Weltkarte der bekanntesten Verschwörungstheorien[1]
antisemitische Verschwörungstheorien

Als Verschwörungstheorie bezeichnet man den Versuch, bestimmte Ereignisse, Zustände oder Entwicklungen durch eine Verschwörung zu erklären, also durch das zielgerichtete, geheime Wirken von mehreren Personen zu einem illegalen oder illegitimen Zweck. Der Begriff wird einerseits zur Abwertung oder Diffamierung von Ansichten benutzt, die als unbegründet, irrational, abseitig, paranoid und weltanschaulich geschlossen betrachtet werden. Andererseits benutzen viele Vertreter irrationaler Überzeugungen die Verschwörungstheorie tatsächlich als einfachste sich anbietende Erklärung für das Scheitern ihrer Bemühungen. So behauptet z.B. Ryke Geerd Hamer (Germanische Neue Medizin) eine jüdische Weltverschwörung, welche seine angeblichen Erkenntnisse für Nichtjuden unterdrücken und nur für Juden nutzbar machen wolle.

Merkmale

Verschwörungstheorien werden gerne benutzt, weil sie meist in sich geschlossene Argumentationssysteme sind. Diese sind so angelegt, dass sie nicht oder nur schwer zu widerlegen (falsifizierbar) sind. Wer einer Verschwörungstheorie nicht glaubt, gehört aus Sicht ihrer Befürworter entweder selbst zu einer Gruppe von Verschwörern oder ist nicht aufgeklärt genug.

Verschwörungstheorien enthalten häufig Widersprüche und können somit aus logischer Sicht widerlegt oder zumindest in Zweifel gezogen werden. Anhänger und Gläubige von Verschwörungstheorien sehen in derartigen Widersprüchen kein Hindernis, erstaunlicherweise auch dann nicht, wenn sie sich selbst zur Gruppe der so genannten Truther zählen, die sich einer individuellen "Wahrheit" verpflichtet fühlen.

Eine Verschwörungstheorie ist dann wahrscheinlich, wenn folgende Merkmale zutreffen:[2]

  1. Hinter der Verschwörung steht eine angebliche globale Elite, Menschen mit vermeintlicher oder echter Macht (z.B. Politik, Wissenschaft, Wirtschaft). Dies können Geheimbünde sein, die im Hintergrund agieren oder aber Menschen, die offiziell an den Schalthebeln der Macht sitzen. Diese Elite verbirgt ihre wahren Motive und täuscht die Öffentlichkeit gezielt über ihre Absichten. Es kämpfen die mutigen Verschwörungstheoretiker-Davids gegen die Machtkrake Goliath.
  2. Der Verschwörungstheoretiker und seine Anhänger gehören zu einer kleinen Minderheit, die die Wahrheit besitzt. Nur er sieht klar, obwohl es offensichtlich sein sollte. Doch die kleine Gruppe derjenigen, die die Verschwörung durchschaut hat, weiß, was auf uns zukommen wird und will nun alle warnen. Oft ist gemäß Selbsteinschätzung der kleine Kreis der Eingeweihten stetig am wachsen.
  3. Es werden Fragen aufgeworfen, ohne dass man wirklich Antworten hören will. Meist sind diese Fragen spekulativ und daher schwer zu demaskieren. Eigentlich sind sie rhetorischer Natur, obwohl sie als echte Fragen daherkommen. Selbst eine befriedigende Beantwortung einer solchen Frage hält die Verschwörungstheoretiker nicht davon ab, sie trotzdem immer wieder aufzuwerfen.
  4. Der Verschwörungstheoretiker hält natürlich auch Antworten auf diese Fragen bereit (die Verschwörungstheorie eben). Bei näherem Hinsehen bedingen diese meist unzählige zusätzliche Nebenannahmen und unplausible Voraussetzungen.
  5. Auch Fakten, die ganz klar objektiv falsch sind, werden trotzdem immer wieder als Argumente verwendet. Das funktioniert, weil die Anhänger der Theorie nur an einer Bestätigung der vorgefassten Meinung interessiert sind und darum nicht aus den Argumenten auf die Plausibilität schließen, sondern umgekehrt die Argumente an das festgesetzte Resultat anpassen.
  6. Auf Gegenargumente wird kaum eingegangen. Alles wird auf die Bestätigung der Verschwörungstheorie kanalisiert. Es findet keine Abwägung des Für und Wider statt. Eine Plausibilitätsprüfung einer Behauptung findet man nie. Die These heiligt die Argumente.
  7. Häufig ist der größte Widerspruch im Argument der Geheimhaltung (zentral für eine Verschwörungstheorie) selbst schon enthalten. Einerseits schaffen es die Verschwörer entgegen jeder sonstigen Erfahrung, riesige Operationen geheim zu halten und gleichzeitig begehen sie absolut stümperhafte Fehler, die nur der Verschwörungstheoretiker sofort sieht.
  8. Ein Realitätscheck findet nie statt. Man zieht vielleicht weiter zur nächsten Verschwörungsthese, aber die Theorie des Tages wird nie überprüft. So wird immer wieder aufs neue das Ende aller Zeiten, die totale Versklavung, Vergiftung oder Kontrolle vorausgesagt, ohne dass wirklich etwas passiert.
  9. Die nicht VT-gläubige Presse wird als Mainstream- bzw. Systempresse denunziert, die entweder zu dumm ist, die Wahrheit zu erkennen oder von den Verschwörern kontrolliert wird.

Verschwörungstheorien in der Psychologie

Verschwörungstheorien und der Glaube und Umgang mit ihnen ist mittlerweile Objekt psychologischer Forschung geworden.[3] Eine Studie britischer Psychologen kommt in einem Artikel von "Social Psychological & Personality Science" zu dem Ergebnis, dass es Anhängern von Verschwörungstheorien vor allem um Misstrauen an "offiziellen" Berichten und Rechercheergebnissen von Regierungen oder "mächtigen" Behörden geht, weniger geht es tatsächlich um eine Annäherung an die Realität. Ob sich darauffolgende konkrete Thesen gegenseitig stützen oder widersprechen, scheint egal zu sein - Hauptsache, sie passen zu einer bestimmten Grundannahme. In ihrer Studie fanden die Autoren von der University of Kent heraus, dass befragte Studenten gleichzeitig sich ausschließende Verschwörungstheorien für wahrscheinlich hielten. Es wurden zwei Versuche durchgeführt. Im ersten fragten sie 137 Studenten nach ihrer Zustimmung zu verschiedenen Verschwörungstheorien - von der angeblich nie passierten Mondlandung bis zur Idee, dass die US-Regierung hinter dem Terroranschlag auf das World Trade Center stecke. Doch besonderes Augenmerk hatten die Forscher auf eine Reihe von Fragen zum Tod von Prinzessin Diana. Im Ergebnis zeigte sich, dass Menschen, die der offiziellen Geschichte über Dianas Tod misstrauen, sich nicht auf eine einzelne Verschwörungstheorie festlegen, sondern gleichzeitig mehrere, sich auch völlig widersprechende für möglich halten. Ein zweites Experiment, dass die Forscher in den Wochen nach dem Angriff auf Osama Bin Ladens Anwesen in Pakistan durchführten, bestätigte dies. Hier befragten die Forscher 102 Studenten, nachdem diese einen Bericht über Bin Ladens Tod gelesen hatten, aber auch den Hinweis erhalten hatten, dass einige Menschen diese offizielle Version anzweifeln. Es zeigte sich nun: wer der Meinung war, dass die US-Regierung Informationen zurückhielt, der hielt es auch für wahrscheinlich, dass Bin Laden schon vorher tot gewesen war - oder immer noch am Leben ist.[4] (teilweise zitiert aus: [2]) Melley (2000) geht davon aus, dass Verschwörungstheorien Ausdruck einer paranoiden Angst davor sind, unbewusst beeinflusst und manipuliert zu werden und – ohne es zu bemerken – die eigene Individualität zu verlieren.[5] Für Grüter (2008) hingegen sind Verschwörungstheorien eine Kulmination des Argwohns einer Mehrheit gegenüber einer Minderheit.[6] In der jüngsten Veröffentlichung zum Thema gehen Wood, Douglas und Sutton (2012) davon aus, dass Verschwörungstheorien eine sich selbst stabilisierende Weltsicht bilden können.[7]

Literatur

  • Grüter, T. (2010): Magisches Denken. Frankfurt am Main: S. Fischer Verlag
  • Wilson, Robert Anton. Das Lexikon der Verschwörungstheorien. München: Piper, 2004

Weblinks

Blogs

Quellen

  1. http://www.v-22.de/ Aufruf am 4. November 2009
  2. zoon politikon: Checkliste Verschwörungstheorien
  3. http://www.uni-bamberg.de/fileadmin/uni/wissenschaft_einricht/theoretische_psychologie/Mitarbeiterseiten/Die_Big_Six_des_Verschwoerungsglaubens.pdf
  4. Michael J. Wood, Karen M. Douglas, Robbie M. Sutton: "Dead and Alive: Beliefs in Contradictory Conspiracy Theories", Social Psychological and Personality Science, 25. Januar 2012 [1]
  5. Melley, T. (2000). Empire of Conspiracy. The Culture of Paranoia in Postwar America. Ithaca und London: Cornell University Press
  6. Grüter, T. (2008). Freimaurer, Illuminaten und andere Verschwörer. Wie Verschwörungstheorien funktionieren. Frankfurt am Main: Fischer-Taschenbuch-Verlag
  7. Wood, M. J., Douglas, K. M. & Sutton, R. M. (2012). Dead and Alive: Beliefs in Contradictory Conspiracy Theories. Social Psychological and Personality Science. DOI: 10.1177/ 1948550611434786

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