Unrichtige Gesundheitszeugnisse für Impfgegner und Atemmaskenverweigerer

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Impfunfähigkeits-Bescheinigungen (IUB) sind ärztliche Atteste nach §§ 20 Abs. 6 und 21 IfSG (Infektionsschutzgesetz), die besagen, dass ein Patient aus medizinischen Gründen nicht geimpft werden kann. Zumeist werden Impfunfähigkeits-Bescheinigungen für Kinder ausgestellt. Wird ein solches Schreiben von einem Arzt ausgestellt, dürfen damit auch ungeimpfte Kinder in Deutschland in Schulen und Kitas.

Impf-Unfähigkeitsbescheinigungen wurden 2020 nach der Einführung des deutschen so genannten Masernschutzgesetzes (MSG) Thema der Berichterstattungen deutscher Medien, als sich impfkritische und impfgegnerische Eltern nach Wegen suchten, eine Impfung eigener Kinder zu vermeiden oder zu umgehen. Seit dem 1. März 2020 müssen Kinder in Schulen und Kitas gegen Masern geimpft sein. Die Einrichtungen müssen den Impfstatus bei der Aufnahme der Kinder abfragen, so verlangt es das neue Masernschutzgesetz. Lassen Eltern ihre Kinder vor Kita- oder Schulbeginn nicht gegen Masern impfen, drohen bis zu 2500 Euro Bussgeld. Laut einer Studie von 2019 lehnen nur drei Prozent der Eltern in Deutschland Impfungen für ihr Kind pauschal ab. In der Vergangenheit hatte sich gezeigt, dass insbesondere in anthropophisch geprägten Waldorfschulen rund 30% der Schüler nicht geimpft waren, sehr viel mehr als an anderen Schulen mit rund 5%. (Deutschland) Da die Masernschutzimpfung als sehr sicher gilt, sind die Fälle von tatsächlichen Impfausnahmen sehr selten. Das Verhältnis von Nutzen zu Schaden ist eindeutig: während rund jedes 500. an Masern erkrankte Kind an der Krankheit stirbt, und andere lebenslange Spätfolgen erleiden können, erleidet nur jedes 1.000.000. Kind einen Impfschaden.

Nach Presseberichten sollen impfkritisch eingestellte Ärzte die Impfunfähigkeits-Bescheinigungen auch als lukratives Geschäft entdeckt haben, und derartige Bescheinigungen ohne eingehende körperliche Untersuchung ausstellen und abrechnen. In einigen Fällen wurden auch IUB-Bescheinigungen pauschal nach fernmündlicher Bitte ausgestellt. Der MDR berichtet über einen impfkritischen Arzt aus Leipzig, der Blanko Impf-Unfähigkeitsbescheinigungen für 35 Euro das Stück ausstellte, ohne die Patienten je zu sehen. Einem MDR-Investigativjournalisten gelang es problemlos eine solche Blanko-IUB zu erhalten. Auf dem gefälschten Attest heisst es:

"Nach sorgfältiger Prüfung des Einzelfalls ist der Vorgenannte aus gesundheitlichen Gründen hiermit strikt von allen empfohlenen und geforderten Schutzimpfungen freizustellen, da der oben Genannte ohne Gefahr für sein Leben oder seine Gesundheit nicht geimpft werden kann und darf."[1]

Einem Investigativteam von frontal21 (ZDF) gelang es vom Arzt Wolfgang Scheel für zehn Euro (eingewickelt in Aluminiumfolie) eine Impfunfähigkeitsbescheinigung zu erhalten, ohne dass der Arzt das Kind gesehen hatte, und ohne die Identität geprüft zu haben. Das Fernsehteam hatte dies mit einer erfundenen Familie überprüft. Zitat:

..ZDFheute wird eine E-Mail des Kinderarztes [gemeint ist Wolfgang Scheel] weitergeleitet. Darin bietet er Eltern an, Impfunfähigkeits-Bescheinigungen auszustellen. Alles, was man tun müsse, sei einen frankierten Rückumschlag mit den Daten des Kindes an ihn zu senden, Infos über eine Erkrankung in der Familie und zehn Euro, eingewickelt in Silberpapier. Wir denken uns also ein Kind aus und schicken die gewünschten Informationen inklusive Geld zu Dr. Scheel. Und tatsächlich: Nach wenigen Tagen erhalten wir eine Bescheinigung, dass unser ausgedachter Sohn nicht geimpft werden kann. Das habe Scheel nach einer gründlichen Untersuchung festgestellt. Unser Fake-Kind könnte jetzt ungeimpft in eine Kita oder Schule gehen...[2]

Hinzu kommt ein weiterer Personenkreis von Medizinlaien, der vermeintliche Tips zur Umgehung von Impfungen anbietet. Tatsächlich lassen sich im Internet, in sozialen Netzwerken, fragwürdige bis kriminelle Angeboten finden, vorgeschriebene Impfungen mit Tricks zu umgehen. So finden sich beispielsweise Anbieter, die gegen eine Gebühr gefälschte Impfpässe von ausländischen Ärzten anbieten, die die betroffenen Patienten tatsächlich nie zu Gesicht bekamen und sie auch nicht impften.

Der deutsche Impfgegner Benjamin Ernst, der zugleich als Anbieter von Nahrungsergänzungsmitteln im esoterischen Kontext bekannt ist, und Gründer der „Keltisch-Druidischen Gemeinschaft“, aus der er nach eigenem Bekunden allerdings Ende 2018 ausgetreten sei, ruft in seinem Rundbrief „Friedliche Lösungen“ (versandt am 6. Mai 2019[3]) offen zur Urkundenfälschung auf, um nicht geimpften Kindern von Impfverweigerern den Zugang zu Kindertagesstätten oder Grundschulen weiterhin zu ermöglichen. Ernst schreibt:

..Durch meine Reisen rund um die Welt, sind mir viele Dinge aufgefallen und kann von zahlreichen Geschichten erzählen, wie sich Eltern im Ausland mit neuen Impfausweisen, neue Einträge für Ihre Kinder besorgt haben, ohne dass diese geimpft wurden, für gerade mal 20€. [..] Es gibt unzählige Ärzte ohne eigene Webseite, Internetzugang, teils nicht mal Telefon, oder eine feste Anschrift. Wer sich im Ausland schon einmal impfen lassen hat, wird festgestellt haben, das man das Gekritzel in einem Impfpaß meistens nicht lesen kann. Trotzdem haben die Inhalte Gültigkeit. Was will denn der prüfende Arzt, oder die Sekretärin am Empfang der KITA machen? Dort anrufen? Im Internet nach dem Arzt forschen? Hat schon mal jemand versucht, einen Dorfarzt in Bulgarien oder Indien ausfindig zu machen und dort angerufen? Viel Spaß sag ich nur. Die haben keine öffentlichen Webseiten, oder ein Register wie in Deutschland, um schnell recherchieren zu können. Von deren Praxen (wenn man das so nennen darf), führt doch keiner Buch, ob vor 2 Jahren jemand mit dem Namen Lieschen Müller aus Buxtehude da war und zum Zeitpunkt XY eine Impfung erhalten hat. [..] Es gibt sogar Menschen, die haben sich selbst Stempel für 18€ im Internet bestellt und anfertigen lassen. Hunderte Anbieter im Internet, die sich auf Stempel spezialisiert haben, stellen alles her was man sich nur vorstellen kann. Der Phantasie und Kreativität sind keine Grenzen gesetzt. [..] Alles eine Sache des Auftretens. Wenn jemand fragt sollte, immer befürworten. "Natürlich haben wir geimpft. Wir mußten sogar im Ausland... Da ist folgendes passiert... Stell dir vor, in Marokko war der Arzt in einem Hinterhof, das war ein Erlebnis..." [..] Der Stempel ist wichtig, nicht mehr und nicht weiger. Er weiß doch gar nicht, dass man gegen impfen ist. Hunderttausende Menschen lassen sich jährlich im Ausland impfen. Man ist also kein Exot, wie viele vielleicht glauben. Im Internet gibt zahlreiche Anbieter die neue Impfpässe ganz legal zum Kauf anbieten. [..] In diesem Sinne, viel Spaß bei der nächsten Urlaubsplanung. Und vor allem, gute Erholung und viel Entspannung!
Herzliche Grüße
Benjamin Ernst"..
[4]

2020 stellte sich heraus, dass Gesundheitsämter in einigen Fällen gegen Ärzte ermitteln, die Atteste im Sinne eines "unrichtigen Gesundheitszeugnisses" ausstellten, die von den zuständigen Gesundheitsämtern als fragwürdig angesehen wurden. Gegen die betreffenden Ärztinnen/Ärzte wurden auf Anzeige des Gesundheitsamtes Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts auf das Ausstellen eines unrichtigen Gesundheitszeugnisses eingeleitet. Die betroffenen Eltern werden als Zeugen vorgeladen.

Gelegentlich werden Ergebnisse des umstrittenen Lymphozytentransformationstest als Laborparameter herangezogen, um eine IUB auszustellen. Der Anbieter des Tests, das Berliner Labor IMD dazu:

Im Zuge der Diskussion über das am 1.3.2020 in Kraft tretende Masernschutzgesetz erhalten wir gehäuft Anfragen, ob über Labordiagnostik Impfkomplikationen vorhergesagt werden oder ob damit Kontraindikationen für eine Masernimpfung nachgewiesen werden können.
Wir weisen stets darauf hin, dass die Labordiagnostik dafür keinen nennenswerten Stellenwert hat.[..]
Wir distanzieren uns ausdrücklich von Falschaussagen, die offensichtlich im Netz z.T. durch Impf-kritische Elterninitiativen verbreitet werden, dass mit den im IMD Berlin zur Verfügung stehenden Allergietest´s „Beweise“ dafür erbracht werden können, dass Impfungen gesundheitsgefährdend seien. Dieses ist nicht der Fall und entspricht auch nicht unserer Haltung zu Impfungen im Allgemeinen. Selbst im seltenen Fall eines positiven Allergietests besteht keine prinzipielle Kontraindikation, da es in der Regel möglich ist, ein Präparat zu wählen, welches den als allergieauslösend identifizierten Zusatzstoff nicht enthält.

Atteste gegen Pflicht zur Nutzung von Mund-Nasen Schutzmasken

nutzloses und ungültiges pauschales Attest gegen Nutzung von Atemschutzmasken, das dem deutschen Urologen Jens Bengen zugeprdnet wird (2020)
andere Version des Textes, der im Internet zirkuliert

Einige Ärzte bieten pauschale Atteste gegen das Tragen von Atemschutzmasekn an. Dazu zählen insbesondere Mitglieder einer Gruppe „Ärzte für Aufklärung“. „Ärzte für Aufklärung“ geriert sich als Kritiker der öffentlichen Corona-Schutzmaßnahmen, insbesondere der Maskenpflicht. Journalisten der Sendung Report Mainz schrieben mehr als 40 dieser Ärzte an. Demnach hätten 19 von ihnen geantwortet und „keiner von ihnen wies das Ausstellen eines solchen Attests aus ethischen Gründen zurück. Einige schrieben direkt, dass man bei ihnen so ein Attest bekommen könne.“ Einer der Ärzte soll per Mail angeboten haben, nach Überweisung von 50 Euro das Attest zuzuschicken. Der Patient solle ihm einfach eine Diagnose vorab mitteilen.[5]

Der Urologe Jens Bengen ("Schwert der Wahrheit") aus Trendelburg bei Kassel bietet pauschale Atteste gegen die Benutzung von Atemschutzmasken auf seiner Webseite zum Download an.[6] Eine 21 jährige Frau versuchte mit diesem aus dem Internet heruntergeladenen Bengen-Attest den Verzicht auf eine Schutzmaske bei der Fahrt mit der S-Bahn in München zu erklären. Einem Polizisten zeigte sie das Attest vor, war aber nicht vorher von Bengen untersucht worden. Die Frau wurde wegen Verstoßes gegen das Infektionsschutzgesetztes angezeigt. Zudem wurden Ermittlungen wegen Verstoßes gegen § 279 StGB, Gebrauch unrichtiger Gesundheitszeugnisse, gegen sie eingeleitet.[7]

Das nutzlose Attest wurde unter anderem von einem Verein „Netzwerk-Demokratie“ aus Gernsbach auf seiner Homepage verbreitet. Die Staatsanwaltschaft Baden-Baden leitete ein Ermittlungsverfahren gegen den Ersten Vorsitzenden des Vereins Thomas Stenzel ein, wegen des „Verdachts des Ausstellens unrichtiger Gesundheitszeugnisse“. Anzeige wurde auch gegen Jens Bengen gestellt.

Unrichtige Gesundheitszeugnisse

Das Ausstellen unrichtiger Gesundheitszeugnisse steht in Deutschland unter Strafe (StGB, § 278) und damit ist nach gängiger juristischer Meinung nicht nur das Aufführen falscher Gründe und Tatsachen, sondern auch das Ziehen falscher Schlussfolgerungen gemeint:

"Von der Unrichtigkeit eines Gesundheitszeugnisses ist auszugehen, wenn wesentliche Feststellungen nicht im Einklang mit den Tatsachen stehen oder nicht mit dem allgemein anerkannten Stand der medizinischen Wissenschaft in Einklang zu bringen sind."[8]

- und aus Umständen, die das RKI als zuständige Behörde expressis verbis als "falsche Kontraindikation" veröffentlicht, eine Impfunfähigkeit zu schlussfolgern und zu bescheinigen, dürfte nur in sehr seltenen Einzelfällen mit dem anerkannten Stand der medizinischen Wissenschaft in Einklang zu bringen sein.

Ein Gesundheitszeugnis ist unabhängig von seinem Inhalt schon dadurch unrichtig und damit potentiell strafbar, wenn ihm keine körperliche Untersuchung des Patienten vorliegt, es also nur auf Grundlage eines (Telefon-)Gesprächs ausgestellt wird (BGH 1977).

"Nur ausnahmsweise kann ein ärztliches Zeugnis trotz fehlender ärztlicher Untersuchung richtig sein. Dies wird dann angenommen, wenn der Arzt sich von einem als vertrauenswürdig und verständig bekannten Patienten dessen Beschwerden anschaulich schildern lässt und die Symptome widerspruchsfrei zu einem bestimmten Krankheitsbild passen. Hier muss der Arzt allerdings im eigenen Interesse unbedingt im Attest vermerken, dass die Beurteilung auf telefonisch erteilten Informationen beruht." Eine IUB erfordert einen ausführlichen schriftlichen Krankheits- und Befundbericht (einschließlich Angaben zur Anamnese, zu dem(n) Befund(en), zur epikritischen Bewertung und gegebenenfalls zur Therapie).

Weblinks

Quellennachweise