass Gesamtdosen von etwa 40&nbsp;Mikrogramm Mikrocystinen - auch über längere Zeit verteilt eingenommen - zu Gesundheitsschäden führen können, muss gefordert werden, dass der WHO-Trinkwassergrenzwert für Mikrocystine von 1 Mikrogramm/Liter auch bei den Algenprodukten einzuhalten ist. Die im US-Bundesstaat Oregon tolerierten Mikrocystinmengen in Algenprodukten (1.000&nbsp;Mikrogramm pro kg), die nur auf Schätzungen aus Mausmodellen beruhen, sind offensichtlich wesentlich zu hoch angesetzt. Sie liegen um den Faktor&nbsp;1.000 oberhalb der für Trinkwasser empfohlenen WHO-Richtwerte.<ref name='Schaefer'></ref>
  
Zusätzlich ist zu bedenken, dass sich 50% der oral eingenommenen Microcystindosis in der Leber anreichert. Somit sind die üblichen Dosierungsschemata des Giftes in Bezug auf Kilogramm Körpergewicht per se fragwürdig. Die Leber eines Erwachsenen hat ein durchschnittliches Gewicht von 3-4 kg, so dass bereits niedrige Einnahmemengen zu Leberschäden führen können. Geht man davon aus, dass man eine Giftkonzentration von 1 Microgramm pro kg Lebergewicht einnehmen müßte, würden bereits 8 Microgramm Gesamtaufnahmemenge ausreichen, um erste Leberschäden zu bewirken oder ggf. dazu beizutragen, Leberkrebs auszulösen. Diese Dosis kann bei Algenprodukten, die, wie in der vorliegenden Untersuchung nachgewiesen, mit 68-134 Microgramm pro kg (also 0,068 - 0,134 Microgramm pro Gramm) mit Microcystinen belastet sind, durchaus schon in 2-3 Monaten erreicht werden, denn die Microcystine werden nicht so schnell abgebaut, wie sie eingenommen werden. Das Leberkrebsrisiko kann bereits in solchen Dosen möglicherweise deutlich erhöht werden.
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Legt man die übliche Verzehrsempfehlung von 2&nbsp;Gramm Algenmasse pro Tag, eine durchschnittliche Mikrocystinbelastung von 0,1&nbsp;Mikrogramm pro Algengramm und eine Dosisschwelle von 40&nbsp;Mikrogramm Mikrocystinen bei Erwachsenen, ab der offensichtlich klinische Symptome auftreten können, zugrunde, so kann innerhalb von 6-7&nbsp;Monaten die kritische Belastungsgrenze bis zum Auftreten körperlicher Beschwerden erreicht werden. Für einige belastete Algenprodukte erhalten Verbraucher jedoch Verzehrempfehlungen von bis zu 20&nbsp;Pillen (5&nbsp;Gramm) täglich. Bei solchen Verzehrmengen ist es nicht verwunderlich, wenn die kritische Schwelle bereits innerhalb weniger Wochen erreicht wird und die Patienten mit schnell auftretenden Hautausschlägen konfrontiert werden. Sanacell und Algavital nutzen beide gern die Dienste der Heilpraktikerin Barbara Simonsohn, die einschlägige Ritalin-kritische und AFA-propagierende Bücher publiziert sowie einschlägige werbende Artikel in Szene-Zeitschriften veröffentlicht. Sie tritt für noch höhere Dosen pro Tag (20&nbsp;Gramm und mehr) ein. Bei Mikrocystinmengen, die in Produkten von Sanacell und Algavital gefunden wurden, bedeutete dies eine Krebsgefahr und riefe nach wenigen Wochen bis Monaten klinische Symptome einer Mikrocystinvergiftung hervor.
  
Yu und Chen (1994) untersuchten den Microcystingehalt im Trinkwasser von 20 Patienten, die an hepatozellulärem Karzinom erkrankt waren (61 Microgramm/Liter) und verglichen ihn mit demjenigen von gesunden Kontrollpersonen (36 Microgramm/Liter). Dies zeigt, dass eindeutige Risiken bestehen können, wenn dauerhaft Microcystine in noch vergleichsweise niedrigen Dosen eingenommen werden.
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Zusätzlich ist zu bedenken, dass sich 50% der oral aufgenommenen Mikrocystindosis in der Leber anreichern. Somit sind die üblichen Dosierungsschemata des Giftes in Bezug auf Kilogramm Körpergewicht per se fragwürdig. Die Leber eines Erwachsenen hat ein durchschnittliches Gewicht von 1,5-2&nbsp;kg, so dass bereits niedrige Einnahmemengen zu Leberschäden führen können. Geht man davon aus, dass man eine Giftkonzentration von 1&nbsp;Mikrogramm pro&nbsp;kg Lebergewicht einnehmen müsste, würden bereits 8&nbsp;Mikrogramm Gesamtaufnahmemenge ausreichen, um erste Leberschäden zu bewirken oder ggf. dazu beizutragen, Leberkrebs auszulösen. Diese Dosis kann bei Algenprodukten, die, wie in der vorliegenden Untersuchung nachgewiesen, mit 68-134&nbsp;Mikrogramm pro kg (also 0,068-0,134&nbsp;Mikrogramm pro Gramm) mit Mikrocystinen belastet sind, durchaus schon in 2-3&nbsp;Monaten erreicht werden, denn die Mikrocystine werden deutlich langsamer abgebaut bzw. ausgeschieden als sie eingenommen werden. Das Leberkrebsrisiko kann bereits bei solchen Dosen möglicherweise deutlich erhöht sein.
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Yu und Chen untersuchten den Mikrocystingehalt im Trinkwasser von 20&nbsp;Patienten, die an hepatozellulärem Karzinom erkrankt waren (61&nbsp;Mikrogramm/Liter), und verglichen ihn mit demjenigen von gesunden Kontrollpersonen (36&nbsp;Mikrogramm/Liter). Dies zeigt, dass eindeutige Risiken bestehen können, wenn dauerhaft Mikrocystine in vergleichsweise niedrigen Dosen eingenommen werden.<ref>Yu SZ, Chen G: Blue-green algae toxins and liver cancer. Chin J Cancer Res 6: 9-17, 1994</ref>
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Vergiftungssymptome werden jedoch von den Algen-Befürwortern oft als vorübergehende "Entgiftungserscheinungen" bagatellisiert.
  
 
==Warnung des BfArM und BgVV==
 
==Warnung des BfArM und BgVV==
Das Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin ( BgVV) gemeinsam mit dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) veröffentlichte am 21. März 2002 eine gemeinsame Presseerklärung <ref>http://www.bgvv.de/presse/2002/pr_02_08.htm</ref>, die vor dem Konsum der Algenprodukte warnte. Am 22.03.2002 warnte der kritische Informationsdienst für Ärzte und Apotheker (Arznei-Telegramm) in einer Blitz-Mitteilung per eMail <ref>AT: AFA-Alge: Irreführende Werbung, bedenkliche Produkte</ref> vor den Algenprodukten und vertiefte dies in einer Printausgabe des Arznei-Telegramms am 12. April 2002. Am 27.03.2002 warnte der Krebs-Kompass.de auf seiner Website ebenfalls mit dem Titel Warnung vor Algen statt Arznei. Diese Warnungen trugen dazu bei, dass Elternverbände in Deutschland und der Schweiz, die sich für hyperaktive Kinder (ADS-Kinder) einsetzen, sich dem von Algenvertreibern erzeugten juristischen Druck ausgesetzt sahen, besser widerstehen konnten.
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Das Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin (BgVV) - ab November 2002: Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) - veröffentlichte gemeinsam mit dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) am 21.&nbsp;März 2002 eine gemeinsame Presseerklärung, in der vor dem Konsum der Algenprodukte gewarnt wird.<ref>http://web.archive.org/web/20020806021657/http://www.bgvv.de/presse/2002/pr_02_08.htm</ref> Am 22.&nbsp;März 2002 warnte der kritische Informationsdienst für Ärzte und Apotheker "arznei-telegramm" in einer Blitz-Mitteilung per E-Mail<ref>[http://www.arznei-telegramm.de/html/2002_03/0203504_01.html AFA-Alge: Irreführende Werbung, bedenkliche Produkte] arznei-telegramm, blitz-a-t vom 22.03.2002</ref> vor den Algenprodukten und vertiefte dies in seiner Printausgabe am 12.&nbsp;April 2002.<ref>[http://www.arznei-telegramm.de/html/2002_04/0204040_02.html Vorsicht Quacksalberei: AFA-ALGE GEGEN HYPERAKTIVITÄT (ADHS)?] arznei-telegramm a-t 2002; 33: 40</ref> Am 27.&nbsp;März 2002 warnte ''Krebs-Kompass.de'' auf seiner Webseite ebenfalls mit dem Titel "Warnung vor Algen statt Arznei". Diese Warnungen trugen dazu bei, dass Elternverbände in Deutschland und der Schweiz, die sich für hyperaktive Kinder (ADHS-Kinder) einsetzen und sich dem von Algenvertreibern erzeugten juristischen Druck ausgesetzt sahen, diesem besser widerstehen konnten.
  
Die Pressemitteilung vom 21.3.2002 zu AFA-Algen:
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Die Pressemitteilung vom 21.&nbsp;März 2002 zu AFA-Algen:
 
*Ein Nutzen durch den Verzehr AFA-Algen-haltiger Nahrungsergänzungsmittel ist wissenschaftlich nicht belegt.
 
*Ein Nutzen durch den Verzehr AFA-Algen-haltiger Nahrungsergänzungsmittel ist wissenschaftlich nicht belegt.
 
*eine Gefährdung der Gesundheit durch Gifte ist nicht auszuschließen.
 
*eine Gefährdung der Gesundheit durch Gifte ist nicht auszuschließen.
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*Damit liegt ein Verstoß gegen das Verbot der irreführenden Werbung nach dem Heilmittelwerbegesetz vor. Es besteht die Gefahr, dass aufgrund der Fehlinformation Eltern eine notwendige ärztliche Behandlung ihrer Kinder abbrechen und sich das Leiden verschlimmert, wenn ersatzweise AFA-Algenprodukte gegeben werden. Gleiches gilt für Erwachsene, die im Vertrauen auf die "Heilkraft der AFA-Algen" bei einer diagnostizierten Depression oder bei anderen Gesundheitsstörungen eine ärztlich verordnete medikamentöse Therapie abbrechen und stattdessen AFA-Algenprodukte zu sich nehmen.
 
*Damit liegt ein Verstoß gegen das Verbot der irreführenden Werbung nach dem Heilmittelwerbegesetz vor. Es besteht die Gefahr, dass aufgrund der Fehlinformation Eltern eine notwendige ärztliche Behandlung ihrer Kinder abbrechen und sich das Leiden verschlimmert, wenn ersatzweise AFA-Algenprodukte gegeben werden. Gleiches gilt für Erwachsene, die im Vertrauen auf die "Heilkraft der AFA-Algen" bei einer diagnostizierten Depression oder bei anderen Gesundheitsstörungen eine ärztlich verordnete medikamentöse Therapie abbrechen und stattdessen AFA-Algenprodukte zu sich nehmen.
  
==Warnende Stimmen werden mit juristischen Tricks niedergebügelt==
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==Verwechslungsgefahr==
Eckard Pinnow brüstet sich in der obigen Forum-Ausgabe, dass es gerichtlich verboten sei, Warnungen vor AFA®-Algen zu veröffentlichen. Diese Behauptung ist offensichtlich erlogen, denn seine Produkte sind nachweislich belastet. Trotzdem kommt Pinnow mit seinen Lügen legal über die Runden.
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Eine sowohl in den USA als auch in Deutschland und anderen europäischen Ländern vertretene Biotech-Firma mit dem Namen Celltech Group (Hauptsitz in Großbritannien, 208&nbsp;Bath&nbsp;Road, Slough, Berkshire SL1&nbsp;3WE) verkauft über ihre deutsche Niederlassung (Celltech GmbH & Co.&nbsp;KG, Im Wirringen&nbsp;25, 45731&nbsp;Waltrop) seit Mai 2002 ein Methylphenidat-Produkt (Equasym) zur Behandlung von ADS/ADHS. Equasym ist neben Medikinet (Fa.&nbsp;Medice) und Ritalin (Fa.&nbsp;Novartis Pharma) das dritte Methylphenidat-haltige Medikament, das in der Bundesrepublik Deutschland auf dem Markt ist. Celltech Group hat mit einem US-amerikanischen Algenanbieter fast gleichen Namens aber nichts zu tun. In den USA hat die Celltech Group verschiedene Niederlassungen (Celltech R&D Inc. in Wayne und in Bothel, Celltech Manufacturing CA Inc. in Santa Ana, Celltech Pharmaceuticals Inc. in Rochester).
 
 
Der Trick, mit dem Pinnow bisher der prozessuale Sieg gegenüber sorgenvoll warnender Elternverbände von ADHS-Betroffenen und -Kindern gelang, ist leicht erklärt. Er ließ die entsprechenden Organisationen von einer Anwaltskanzlei abmahnen. Da in der strittigen Äußerung das Wort "AFA-Algen" (eine in der Fachliteratur durchaus übliche Abkürzung) genannt worden war, Sanacell (wie auch Algavital) sich ähnlich klingende Namen aber als Produktbezeichnung schützen ließen, konnten sie daraus eine Aktivlegitimation und somit Klagefähigkeit ableiten. Die Abmahnung enthielt allerdings so lächerliche Passagen, dass sie von den prozessunerfahrenen Verbänden nicht ernst genommen wurden. Es wurde deshalb keine Schutzschrift hinterlegt, so dass der gegnerische Anwaltskanzlei (Radeck/Berlin) einfach zum Landgericht marschierte, eine Einstweilige Verfügung beantragte und diese auch bewilligt erhielt. Die schockierten Verbände bekamen erst Wind von der Sache, als ihnen die Verfügung ins Haus flatterte (vgl. Kritiker leben gefährlich). Auf diese Weise war es Pinnow möglich, öffentliche Warnungen vor seinen giftbelasteten Algenprodukten bis zur Hauptverhandlung stillzulegen.
 
 
 
Nachdem die ADHS-Verbände Widerspruch gegen die Einstweilige Verfügung eingelegt hatten, kam es zu einer mündlichen Verhandlung. Die Richter Mauck, Gollan und Becker verurteilten erstinstanzlich mit haarsträubenden Begründungen die ADHS-Verbände und gaben Sanacell vollumfänglich Recht. So glaubten sie den Ausführungen Sanacells, dass diese in der Lage sei, Microcystine aus den Algenprodukten durch ein geeignetes Filterverfahren zu entfernen. Die Richter schrieben: "Diese Behauptung wird gestützt durch die Ausführungen auf Seite 53 des Buches 'Die Heilkraft der AFA-Alge', wonach die AFA-Alge viel kleiner ist als die Microcystine und das Sieb passiert, während jene zurückgehalten werden.". Dass auch Aphanozimenon-Stämme Microcystine produzieren können, ist in der Fachliteratur bekannt und beschrieben. Das Microcystine winzige Moleküle sind, ergibt sich zwangsläufig von selbst. Kein Gift ist besonders groß, die gefährlichsten sind sogar sehr klein, weil sie sonst Schwierigkeiten hätten, in den Organismus aufgenommen zu werden. Es hätte sogar einem Richter mit normaler Schulbildung auffallen müssen, dass ein Bakterium nichts produzieren kann, was größer als es selbst ist. Schon gar nicht hätten drei Richter den obigen Unfug schreiben dürfen. Dieser bedeutet im übertragenen Sinne, dass ein Gemisch aus Wackersteinen (Afa-Algen) und Staub (Microcystinen) durch ein Sieb geschüttelt werden kann, in dem der Staub liegen bleibt, die Wackersteine aber hindurchfallen. Dass dergleichen Inkompetenz an deutschen Gerichten ein Richteramt ausüben darf, ist einer der vielen Skandale im AFA-Algenzirkus. Dass sich die Richter offenbar aus lauter Faulheit sogar auf die Schriften der die AFA-Algen propagierenden Heilpraktikerin Barbara Simonsohn (siehe Fünf Tibeter) stützten, ist ein Schlag ins Gesicht jedes wissenschaftlichen Sachverstandes.
 
 
 
Die Richter erklärten weiterhin, dass das Herausfiltern der Microcystine durch das Vorlegen von Untersuchungszertifikaten durch Sanacell hinreichend belegt worden sei. Dem ist aber nicht so, denn von der Firma wurden keine ELISA-Untersuchungen, sondern vielmehr der PPIA-Test verwendet wird. Wie oben bereits beschrieben, ist der PPIA-Test weitaus ungenauer und dies vor allem in dem Bereich der Microcystinbelastung, um den es sich hier dreht. Hier wird oftmals deutlich weniger bis gar keine Belastung im PPIA angezeigt, während der ELISA noch verlässlich die Giftkonzentrationen anzeigt. So ließen sich die drei Berliner Richter exzellent täuschen und die Verbände zahlten für deren Inkompetenz die Zeche.
 
 
 
Die Firma Algavital versucht eine andere Taktik, um unliebige Kritik wegzubügeln. Analog wie Sanacell versucht sie haltlose Abmahnungen zu versenden. Hinterlegt man aber eine fundierte Schutzschrift, so schrecken beide vor Klagen offenbar aus Angst vor einer Blamage zurück. Berichten aber Presseorgane kritisch über die giftbelasteten Algen, versucht primär Algavital durch presserechtliche Tricks, Gegendarstellungen plaziert zu erhalten. Sind diesen korrekt formuliert, müssen jene vom jeweiligen Journal unabhängig von ihrem Wahrheitsgehalt abgedruckt werden. So geschah dies der Pharmazeutischen Zeitung, die kritisch über diese Algen berichtet hatte. Bei anderen Blättern hingegen gelang der Widerruf, der spätestens nach 3 Monaten plaziert sein muss, nicht. Grund war hierfür die offensichtlich wahrheitswidrige Forderung der Firma Algavital. Algavital nutzt auch gerne auf ihrer Website die Chance, Kritiker zu verleumden. Abmahnungen, die ihr deshalb ins Hause flattern, befolgt sie allerdings dann auch relativ schnell, zahlt aber die entsprechenden Anwaltsrechnungen nicht und lässt es dann offensichtlich auf langwierige Gerichtsprozesse ankommen.
 
  
==Vorsicht: Verwechslungsgefahr!==
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==Aktivitäten von Scientology und Pseudowissenschaftlern==
Ein sowohl in den USA als auch in Deutschland und anderen europäischen Ländern vertretene Biotech-Firma mit dem Namen Celltech Group (Hauptsitz in Großbritannien, 208 Bath Road, Slough, Berkshire SL1 3WE) verkauft über seine deutsche Niederlassung (Celltech GmbH & Co. KG, Im Wirringen 25, 45731 Waltrop) seit Mai 2002 ein Methylphenidatprodukt (Equasym) zur Behandlung von ADS/ADHS. Equasym ist neben Medikinet (Fa. Medice) und Ritalin (Fa. Novartis Pharma) das dritte Methylphenidatprodukt, das in der Bundesrepublik Deutschland auf den Markt gekommen ist (vgl. Gelbe Liste). Celltech Group hat mit einem US-amerikanischen Algenanbieter fast gleichen Namens aber nichts zu tun. In den USA hat die Celltech Group verschiedene Niederlassungen (Celltech R&D Inc. in Wayne und in Bothel, Celltech Manufacturing CA Inc. in Santa Ana, Celltech Pharmaceuticals Inc. in Rochester). Ärzte, die Equasym rezeptieren wollen, jedoch bei dem Namen des Anbieters misstrauisch geworden sind, sollten dies berücksichtigen.
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Auf der Ebene des Europarates gelang es dem US-amerikanischen, pädiatrischen Neurologen und [[Scientology|Top-Scientologen]] Fred&nbsp;A. Baughman, die US-Psychosekte ins Spiel zu bringen. Er selbst propagiert in den USA seit Jahren eine Anti-Ritalin-Kampagne. In Paris überrollte er den Europarat (nicht zu verwechseln mit dem Europäischen Parlament) in einer gut platzierten Marketingkampagne und konnte mit einigen anderen erreichen, dass eine Anhörung im November 2001 zu einer Farce geriet. Nicht nur gab er die üblichen haltlosen Unwahrheiten über ADHS und Methylphenidat wieder, er sorgte durch Lobbyarbeit hinter den Kulissen dafür, dass an die Mitgliedsstaaten des Europarats die schriftliche Aufforderung erging, den Methylphenidatbedarf zu überprüfen und die Verordnung einzuschränken.
  
==Scientology, Sektengruppen und Pseudowissenschaftler im Spiel==
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In den USA arbeitet Peter Breggin, ein bisher der Scientology nicht direkt zuzurechnender Autor, mit Fred&nbsp;A. Baugham eng zusammen. Durch einschlägige, reißerische Bücher, in der die üblichen verleumderischen Thesen über angeblich wirksame Behandlungsmethoden bei ADHS verbreitet werden, trägt Breggin dazu bei, bei den Betroffenen Angst vor Medikamenten wie [[Ritalin|Methylphenidat]] zu schüren. In Deutschland hat der Neurobiologe [[Gerald Hüther]] diese Thesen aufgenommen und trat u.a. bei Podiumsdiskussionen von Schweizer Firmen auf, die Scientology direkt zuzurechnen sind. Hüthers Hauptthese, Methylphenidat prädisponiere für M.&nbsp;Parkinson, ist nachweislich falsch und wurde in der Fachliteratur ausführlich widerlegt.  
Auf der Ebene des Europarates ist es dem US-amerikanischen Top-Scientologen Fred A. Baugham, seines Zeichens pädiatrischer Neurologe, gelungen, die US-Psychosekte ins Spiel zu schleusen. Er selbst propagiert seit Jahren in den USA eine Anti-Ritalin-Kampagne und tritt gemeinsam mit In Paris konnte er den Europarat (nicht zu verwechseln mit dem Europäischen Parlament) in einer gut plazierten Marketingkampagne überrollen. Er sorgte mit einigen anderen dafür, dass eine Anhörung im November 2001 zu einer Farce wurde. Nicht nur gab er die üblichen haltlosen Lügen und Unwahrheiten über ADHS und Methylphenidat zum besten, er sorgte durch Lobbyarbeit hinter den Kulissen dafür, dass an die Mitgliedsstaaten des Europarats die schriftliche Aufforderung erging, den Methylphenidatbedarf zu überprüfen und die Verordnung einzuschränken.
 
  
In den USA arbeitet Peter Breggin, ein bisher der Scientology nicht direkt zuzurechnender Autor, mit Fred A. Baugham eng zusammen. Durch einschlägige, reisserische Bücher, in der die üblichen verleumderischen Thesen über wirksame Behandlungsmethoden bei ADHS verbreitet werden, trägt Breggin dazu bei, bei den Betroffenen Angst vor z.B. [[Ritalin|Methylphenidat]] zu schüren. In Deutschland hat seine Thesen der Neurobiologie Hüther aufgenommen, der sich auch nicht zu schade ist, auf Podiumsdiskussionen teilzunehmen, die von schweizerischen Firmen, die der Scientology direkt zuzurechnen sind, aufzutreten. Hüthers Hauptthese, Methylphenidat prädisponiere für M. Parkinson, ist nachweislich falsch und wurde in der Fachliteratur ausführlich wiederlegt. Trotzdem tourt er derzeit durch Europa und schafft es offenbar auch mit Unterstützung von Scientologen, sich in öffentlichen dt.-sprachigen Medien mit seinen falschen Behauptungen zu plazieren.
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Auch die Szene um [[Franz Konz]] und die von ihm propagierte [[Urkost]] ist mit von der Partie. Konz präsidierte bekanntlich dem [[Bund für Gesundheit]] (BFG), der wiederum eine Hauspostille (Natürlich Leben) sowie ein Beratungstelefon unterhält. Konz schrieb in einer Ausgabe über verhaltensauffällige Kinder und empfahl, solche Kinder in kompetente Psychotherapie zu bringen. Dabei riet er zur Firma [[KVPM]], deren enge Anbindung an die US-Psychosekte Scientology jedoch seit Jahren bekannt ist.  
  
Auch die Szene um [[Franz Konz]] (siehe Ur-Medizin) ist mir von der Partie. Konz präsidiert bekanntlich dem Bund für Gesundheit e.V., der wiederum eine Hauspostille (Natürlich Leben) sowie ein Beratungstelefon betreibt. Konz schrieb über verhaltensauffällige Kinder in einer der letzten Ausgaben und empfahl, solche Kinder in kompetente Psychotherapie zu bringen. Dabei riet er zur Firma [[KVPM]], die jedoch seit Jahren eine bekannte Deckadresse der US-Psychosekte Scientology in Deutschland ist (siehe Die Scientology Organisation).
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Auf Esoterikmessen wie den Medizinischen Wochen Baden-Baden, auf denen Sanacell AFA-Produkte vorstellt, wird gerne mit Publikationen der Heilpraktikerin Barbara Simonsohn geworben. In deren Büchern kann man deren indirekte Finanzierung durch diese Firmen leicht nachvollziehen, da sie in einem ihrer Bücher selbst schreibt, dass sie von Algenanbietern zu Testzwecken Waren im Wert von mehreren tausend Euros erhielt. Zusätzlich saß Frau Simonsohn über längere Zeit am Beratungstelefon des Bundes für Gesundheit. Ihre 14-täglichen Sprechzeiten konnten in Natürlich Leben nachgelesen werden.
  
Auf Esoterikmessen wie den Medizinischen Wochen Baden-Baden, auf denen Sanacell Afa-Produkte vorstellt, wird immer gerne mit Publikationen der Heilpraktikerin Barbara Simonsohn geworben. In deren Büchern kann man deren indirekte Finanzierung durch diese Firmen leicht nachvollziehen. Sie schreibt selbst in einem ihrer Bücher, dass sie von Algenanbietern Waren zu Testzwecken im Wert von mehreren tausend Euros erhalten hat. Zusätzlich, und dies ist mit Sicherheit kein Zufall, saß Frau Simonsohn über längere Zeit am Beratungstelefon des [[BFG|Bundes für Gesundheit]]. Ihre 14-tägigen Sprechzeiten konnten in Natürlich Leben nachgelesen werden.
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Wie bereits bei der Ur-Medizin beschrieben, bestehen Verbindungen zwischen Konz und dem wegen Kindsmissbrauchs und Betrugs zu einer 15-jährigen Haftstrafe in Paris verurteilten [[Guy-Claude Burger]]. Burgers deutsche Stimme, der [[MLM|Multi-Level-Marketing]] Verkäufer [[Stephen Janetzko]] aus Erlangen, ist einer der Ansprechpartner, der für das GesundheitsNetzwerk von Pinnow in Erlangen Veranstaltungen organsiert. Dies kann in der Sanacell-Firmenzeitung FORUM (Ausgabe 08/2002) nachgelesen werden.
  
Wie bereits bei der Ur-Medizin beschrieben, bestehen Verbindungen zwischen Konz und dem wegen Kindsmissbrauchs und Betrugs zu einer 15jährigen Haftstrafe in Paris verurteilten [[Guy-Claude Burger]]. Burgers deutsche Stimme, der [[MLM|Multi-Level-Marketing]] Verkäufer Stephen Janetzko aus Erlangen ist einer der Ansprechpartner, der für das GesundheitsNetzwerk des Pinnow in Erlangen Veranstaltungen organsiert. Dies kann in der Sanacell-Firmenzeitung FORUM (Ausgabe 08/2002) nachgelesen werden.
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Auch [[Gesellschaft für Ernährungsheilkunde|Iris Muthmann]] wirbt auf ihrer Webseite "''zentrum-der-gesundheit.de''" für AFA-Algen. Gleichzeitig veröffentlicht sie Desinformationen über ADHS ("''Schlechtes Benehmen wird Krankheit''"), während sie den Scientology-nahen Peter Breggin zitiert.<ref>http://www.zentrum-der-gesundheit.de/adhs.html</ref>
  
Wie man erkennt, gibt es enge Verflechtungen zwischen sektenähnlich operierenden Gruppen, der US-Psychosekte Scientology und den die Algen verkaufenden Firmen in Europa. Es liegt nahe, zu vermuten, dass es sich bei einigen dieser Firmen um abgetauchte bzw. abgetrennte Scientologen-Netzwerke handelt, die zwar scientologische Methoden anwenden, sich aber nicht offen zur Scientology bekennen. Die genannten Netzwerke sind übrigens nur nur die Spitze des Eisberges.
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Es gibt Hinweise auf bestehende Verflechtungen zwischen sektenähnlich operierenden Gruppen, der US-Psychosekte Scientology und den Algen verkaufenden Firmen in Europa. Inwieweit bzw. ob einige dieser Firmen in Scientology involviert sind, wie dies bereits in anderen Zusammenhängen ermittelt wurde, ist jedoch nicht bekannt.  
  
 
==Literatur==
 
==Literatur==
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*Ueno Y, Nagata S, Tsutsumi T, Hasegawa A, Watanabe MF, Park HD, Chan GC, Chen G, Yu SZ: Detection of microcystins, a blue-green algal hepatotoxin, in drinking water sampled in Haimen and Fusui, endemic areas of primary liver cancer in China, by highly sensitive immunoassay. Carcinogenesis 17: 1317-1321, 1996
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==Weblinks==
 
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*http://www.bfr.bund.de/cm/208/afa_algen_und_afa_algenpropdukte.pdf
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*BgVV und BfArM warnen: [http://www.bfr.bund.de/cd/987 Nahrungsergänzungsmittel aus AFA-Algen können keine medizinische Therapie ersetzen] 21.03.2002
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*Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin (BgVV): [http://www.bfr.bund.de/cm/208/afa_algen_und_afa_algenpropdukte.pdf AFA Algen und AFA Algenpropdukte] Stellungnahme vom 23.09.2001
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*Deutsche Gesellschaft für Ernährung e. V.: [http://www.dge.de/modules.php?name=News&file=article&sid=321 AFA-Algen. Wie nützlich sind AFA Algen für die Gesundheit?] 01.04.2002
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*Piero Rossi: [http://www.adhs.ch Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung in der Praxis] S. 195
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*arznei-telegramm: [http://www.arznei-telegramm.de/zeit/0204_a.php3 Vorsicht Quacksalberei. AFA-ALGE GEGEN HYPERAKTIVITÄT (ADHS)?] 2002; 33: 40
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*Kathi Dittrich: [http://www.ugb.de/lebensmittel-im-test/afa-algen/ AFA-Algen: Das blaue Wunder?] UGB-Vereine für Unabhängige Gesundheitsberatung UGB-Forum 4/2003, S. 212-213
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*http://www.sektenwatch.de/drupal/sites/default/files/files/alternativer_medizinmarkt_scharlatane.pdf Dr. Roland Ziegler, Alternativmedizin kritisch betrachtet - Risiken und Gefahren durch unseriöse Anbieter und Scharlatanerie auf dem alternativen Medizinmarkt, Vortrag bei der Jahresfachtagung der Elterninitiative zur Hilfe gegen seelische Abhängigkeit und religiösen Extremismus e.V. und der Bayerischen Arbeitsgemeinschaft Demokratischer Kreise (ADK)
  
 
==Quellennachweise==
 
==Quellennachweise==
 
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[[category:Beutelschneiderei]]
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[[category:fragwürdige Therapie bei ADHS]]
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[[category:MLM]]
 
[[category:Nahrungsergänzungsmittel]]
 
[[category:Nahrungsergänzungsmittel]]

Aktuelle Version vom 7. Januar 2020, 18:56 Uhr

Afa2.jpg

AFA-Algen (Aphanizomenon flos-aquae) sind Bakterien der Abteilung Cyanobakterien und werden fälschlicherweise auch als Blaualgen bezeichnet. AFA-Algen werden seit einigen Jahren als Nahrungsergänzungsmittel (NEM) angeboten und unter anderem als Heilmittel gegen ADHS, aber auch Krebs und alle üblichen Zivilisationskrankheiten vermarktet. Nahrungsergänzungsmittel sind rechtlich jedoch Lebensmittel und unterliegen daher in Deutschland der Nahrungsergänzungsmittelverordnung (NemV) und im EU-Recht der Richtlinie 2002/46/EG sowie dem LFGB (Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuch). Laut LFGB sind gesundheitsbezogene Werbung und werbeähnliche Äußerungen untersagt und können kostenpflichtig abgemahnt werden.

Systematik

Die als AFA-Algen bezeichneten Lebewesen sind zur Photosynthese befähigte Bakterien (Eubakterien), die evolutionsgeschichtlich sehr alt sind. Viele Stämme dieser Bakterien sind in der Lage, hochwirksame Gifte (Mikrocystine, Anatoxine, Saxitoxin) zu produzieren, welche sich in den Bakterien selbst sowie in den sie verzehrenden Meerestieren anreichern. Eine ausführliche Darstellung über Mikroalgen und deren Belastung mit Algentoxinen findet sich in den Guidelines for Safe Recreational-water Environments (Vol. I: Coastal and Fresh-waters), Oktober 1998.[1]

Beworbene Einsatzgebiete

AFA-Algen werden von diversen Firmen als Nahrungsergänzungsmittel angepriesen. In den USA werden die Mittel u.a. von der Fa. Bluegreen (von der auch deutsche Firmen ihre Produkte beziehen) zur Behandlung von Krebs, HIV, Immunschwächeerkrankungen anderer Art, ADHS, Hypercholesterinämie (zu hoher Cholesterinspiegel) und zur Stärkung des allgemeinen Wohlbefindens beworben. Für diese Aussagen liegen jedoch keine glaubwürdigen Wirksamkeitsnachweise vor. In Deutschland ist kein Cyanobakterien-haltiges Präparat als Arzneimittel zugelassen.

Toxinbelastung

Anabaena

Das Hauptproblem der AFA-Produkte ist die Beimengung von Cyanobakteriengiften, besonders die Mikrozystine. Mikrozystine sind ein starkes Lebergift, welches eine ähnliche Wirkung wie das Gift in Knollenblätterpilzen hat. Mikrozystine sind krebserregend und können auch giftig für das Gehirn und die Nieren sein.[2] In der Online-Giftpflanzendatenbank des Instituts für Veterinärpharmakologie und -toxikologie der Uni Zürich ist Aphanizomenon flos-aquae mit dem Vermerk "stark giftig" zu finden.[3]

Ferner produzieren einige Stämme von Aphanizomenon flos-aquae Anatoxine. Das sind Gifte, die entweder direkt eine permanente Stimulation der Acetylcholinrezeptoren in den Nervenzellen bewirken oder das Enzym Acetylcholinesterase hemmen und so in ihrer Wirkung mit Nervengasen wie Sarin und Tabun vergleichbar sind. Einige in Deutschland gefundene Stämme von Aphanizomenon flos-aquae produzieren die Gifte Cylindrospermopsin und Saxitoxin. Diese Gifte können beim Trinken kontaminierten Wassers oder beim Schwimmen in verseuchten Gewässern für Tiere lebensbedrohlich sein.[4]

In aktuellen Publikationen, in denen verschiedene Gattungen der blaugrünen Cyanobakterien Anabaena, Aphanizomenon, Calothrix, Cylindrospermum, Nostoc, Microcystis, Planktothrix, Oscillatoria und Synechococcus genera untersucht wurden, fanden sich immer wieder Arten, die Gifte der Klasse der Mikrozystine und der Anatoxine produzierten.[5] Untersuchungen handelsüblicher AFA-Algenpräparate durch die Universität Konstanz (2008) haben gezeigt, dass der Summenrichtwert für das Toxin Mikrozystin zum Teil bis zum Achtfachen überschritten wurde.[6]

Wissenschaftler sind sich des Toxinproblems in Algen bewusst. Ray schrieb schon 1991, dass einige AFA-Stämme hochwirksame Nervengifte produzieren können, diese Gifte aber in Nahrungsmitteln aus Algen des Upper Klamath Sees in Oregon nicht gefunden worden seien.[7] Seine Ansicht wird durch die Arbeit von Schaeffer et al. unterstützt, die in Algen eine Beimengung durch eine Mikrozystin-produzierende Alge (Microcystis spp.) nachwiesen. Demzufolge verursache diese Beimischung den Toxineintrag.[8]

Inzwischen gibt es eine Veröffentlichung, die sich mit Mikrozystinbelastungen von AFA-Nahrungsergänzungsmitteln befasst, die aus dem Upper Klamath See gewonnen werden. Gilroy et al. analysierten Mikrozystinkonzentrationen in vier verschiedenen AFA-Produkten über vier Jahre hinweg (1996-1999) und alle Produkte enthielten Mikrozystine in unterschiedlicher Menge.[9]

Anbieter von AFA-Produkten weisen jedoch die Mikrozystinbelastung generell weit von sich. Sie stellen sich auf den Standpunkt, dass Aphanizomenon flos aquae keine Mikrozystine produziere und führen Studien an, in denen dergleichen nachgewiesen worden sei. Das wirkt befremdlich, denn selbst der sich für Algenprodukte einsetzende US-amerikanische Professor Wayne Carmichael schrieb am 30. Januar 2002 auf seiner Webseite unter Bezugnahme auf einen Artikel im Scientific American:

[...] Anabaena, Oscillatoria, Lyngbya, and Aphanizomenon produce neurotoxic anatoxins and/or saxitoxins. Anatoxin-a and Anatoxin-a(s) seem unique to cyanobacteria, while saxitoxin also arise in certain marine algae. Anatoxin-a is a potent nicotinic agonist that mimics acetylcholine and is used as a research tool in neurobiology. Anatoxin-a(s) is a structurally new organophosphate that inhibits acetylcholinesterase. Saxitoxin prevents acetylcholine from being released from neurons by blocking the inward flow of sodium ions across the axonal membrane channels, disrupting the communication between neurons and muscle cells [...]

Wirft man einen Blick in die Fachliteratur, gibt es offenbar einige Stämme von Aphanizomenon flos aquae, die keinerlei Mikrozystine produzieren. Lyra et al. (2001) nennen hier Aphanizomenon sp. 202, A. sp. TR183 (AJ133155), A. sp. PCC 7905, A. sp. PH-271, A. flos aquae NIES 81 und Aphanizomenon gracilie PH-219.[5] Allerdings sind diese Aphanizomenon-Bakterien genetisch ausgesprochen eng verwandt mit den Anabaena-Bakterien, die selbst durchaus Neurotoxine erzeugen.

Studienlage zur Wirksamkeit

Seriöse Studien über die Wirkung der AFA-Algen gibt es im internationalen wissenschaftlichen Schrifttum nicht. Es gibt allerdings einige Nischenpublikationen wie einen Buchbeitrag von Manoukain et al.[10] und Journalartikel[11]. Letztere stammen aus dem Journal of the American Nutraceutical Association (JANA). Hinsichtlich der Titelwahl ist anzumerken, dass die American Medical Association, die größte US-Vereinigung für Fachärzte der Inneren Medizin, mit JAMA (Journal of the American Medical Association) eine ähnlich klingende Fachzeitschrift herausgibt. JANA ist nicht in medizinischen Fachinformationsdiensten wie Medline gelistet, JAMA hingegen sehr wohl.

In der Studie von Manoukain et al. wurde beobachtet, dass die Gabe von 1,5 g AFA-Algen bei fünf gesunden Freiwilligen eine signifikante Verringerung der natürlichen Killerzellen (NK) innerhalb von zwei Stunden nach der Einnahme bewirkte. Die Menge an NK-Zellen sank um 63%.[10]

Dies kann darauf zurückzuführen sein, dass die Algentoxine u.a. direkt die Zellstrukturen von weißen Blutkörperchen angreifen und die Aufnahme von Nahrungsenergie (z.B. Glusose / Traubenzucker) durch die Zellwand hemmen können. Wahrscheinlich resultiert die Reduktion der NK-Zellen aus einer direkten Giftwirkung der in den AFA-Algen vorhandenen Mikrocystine oder des Saxitoxins, das in geringeren Mengen Auswirkungen auf Blutzellen hat.

In einer zweiten Studie von Jensen et al.[12] nahmen 21 gesunde Probanden über sechs Wochen täglich 1,5 g AFA-Algen ein. Im Vergleich zur Placebogruppe kam es unter der AFA-Algen-Einnahme zu einem deutlichen Anstieg bestimmter weißer Blutkörperchen. Dieser Effekt wurde von den Autoren als Stimulation des Immunsystems interpretiert, die eine Verbesserung der Abwehrsituation anzeige. Dieser Schluss ist unplausibel, denn wenn man eine Substanz verzehrt, die Zellgifte enthält, welche im Organismus, z.B. in der Leber, zu einem verstärkten Zelluntergang (Auslösung der Apoptose) führen, erklärt sich der Anstieg der Abwehrzellen wesentlich offensichtlicher. Stirbt im Organismus Zellgewebe ab, weil es beschädigt wurde, ändert sich die Oberflächenstruktur der betroffenen Zellen. Diese werden dadurch für das Abwehrsystem als "zur Entsorgung freigegeben" gekennzeichnet, daraufhin von weißen Blutkörperchen angegriffen und verzehrt. Je mehr solche betroffenen Zellen sterben, desto höher ist der Bedarf an den sie verzehrenden weißen Blutkörperchen. Die Erhöhung bestimmter weißer Blutkörperchen ist also die Folge einer durch Algengifte verursachten, niedrigschwelligen Entzündungsreaktion u.a. von Leberzellen. Jensen et al. machten keinerlei Angaben über den Zustand der Leber oder der Nieren der Probanden.

Kushak et al.[11] veröffentlichten eine Studie, die an Ratten zeigen sollte, dass der Konsum von AFA-Algen den Blutfettspiegel regulieren könne. Sie gaben den Tieren unterschiedliche, mit ungesättigten Fettsäuren angereicherte Diäten. Daneben reicherten sie die Diät z.T. mit 10-15% AFA-Algensubstanz an. Im Vergleich zu der Kontrollgruppe, die keinen AFA-Zusatz erhielt, wiesen die beiden AFA-Untersuchungsgruppen eine deutliche Senkung des Gesamtcholesterin- und Triglyzeridspiegels im Serum auf. Die Autoren kamen zu dem Schluss, dass AFA-Algen einen cholesterinsenkenden Effekt hätten und empfahlen, diese Wirkung im Lebensmittelsektor auszunutzen. Auch dieses Resultat lässt sich mit der Giftwirkung von Algentoxinen erklären: Die Leber ist das Zielorgan für Mikrozystine, die sich dort anreichern. Dies ist auch bei Ratten nachgewiesenermaßen der Fall. Die Leber ist aber gleichzeitig der Produktions- und Umschlagsort für Blutfette. Da Mikrozystine auch in niedriger Dosierung auf Leberzellen von Ratten schädigend wirken, sinkt mit steigender AFA-Menge die Syntheseleistung der Leberzellen, weil sich eine zunehmende toxinbedingte Organentzündung in einer verschlechterten Syntheseleistung niederschlägt. Allerdings hatten die Autoren weder über Leberwerte, die auf die Organfunktion hätten schließen lassen, noch über histologische Leberuntersuchungen der mit AFA-Algen gefütterten Tiere berichtet, um eventuelle negative Auswirkungen der Algentoxine auf die Leberzellfunktion zu bewerten.

Diese drei Studien sind folglich kein Beleg für eine positive Wirkung von AFA-Algen auf Immunsystem oder Fettstoffwechsel, zumal keiner der Autoren in seinen Berichten genaue Angaben über die Mikrozystin-, Anatoxin- und Saxitoxingehalte der verwendeten AFA-Produkte machte und der Zustand der Leber nach der Einnahme der AFA-Algen nicht untersucht wurde. Bei jeder Studie war ein Vertreter von Bluegreen, des größten US-amerikanischen AFA-Algenproduzenten, Mitautor.

Es gibt zur Therapie hyperaktiver Kinder bisher keine seriöse Studie, die bewiesen hätte, dass AFA-Algen einen therapeutischen Vorteil erbringen können. Im internationalen medizinischen Fachschrifttum gibt es keine AFA-Studie, auch in Doktorarbeiten oder Habilitationsschriften deutscher Universitäten ist keine Untersuchung mit diesem Nahrungsergänzungsmittel zu finden.

Dagegen existieren sehr wohl Studien über die Schädlichkeit von AFA-Algen. So wurden in einer toxikologischen Studie der Universität Konstanz 16 AFA-Präparate unterschiedlicher Hersteller untersucht. Zehn davon überschritten den Summenrichtwert für das Toxin Mikrozystin zum Teil erheblich. Die höchste Konzentration an Mikrozystin im Untersuchungsgut lag bei mehr als acht Mikrogramm pro Gramm Algenpräparat.[13]

AFA-Algen und ADHS

Besonders angepriesen werden AFA-Algen als Alternative zu Methylphenidat (Ritalin(R)) bei Kindern mit ADHS. Für derartige medizinische Wirkungen von AFA-Algen-Produkten gibt keinerlei wissenschaftliche Belege.

Beispielsweise bewirbt die Diplom-Politologin und Heilpraktikerin Barbara Simonsohn AFA-Algen intensiv als "Grünes Manna aus der Urzeit für die Probleme der heutigen Zeit" und stellt in ihrem Buch AFA-Algen als Ersatz für Ritalin vor.[14] Sie berichtet anekdotisch über Einzelfälle, die als Wirksamkeitsbelege dargestellt werden:

Julian, 13, war sprunghaft, ungewöhnlich rastlos, unkonzentriert und ermüdete schnell. Sein Verhalten war dominant, undiplomatisch und oft verständnislos. Julian ist seit AFA-Algen-Einnahme weniger impulsiv, er findet nach einem Wutanfall leichter zurück zum Normalzustand, kann besser nachgeben und ist lustiger und fröhlicher.

Ein solcher Einzelfallbericht lässt eine seriöse DSM-IV-basierte Beurteilung der Hyperaktivität des Kindes keineswegs zu. Simonsohn beschreibt nur einen winzigen Ausschnitt der tatsächlichen Symptomatik eines hyperaktiven Kindes. Da auch die anderen Fallbeschreibungen in ihrem Buch ähnliche Charakteristika aufweisen, kann man weder von einer seriösen ADHS-Diagnose noch von einer Besserung der Symptome sprechen.

Da sie als Werbeinstrument für Algenhersteller dienen, sind ihre Publikationen als Schleichwerbung für AFA-Algen anzusehen, an denen sie gut verdient. Sie selbst gibt in ihrem Buch offen zu, von mindestens drei deutschen Anbietern mit AFA-Pillen im Marktwert von 7.500 Euro ausgestattet worden zu sein, um Kinder von 44 Familien zu behandeln. Die Heilpraktikerin empfahl den Kindern eine Dosis von 1,5 g/Tag; die Beobachtung soll zehn Wochen gedauert haben.

In Zeitschriften der Ganzheitsmedizin findet sich eine Publikation von Simonsohn aus dem Jahr 2000. Hier berichtete sie über verschiedene Studien, die angeblich die Wirksamkeit von AFA-Algen bewiesen haben sollen. In der so genannten The kid.com Study, die von einem AFA-Anbieter durchgeführt worden sein soll, sollen Symptomverbesserungen bei Kindern erreicht worden sein. Was genau diagnostiziert wurde und welches Resultat sich vor und nach der Studie exakt dargeboten hat, gibt die Autorin nicht wieder. Sie gibt nur Folgendes zu den Kindern an: Signifikante Verbesserungen in ihrer Fähigkeit, zu fokussieren, Anweisungen zu folgen und sich zu konzentrieren, eine Abnahme von streitsüchtigem, forderndem und kämpferischem Benehmen, weniger Symptome von Angst und Depression, Verbesserung des sozialen Verhaltens, weniger Zeichen von emotionalem und verhaltensmäßigem Abgelenktsein, weniger Wutanfälle und Erziehungsprobleme, weniger Verhaltensauffälligkeiten, die man als merkwürdig klassifizieren könnte sowie weniger körperliche Symptome wie Kopfschmerzen und Magenschmerzen, für die kein offensichtlicher Grund vorliegt.

Wenn man diese Untersuchungsmerkmale mit den DSM-IV Diagnosekriterien für ADHS vergleicht, kommt man auf gerade einmal zwei ADHS-Merkmale. Das lässt den Verdacht aufkommen, dass es sich bei den Kindern in der Kid.com-Studie gar nicht um Kinder mit ADHS handelte.

Ähnlich sieht es bei einer zweiten Studie aus, die Simonsohn 2000 referiert[15]. Es handelt sich um den The Children & Algae Report, bei dem die beteiligten Eltern die Produkte eines AFA-Algenanbieters sogar selbst zahlen mussten. Die Bewertung der Kinder erfolgte mit einem Aschenbach-Bewertungsschema, welches u.a. Aufmerksamkeit, Aggression, soziale Probleme, Ängstlichkeit/Depression, Straffälligkeit, Denkprobleme, Zurückgezogenheit und eine Bewertung namens "somatisch" beurteilen soll. Dieses pseudowissenschaftliche Bewertungsschema ist in der seriösen ADHS-Diagnostik vollständig unbekannt.

In keiner der von Befürwortern durchgeführten Studien ist eine glaubwürdige, realitätsbezogene Selektion des untersuchten Kollektivs nach etablierten Diagnosemethoden erfolgt. Offenbar wurden die üblichen DSM-Kriterien für ADHS nicht als Bewertungs- und Einstufungsgrundlage angewendet. Allein diese methodischen Unzulänglichkeiten machen die bisherigen Befürworterstudien unglaubwürdig. Der Umstand, dass in keiner Studie mitgeteilt wird, ob nach Toxinen in den AFA-Algen gesucht worden war oder ob zumindest Leber- und Nierenparameter zur Absicherung von negativen Auswirkungen dieser Gifte laborchemisch bestimmt wurden, zeigt, dass diese Studien offenbar nicht mit der gebotenen wissenschaftlichen Genauigkeit vorgingen.

Bei einer weiteren Quelle, dem so genannten The Nicaragua Report, der von der US-Algenfirma Bluegreen gesponsort wurde, soll es sich um eine spanischsprachige Doktorarbeit aus Nicaragua handeln. In der seriösen wissenschaftlichen Szene wäre diese bedeutungslos, aber für den unwissenden Verbraucher sind solche Studien exzellentes Marketingmaterial. In einem 14 Seiten dünnen DIN A5-Heftchen wird auf populärwissenschaftliche Weise beschrieben, wie AFA-Algen in einer Schule, in der zu Studienbeginn mehr als 80% der 6 bis 11-jährigen Kinder unterernährt waren, den Ernährungsstatus, die Schulnoten und das Verhalten der Kinder positiv beeinflusst haben sollen. Angeblich sei innerhalb eines halben Jahres die Fehlernährungsrate von 86% auf 21% gefallen. Auch hier wurde weder über Toxinbestimmungen der AFA-Algen noch einschlägige Leber- und Nierenwerte berichtet. Dass vorher mangelernährte Kinder mit wenigen Gramm proteinhaltiger, aber vitamin- und mineralstoffarmer AFA-Algen Normalgewicht erreichen sollen, ist unglaubwürdig.

Marketingskampagnen für AFA-Algen

In den letzten Jahren erfuhr eine Marketingkampagne aus den USA eine Ausweitung auf Europa. Im Zuge der Diskussion um Kinder mit Aufmerksamkeits-Defizit-und-Hyperaktivitäts-Syndrom (ADHS) wurde eine Vielzahl angeblicher Alternativen zur etablierten Ritalintherapie auf den Markt gebracht. Dabei spielt die Psychosekte Scientology im Konzert mit anderen sektenähnlich operierenden Gruppen und Firmengeflechten eine herausragende Rolle.

Da bis zu 15% der kindlichen Bevölkerung an ADHS leiden, jedoch nur ein winziger Bruchteil adäquat versorgt wird, sind die Eltern dieser Kinder einer enormen Belastung ausgesetzt. Sie suchen nach Alternativen, die ihnen in Form angeblicher Wundermittel angeboten werden. Dazu gehört auch die Nahrungsergänzung aus blaugrünen Algen der Gattung Aphanizomenon flos Aquae (so genannte AFA-Algen). Diese werden als therapeutische Alternative zur Substitution mit Methylphenidat (Ritalin/Novartis, Medikinet/Medice, Equasym/Celltech Group) propagiert.

Gewinnung und Anbau

Luftbildaufnahme am Abfluss des Upper Klamath Lake in den Link River aus geringer Höhe
Luftbildaufnahme am Abfluss des Upper Klamath Lake in den Link River aus größerer Höhe
Infrarotaufnahme der Region um den Upper Klamath Lake mit dichter landwirtschaftlicher Nutzung

Aphanizomenon flos aquae kommt in unterschiedlichen Regionen der Erde vor. Jene Produkte, die derzeit in den USA und Europa verkauft werden, stammen nach Angaben der Hersteller aus dem Upper Klamath Lake im US-Bundestaat Oregon. Dieser See ist Teil einer riesigen Seenplatte, aus der nur ein einziger Fluss (der Klamath River) nach dem Grenzübertritt in den US-Bundesstaat Kalifornien in den Pazifik mündet. Die Region dient als Laichgebiet für Seelachse, ist aber seit 150 Jahren dicht besiedelt und wird intensiv landwirtschaftlich genutzt. Der Upper Klamath Lake dient als Wasserreservoir für die ihn an drei Seiten umgebenden, intensiv landwirtschaftlich genutzten Anbaugebiete. Die exzessive Wasserentnahme der letzten Jahrzehnte führte zu einer erheblichen Senkung des Seewasserspiegels, so dass derzeit die den See bildende Wasserschicht eine geringere Höhe hat als die Schlammschicht am Seegrund. Wasserqualität und Sauerstoffgehalt sind mittlerweile so desolat, dass es regelmäßig zu Fischsterben im Upper Klamath Lake kommt. Umweltschutzorganisationen versuchen seit Jahrzehnten, den zu hohen Wasserabzug aus dem See zu reduzieren und die Wasserqualität zu steigern. Die Fischsterben sind regelmäßig auf die Produktion von Mikrocystinen durch im Wasser vorkommende und durch die Überdüngung massiv wachsende Cyanobakterien zurückzuführen.

Während die Anbieter von AFA-Algen damit werben, ihr Produkt entstamme einer reinen Natur, gaukeln sie dem Käufer mit offensichtlich geschönten Seeaufnahmen eine heile Umwelt vor. Simonsohn bezeichnet auf ihrer Internetseite den See als ein einzigartiges Biotop in einem Naturschutzgebiet mit seltenen Vögeln wie Weißkopfadlern.[16] Anwohner des Upper Klamath Lake teilen in Webforen mit, dass die Gewinnung der im See wachsenden Algen z.T. mit Schleppern und Baumaschinen erfolgt, wobei das dicht wachsende Gemisch aus Algen, Seegras und blaugrünen Cyanobakterien zum Teil vermischt mit Schlamm herausgebaggert wird.

Aufgrund dieser Abbaumethoden ist es nicht verwunderlich, dass die Qualität einiger der gewonnenen AFA-Produkte zu wünschen übrig lässt.

Der Werbetrick mit der Kameraperspektive

Klamath8.jpg

Der Geschäftsführer der Firma Sanacell, Eckart Pinnow, verkündete in seiner Hauspostille "Forum - Informationen für Mitglieder des GesundheitsNetzwerkes" (Nr. 5, 2002), dass seine AFA-Produkte nicht mikrocystinbelastet seien. Pinnow ist in dieser Ausgabe in einem Boot abgebildet, das auf dem Upper Klamath Lake schwimmt. Der Untertitel lautet: "Dipl.-Ing. Eckart Pinnow überprüft persönlich den Qualitätssicherungsprozess am Klamath-See". Sein Boot ist dabei an der einzigen Stelle des Sees positioniert, die nicht von Landwirtschaft und Industrie umgeben ist (siehe zum Vergleich weiter oben). Pinnow fuhr ursprünglich vom Ostufer des Sees einige hundert Meter in den See und ließ sich in östlicher Richtung mit Blick auf die Berge fotografieren. Wäre die Kamera einige Grad nach links geschwenkt, hätte das Foto die Straße und einige Wohngebiete der naheliegenden Stadt gezeigt.

Unzuverlässige Testmethoden

Mikrocystine und Saxitoxine, die wichtigsten Gifte in Cyanobakterienprodukten, sind nicht einfach zu messen. Es gibt verschiedene Messmethoden, die teilweise sehr aufwändig, zeitintensiv und teuer sind. Grundsätzlich stellt sich das Problem der Wahl des Nachweisverfahrens, denn es gibt Verfahren, die die Gifte direkt sichtbar machen, und Analysen, die die Gifte nur indirekt messen. Außerdem sind die Messverfahren unterschiedlich empfindlich. Zusätzlich erschwert wird die Analyse, weil diese Tests in der Lebensmittelanalytik nur selten eingesetzt werden.

Prinzipiell stellt sich die Wahl zwischen dem Enzyme Linked Immunosorbent Assay (ELISA) oder dem Protein Phosphatase Inhibition Assay (PPIA). Andere Verfahren wie die High Performance Liquid Chromatography (HPLC) oder Liquid Chromatography/Mass Spectrometry (LC/MS) kommen wegen zu hoher Kosten oder noch nicht etablierter Nachweismethodik nicht in Frage. Die Testmethoden von ELISA und PPIA sind unterschiedlich.

Im ELISA werden hochspezifische Antikörper eingesetzt, die gegen Mikrocystinmoleküle gerichtet sind. Diese Antikörper docken an Mikrocystine an. In einem zweiten Schritt klebt man einen weiteren Antikörper, der nur an den bereits eingesetzten Antikörper, nicht aber direkt an Mikrocystin andocken kann, an diesen Mikrocystin-Antikörperkomplex. Dies geschieht, weil erst der zweite Antikörper einen fluoreszierenden Farbstoff tragen kann, der mit speziellen Analyseverfahren sichtbar gemacht und dann in seiner Konzentration gemessen wird. Vergleichbar ist dieses Verfahren mit dem Angeln. Der Fisch ist das Mikrocystin, der Köder ist der 1. Antikörper und erst, wenn man den Fisch mit der Angelschnur (dem 2. Antikörper) herausgezogen hat, weiß man am Ende, was man gefangen hat. Der ELISA hat den Vorteil, dass er das vorhandene Gift direkt misst und dies mit einer Genauigkeit, die ein Mikrocystinmolekül in einer Lösung von 10 Milliarden anderen Molekülen herausfinden kann, also 0,1 ppb (parts per billion).

Im PPIA ist das Testprinzip hingegen völlig anders. Hier wird die bremsende Wirkung der Mikrocystine auf eine enzymatisch gesteuerte Umwandlungsreaktion gemessen. Mikrocystine bremsen die Proteinphosphatase, die die Dephosphorylierung von p-Nitrophenylphosphat steuert. Durch Nachweis der Ausgangs- und Endprodukte des Umwandlungsprozesses kann man indirekt auf die Konzentration der Mikrocystine zurückschließen. Ein direkter Nachweis der Mikrocystine geschieht jedoch nicht. Der Test hat auch den Nachteil, dass er nur eine einzige Wirkung der Mikrocystine erfasst und dabei unberücksichtigt lässt, dass im Organismus durch verschiedene Mikrocystintypen unterschiedliche Enzymsysteme geschädigt werden können. Der PPIA ist nicht so genau wie der ELISA, denn er gibt nach Lawrence et al. (2001) in der Regel deutlich niedrigere Belastungswerte für Mikrocystine aus, die manchmal 10-40% unter den im ELISA gemessenen Konzentrationen liegen können.

Anbieter von AFA-Algen legen zum Nachweis der angeblichen Produktgüte in der Regel PPIA-Analysen vor. Dies offenbar deshalb, weil mit dieser Testmethode nur ein Teil der Mikrocystine (und dieser wiederum nicht sicher) gemessen werden kann. Auf diese Weise schönt man die Resultate mit der methodenbedingten Ungenauigkeit des Messverfahrens nach unten. Dies trägt zur Verunsicherung des Verbrauchers bei.

Gesundheitsschäden

In den USA listete die US-Gesundheitsbehörde FDA im mittlerweile nicht mehr online abrufbaren Med Watch Programm bis zum Jahr 1998 57 Schadenfälle in zeitlichem Zusammenhang mit AFA-Konsum auf. Ebenso warnte Health Canada Online im Jahre 1999 vorbeugend vor blaugrünen Algenprodukten, vor allem vor der Anwendung bei Kindern. Auch Erwachsene sollten Vorsicht bei der Einnahme bis zu dem Zeitpunkt walten lassen, an dem die Produktsicherheit zweifelsfrei gewährleistet sei.[17] Der STERN veröffentlichte am 14. Februar 2002 im Artikel "Die Grüne Gefahr" Warnungen vor den Giftstoffen in Algenprodukten.[18]

Obgleich den deutschen Lebensmittelüberwachungsbehörden sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene seit Mai 2002 Laboranalysen über den Mikrocystingehalt in AFA-Produkten vorliegen, haben sie bis heute keinerlei Schutzmaßnahmen über die bereits angesprochene Warnmeldung hinaus unternommen. Dies wird mit dem Fehlen eines Mikrocystingrenzwertes begründet (vgl. hierzu Spirulina).

Es gibt mittlerweile auch in Deutschland Berichte über Personen, die über Symptome nach dem Konsum von AFA-Algenprodukten klagten. Diese Symptome stellten sich nach einigen Monaten kontinuierlicher Einnahme ein, klangen nach dem Absetzen aber wieder ab und verschwanden. Eine Betroffene entwickelte Taubheitsgefühle in den Fingern bis hin zur fehlenden Durchblutung in den letzten beiden Fingergliedern, des Weiteren häufiges Kribbeln wie bei einer Minderdurchblutung und dies auch ansatzweise in den Zehen. Als weitere Nebenwirkungen beklagten die Betroffenen brüchige, wie erweicht erscheinende Fingernägel sowie eitrige, sich langwierig hinziehende Entzündungsherde der Haut im Gesicht und am Rücken. Ein anderer Betroffener schilderte, dass er nach längerer Einnahme sehr schmerzhafte, chronische Halsschmerzen entwickelt und neben den analog bereits beschriebenen Hautentzündungserscheinungen vor allem extrem langanhaltende Muskelschmerzen bereits nach normaler sportlicher Aktivität bekommen habe.

Diese Hinweise deuten auf eine chronische Langzeitbelastung mit Mikrocystinen hin. Mikrocystine verursachen Leberschäden, Nierenversagen und können durch Blockierung von Natriumkanälen in Nervenzellen die Impulsübertragung menschlicher Nervenzellen unterbrechen, was zum Tod durch Atemlähmung führen kann. Auch krebserzeugende Wirkungen sind nachgewiesen.[19] In China gibt es beispielsweise ausreichend Hinweise dafür, dass in bestimmten Provinzen des Landes mikrocystinbelastetes Trinkwasser die Hauptursache für die hohe Sterblichkeit an Leberkarzinomen ist.[20] Aktuell publizierte Tierversuche an trächtigen Ratten zeigen, dass die Gabe von 4 Mikrogramm Mikrocystin-LR pro kg Körpergewicht bereits zu leichten Veränderungen im Lebergewebe der ungeborenen Feten innerhalb von 10 Tagen führen kann.[21] Interessant ist, dass sich solche Ergebnisse bei Mäusen selbst bei Dosen von 2-128 Mikrogramm pro kg Körpergewebe nicht einstellen.[22] Es kommt also auf das verwendete Tiermodell an. Die offenbar gegen Mikrocystine relativ unempfindlichen Mäuse sind das bevorzugte Tiermodell bei Studien aus der Algenszene.

Beim Menschen korreliert die Mikrocystinbelastung im Trinkwasser eindeutig mit der Häufigkeit von Leberkrebs, wie Studien aus China beweisen.[23] Dort hat man schon lange Zeit Probleme mit mikrocystinbelastetem Trinkwasser, das in etlichen Provinzen Chinas ursächlich mit dem gehäuften Auftreten von Leberkarzinomen assoziiert zu sein scheint. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) empfahl einen Trinkwassergrenzwert für Mikrocystine von 1 Teil pro 1 Millarde Teile Wasser (1 ppb), der in Kanada, Australien und Großbritannien mittlerweile auch in Kraft ist. In den USA und der Bundesrepublik Deutschland wurde dies nicht umgesetzt. Dies ist vor dem Hintergrund, dass die Gesundheitsbehörden des US-Bundesstaates Oregon eine Mikrocystinbelastung bis zu 1.000 ppb (=1 parts per million/ppm) in Algenprodukten tolerieren, inakzeptabel.

Versucht man eine grobe Risikoabschätzung der Mikrocystinbelastung in Algenprodukten vorzunehmen, so scheint eine klinische Symptomatik nach einigen Monaten Konsum von Produkten mit Belastungen ab 100 ppb einzutreten. Dies zeigt, dass der WHO-Trinkwassergrenzwert von 1 ppb mit einem vernünftigen Sicherheitsabstand von 1:1.000 zum Algengrenzwert aus Oregon durchaus begründet ist und sicherheitshalber auf Lebensmittel übertragen werden sollte. Von Algenanbietern wie Sanacell und Algavital wird immer wieder die Meldung verbreitet, der in Oregon etablierte Grenzwert gelte für die gesamten USA. Das ist nachweislich nicht der Fall. Zudem ist der Grenzwert nicht verbindlich, sondern lediglich ein Empfehlungswert der US-amerikanischen Behörden, bei dessen Überschreitung mikrocystinbelastete AFA-Produkte aus dem Verkehr gezogen werden sollen, aber nicht müssen(!).

Betrachtet man die oben geschilderten Fälle und bedenkt, dass Mikrocystine sowohl in der Leber- als auch im Nerven- und Muskelgewebe angereichert und auch nur langsam wieder ausgeschieden werden, wäre es möglich, dass Dauerkonsumenten erst mit monatelanger Verzögerung Gesundheitsprobleme entwickeln. Mikrocystin kann beim Schwein, das uns Menschen vor allem bei der Leberfunktion sehr ähnlich ist, bereits in Dosierungen von 25 Mikrogramm pro kg Körpergewicht Leberschäden auslösen, während Ratten- und Mäuselebern erst bei wesentlich höheren Mengen Schaden nehmen. Deshalb ist es absolut denkbar, dass der Mensch, der in vielen gesundheitlichen Bereichen empfindlicher als Tiere reagiert, schon bei niedrigeren Dosen Gesundheitsprobleme entwickelt, die anfänglich nicht mit den AFA-Produkten assoziiert werden.

Legt man eine Verzehrmenge von 2 Gramm Algenmasse mit einer Belastung von 100 Mikrogramm pro kg Algenmasse (100 ppb) zugrunde, nähme man pro Tag eine Mikrocystinmenge von 0,2 Mikrogramm ein. Da bei den beiden oben geschilderten Fällen erst nach sieben Monaten, dann aber rasch progredient, gesundheitliche Probleme auftraten, wäre einzubeziehen, dass bei einer Gesamtmenge von 40 Mikrogramm Mikrocystinen von ersten klinischen Symptomen auszugehen sein könnte (von einer unbemerkten Krebsschädigung nicht zu reden!). Diese zugegebenermaßen spekulative Obergrenze für bemerkbare, klinische Probleme scheint nicht unrealistisch zu sein, da eine weitere Verbraucherin, die über Monate hinweg eine mit 76 ppb belastete Probe konsumiert hatte, über keine gesundheitlichen Probleme berichtete. Die Wirksamkeitsschwelle zur Auslösung klinischer Symptome beim Menschen dürfte derzeit bei einer Gesamtaufnahmemenge von 40-50 Mikrogramm liegen, die je nach Belastung des AFA-Produkts mehr oder weniger schnell erreicht ist.

In Australien wird für Trinkwasser ein Mikrocystin-LR Richtwert von 1,3 Mikrogramm/Liter empfohlen. Alle Grenzwerte, auch der von der WHO empfohlene, orientieren sich an Hochrechnungen, die ihre Grundlage in Tierversuchen am Mausmodell haben. Mäuse tolerieren aber eine deutlich höhere Mikrocystinbelastung als andere Tiergattungen wie Ratte oder Schwein, ohne Leberschäden oder körperliche Symptome zu entwickeln. Während die Mikrocystin-Injektion in die Bauchhöhle in Dosen von 25-50 Mikrogramm/kg Körpergewicht (vgl. Fromme, Berlin, 1999) bei Mäusen noch keine Zeichen einer Leberschädigungen hervor rief, treten bei Rattenfeten bereits ab 4 Mikrogramm/kg Körpergewicht Schäden auf.[21] Schweine überleben nach Beasley et al. gerade noch eine Mikrocystindosis von 25 Mikrogramm/kg Körpergewicht, erleiden dabei aber bereits nachweisbare Organschäden u.a. an der Leber.[24] Aus naheliegenden Gründen fehlen beim Menschen entsprechende Untersuchungen. Selbst bei Freiwilligen erhielte kein Forschungslabor die Erlaubnis, solche Versuche durchzuführen. Deshalb ist man auf Analogieschlüsse angewiesen, die sich sinnvollerweise auf die Trink- oder Badewasserbelastung mit Mikrocystinen beziehen, denn hier zeigen Studien aus China, dass der Konsum mikrocystinbelasteten Trinkwassers eindeutig mit einem erhöhtem Auftreten von Leberkarzinomen assoziiert ist.[25]

Das Institut für Umweltanalytik und Humantoxikologie (ITox) in Berlin empfiehlt in der gesundheitlichen Bewertung von Blaualgentoxinen (Mikrocystinen) in Badegewässern, bereits ab einer Belastung von 10-100 Mikrogramm pro Liter auf das gesundheitliche Risiko beim Baden in entsprechend belasteten Gewässern hinzuweisen und vom Baden abzuraten sowie ab Mikrocystinwerten oberhalb von 100 Mikrogramm pro Liter das Baden in solchen Gewässern zu untersagen. Es liegt nahe, diesen Trinkwassergrenzwert auf die Algenprodukte zu übertragen.

Da Tierversuche zeigen, dass Mäuse zur Risikoabschätzung durch Mikrocystin aufgrund ihrer relativen Unempfindlichkeit ungeeignet sind, Ratten und Schweine hingegen viel empfindlicher reagieren und zudem erste Hinweise bei Erwachsenen zeigen, dass Gesamtdosen von etwa 40 Mikrogramm Mikrocystinen - auch über längere Zeit verteilt eingenommen - zu Gesundheitsschäden führen können, muss gefordert werden, dass der WHO-Trinkwassergrenzwert für Mikrocystine von 1 Mikrogramm/Liter auch bei den Algenprodukten einzuhalten ist. Die im US-Bundesstaat Oregon tolerierten Mikrocystinmengen in Algenprodukten (1.000 Mikrogramm pro kg), die nur auf Schätzungen aus Mausmodellen beruhen, sind offensichtlich wesentlich zu hoch angesetzt. Sie liegen um den Faktor 1.000 oberhalb der für Trinkwasser empfohlenen WHO-Richtwerte.[8]

Legt man die übliche Verzehrsempfehlung von 2 Gramm Algenmasse pro Tag, eine durchschnittliche Mikrocystinbelastung von 0,1 Mikrogramm pro Algengramm und eine Dosisschwelle von 40 Mikrogramm Mikrocystinen bei Erwachsenen, ab der offensichtlich klinische Symptome auftreten können, zugrunde, so kann innerhalb von 6-7 Monaten die kritische Belastungsgrenze bis zum Auftreten körperlicher Beschwerden erreicht werden. Für einige belastete Algenprodukte erhalten Verbraucher jedoch Verzehrempfehlungen von bis zu 20 Pillen (5 Gramm) täglich. Bei solchen Verzehrmengen ist es nicht verwunderlich, wenn die kritische Schwelle bereits innerhalb weniger Wochen erreicht wird und die Patienten mit schnell auftretenden Hautausschlägen konfrontiert werden. Sanacell und Algavital nutzen beide gern die Dienste der Heilpraktikerin Barbara Simonsohn, die einschlägige Ritalin-kritische und AFA-propagierende Bücher publiziert sowie einschlägige werbende Artikel in Szene-Zeitschriften veröffentlicht. Sie tritt für noch höhere Dosen pro Tag (20 Gramm und mehr) ein. Bei Mikrocystinmengen, die in Produkten von Sanacell und Algavital gefunden wurden, bedeutete dies eine Krebsgefahr und riefe nach wenigen Wochen bis Monaten klinische Symptome einer Mikrocystinvergiftung hervor.

Zusätzlich ist zu bedenken, dass sich 50% der oral aufgenommenen Mikrocystindosis in der Leber anreichern. Somit sind die üblichen Dosierungsschemata des Giftes in Bezug auf Kilogramm Körpergewicht per se fragwürdig. Die Leber eines Erwachsenen hat ein durchschnittliches Gewicht von 1,5-2 kg, so dass bereits niedrige Einnahmemengen zu Leberschäden führen können. Geht man davon aus, dass man eine Giftkonzentration von 1 Mikrogramm pro kg Lebergewicht einnehmen müsste, würden bereits 8 Mikrogramm Gesamtaufnahmemenge ausreichen, um erste Leberschäden zu bewirken oder ggf. dazu beizutragen, Leberkrebs auszulösen. Diese Dosis kann bei Algenprodukten, die, wie in der vorliegenden Untersuchung nachgewiesen, mit 68-134 Mikrogramm pro kg (also 0,068-0,134 Mikrogramm pro Gramm) mit Mikrocystinen belastet sind, durchaus schon in 2-3 Monaten erreicht werden, denn die Mikrocystine werden deutlich langsamer abgebaut bzw. ausgeschieden als sie eingenommen werden. Das Leberkrebsrisiko kann bereits bei solchen Dosen möglicherweise deutlich erhöht sein.

Yu und Chen untersuchten den Mikrocystingehalt im Trinkwasser von 20 Patienten, die an hepatozellulärem Karzinom erkrankt waren (61 Mikrogramm/Liter), und verglichen ihn mit demjenigen von gesunden Kontrollpersonen (36 Mikrogramm/Liter). Dies zeigt, dass eindeutige Risiken bestehen können, wenn dauerhaft Mikrocystine in vergleichsweise niedrigen Dosen eingenommen werden.[26]

Vergiftungssymptome werden jedoch von den Algen-Befürwortern oft als vorübergehende "Entgiftungserscheinungen" bagatellisiert.

Warnung des BfArM und BgVV

Das Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin (BgVV) - ab November 2002: Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) - veröffentlichte gemeinsam mit dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) am 21. März 2002 eine gemeinsame Presseerklärung, in der vor dem Konsum der Algenprodukte gewarnt wird.[27] Am 22. März 2002 warnte der kritische Informationsdienst für Ärzte und Apotheker "arznei-telegramm" in einer Blitz-Mitteilung per E-Mail[28] vor den Algenprodukten und vertiefte dies in seiner Printausgabe am 12. April 2002.[29] Am 27. März 2002 warnte Krebs-Kompass.de auf seiner Webseite ebenfalls mit dem Titel "Warnung vor Algen statt Arznei". Diese Warnungen trugen dazu bei, dass Elternverbände in Deutschland und der Schweiz, die sich für hyperaktive Kinder (ADHS-Kinder) einsetzen und sich dem von Algenvertreibern erzeugten juristischen Druck ausgesetzt sahen, diesem besser widerstehen konnten.

Die Pressemitteilung vom 21. März 2002 zu AFA-Algen:

  • Ein Nutzen durch den Verzehr AFA-Algen-haltiger Nahrungsergänzungsmittel ist wissenschaftlich nicht belegt.
  • eine Gefährdung der Gesundheit durch Gifte ist nicht auszuschließen.
  • Produkte, denen werblich eine heilende Wirkung zugeschrieben wird, sind als Arzneimittel anzusehen und bedürfen deshalb der amtlichen Zulassung. Liegt eine solche Zulassung nicht vor, sind die Produkte nicht verkehrsfähig. In Deutschland ist kein solches Produkt zugelassen.
  • Damit liegt ein Verstoß gegen das Verbot der irreführenden Werbung nach dem Heilmittelwerbegesetz vor. Es besteht die Gefahr, dass aufgrund der Fehlinformation Eltern eine notwendige ärztliche Behandlung ihrer Kinder abbrechen und sich das Leiden verschlimmert, wenn ersatzweise AFA-Algenprodukte gegeben werden. Gleiches gilt für Erwachsene, die im Vertrauen auf die "Heilkraft der AFA-Algen" bei einer diagnostizierten Depression oder bei anderen Gesundheitsstörungen eine ärztlich verordnete medikamentöse Therapie abbrechen und stattdessen AFA-Algenprodukte zu sich nehmen.

Verwechslungsgefahr

Eine sowohl in den USA als auch in Deutschland und anderen europäischen Ländern vertretene Biotech-Firma mit dem Namen Celltech Group (Hauptsitz in Großbritannien, 208 Bath Road, Slough, Berkshire SL1 3WE) verkauft über ihre deutsche Niederlassung (Celltech GmbH & Co. KG, Im Wirringen 25, 45731 Waltrop) seit Mai 2002 ein Methylphenidat-Produkt (Equasym) zur Behandlung von ADS/ADHS. Equasym ist neben Medikinet (Fa. Medice) und Ritalin (Fa. Novartis Pharma) das dritte Methylphenidat-haltige Medikament, das in der Bundesrepublik Deutschland auf dem Markt ist. Celltech Group hat mit einem US-amerikanischen Algenanbieter fast gleichen Namens aber nichts zu tun. In den USA hat die Celltech Group verschiedene Niederlassungen (Celltech R&D Inc. in Wayne und in Bothel, Celltech Manufacturing CA Inc. in Santa Ana, Celltech Pharmaceuticals Inc. in Rochester).

Aktivitäten von Scientology und Pseudowissenschaftlern

Auf der Ebene des Europarates gelang es dem US-amerikanischen, pädiatrischen Neurologen und Top-Scientologen Fred A. Baughman, die US-Psychosekte ins Spiel zu bringen. Er selbst propagiert in den USA seit Jahren eine Anti-Ritalin-Kampagne. In Paris überrollte er den Europarat (nicht zu verwechseln mit dem Europäischen Parlament) in einer gut platzierten Marketingkampagne und konnte mit einigen anderen erreichen, dass eine Anhörung im November 2001 zu einer Farce geriet. Nicht nur gab er die üblichen haltlosen Unwahrheiten über ADHS und Methylphenidat wieder, er sorgte durch Lobbyarbeit hinter den Kulissen dafür, dass an die Mitgliedsstaaten des Europarats die schriftliche Aufforderung erging, den Methylphenidatbedarf zu überprüfen und die Verordnung einzuschränken.

In den USA arbeitet Peter Breggin, ein bisher der Scientology nicht direkt zuzurechnender Autor, mit Fred A. Baugham eng zusammen. Durch einschlägige, reißerische Bücher, in der die üblichen verleumderischen Thesen über angeblich wirksame Behandlungsmethoden bei ADHS verbreitet werden, trägt Breggin dazu bei, bei den Betroffenen Angst vor Medikamenten wie Methylphenidat zu schüren. In Deutschland hat der Neurobiologe Gerald Hüther diese Thesen aufgenommen und trat u.a. bei Podiumsdiskussionen von Schweizer Firmen auf, die Scientology direkt zuzurechnen sind. Hüthers Hauptthese, Methylphenidat prädisponiere für M. Parkinson, ist nachweislich falsch und wurde in der Fachliteratur ausführlich widerlegt.

Auch die Szene um Franz Konz und die von ihm propagierte Urkost ist mit von der Partie. Konz präsidierte bekanntlich dem Bund für Gesundheit (BFG), der wiederum eine Hauspostille (Natürlich Leben) sowie ein Beratungstelefon unterhält. Konz schrieb in einer Ausgabe über verhaltensauffällige Kinder und empfahl, solche Kinder in kompetente Psychotherapie zu bringen. Dabei riet er zur Firma KVPM, deren enge Anbindung an die US-Psychosekte Scientology jedoch seit Jahren bekannt ist.

Auf Esoterikmessen wie den Medizinischen Wochen Baden-Baden, auf denen Sanacell AFA-Produkte vorstellt, wird gerne mit Publikationen der Heilpraktikerin Barbara Simonsohn geworben. In deren Büchern kann man deren indirekte Finanzierung durch diese Firmen leicht nachvollziehen, da sie in einem ihrer Bücher selbst schreibt, dass sie von Algenanbietern zu Testzwecken Waren im Wert von mehreren tausend Euros erhielt. Zusätzlich saß Frau Simonsohn über längere Zeit am Beratungstelefon des Bundes für Gesundheit. Ihre 14-täglichen Sprechzeiten konnten in Natürlich Leben nachgelesen werden.

Wie bereits bei der Ur-Medizin beschrieben, bestehen Verbindungen zwischen Konz und dem wegen Kindsmissbrauchs und Betrugs zu einer 15-jährigen Haftstrafe in Paris verurteilten Guy-Claude Burger. Burgers deutsche Stimme, der Multi-Level-Marketing Verkäufer Stephen Janetzko aus Erlangen, ist einer der Ansprechpartner, der für das GesundheitsNetzwerk von Pinnow in Erlangen Veranstaltungen organsiert. Dies kann in der Sanacell-Firmenzeitung FORUM (Ausgabe 08/2002) nachgelesen werden.

Auch Iris Muthmann wirbt auf ihrer Webseite "zentrum-der-gesundheit.de" für AFA-Algen. Gleichzeitig veröffentlicht sie Desinformationen über ADHS ("Schlechtes Benehmen wird Krankheit"), während sie den Scientology-nahen Peter Breggin zitiert.[30]

Es gibt Hinweise auf bestehende Verflechtungen zwischen sektenähnlich operierenden Gruppen, der US-Psychosekte Scientology und den Algen verkaufenden Firmen in Europa. Inwieweit bzw. ob einige dieser Firmen in Scientology involviert sind, wie dies bereits in anderen Zusammenhängen ermittelt wurde, ist jedoch nicht bekannt.

Literatur

  • Ueno Y, Nagata S, Tsutsumi T, Hasegawa A, Watanabe MF, Park HD, Chan GC, Chen G, Yu SZ: Detection of microcystins, a blue-green algal hepatotoxin, in drinking water sampled in Haimen and Fusui, endemic areas of primary liver cancer in China, by highly sensitive immunoassay. Carcinogenesis 17: 1317-1321, 1996

Weblinks

Quellennachweise

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  2. http://www.uni-konstanz.de/news/mittshow.php?nr=12&jj=2008
  3. http://www.scinexx.de/dossier-detail-224-9.html
  4. http://de.wikipedia.org/wiki/Gr%C3%BCne_Spanalge#Giftigkeit
  5. 5,0 5,1 Lyra C, Suomalainen S, Gugger M, Vezi C, Sundman P, Paulin L, Sivonen K: Molecular characterization of planktic cyanobacteria of Anabaena, Aphanizomenon, Microcystis and Planktothrix genera. Int J System Evolut Microbiol 51: 513-526, 2001
  6. http://www.uni-konstanz.de/news/mittshow.php?nr=12&jj=2008
  7. Ray RA: Microalgae as food and supplement. Crit Rev Food Sci Nutr 30: 555-573, 1991
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  9. Gilroy DJ, Kauffman KW, Hall RA, Huang X, Hu FS: Assessing potential health risks from microcystin toxins in blue-green algae dietary supplements. Environment Healtch Perspect 108: 435-439, 2000
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  13. http://www.uni-konstanz.de/news/mittshow.php?nr=12&jj=2008
  14. Simonsohn B: Hyperaktivität - warum Ritalin keine Lösung ist. W. Goldmann Verlag, München, 2001
  15. Simonsohn B: Aufmerksamkeitsstörungen und Hyperaktivität - ein Problem unserer Zeit. Erfahrungsheilkunde, Nr. 8, 516-527, 2000
  16. http://barbara-simonsohn.de/algen.htm
  17. http://web.archive.org/web/20030218025812/http://www.hc-sc.gc.ca/english/protection/warnings/1999/9969ebk.htm
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