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===Das Ende der Miasmentheorie===
 
===Das Ende der Miasmentheorie===
Das Ende der Miasmentheorie Max von Pettenkofers wurde durch die 5. Choleraepidemie eingeleitet. Es kam zu einem erbitterten Streit zwischen von Pettenkofer und anderen Ärzten wie Robert Virchow, dem Begründer der Zellularpathologie, und Robert Koch.
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Das Ende der Miasmentheorie Max von Pettenkofers wurde durch die fünfte Choleraepidemie eingeleitet. Es kam zu einem erbitterten Streit zwischen von Pettenkofer und anderen Ärzten wie Robert Virchow, dem Begründer der Zellularpathologie, und Robert Koch.
    
Robert Koch war 1880 ordentliches Mitglied des Reichs-Gesundheitsamtes und übernahm nach der Ernennung zum Geheimen Regierungsrat im Jahre 1883 die Leitung der Cholera-Kommission, die die Ursache der Epidemie in Ägypten und Indien untersuchen sollte. Damit wurde er zum direkten Rivalen Pettenkofers, der zuvor selbst Vorsitzender der Cholerakommission war.
 
Robert Koch war 1880 ordentliches Mitglied des Reichs-Gesundheitsamtes und übernahm nach der Ernennung zum Geheimen Regierungsrat im Jahre 1883 die Leitung der Cholera-Kommission, die die Ursache der Epidemie in Ägypten und Indien untersuchen sollte. Damit wurde er zum direkten Rivalen Pettenkofers, der zuvor selbst Vorsitzender der Cholerakommission war.
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Vor der Entdeckung des Choleraerregers durch Robert Koch wurde die Auseinandersetzung zwischen Bakteriologen und Miasmatikern sehr emotional ausgetragen, wobei von den Verfechtern der Miasmentheorie nicht immer logische Fakten und Tatsachen, sondern wissenschaftliche Ehre, Achtung und Ruhm als Argumente angeführt wurden. Max von Pettenkofer war der Meinung, dass sich die Cholera aufgrund von Ausdünstungen ergebe. Im Wesentlichen argumentierte er:
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Vor der Entdeckung des Choleraerregers durch Robert Koch wurde die Auseinandersetzung zwischen Bakteriologen und Miasmatikern sehr emotional ausgetragen, wobei die Verfechter der Miasmentheorie nicht immer logische Fakten und Tatsachen, sondern wissenschaftliche Ehre, Achtung und Ruhm als Argumente anführten. Max von Pettenkofer war der Meinung, dass sich die Cholera aufgrund von Ausdünstungen ergebe. Im Wesentlichen argumentierte er:
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* manche Orte seien gegen die Cholera immun trotz Einschleppung der Choleraerreger,
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* manche Orte seien trotz Einschleppung der Choleraerreger gegen die Cholera immun,
 
* die meisten Cholerafälle in Kalkutta seien einer 26jährigen Statistik zufolge in der heißen und trockenen Zeit, also der für die Erreger ungünstigsten, vorgekommen,
 
* die meisten Cholerafälle in Kalkutta seien einer 26jährigen Statistik zufolge in der heißen und trockenen Zeit, also der für die Erreger ungünstigsten, vorgekommen,
 
* die Trinkwassertheorie Kochs (z.B. die Verbreitung choleraerregerhaltigen Trinkwassers durch die Wasserwerke der Stadt Hamburg) sei unhaltbar und oberflächlich
 
* die Trinkwassertheorie Kochs (z.B. die Verbreitung choleraerregerhaltigen Trinkwassers durch die Wasserwerke der Stadt Hamburg) sei unhaltbar und oberflächlich
* die Cholerahäufigkeit und die Ansammlung großer Menschenmassen stünden in keinem nachweislichen Zusammenhang.
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* die Cholerahäufigkeit und die Ansammlung großer Menschenmassen stünden in keinem nachweislichen Zusammenhang
* durch Schiffe würde die Cholera nur dann verbreitet, wenn die örtliche und zeitliche Disposition gegeben sei. Eingeschleppt würde der Keim fortwährend, er entwickele sich aber nur, wenn die Disposition vorhanden sei.
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* durch Schiffe werde die Cholera nur dann verbreitet, wenn die örtliche und zeitliche Disposition gegeben sei. Eingeschleppt werde der Keim fortwährend, er entwickele sich aber nur, wenn die Disposition vorhanden sei.
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Um zu beweisen, dass er Recht und Koch hinsichtlich der krankheitserzeugenden Wirkung der Cholerabazillen Unrecht habe, führte Max von Pettenkofer am 7.10.1892 einen Selbstversuch durch. Er nahm eine Lösung aus Cholerakeimen ein, die aus der von der Cholera betroffenen Hansestadt Hamburg stammten und in einer Agar-Reinkultur bzw. einer daraus frisch angesetzten Boullionkultur angezüchtet worden waren. Da bereits bekannt war, dass saurer Magensaft die Bazillen abtöten konnte, sorgte Pettenkofer dafür, dass sein Magen fast leer war (er hatte seit 2 1/4 Stunden nichts gegessen) und gab der Bazillenflüssigkeit noch kohlensaures Natron bei, um vorhandene Säure zu neutralisieren. Er trank 1 ccm der Boullion und hatte nur leichten Durchfall und 'Darmgrollen' zu beklagen. Er überlebte den Versuch ohne größere Probleme, obgleich in seinen Stühlen massenweise Cholerabazillen nachweisbar waren.
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Um zu beweisen, dass er im Recht sei und Koch hinsichtlich der krankheitserzeugenden Wirkung der Cholerabazillen Unrecht habe, führte Max von Pettenkofer am 7.10.1892 einen Selbstversuch durch. Er nahm eine Lösung aus Cholerakeimen ein, die aus der von der Cholera betroffenen Hansestadt Hamburg stammten und in einer Agar-Reinkultur bzw. einer daraus frisch angesetzten Boullionkultur angezüchtet worden waren. Da bereits bekannt war, dass saurer Magensaft die Bazillen abtöten konnte, sorgte Pettenkofer dafür, dass sein Magen fast leer war (er hatte seit 2 1/4 Stunden nichts gegessen) und gab der Bazillenflüssigkeit noch kohlensaures Natron bei, um vorhandene Säure zu neutralisieren. Er trank 1 ccm der Boullion und hatte nur leichten Durchfall und 'Darmgrollen' zu beklagen. Er überlebte den Versuch ohne größere Probleme, obgleich in seinen Stühlen massenweise Cholerabazillen nachweisbar waren.
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Emmerich, ein Schüler Pettenkofers, nahm am 17. Oktober 1892 0,1 ccm der gleichen Boullionkultur verdünnt und alkalisiert zu sich und überlebte nach heftigerem Krankheitsverlauf den Versuch ebenso. Er behandelte sich mit einem Klistier und Opiumpulver. Er hatte zwar heftige Durchfälle und großen Durst, häufiges 'Kollern im Darm', belegte Stimme und das Gefühl von Trockenheit im Pharynx, aber nicht einmal der Harnfluss war auf der Höhe des Krankheitsprozesses auffallend vermindert und sein 'Allgemeinbefinden war ungestört'. Auch bei ihm waren massenweise Cholerabazillen in den Stühlen vorhanden.
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Emmerich, ein Schüler Pettenkofers, nahm am 17. Oktober 1892 0,1 ccm der gleichen Boullionkultur verdünnt und alkalisiert zu sich und überlebte nach heftigerem Krankheitsverlauf den Versuch ebenso. Er behandelte sich mit einem Klistier und Opiumpulver. Er hatte zwar heftige Durchfälle und großen Durst, häufiges 'Kollern im Darm', belegte Stimme und das Gefühl von Trockenheit im Pharynx, aber nicht einmal der Harnfluss war auf der Höhe des Krankheitsprozesses auffallend vermindert und sein 'Allgemeinbefinden war ungestört'. Auch bei ihm waren massenweise Cholerabazillen in den Stühlen vorhanden. Auch ein Herrn Klein aus Bombay verschluckte eine Boullion aus Koch‘schen Choleraerreger, ohne zu erkranken.
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Auch ein Herrn Klein aus Bombay verschluckte eine Boullion aus Koch‘schen Choleraerreger, ohne zu erkranken.
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Es war seinerzeit aufgrund des erlangten Wissensstandes für Robert Koch schwer, dies wissenschaftlich zu widerlegen. Aus heutiger Sicht hingegen ist es leicht, diesen Selbstversuch zu erläutern. Es existieren nämlich zwei Choleratypen (sogenannte Biotypen). Den ersten (Vibrio cholerae 0:1) entdeckte Koch 1883, den zweiten (Vibrio cholerae El Tor; heute nennt man ihn Biovar El Tor) fand Gotschlich 1906. Heute unterteilt man beide Biotypen in verschiedene Subtypen: Vibrio cholera ogava, Vibrio cholera inaba, Vibrio cholera ogava Biotyp El Tor, Vibrio cholera inaba Biotyp El Tor. Neben den Spezies Vibrio cholerae 0:1 und Vibrio El Tor lassen sich serologisch 137 weitere Gruppen, sogenannte nicht-agglutinierende Vibrionen, differenzieren. Wichtig ist dabei, dass diese Biotypen und Subtypen unterschiedlich intensiv verlaufende Choleraepidemien auslösen. Besonders gefährlich ist dabei der von Robert Koch entdeckte Erreger Vibrio cholarae 0:1 (unbehandelt bis 60% Mortalitätsrate), etwas weniger gefährlich ist der Biotyp von Gotschlich, der nur in 15-30% der Fälle unbehandelt zum Tode führt. Die anderen Subtypen führen oftmals zu schweren Durchfällen, jedoch wesentlich seltener (1-10%) zum Tode. Es ist demnach anzunehmen, dass Pettenkofer und seine Befürworter das Glück hatten, weniger gefährliche Cholera-Biotypen einzunehmen, deren Mortalitätsrate gering war. Da alle drei Miasmatiker große Mengen Getränke zu sich nahmen - auch heute noch zählt die Gabe von zuckerhaltigem, sauberem Wasser in großen Mengen zur Standardtherapie der Cholera - ist denkbar, dass sie einer im Vergleich zu Vibrio cholera 0:1 vergleichsweise niedrigeren Gefährdungslage ausgesetzt waren.
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Es war seinerzeit aufgrund des erlangten Wissensstandes für Robert Koch schwer, dies wissenschaftlich zu widerlegen. Aus heutiger Sicht hingegen ist es leicht, diesen Selbstversuch zu erläutern. Es existieren nämlich zwei Choleratypen (sog. Biotypen). Den ersten (Vibrio cholerae 0:1) entdeckte Koch 1883, den zweiten (Vibrio cholerae El Tor; heute nennt man ihn Biovar El Tor) fand Gotschlich 1906. Heute unterteilt man beide Biotypen in verschiedene Subtypen: Vibrio cholera ogava, Vibrio cholera inaba, Vibrio cholera ogava Biotyp El Tor, Vibrio cholera inaba Biotyp El Tor. Neben den Spezies Vibrio cholerae 0:1 und Vibrio El Tor lassen sich serologisch 137 weitere Gruppen, so genannte nicht-agglutinierende Vibrionen, differenzieren. Wichtig ist dabei, dass diese Biotypen und Subtypen unterschiedlich intensiv verlaufende Choleraepidemien auslösen. Besonders gefährlich ist dabei der von Robert Koch entdeckte Erreger Vibrio cholarae 0:1 (unbehandelt bis 60% Mortalitätsrate), etwas weniger gefährlich ist der Biotyp von Gotschlich, der nur in 15-30% der Fälle unbehandelt zum Tode führt. Die anderen Subtypen führen oftmals zu schweren Durchfällen, jedoch wesentlich seltener (1-10%) zum Tode. Es ist demnach anzunehmen, dass Pettenkofer und seine Befürworter das Glück hatten, weniger gefährliche Cholera-Biotypen einzunehmen, deren Mortalitätsrate gering war. Da alle drei Miasmatiker große Mengen Getränke zu sich nahmen - und auch heute noch zählt die Gabe von zuckerhaltigem, sauberem Wasser in großen Mengen zur Standardtherapie der Cholera - ist denkbar, dass sie einer im Vergleich zu Vibrio cholera 0:1 vergleichsweise niedrigeren Gefährdungslage ausgesetzt waren.
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Letztendlich setzte sich das bakteriologische Erklärungsmodell Robert Kochs durch. Koch empfahl u.a., sämtliche Nahrungsmittel und vor allem das Trink- und Gebrauchswasser vor Benutzung abzukochen und sämtliche Gegenstände, die in Kontakt mit Cholerakranken gekommen waren, zu sterilisieren. Koch drängte vor allem in der Hansestadt Hamburg auf die beschleunigte Errichtung von Trinkwasserfilteranlagen, um das choleraverseuchte Elbwasser vor der Einleitung in die Trinkwassersysteme zu reinigen.
 
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Letztendlich setzte sich das bakteriologische Erklärungsmodell Robert Kochs durch. Koch empfahl u.a., sämtliche Nahrungsmittel und vor allem das Trink- und Gebrauchswasser vor Benutzung abzukochen und sämtliche Gegenstände, die in Kontakt mit Cholerakranken gekommen waren, zu sterilisieren. Koch drängte vor allem in der Hansestadt Hamburg auf die beschleunigte Errichtung von Trinkwasserfilteranlagen, um das choleraversuchte Elbwasser vor der Einleitung in die Trinkwassersysteme zu reinigen.
      
Pettenkofers Theorie erwies sich im Verlauf des wissenschaftlichen Streits, der sich über mehrere Jahre hinzog, als unzutreffend. Er zog sich aus dem Wissenschaftsleben zurück und schied am 10. Februar 1901 vereinsamt durch Selbstmord aus dem Leben.
 
Pettenkofers Theorie erwies sich im Verlauf des wissenschaftlichen Streits, der sich über mehrere Jahre hinzog, als unzutreffend. Er zog sich aus dem Wissenschaftsleben zurück und schied am 10. Februar 1901 vereinsamt durch Selbstmord aus dem Leben.
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