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==Ziel der Frischzellentherapien==
 
==Ziel der Frischzellentherapien==
Zu Beginn der Entwicklung der Frischzellentherapie gingen die Befürworter davon aus, dass die entnommenen tierischen Zellen, die in der Regel aus (Schafs-)Föten stammten, sich im menschlichen Organismus eingliedern und beschädigte Zellen ersetzen würden. Diese Theorie entpuppte sich schnell als unhaltbar, weil jedes körperfremde Material vom menschlichen Immunsystem sofort angegriffen und zerstört bzw. verdaut wird. Als dies jedermann klar wurde, schwenkten die Befürworter auf eine andere Begründung um. Nun sollten es nicht mehr die Zellen, sondern in ihnen enthaltene Substrate und Enzyme sein, die eine heilsame Wirkung erbringen sollten (Oepen 1994). Man behauptete damals sogar, das Altern mit Frischzellen besiegen zu können.<ref>Block S: Sieg über das Altern - Frischzellentherapie heute. Econ Verlag, Düsseldorf, 1978</ref>
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Zu Beginn der Entwicklung der Frischzellentherapie gingen die Befürworter davon aus, dass die entnommenen tierischen Zellen, die in der Regel aus (Schafs-)Föten stammten, sich im menschlichen Organismus eingliedern und beschädigte Zellen ersetzen würden. Diese Theorie entpuppte sich schnell als unhaltbar, weil jedes körperfremde Material vom menschlichen Immunsystem sofort angegriffen und zerstört bzw. verdaut wird. Als dies jedermann klar wurde, schwenkten die Befürworter auf eine andere Begründung um. Nun sollten es nicht mehr die Zellen, sondern in ihnen enthaltene Substrate und Enzyme sein, die eine heilsame Wirkung erbringen sollten.<ref>Oepen I: Organo-Biotherapie: Zelltherapie in neuem Gewand. Fortschr Med, 112, 255-256, 1994</ref> Man behauptete damals sogar, das Altern mit Frischzellen besiegen zu können.<ref>Block S: Sieg über das Altern - Frischzellentherapie heute. Econ Verlag, Düsseldorf, 1978</ref>
    
==Wer war und ist im Geschäft?==
 
==Wer war und ist im Geschäft?==
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Die Zulassung des aus Gangliosidgemischen von Rinderhirnen erzeugten und 1985 in den Verkehr gebrachten Cronassial, dass zur 'unterstützenden Behandlung nach Bandscheibenoperationen' angepriesen wurde, wurde 1989 durch das dt. Bundesgesundheitsamtes wegen massiver Nebenwirkungen entzogen. Es waren bei 20 von 14.000 bis dato behandelten Personen ein Guillan-Barré-Syndrom aufgetreten.
 
Die Zulassung des aus Gangliosidgemischen von Rinderhirnen erzeugten und 1985 in den Verkehr gebrachten Cronassial, dass zur 'unterstützenden Behandlung nach Bandscheibenoperationen' angepriesen wurde, wurde 1989 durch das dt. Bundesgesundheitsamtes wegen massiver Nebenwirkungen entzogen. Es waren bei 20 von 14.000 bis dato behandelten Personen ein Guillan-Barré-Syndrom aufgetreten.
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Bei den biomolekularen Therapien der Firma vitOrgan handelte es sich um Präparate aus verschiedenen Organen von Rindern und Schweinen. Die Neygeront-Vitalkapseln sollten 'gezielt auf die Zellatmung und den Zellstoffwechsel der besonders beanspruchten Organe und Gewebe' einwirken. Für das Produkt NeyTumorin fehlten jegliche Wirksamkeitsnachweise, es gelangte aber trotzdem in den Arzneimittelverkehr (Oepen 1994).
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Bei den biomolekularen Therapien der Firma vitOrgan handelte es sich um Präparate aus verschiedenen Organen von Rindern und Schweinen. Die Neygeront-Vitalkapseln sollten 'gezielt auf die Zellatmung und den Zellstoffwechsel der besonders beanspruchten Organe und Gewebe' einwirken. Für das Produkt NeyTumorin fehlten jegliche Wirksamkeitsnachweise, es gelangte aber trotzdem in den Arzneimittelverkehr.<ref>Oepen I: Organo-Biotherapie: Zelltherapie in neuem Gewand. Fortschr Med, 112, 255-256, 1994</ref>
    
Eine weitere Gruppe, die sog. Organotherapeutika, stellten die Thymus-Peptid-Präparate dar. Sie wurden in der Onkologie und Rheumatologie eingesetzt.
 
Eine weitere Gruppe, die sog. Organotherapeutika, stellten die Thymus-Peptid-Präparate dar. Sie wurden in der Onkologie und Rheumatologie eingesetzt.
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Todesfälle nach Zelltherapie wurden schon vielfach beschrieben. Die ersten Fallbeschreibungen wurden in den 1950iger Jahren publiziert.
 
Todesfälle nach Zelltherapie wurden schon vielfach beschrieben. Die ersten Fallbeschreibungen wurden in den 1950iger Jahren publiziert.
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Rietschel (1955) berichtete als erster über die Ergebnisse einer Umfrage unter 179 Klinikleitern hinsichtlich der Nebenwirkungen der Zellulartherapie. Es antworteten ihm 139 Ärzte, wobei 35 Klinikleiter Nebenwirkungen der Methode gesehen hatten. Dabei hatten diese Ärzte einen Überblick über insgesamt 80 Behandlungszwischenfälle, von denen 30 tödlich ausgegangen waren, darunter 24 mit Frischzellen und 6 mit Trockenzellen behandelte Patienten. Am häufigsten kam es zu Glutealabzessen, die sich bis zur Sepsis ausweiteten. Es folgten Herzinfarkte als zweithäufigste Komplikation, massive allergische Schockreaktionen, Magenblutungen und Leberzirrhose. Aufgrund dieser erschreckenden Erfahrungen lehnte Rietschel (1955) die Frischzelltherapie unbedingt ab.
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Rietschel (1955) berichtete als erster über die Ergebnisse einer Umfrage unter 179 Klinikleitern hinsichtlich der Nebenwirkungen der Zellulartherapie.<ref>Rietschel HG: Zwischenfälle bei der Zellulartherapie. Med Klin, Nr.43, 1823-1826, 1955</ref> Es antworteten ihm 139 Ärzte, wobei 35 Klinikleiter Nebenwirkungen der Methode gesehen hatten. Dabei hatten diese Ärzte einen Überblick über insgesamt 80 Behandlungszwischenfälle, von denen 30 tödlich ausgegangen waren, darunter 24 mit Frischzellen und 6 mit Trockenzellen behandelte Patienten. Am häufigsten kam es zu Glutealabzessen, die sich bis zur Sepsis ausweiteten. Es folgten Herzinfarkte als zweithäufigste Komplikation, massive allergische Schockreaktionen, Magenblutungen und Leberzirrhose. Aufgrund dieser erschreckenden Erfahrungen lehnte Rietschel (1955) die Frischzelltherapie unbedingt ab.
    
Jellinger und Seitelberger (1958) beschrieben das Schicksal eines 51jährigen Mannes, der sich über 1.5 Jahre hinweg von einem Neurologen insgesamt sieben Injektionen lypophilisierter Hirntrockenzellen hatte spritzen lassen.<ref>Jellinger K, Seitelberger F: Akute tödliche Entmarkungs-Encephalitis nach wiederholten Hirntrockenzellen-Injektionen. Klin Wschr, 36, 437-441, 1958</ref> 22 Tage nach der letzten Injektion wurde er wegen Halbseitenschwäche und Lähmungserscheinungen in die Universitätsklinik Wien aufgenommen, wo er nach einem fulminant zunehmenden Krankheitsverlauf innerhalb von 10 Wochen nach der letzten Frischzelleninjektion starb.
 
Jellinger und Seitelberger (1958) beschrieben das Schicksal eines 51jährigen Mannes, der sich über 1.5 Jahre hinweg von einem Neurologen insgesamt sieben Injektionen lypophilisierter Hirntrockenzellen hatte spritzen lassen.<ref>Jellinger K, Seitelberger F: Akute tödliche Entmarkungs-Encephalitis nach wiederholten Hirntrockenzellen-Injektionen. Klin Wschr, 36, 437-441, 1958</ref> 22 Tage nach der letzten Injektion wurde er wegen Halbseitenschwäche und Lähmungserscheinungen in die Universitätsklinik Wien aufgenommen, wo er nach einem fulminant zunehmenden Krankheitsverlauf innerhalb von 10 Wochen nach der letzten Frischzelleninjektion starb.
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Schopper und Kössling vom Pathologisch-Bakteriologischen Institut der Städtischen Krankenanstalten in Darmstadt beschrieben den Fall eines 45jährigen männlichen Allergikers, der 12 Stunden nach Injektion eines Trockenzellpräparates Schüttelfrost, Fieber und Durchfälle entwickelte. Bereits bei der nachfolgenden Klinikaufnahme war er bewusstlos und verstarb 33 Stunden nach der Injektion an den Folgen eines Herz-Kreislaufversagens.
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Schopper und Kössling vom Pathologisch-Bakteriologischen Institut der Städtischen Krankenanstalten in Darmstadt beschrieben den Fall eines 45jährigen männlichen Allergikers, der 12 Stunden nach Injektion eines Trockenzellpräparates Schüttelfrost, Fieber und Durchfälle entwickelte. Bereits bei der nachfolgenden Klinikaufnahme war er bewusstlos und verstarb 33 Stunden nach der Injektion an den Folgen eines Herz-Kreislaufversagens.<ref>Schopper W, Kössling FK: Anaphylaktischer Schock und hyperergische Allergie nach Penicillin-, Omnacillin- und Trockenzellinjektion. Nr.44, 2308-2314</ref>
    
Auch aus Frankreich kamen vereinzelt Fallbeschreibungen über Nebenwirkungen unter der Zelltherapie nach Niehans. So berichteten Marteau et al. (1982) vom Hopital de la Salpetriere (Paris) über einen 65jährigen Patienten, der nach Frischzellentherapie eine Gelenkentzündung entwickelte.<ref>Marteau R, Serdaru M, Mallecourt J, Giroux C: Polyradiculonevrite apres injections de cellules fraiches. La Nouvelle Presse Medicale, 11, 865-866, 1982</ref>
 
Auch aus Frankreich kamen vereinzelt Fallbeschreibungen über Nebenwirkungen unter der Zelltherapie nach Niehans. So berichteten Marteau et al. (1982) vom Hopital de la Salpetriere (Paris) über einen 65jährigen Patienten, der nach Frischzellentherapie eine Gelenkentzündung entwickelte.<ref>Marteau R, Serdaru M, Mallecourt J, Giroux C: Polyradiculonevrite apres injections de cellules fraiches. La Nouvelle Presse Medicale, 11, 865-866, 1982</ref>
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==Quellennachweise==
 
==Quellennachweise==
 
<references/>
 
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* Oepen I: Organo-Biotherapie: Zelltherapie in neuem Gewand. Fortschr Med, 112, 255-256, 1994
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* Rietschel HG: Zwischenfälle bei der Zellulartherapie. Med Klin, Nr.43, 1823-1826, 1955
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* Schopper W, Kössling FK: Anaphylaktischer Schock und hyperergische Allergie nach Penicillin-, Omnacillin- und Trockenzellinjektion. Nr.44, 2308-2314
      
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[[category:Therapie in der Pseudomedizin]]
 
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