Kolloidales Lithium

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Kolloidales Lithium ist eine Bezeichnung für flüssige Lithiumhaltige Suspensionen in Wasser, die auf dem Markt für alternativmedizinische Produkte als Nahrungsergänzungsmittel zum Eigenverzehr im Handel sind, so beim Kopp Verlag, Narayana Verlag, Ebay oder Amazon. In der EU sind Lithiumpräparate zur Einnahme jedoch nur als verschreibungspflichtige Arzneimittel (z.B. Lithiumcarbonat) zugelassen und erfordern eine engmaschige ärztliche Überwachung wegen ihrer geringen therapeutischen Breite. Als Nahrungsergänzungsmittel würden sie als Lebensmittel gelten. Im Anhang II der Nahrungsergänzungsmittel-Richtlinie sind alle erlaubten Vitamin- und Mineralstoffverbindungen aufgeführt. Lithium gehört nicht dazu, die Verwendung in Nahrungsergänzungsmitteln ist somit verboten, egal ob als Oroat, „kolloidal“ oder „ionisch“. Der Verkauf als Nahrungsergänzungsmittel ist eine Straftat und zeugt nicht von der Seriösität eines Händlers.[1]

Die europäische EFSA untersagte auch mindestens ein Produkt mit lithiumhaltiger Hefe. In den USA wurden bislang Verkäufer von Lithium‑Supplements, die Krankheitsversprechen machen, von der FDA Aufsichtsbehörde abgemahnt und verfolgt.

Um das Verbot zu umgehen wird häufig angegeben dass das Nahrungsergänzungsmittelprodukt "kolloidales Lithium" ausschließlich für technische Zwecke oder zur äußerlichen Anwendung bestimmt sind, um legal vertrieben werden zu können. Manche Verkäufer geben an, ihr Produkt sei für die Aquaristik bestimmt:

Einsatz in der Aquaristik - Ein ausreichend hoher Lithiumgehalt im Wasser ist z. B. für Korallen wichtig.

oder für Tiere:

Bei Bedarf können Sie unser Produkt auch bei Ihren Tieren anwenden.

Obwohl in Werbebotschaften und im Guerillamarketing kolloidales Lithium in der Regel zur Einnahme beschrieben und beworben wird, werden die Produkte im Handel nie zur Einnahme deklariert, eine Praxis, die auch auf kolloidales Silber zutrifft. Gleichzeitig finden sich in der Werbung jedoch Bilder, die Personen beim trinken einer Flüssigkeit zeigen, als ob das Produkt zur Einnahme über den Mund gedacht wäre oder das trinken des Produkts einen Vorteil biete. Rückmeldungen von Kunden, die kolloidale Lithiumprodukte erwarben, sprechen eine klare Sprache. So heisst es in einer Bewertung:

Meine Fragen zur Dosierung konnten vom Telefonsupport leider nicht beantwortet.

Andere Kunden bemängelten einen "salzigen Geschmack", wahrscheinlich weil LiCl Chlor (als Ion) enthält. Ein Anbieter eines Lithiumprodukts bemüht sogar die Quantenmystk um nicht auf eine orale Anwendung verweisen zu müssen:

Anwendung von kolloidalem Lithium - Quanten-Anwendung von kolloidalem Lithium
Dank der dynamischen Eigenschaften der Teilchen steht Ihnen bei unserem kolloidalen Lithium die Anwendung nach dem (Nobel)preisgekrönten Prinzip der Quantenverschränkung offen. Dabei wird die Flüssigkeit nicht eingenommen, sondern beispielsweise in einem Glas- oder Keramikgefäß auf einen Tropfen Speichel geträufelt. Durch die Verschränkung der Teilchen wird so die Information „Lithium“ an den Körper übertragen.

Um die vom Gesetzgeber verbotenen gesundheitsbezogenen Versprechen für Nahrungsergänzungsmittel (rechtlich: Lebensmittel) an den Kunden zu bringen werden oft Bücher mit den entsprechenden Versprechungen beigelegt oder explizit auf sie verwiesen.

Das chemische Element Lithium (Li) ist für den Menschen nicht essentiell. Dies bedeutet dass es keinen Zustand eines "Lithiummangel" gibt und auch keine tägliche Mindestaufnahme von Lithium empfohlen wird. Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) veröffentlicht keinen Referenzwert für Lithium. Es gibt auch keine bekannte biologische Funktion von Lithium im menschlichen Körper.

Wie alle Alkalimetalle reagiert elementares Lithium schon bei Berührung mit der Hautfeuchtigkeit und führt so zu schweren Verätzungen und Verbrennungen.

Viele Lithiumverbindungen, die in wässriger Lösung Lithiumionen bilden, sind im Gegensatz zu den entsprechenden Natrium- und Kaliumverbindungen als gesundheitsschädlich eingestuft.

Lithium ausserhalb und am Rande der Medizin

Kolloidales Lithium Klaus Faber.jpg

Anbieter von lithiumhaltigen Nahrungsergänzungsmitteln und kolloidalem Lithium berufen sich in der Regel nicht direkt auf die medizinischen Anwendungen von Lithium als zugelassenes Arzneimittel. Sie behaupten, dass die entsprechenden Einschränkungen, Dosierungen und Gefahren von Lithiumeinnahmen auf ihre Produkte nicht zuträfen. Unterschiedlich sind auch die Angaben zu kolloidalem Lithium. So enthielten die Kolloide (Suspensionen) wahlweise Ionen‑, Nano‑, oder Mikro‑Partikel. Zur Konzentration werden für Laien verwirrende ppm-Angaben gemacht (parts per million). Auch Angaben wie:

hoher Lithiumgehalt - enthält 14,8 mg Lithium je 1ml (ca. 14 Tropfen)

sind für Laien nicht verständlich, denn es wird nicht angegeben wieviele mg Li sie wann pro Tag, pro Stunde oder pro Woche einnehmen sollen, und ob dies auf ihre Altersgruppe und ihren eigenen Gesundheitszustand zutreffen soll. Zulassungen und exakte Dosierungsleitlinien fehlen. Eine dazu geäusserte pauschale "Nebenwirkungsfreiheit" (oder „bei richtiger Anwendung nebenwirkungsfrei“) ist irreführend.

Beispiel:

  • Lithiumorotat: Ein häufig anzutreffendes lithiumhaltiges Produkt, welches als Nahrungsergänzungsmittel angeboten wird, ist Lithiumorotat. Lithiumorotat wurde in der Vergangenheit unter anderen von Hans Nieper propagiert.

Lithiumhaltige Nahrungsergänzugsmittel mit unklarer Dosierung werden häufig damit beworben, dass sie eine Stimmung "stabilisieren" könnten, die Neubildung von Neuronen förderten, oder gegen Alzheimer-Demenz schützten. Auch würden sie geen Long Covid und einen "Gehirnnebel" helfen. Ein Anbieter gibt an:

Der unterschätzte Schlüssel zur mentalen Balance: Wie Sie Stress reduzieren, Stimmungsschwankungen ausgleichen und inneren Frieden finden

Hier bezieht man sich insgeheim auf die Studienlage von lithiumhaltigen Arzneimitteln mit exakten Dosierungen und der strengen Überwachung der Plasmaspiegel. Dies ist bei den Produkten jedoch nicht gegeben, daher sind die Angaben irreführend und gesundheitsgefährdend. Einige Angaben beziehen sich lediglich auf Hypothesen, nicht auf die letzte wissenschaftliche Evidenzlage (Studienlage). Es handelt sich demnach um die Anstiftung zu Selbstversuchen.

Eine Variante stellt ein rein experimentelle "Niedrigdosen Therapie" mit Lithium dar. Die Firma Biovis führt Laboranalysen zu Lithiumkonzentrationen im Blut durch, welche in der Medizin zur Therapiekontrolle einer Arzneimittel - Lithiumtherapie durchgeführt werden müssen auf Grund der geringen therapeutischen Bandbreite. Darüber hinaus wird aber auch von Biovis die Bestimmung des Li-Spiegels ausserhalb einer Therapiekontrolle durchgeführt, eine absolute Seltenheit in der Medzin ausserhalb der Forschung, und wohl nicht von gesetzlichen Kassen erstattbar. Möglicher Weise geschieht dies im Zusammenhang mit experimentellen Anwendungen in einem niedrig dosierten Bereich. Biovis schreibt:

Präventivmedizinischer Zielbereich - Bei der mikrodosierten, präventivmedizinischen Anwendung von Lithium – z. B. zur Unterstützung der neuropsychiatrischen Gesundheit – liegt der angestrebte Bereich speziell für präventivmedizinische Zwecke bei 25–350 µg/l im Vollblut. Dieser ist höher als Normbereich. Die hierfür eingesetzten Dosierungen bewegen sich meist im Bereich von 1–10 mg elementarem Lithium pro Tag und liegen damit deutlich unter den therapeutischen Dosen, die bei psychiatrischen Erkrankungen verwendet werden.

Vorsorglich heisst es von Biovis weiter:

..Bei der Lithium-Mikrodosierung sind schwerwiegende Wechselwirkungen deutlich seltener als bei therapeutischer Dosierung – dennoch kann es potenzielle Interaktionen geben. Besonders bei gleichzeitiger Einnahme von blutdrucksenkenden, entwässernden oder ZNS-wirksamen Medikamenten sollte Vorsicht geboten sein...[2]

Eine derartig niedrig dosierte Lithiumtherapie ausserhalb der in Leitlinien gelisteten Indikationen wird von einigen Ärzte zur Behandlung von "Long Covid" und "ME/CFS" und "Fatigue" eingesetzt. Die Ergebnisse einer randomisierten, doppelverblindeten Studie von 2024[3] ergab, dass Lithiumaspartat in der Dosierung von 10–15 mg/Tag keine signifikante Verbesserung der Symptome bei den genannten Zuständen bewirkte. Der primäre Endpunkt, eine Veränderung der aufsummierten Punkte der Fatigue Severity Scale-7 (FSS-7) und der Brain Fog Severity Scale (BFSS), unterschied sich nicht signifikant zwischen einer Lithium- und einer Placebogruppe.

Werbung für Lithiumeinnahmen

vage Behauptungen zu einem "Lithiumbedarf"
geschaltete Anzeige für ein bestimmtes Lithiumprodukt, direkt unter einem Artikel bei "Zentrum der Gesundheit", der die orale Einnahme befürwortet (eingesehen Dezember 2025)

Zum Kreis der Propagandisten und Befürworter einer oralen (über den Mund) Einnahme von Lithium gehört die Firma ZdG Gesellschaft für Ernährungsheilkunde GmbH (Zentrum der Gesundheit), die zur Marketingfirma Neosmart Consulting AG in Luzern (Schweiz) gehört. Die ZdG verbreitet im Internet einen Text, der versucht einer regelmässigen orale Einnahme von Lithium einen Sinn zu geben. Dabei beruft sie sich jedoch lediglich auf Hypothesen und vorläufige Studienergebnisse. Seriöse Empfehlungen etwa von medizinischen Fachgesellschaften fehlen. Die ZdG nennt dazu einen Trick ("Legale Präparate ohne Rezept") um legal an lithiumhaltige Produkte zu gelangen. Die banale Empfehlung Lithium nicht in Kapseln oder Tabletten sondern mit Trinkwasser, dem kolloidales Lithium (oder in Wasser gelöste Lithiumsalze) beigemischt wird, einzunehmen ändert jedoch nichts daran dass die Produkte für genau diesen Zweck nicht verkehrsfähig sind, und entpuppt sich als simple Werbung. Behauptet wird auch ein Bedarf an Lithium. Aber auch hier werden die Autoren "schwammig" in ihren Angaben zu einem "Lithiumbedarf":

Wie viel Lithium braucht nun der Mensch?
Obwohl Lithium offiziell nicht als Mikronährstoff gilt, empfehlen einige Autoren eine Zufuhr von 1.000 µg pro Tag für einen 70 kg schweren Erwachsenen, also 1 mg (14,3 µg/kg Körpergewicht).

Wer die "einige Autoren" sein sollen, und ob ein Interessenkonflikt (Einnahmen aus befürwortender Literatur, Verkäufer) vorliegt, wird nicht gesagt. Stattdessen findet sich direkt unter dem werbend gehaltenen Artikel ein anklickbarer Link zu einem bestimmten Lithiumanbieter, der den Verdacht erweckt dass die Firma ZdG eine dazugehörige Provision erhält. Eine "Carina Rehberg" gibt zudem konkrete Tips zu einer "nidrigdosierten" Einnahme von Li-Orotat ohne nach einem Rezept zu fragen. Es lässt sich recherchieren, dass es sich bei Carina Rehberg um eine Biologin handelt, nicht um eine Ärztin.

Lithium-Papst Michael Nehls

Der Molekulargenetiker Michael Nehls, auch bekannt als Bestsellerautor und Hobby-Radmarathonfahrer, ist Befürworter von Lithiumanwendungen ausserhalb der in Leitlinien genannten psychiatrischen Indikationen sowie des Cluster-Kopfschmerzes. Er sieht im Element Lithium ein essentielles Spurenelement.

Element Lithium in der wissenschaftlichen Medizin

Das Element Lithium wird seit den 40er Jahren des 20. Jahrhundert in der wissenschaftlichen Medizin als verschreibungspflichtiges Arzneimittel bei einigen Indikationen eingesetzt. Als chemisches Element ist Lithium nicht patentierbar. Es handelt sich um eines von vielen Arzneimitteln ohne - oder mit abgelaufenen - Patentschutz und ist daher einer der Gegenbeweise zu Verschwörungstheorien zu einer angeblichen Unterdrückung nicht patentierbarer Wirkstoffe in der Medizin. Die medizinische Anwendung von Lithium erfolgt ausschließlich in Form von Lithiumsalzen (z.B. Lithiumcarbonat oder Lithiumorotat) unter strenger ärztlicher Aufsicht. Es wird in der Psychiatrie zur Behandlung von bipolaren Störungen, Manie, schweren Depressionen und Cluster-Kopfschmerzen eingesetzt. Bei langjähriger Therapie sind Schädigungen der Nieren sowie Schild- und Nebenschilddrüsen möglich.

Die therapeutische Bandbreite ist gering.[4] Bei einer Lithium-Therapie muss eine bestimmte Konzentration im Blut erreicht werden um eine gewünschte Wirkung zu erzielen. (ähnlich wie bei Neuroleptika, Herzglykosiden oder den Epilepsietherapeutika). Der Lithium-Plasmaspiegel (Blut) sollte etwa 0,6 mmol/l bis 0,8 mmol/l betragen. Bereits wenn sich der Lithiumblutspiegel an der oberen Grenze des therapeutischen Serumspiegels bewegt, kann es bei empfindlichen Menschen zu beherrschbaren, reversiblen Nebenwirkungen kommen. Liegt der Lithiumblutspiegel über 2,0 mmol/l, steigt die Gefahr deutlicher bis schwerer Nebenwirkungen wie Tremor, Rigor, Übelkeit, Erbrechen, Herzrhythmusstörungen und Leukozytose sehr stark an. Über 3,5 mmol/l besteht Lebensgefahr. Lithium darf nicht während der Schwangerschaft angewendet werden, da ein erhöhtes Fehlbildungs- und Komplikationsrisiko durch Lithium nicht ausgeschlossen werden kann. Bei Lithiumtherapie ist die gleichzeitige Einnahme anderer Arzneimittel zu beachten, da es Interaktionen gibt. Dies gilt auch für einige Lebensmittel wie Kaffee.

Die Resorption von Lithiumsalzen ist hoch, sie werden schnell und nahezu vollständig aus dem Magen-Darm-Trakt aufgenommen. Die Halbwertszeit beträgt durchschnittlich 24 Stunden, bei älteren Menschen 30 bis 36 Stunden. Über die Pharmakokinetik und - Dynamik gibt der Artikel in der Wikipedia oder die Fachliteratur Auskunft.

Siehe auch

Literatur

  • Thomas Guttuso Jr, Jingtao Zhu, Gregory E. Wilding: (2024) "Lithium Aspartate for Long COVID Fatigue and Cognitive Dysfunction - A Randomized Clinical Trial", JAMA Netw Open, 2. Oktober 2024, doi:10.1001/jamanetworkopen.2024.36874
  • Hamstra, Sophie I et al. “Beyond its Psychiatric Use: The Benefits of Low-dose Lithium Supplementation.” Current neuropharmacology vol. 21,4 (2023): 891-910. doi:10.2174/1 570159X20666220302151224

Weblinks

Quellennachweise