Gunnar Torbohm
Gunnar Torbohm (geb. 12.06.1967) ist ein in Folkestone (England) lebender deutscher Koch und Sozialarbeiter der als Medizinlaie eine pseudomedizinische Therapie der Borreliose verbreitet.
Allgemeines
Torbohm verbreitet eine pseudomediznische Therapie der Borreliose (sowie weiterer Infektionskrankheiten wie die HIV-Infektion) durch einen Hypothiocyanat (Oxythiocyanat) bildenden Chemiekalienmix, der in Form von "Molekülbaukästen" oder "Experimentiersets" für so genannte "Säugetierexperimente" angeboten wird, wobei zahlreiche Internetquellen darauf hinweisen, dass die dabei gemeinten "Primaten" oder "Säugetiere" Menschen sein können. Nach eigenen Angaben von Torbohm sei diese Therapieform weder medizinisch anerkannt, noch sei sie zugelassen.
Torbohm ist auch Anhänger des seit langem in der Biologie widerlegten historischen Konzepts des Pleomorphismus sowie alternativmedizinischer Interpretationen der Dunkelfeldmikroskopie.
Chemikalienhändler Torbohm leitet seit 2007 ein eigenes privates "Institut für Symptomforschung" (Institut for Symptom Research) sowie ein 2010 gegründetes privates "Independent Research Institute For Multi Systemic Infections" (IRIMSI).
Torbohm behauptet, 15 Jahre lang (nach anderen Angaben aber nur von 2004-2009) die Symptome einer Borreliose an sich beobachtet zu haben. Er habe nach eigenen Angaben alle möglichen Therapien der wissenschaftlichen Medizin und Alternativmedizin erfolglos ausprobiert, dabei auch Therapien gegen eine Antibiotikasucht und Weichteilrheuma nicht ausgelassen. Durch einen Zufall soll er dann von einer Therapie durch Thiocyanate erfahren haben, die ihm geholfen habe, da er seit 2009 symptomfrei sei.
Torbohm bevorzugt, in Form von Videofilmen über YouTube über seine Therapievorschläge zu publizieren. Des weiteren lassen sich zahlreiche Mitteilungen von ihm in deutschsprachigen Internetforen von an Borreliose Erkrankten finden.
Beachtung fand Torbohm 2011 im auf Verschwörungstheorien, Pseudowissenschaften und Pseudomedizin spezialisierten Internetprojekt Bewusst TV von Jo Conrad. In der Einleitung zum Video stellt dabei Interviewpartner und Laie Conrad Vermutungen darüber auf, dass Ärzte und Apotheker unbegründet Angst vor der offensichtlich aus seiner Laiensicht harmlosen Krankheit Borreliose machten, während Torbohm hingegen versucht, die belastenden "furchtbaren" Symptome einer Borreliose zu schildern, die bei ihm nachgewiesen worden sei.
Oxythiocyanat - Hypothiocyanat (auch "OSCN" oder "OxySCN")
Hypothiocyanate (OSCN-) sind als Substanz aus der organischen Chemie Derivate der Thiocyanide (Rhodanide). Die Hypothiocyansäure ist eine schwache Säure. Die wenig stabile Substanz bildet sich in Anwesenheit von Enzymen aus Wasserstoffperoxid und Thiocyanat.
H2O2 + SCN- → OSCN- + H2O
Thiocyanate kommen in tierischen Organismen natürlich vor (z.B. im Speichel, Tränen und auf Schleimhäuten), sie werden beispielsweise in der Leber beim Abbau von Cyaniden durch das Enzym Rhodanid-Synthetase gebildet. In einigen Nahrungsmitteln, wie Kohl, können Thiocyanate aus den darin enthaltenen Senfölglykosiden enzymatisch freigesetzt werden.
Hypothiocyanate bzw. die Hypothiocyansäure besitzen antibakterielle Egenschaften, da sie in Anwesenheit von Laktopeoxidase Bakterien schädigen können.[1][2][3][4] Die Substanz führt zur Oxidation von SH-Gruppen der Bakterienmembran.[5] Eine bekannte Rolle als Wirkstoff des unspezifischen Immunsystems spielt die Substanz (ähnlich wie Lysozym) am Auge und auf der Haut.
Die Substanz wurde seit über 30 Jahren wissenschaftlich ausführlich erforscht, da sie sich als antibiotisch wirksame Substanz anbot und eine Rolle bei der Krankheit Mukoviszidose - Cystische Fibrose spielt. Die Substanz wird in mehreren Pharmaprodukten eingesetzt, so in Form von Enzymen auf der Haut zur Behandlung von Pickeln[6] oder gegen Mundgeruch. Enzyme, die die Bildung von Hypothiocyanat katalysieren, werden auch mit speziellen Zahnpastaprodukten angeboten. Zu Herstellungsverfahren existieren Patente.
Thiocyanate als Ausgangssubstanzen hemmen die wichtige Iodaufnahme in der Schilddrüse, der übermäßige Verzehr (je nach Art 0,5 bis mehrere kg pro Tag) von Kohl kann zur Ausbildung eines Kropfs (Struma, so genannter Kohlkropf) führen. Thiocyanate entstehen ebenfalls als Stoffwechselprodukt beim Abbau von Tabakprodukten im menschlichen Körper. Der Nachweis der Substanz kann einen Tabakkonsum nachweisen.
Im englischsprachigen und deutschrachigen Internet fallen zahlreiche Meldungen anonymer Diskutanten sowie Videofilme auf, die den Hypothiocyanaten Wunderwirkungen als Wirkstoffe unterstellen, in der Regel ohne dabei belastbare Quellen anzugeben. Mitunter wird als Behaupter ein Dr. Paul Clayton (Building the Immune System - The End of the Age of Antibiotics -) angegeben. So sollen Bakterien, Viren, Pilze und Parasiten aller Art gleichermassen bekämpft werden können, Resistenzen seien unbekannt. Die Substanz könne sowohl oral (also über den Mund) eingenommen werden, als über die Haut und sei 2 Tage lang aktiv. Nebenwirkungen gebe es nicht, und aus unbekannten Gründen werde die Darmflora nicht geschädigt. Auch helfe die Substanz bei problematischen Infektionskrankheiten wie der HIV- und MRSA-Infektion, bei AIDS und (Lyme-) Borreliose. Auch wird berichtet, dass die Substanz (offenbar nicht als zugelassenes Arzneimittel) in Afrika großflächig in Anwendung sei[7].
- ..the most powerful Anti pathogenic treatment on the Planet and it will kill Viral, Bacterial, Fungal and Parasitic infections up to the largest Tape worm...will remove H.Pylori within 90 seconds... HIV patients have been able to go Drug free after taking it...OxySCN is The First Line of Defence in all Mammal. In Nature is stops 95%+ of Infections from Entering the Body...Stomach acid does alter the molecule - but only for the transit time. rather than destroying the Molecule it enhances it.
- ..I had Lyme in 2008 and it removed it in 55 minutes and I have been free of it since...You need to take 2000ml in 1 hour for a 75kg Adult - and increase or reduce - depending on Body weight.
Völlig abwegig sind auch Behauptungen zu einer Wirkung bei der Multiplen Sklerose, Parkinson und anderen Krankheiten.
Ähnliche Behauptungen wurden in der Vergangenheit auch zum Wunder-Desinfektionsmittel MMS (und MMS2) sowie zu kolloidalem Silber gemacht.
Ein EMEA- und FDA-zugelassenes Arzneimittel zur Behandlung der Mukosviszidose ist das Hypothiocynat-haltige Meveol.
Produkt KiB500 - FirstLine/1Line
Unter dem Namen KiB500 wird in Großbritannien von einer Pharmafirma namens KiB ltd[8] ein Produkt verkauft, das ohne Angabe der Inhaltsstoffe "auf natürliche Weise" das Immunsystem (offenbar des Menschen) bei Infektionen "boosten" soll. Es handelt sich dabei nicht um ein Fertigprodukt, sondern um ein so genanntes "kit", das aus vier Komponenten besteht, die der Nutzer zusammenmischen soll und die am Ende einen halben Liter des Endprodukts ergeben sollen. Die Kosten liegen bei 53 Pfund (etwa 100 Euro). Die KiB verkauft zwar angeblich nur an "practioner", allerdings zeigen Berichte aus dem Internet, dass es auf einfache Weise möglich ist, auch als Endkunde (auch aus Deutschland beispielsweise) das Produkt zu erhalten. Nach Angaben des Herstellers soll das offenbar als Nahrungsergänzungsmittel angebotene Produkt morgens nüchtern eingenommen werden:
- Important is that you take it on absolutely empty stomach, the best way to take it is in the morning. No food or drinks before at least 1 hour after administration.
Ob es zu KiB500 ein Patent gibt, ist umstritten.
In den USA ist das Produkt als "FirstLine" (bzw. 1Line) im Angebot.
Produkt Pathoremo
Pathoremo wird von Gunnar Torbohm von Großbritannien aus vermarktet. Es handelt sich quasi um ein 40-fach höher dosiertes KiB500, glaubt man den Angaben von Torbohm und der Werbung:
- Inhaltlich ist es das gleiche wie KiB500 nur 40 mal so viel, was die Menge anbelangt.
Dabei sei der Preis pro Liter 12,50 Euro, wobei jedoch auch Spenden erwartet werden. Mit einem Experimentierbaukasten Pathoremo sollen sich etwa 20 Liter herstellen lassen, die jedoch innerhalb von 7 Tagen verbraucht werden müssen. Als Tagesdosis werden für ein "80 kg Versuchstier" 2 Liter angegeben.
Nach seinen Angaben könne das hier entscheidende Molekül (gemeint ist Hypothiocyanat) die Erreger der Borreliose (Borrelia Burgdorferi) "auflösen", und dies geschehe auf unbekannte Weise ohne die gefürchtete begleitende Herxheimer-Reaktion, die als Zeichen eines Zerfalls der Bakterien gewertet werden kann. Ausführungen lassen eine klare Unterscheidung von Borreliose und dem chronischen Müdigkeitssyndrom vermissen.
Das Produkt wird auf eine sehr originell - ungewöhnliche Weise vermarktet. Es handelt sich zum einen, wie bei KiB500, um ein "kit" ("Pathoremo 2000 ml Molekül Bausatz"), das der Kunde zusammenmixen und mit Wasser ansetzen soll. Der Anbieter ist demnach lediglich der Chemikalienhändler für mehrere einzelne Stoffe, die jedoch zusammen verkauft werden und für die es eine gemeinsame "Pathoremo Experimentieranleitung"[10][11] als Gebrauchsanleitung gibt. Ein üblicher gesetzlich vorgeschriebener Beipackzettel fehlt. Die Experimentieranleitung führt auch nicht die Inhaltsstoffe auf. Erst der Kunde mixt sich den Wirkstoff zusammen und wird somit zum Laienapotheker.
Äusserst erheiternd sind weitere Angaben in deutscher Sprache zum "kit". Demnach handele es sich nämlich um eine Art Chemiebaukasten zum experimentieren (Formulierung ist z.B. Baukasten für Versuche an Tieren oder Experimentierbaukasten). Deutlich wird darauf hingewiesen, dass insbesondere Kinder lernen solten, sich früh mit Chemie zu beschäftigen; Erfinder Torbohm veröffentlicht zum Produkt Pathoremo sogar einen kurzen Abriss der Geschichte der Chemiebaukästen und verweist dazu zurück ins 19. Jahrhundert.
Dennoch werden vom Anbieter pharmakologisch relevante Wirkungen zur Mischung behauptet, die also im rechtlichen Sinne zum Arzneimittel wird.
Um die Frage, für wen der kit eigentlich bestimmt sei, windet sich der Anbieter förmlich herum. In diversen Veröffentlichungen ist stets von "Versuchstieren bis 100 Kg" oder von "Haustieren" die Rede. Kunden werden als "unabhängige Forscher" bezeichnet. Andererseits ist jedoch immer wieder schwammig von "Säugetieren" die Rede. Aufhorchen muss der Leser der Experimentieranleitung zu Pathoremo, wenn von zu behandelnden Primaten im "Versuchsaufbau 10" liest: wer hat schon einen Affen zu Hause und will an ihm den Inhalt eines Chemiebaukasten-kit ausprobieren, ohne entsprechende Erlaubnis einer Ethikkommission und ohne veröffentlichte Fachliteratur und nachvollziehbare Berücksichtigung von Pharmakokinetik und Pharmakodynamik? Eine mögliche Behandlung von Menschen wird jedoch vom Anbieter verneint, obwohl im gleichen Zusammenhang auf eine angebliche Zulassung von KiB500 verwiesen wird. Im Internet finden sich hingegen zahlreiche Erfahrungsberichte von (menschlichen) Anwendern, inklusive der berichteten Nebenwirkungen.
Zu den "Wirkungen bei Säugetieren" solle auch dem Hersteller IFS berichtet werden, insbesondere als Versuchsergebnis mit der in der Alternativmedizin beliebten Dunkelfeldmikroskopie. Offenbar sind dem Hersteller möglicherweise wirksame Konzentrationen und Mengen unbekannt.
Die Anleitungen zum Experimentieren in "Versuchsaufbauten", bei denen die äusserst gefährliche Bakterie Mykobakterium tuberculosis (Erreger der Tuberkulose) eingesetzt werden soll, sind völlig verantwortungslos. In Krankenhäusern, in denen ein Fall einer "offenen TBC" auftritt und sich die Mykobakterien an Türgriffen oder anderen Gegenständen befinden können, treten besondere vorgeschriebene Maßnahmen zum Schutz der Patienten und Mitarbeiter in Kraft.
Unerwünschte Wirkungen
Zu Thiocyanaten ist bekannt, dass sie die Aufnahme von Jod in der Schilddrüse hemmen und zu einer "Strum" führen können, die in diesem Falle als "Kohlkropf" bekannt ist. Vor etwa einhundert Jahren wurden Thiocyanate auch zur Behandlung des Bluthochdrucks eingesetzt und bei dieser Gelegenheit eine Kropfbildung beobachtet. Die Autoren Ghorbel et al. berichten 2008 in "C. R. Biologies" über reversible Schilddrüsenveränderungen bei Mäusen, die experimentell Thiocyanaten ausgesetzt waren.
Für die Chemikalie Natriumthiocyanat, die zur Schädlingsbekämpfung eingesetzt wird, wird auf Vergiftungsmöglichkeiten mit der Folge von zentralnervösen Störungen, Erregungszuständen und zerebralen Krämpfen hingeweisen, bei längerer Exposition drohten Funktionsstörungen der Schilddrüse. In der Fachliteratur werden auch blutzellschädigende Effekte beschrieben.
Anwender berichten im Internet von einem unangenehmen Körpergeruch (wie Knoblauch oder stinke wie ein Penner). Andere Anwender berichten von Gelenk- und Muskelschmerzen und einem "Brennengefühl".
siehe auch
Weblinks
- www.kib500.com
- Video: was ist Pathoremo?
Quellennachweise
- ↑ Al Obaidi AH, Role of airway lactoperoxidase in scavenging of hydrogen peroxide damage in asthma, (2007) Ann Thorac Med, volume 2, issue 3, Seiten 107–110. PMID 19727356, DOI 0.4103/1817-1737.33698
- ↑ Moskwa P, Lorentzen D, Excoffon KJ, Zabner J, McCray PB, Nauseef WM, Dupuy C, Bánfi B., A novel host defense system of airways is defective in cystic fibrosis. Am. J. Respir. Crit. Care Med., volume 175, issue 2, Seiten 174–183. Januar 2007. PMID 17082494, doi 10.1164/rccm.200607-1029OC
- ↑ Carlsson J, Edlund MB, Hänström L., Bactericidal and cytotoxic effects of hypothiocyanite-hydrogen peroxide mixtures, Infect. Immun., vol 44 , 3, Seiten 581–586. Juni 1984. PMID 6724690
- ↑ Pruitt KM, Tenovuo J, Andrews RW, McKane T., Lactoperoxidase-catalyzed oxidation of thiocyanate: polarographic study of the oxidation products, Biochemistry, vol 21, 3, Seiten 562–567. Februar 1982. PMID 7066307, doi 10.1021/bi00532a023
- ↑ Thomas EL, Aune TM, Lactoperoxidase, peroxide, thiocyanate antimicrobial system: correlation of sulfhydryl oxidation with antimicrobial action, Infect. Immun., vol 20, 2, Seiten 456–463. Mai 1978. PMID 352945
- ↑ Produkt DermZwo der Pharmafirma "Gall Pharma"
- ↑ http://cornwellqualitytz-elizabeth.blogspot.com/
- ↑ KiB Limited, Hippocampus House, Hulme Lane, Lower Peover, Knutsford, Cheshire. WA16 9QQ
- ↑ http://www.slideshare.net/i.f.symptomforschung/pathoremo-experimentieranleitung
- ↑ http://www.slideshare.net/i.f.symptomforschung/pathoremo-experimentieranleitung
- ↑ http://www.slideshare.net/i.f.symptomforschung/pathoremo-2-l-anleiting