Wer heilt hat Recht ist ein geflügeltes Wort und eine Platitüde aus der Alternativmedizin bzw. Erfahrungsmedizin und stets zur Hand, wenn für eine bestimmte Therapieform ein Wirksamkeitsnachweis nicht plausibel belegt werden kann und die Befürworter auf retrospektive Betrachtungen und Anekdoten zurückgreifen müssen. Der Satz soll auf Samuel Hahnemann zurückgehen, der damit der Kritik an seiner Methode mit einer pseudowissenschaftlichen Argumentation begegnen wollte. Die Befürworter der pseudomedizinischen Synergetik-Therapie von Bernd Joschko haben dementsprechend die Internet-Domain wer-heilt-hat-recht.de für ihre Zwecke in Beschlag genommen.

Kurz zusammengefasst soll der Satz beweisen, dass die Beobachtung eines (und möglicherweise eines einzigen) Heilungsverlaufs bei einer bestimmten Person ein möglicherweise dafür ursächliches Heilverfahren begründet.

Der primitive und gleichzeitig so einleuchtend erscheinende Satz hat aber bei näherer und sozusagen ganzheitlicher Betrachtung mehrere Haken, die ihn als einem reinen Propagandasatz entlarven. In vielen Fällen können Heiler auch bei eingetretener Gesundung Unrecht haben.

  • So lässt der Satz mögliche tatsächliche Ursachen für einen Heilungsprozess völlig unbeachtet. Geschätzte 70 bis 80% aller gesundheitlichen Störungen, Malaisen, und handfesten Erkrankungen bilden sich bekanntlich spontan zurück, also unabhängig von einer tatsächlich effektiven Therapie oder eines pseudomedizinischen und völlig unwirksamen Eingriffs oder eines hoffnungsvollen "Zuwartens". In beiden Fällen eines Eingreifens zeigt sich eine rein zeitliche Korrelation zwischen Eingriff und Resultat, was wissenschaftlich nie einen beweisenden Charakter hat. Die möglichen Fälle einer Verschlechterung oder des Versagens durch eine bestimmte Therapie können elegant im Sinne eines Publication Bias (oder "Schubladen-Bias") verschwiegen werden. Beispielsweise kann ein bestimmtes Verfahren bei einem von tausend Patienten zufällig wirksam erscheinen, bei 999 aber nicht. Auch in diesem ausgesuchten Fall erschiene der Satz Wer heilt hat Recht plausibel. Bei manchen Therapien steht nur eine rein symptomatische Linderung oder eine Verkürzung der Erkrankungsdauer im Vordergrund und von einer Heilung kann nicht gesprochen werden, auch wenn die Abwesenheit von Schmerzen dabei von den Patienten als wichtig empfunden werden kann. Der Begriff der Heilung - im Sinne einer Rückführung zum Zustand vor Beginn der Erkrankung (medizinlateinisch hochtrabend restitutio ad integrum genannt) - ist bei banalen Erkrankungen zwar die Regel, bei schweren chronischen Krankheiten meist eine Utopie. Hier kann der Erhalt des aktuellen Gesundheitszustandes und das Verhindern von Folgen bereits das Ziel sein (Beispiel Zuckerkrankheit) und nicht eine realitätsferne Heilung. Der sehr anspruchsvolle Begriff der Heilung ist daher bei vielen Vertretern der wissenschaftlichen, evidenzbasierten Medizin verpönt und wird meist zurückhaltend benutzt.
  • Viele Krankheiten haben einen zyklischen Verlauf oder können in Schüben verlaufen. Das Ende eines Schubs oder symptomatischen Zyklus bedeutet nicht unbedingt Heilung, sondern den Beginn eines folgenden symptomlosen Intervalls. Dies bedeutet, dass endgültige Aussagen über eine mögliche Heilung möglicherweise erst nach einer längeren Beobachtungszeit getroffen werden können. Aussagen über die Wirksamkeit einer Therapie oder eines Mittels können nur in kontrollierten prospektiven und verblindeten Studien bei randomisierten Patientenkollektiven getroffen werden.
  • Bei einigen so genannten Heilungen lag zu Beginn überhaupt kein behandlungsbedürftiger Zustand vor. Häufig werden Heilungen berichtet, ohne dass sicher bekannt, ist ob überhaupt eine Krankheit durch einen Arzt festgestellt wurde.
  • Aber auch bei einem nachgewiesenen Zusammenhang von effektiver Therapie und Heilungsverlauf bei bekanntem Wirkmechanismus bleibt der Satz problematisch, da oftmals verschiedene konkurrierende effektive Therapien für ein und dasselbe Problem zur Verfügung stehen, aber nicht alle Anwender dann unbedingt Recht haben müssen, weil gravierende Nachteile nicht berücksichtigt werden. Beispielsweise können zwei Mittel gleichwertig wirksam sein, aber ein Mittel belastet durch einen hohen Preis unnötigerweise das jeweilige Gesundheitssystem und macht so den Anwender zu einem Nicht-Rechthaber. Das gleiche gilt für gleichwertige Mittel mit unterschiedlichen Nebenwirkungen oder ökologischen Auswirkungen. In anderen Fällen kann derjenige Recht haben, der durch eine präventive Maßnahme (etwa Impfung oder Hygiene) eine Erkrankung verhindert und nicht derjenige, der eine effektive Prävention ablehnt und stattdessen auf eine eigene (auch möglicherweise effektive) Therapie verweist.

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