Aluminiumhydroxid

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Aluminiumhydroxid (auch Hydrargillit oder ATH genannt) ist eine basische Aluminiumverbindung mit der Summenformel Al(OH)3. Aluminiumhydroxid ist ein weißlicher, fester Stoff (Schmelzpunkt: 300°C) und wasserunlöslich. Es kommt in der Natur in Bauxit und anderen Mineralien vor. Großtechnisch wird Aluminiumhydroxid aus Bauxit durch Aufschluss mit Natronlauge hergestellt.

Aluminiumhydroxid wird als unspezifischer Wirkverstärker (Adjuvans) Impfstoffen zugesetzt und ist deshalb wegen seiner behaupteten toxischen Wirkungen ein beliebter Argumentationspunkt von Impfgegnern gegen Impfungen. Beispielsweise behauptet Bert Ehgartner, Aluminiumhydroxid verursache Alzheimer-Demenz, Brustkrebs (durch Aluminiumhydroxid in Deodorants), Allergien und Autoimmunerkranungen.[1] Verschwörungstheoretiker behaupten, dieser Stoff sei einer der Bestandteile von Chemtrails.

Vorkommen

Aluminium ist das dritthäufigste Element der Erdkruste. Es kommt in Form verschiedener Verbindungen, hauptsächlich Salzen, als natürlicher Bestandteil im Trinkwasser und in Lebensmitteln vor, insbesondere in Obst, Gemüse, Tee und Apfelsaft. Unverarbeitete pflanzliche Lebensmittel enthalten durchschnittlich etwa 5 mg/kg Aluminium.[2] Es wird hauptsächlich über die Nahrung aufgenommen. Beim Kochen oder Aufbewahren in Aluminiumgeschirr oder in Alufolie kann es (außer bei sauren Lebensmitteln) nach einer Schätzung zu einer maximalen zusätzlichen Aufnahme von 3,5 mg/Tag/Person kommen. Bei sauren Lebensmitteln wie Sauerkraut oder auch Tomaten können aufgrund der Säurelöslichkeit wesentlich höhere Werte erreicht werden [3].

Aluminium kann außerdem in Medikamenten zur Neutralisation der Magensäure, so genannten Antacida, und in kosmetischen Mitteln enthalten sein. In Deo-Rollern wird es beispielsweise wegen seiner schweißhemmenden Wirkung eingesetzt.[3] Aluminiumverbindungen sind auch in Heilerde enthalten.

Die Aufnahme von Aluminium aus Lebensmitteln wurde in europaweiten Studien ermittelt und lag bei Erwachsenen durchschnittlich zwischen 0,2 und 1,5 mg pro kg Körpergewicht und Woche. Die höchste Exposition von Kindern und Jugendlichen Werte lagen im Bereich zwischen 0,7 und 2,3 mg pro kg Körpergewicht und Woche.[4]

Verwendung

Industrie

Aluminiumhydroxid wird weltweit als umweltfreundliches mineralisches Flammschutzmittel genutzt.

Kosmetik

Aluminiumverbindungen, u.a. Aluminiumhydroxid, sind in Deodorants sowie Sonnencremes und Zahncremes enthalten. In Zahnpasten wird Aluminiumhydroxid als Polier- und Reinigungsmittel verwendet. Deodorants auf der Basis von Aluminiumchlorohydrat standen eine Zeit lang im Verdacht, Brustkrebs auszulösen. Dieser Verdacht wurde jedoch inzwischen ausgeräumt.[5][6]

Medizin

In der Medizin wird Aluminiumhydroxid zur Neutralisierung der Magensäure (Antazida) und bei Dialysepatienten als Phosphatbinder eingesetzt.

Unspezifischer Wirkverstärker in Impfstoffen

Aluminiumhydroxid wird als Adjuvans in einigen inaktivierten Impfstoffen (also solchen, die keine vermehrungsfähigen Erreger enthalten) derzeit nur noch selten eingesetzt. Die Menge des enthaltenen Aluminiumhydroxids in einer Impfdosis beträgt in den in Deutschland zugelassenen Impfstoffen 0,2 bis 2,4 mg (letzteres nur im Sechsfachimpfstoff Tet-Dipht-Pert-Polio-Hib-HepB, der neben Al(OH)3 auch Aluminiumphosphat enthält, sonst meist um die 0,5 mg und weniger) und ist damit geringer als in vielen Lebensmitteln.[7][2] Dabei ist der Aluminiumgehalt in einer Impfstoffdosis durch die Monographie „Impfstoffe für den Menschen“ des Europäischen Arzneibuchs auf maximal 1,25 mg pro Dosis (reiner Aluminiumanteil des jeweiligen Stoffes) begrenzt.[8]

Aluminiumhydroxid ist in der verwendeten Dosierung ungiftig. Es verursacht nur einen lokalen Gewebsreiz und adsorbiert Proteine (Antigene des Impfstoff) unspezifisch, so dass ein Depot-Effekt entsteht und das Immunsystem die so entstandenen multiplen Epitope besser erkennt.

Somit kann die Anzahl der erforderlichen Auffrischimpfungen reduziert werden. Um eine ausreichende Immunität zu erzeugen, genügt eine relativ geringe Menge des abgetöteten Erregers, um das Immunsystem ähnlich stark zu stimulieren. Ohne dieses Adjuvans müssten bis zum Erreichen eines anhaltenden Impfschutzes mehrere Impfungen erfolgen.

Als neueres Adjuvans wird statt Aluminiumhydroxid z.B. Squalen verwendet.

Unerwünschte Wirkungen / Toxizität

Die akute Toxizität von Aluminiumsalzen ist relativ gering. Bei länger andauernder Aufnahme wurde eine zerebrale Toxizität mit der möglichen Folge einer Demenz vermutet. Die Auswertung von epidemiologischen Trinkwasserstudien belegt allerdings insgesamt keinen Kausalzusammenhang zwischen Aluminiumgehalten im Wasser und der Entstehung der Alzheimer-Krankheit oder kognitiven Dysfunktionen im Alter. Selbst bei entsprechend disponierten Personen, wie Arbeitern in der Aluminiumindustrie oder Dialysepatienten, sind die für die Alzheimer-Krankheit typischen Ablagerungen in den Nervenzellen nicht häufiger anzutreffen als bei der normal exponierten Bevölkerung.[3][9] Auch für die vermutete Knochentoxizität von Aluminiumphosphat gibt es keine Belege.[10][11]

Allerdings wird aufgrund von Fütterungsstudien an Tieren vermutet, dass oral (über Lebensmittel) aufgenomme lösliche Aluminiumverbindungen Hoden, Embryonen sowie deren Nervensysteme schädigen können. Jedoch weisen die verfügbaren Studien eine Reihe von Einschränkungen auf, und es liegen nur sehr wenige Studien zu einzelnen aluminiumhaltigen Lebensmittelzusatzstoffen vor. In allen Studien zeigten sich Werte für die niedrigste noch wirksame Dosis (LOEL, lowest-observed-effect-level) zwischen 50 und 75 mg/kg Körpergewicht und Tag,[12] Werte, die ein Vielfaches über den in der Nahrung und den Impfadjuvanzien liegen. Daraus ist zu schlussfolgern, dass weder Lebensmittel noch Impfungen eine für den Menschen gefährliche Aluminiumquelle darstellen. Aufgrund der Studienergebnisse wurde trotzdem vorsichtshalber von der Europäischen Lebensmittelsicherheitsbehörde (EFSA) die gesundheitlich unbedenkliche wöchentliche Aufnahme von 1 mg/kg Körpergewicht (tolerable weekly intake TWI) festgelegt.[13]

Die Behauptung von Impfkritikern und -gegnern, dass Aluminiumhydroxid Gehirnschäden verursache, ist allein schon deswegen unplausibel, da dieser wasserunlösliche Stoff an der Impfstelle in der Muskulatur verbleibt und nicht in den Blutstrom und damit in das Gehirn gelangen kann. Außerdem ist die Menge des mit einer Impfdosis applizierten Aluminiumhydroxids geringer als das, was man mit der täglichen Nahrung aufnimmt.

Zitate und Stellungnahmen

  • "Das BfR sieht [...] keine Gesundheitsgefahr für Verbraucher durch eine Aluminiumaufnahme aus Lebensmittelbedarfsgegenständen und kosmetischen Mitteln.", Bundesinstitut für Risikobewertung, 2007[14]

Quellenverzeichnis

  1. Ehgertner, Bert: Dirty little secret - Die Akte Aluminium. 2. Auflage, Ennsthaler-Verlag; 23. Januar 2013
  2. 2,0 2,1 Bundesverband der Lebensmittelchemiker/-innen im öffentlichen Dienst e.V. (BLC): Aluminium in Lebensmitteln
  3. 3,0 3,1 3,2 Keine Alzheimer-Gefahr durch Aluminium aus Bedarfsgegenständen Aktualisierte gesundheitliche Bewertung Nr. 033/2007 des BfR vom 13. Dezember 2005
  4. http://www.efsa.europa.eu/de/press/news/afc080715.htm
  5. BfR-Tagungsbericht vom 20. November 2008
  6. Krebsinformationsdienst, Widerlegte Krebsrisiken
  7. In Deutschland zugelassene Impfstoffe mit Aluminium-Adjuvans
  8. K. Weißer, I. Barth, B. Keller-Stanislawski: Sicherheit von Impfstoffen Bundesinstitut für Sera und Impfstoffe, Paul-Ehrlich-Institut (PEI), Langen
  9. IPCS (1997) IPCS Report no. 194: Environmental Health Criteria – aluminium. World Health Organization.
  10. http://www.nephro-zentrum.de/gelesen/serendipity/archives/38-Kein-Nachweis-toxischer-Aluminiumspiegel-durch-aluminiumhaltige-Phosphatbinder.html
  11. Ruth Pepper, Neil Campbell, Magdi M Yaqoob, Norman B Roberts and Stanley L-S Fan: Do oral aluminium phosphate binders cause accumulation of aluminium to toxic levels? (engl.)
  12. BfR: Aluminiumgehalte in Säuglingsanfangs- und Folgenahrung Aktualisierte Stellungnahme Nr. 012/2012 des BfR vom 20. April 2012
  13. http://www.efsa.europa.eu/de/focusfood/docs/focusfood02de.pdf
  14. Bundesinstitut für Risikobewertung, 2007, Aktualisierte gesundheitliche Bewertung Nr. 033/2007 des BfR