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'''Ukrain''' (NSC-631570) ist der Handelsname eines [[Unkonventionelle Krebstherapien|umstrittenen Krebsmittels]], das aus Alkaloiden von Schöllkraut und dem Zytostatikum Thiotepa hergestellt wird. Das Mittel wird von der Wiener Pharmafirma Nowicky Pharma bzw. Now Pharm in Luxemburg hergestellt. Der Name des Mittels bezieht sich nach Angabe des Herstellers auf das Geburtsland des Erfinders Wassil Jaroslaw Nowicky (geb. 1937). Der Hersteller von Ukrain wurde im Mai 2016 vom Wiener Landesgericht wegen gewerbsmäßigen Betruges zu 3,5 Jahren unbedingter Haft verurteilt, weil er abgelaufene Ampullen umetikettierte und verkaufte. Das Urteil ist jedoch nicht rechtskräftig.<ref>http://www.kleinezeitung.at/s/chronik/oesterreich/4994534/Wien_Haft-fur-KrebsHeilmittelHersteller</ref>
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'''Ukrain''' (NSC-631570) ist der Handelsname eines [[Unkonventionelle Krebstherapien|umstrittenen Krebsmittels]], das aus Alkaloiden von Schöllkraut und dem Zytostatikum Thiotepa hergestellt wird. Es ist in den EU-Ländern, der Schweiz und auch anderen westlichen Industrieländern nicht als Arzneimittel zugelassen.
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Ukrain wird von der Wiener Pharmafirma Nowicky Pharma bzw. Now Pharm in Luxemburg hergestellt. Der Name des Mittels bezieht sich nach Angabe des Herstellers auf das Geburtsland des Erfinders Wassil Jaroslaw Nowicky (geb. 1937). Der Hersteller von Ukrain wurde im Mai 2016 vom Wiener Landesgericht wegen gewerbsmäßigen Betruges zu 3,5 Jahren unbedingter Haft verurteilt, weil er abgelaufene Ampullen umetikettierte und verkaufte. Das Urteil ist jedoch nicht rechtskräftig.<ref>http://www.kleinezeitung.at/s/chronik/oesterreich/4994534/Wien_Haft-fur-KrebsHeilmittelHersteller</ref>
    
Wie bei mehreren anderen umstrittenen Krebsmitteln, die auf einen einzelnen Entwickler zurückgehen, glaubt Nowicky daran, dass er in der Vergangenheit Mordanschlägen wegen seines Mittels entgangen sei. Bemerkenswert ist, dass viele prominente Anwender von Ukrain der Sekte [[Scientology]] angehören. Neben dem "operierenden Thetan" [[Thomas Kroiss]] auch der Wiener Arzt Peter Kadan.
 
Wie bei mehreren anderen umstrittenen Krebsmitteln, die auf einen einzelnen Entwickler zurückgehen, glaubt Nowicky daran, dass er in der Vergangenheit Mordanschlägen wegen seines Mittels entgangen sei. Bemerkenswert ist, dass viele prominente Anwender von Ukrain der Sekte [[Scientology]] angehören. Neben dem "operierenden Thetan" [[Thomas Kroiss]] auch der Wiener Arzt Peter Kadan.
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==Inhaltsstoffe==
 
==Inhaltsstoffe==
 
[[image:ukrain.jpg|Strukturformel nach Angaben von Habermehl et al.|250px|thumb]]
 
[[image:ukrain.jpg|Strukturformel nach Angaben von Habermehl et al.|250px|thumb]]
Ukrain wurde angeblich 1978 entwickelt und wird seither in Österreich und in den Niederlanden hergestellt. 1980 wurde es patentiert. Nowicky Pharma macht keine Angaben über die genauen Inhaltsstoffe und den Herstellungsprozess. Ob also standardisierte Extrakte eingesetzt werden, ist nicht bekannt. Eine Studie der Universitätsklinik in Tübingen (Deutschland) hat folgende Alkaloide des Schöllkrauts identifiziert: Chelidonin, Sanguinarin, Chelerythrin, Protopin und Allocryptopin.
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Ukrain wurde angeblich 1978 entwickelt und wird seither in Österreich und in den Niederlanden hergestellt. 1980 wurde es patentiert.
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Bei der Substanz soll es sich um ein halbsynthetisches Konjugationsprodukt aus Thiotepa und Schöllkrautalkaloiden handeln. Nowicky Pharma macht jedoch keine Angaben über die genauen Inhaltsstoffe und den Herstellungsprozess. Ob also standardisierte Extrakte eingesetzt werden, ist nicht bekannt. Eine Studie der Universitätsklinik in Tübingen (Deutschland) hat folgende Alkaloide des Schöllkrauts identifiziert: Chelidonin, Sanguinarin, Chelerythrin, Protopin und Allocryptopin. Thiotepa und seine Verbindungen wurden hingegen nicht nachgewiesen.
    
==Anwendung==
 
==Anwendung==
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Es gibt nur wenige, zudem methodisch fragwürdige, prospektiv-randomisierte Studien. Die Autoren einer britischen Literaturübersicht aus dem Jahr 2005 halten die bisherigen Wirkungsnachweise für unzureichend und sprechen sich gegen die Anwendung aus.<ref>Ernst E, Schmidt K (2005): Ukrain -- a new cancer cure? A systematic review of randomised clinical trials, BMC Cancer. 2005; 5: 69. doi: 10.1186/1471-2407-5-69 [http://www.pubmedcentral.nih.gov/articlerender.fcgi?tool=pubmed&pubmedid=15992405 Volltext]</ref>
 
Es gibt nur wenige, zudem methodisch fragwürdige, prospektiv-randomisierte Studien. Die Autoren einer britischen Literaturübersicht aus dem Jahr 2005 halten die bisherigen Wirkungsnachweise für unzureichend und sprechen sich gegen die Anwendung aus.<ref>Ernst E, Schmidt K (2005): Ukrain -- a new cancer cure? A systematic review of randomised clinical trials, BMC Cancer. 2005; 5: 69. doi: 10.1186/1471-2407-5-69 [http://www.pubmedcentral.nih.gov/articlerender.fcgi?tool=pubmed&pubmedid=15992405 Volltext]</ref>
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Ein Vergleich von Ukrain mit Schöllkrautextrakten und Thiotepa an der Kinderklinik in Münster zeigte, dass Ukrain im Reagenzglas gegen einen bestimmten Tumor (Ewing-Sarkom) nicht wirksamer als herkömmliche bekannte Zytostatika war.<ref>Lanvers-Kaminsky C, Nolting DM, Köster J, Schröder A, Sandkötter J, Boos J (2006): In-vitro toxicity of Ukrain against human Ewing tumor cell lines. Anticancer Drugs 17(9):1025-30</ref> Zwei an der Universität Ulm durchgeführte Studien an 90 und 30 Patienten zeigten, dass die zusätzlich zu einem anderen Zytostatikum mit Ukrain behandelten Patienten eine längere Überlebenszeit bei Bauchspeicheldrüsenkrebs hatten.<ref>Gansauge F, Ramadani M, Schwarz M, Beger HG, Lotspeich E, Poch B (2007): The clinical efficacy of adjuvant systemic chemotherapy with gemcitabine and NSC-631570 in advanced pancreatic cancer. Hepatogastroenterology 54(75):917-20</ref><ref>Gansauge F, Ramadani M, Pressmar J, Gansauge S, Muehling B, Stecker K, Cammerer G, Leder G, Beger HG (2002): NSC-631570 (Ukrain) in the palliative treatment of pancreatic cancer. Results of a phase II trial. Langenbecks Arch Surg. 386(8):570-4. Epub 2002 Feb 13</ref>
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Ein Vergleich von Ukrain mit Schöllkrautextrakten und Thiotepa an der Kinderklinik in Münster zeigte, dass Ukrain im Reagenzglas gegen einen bestimmten Tumor (Ewing-Sarkom) nicht wirksamer als herkömmliche bekannte Zytostatika war.<ref>Lanvers-Kaminsky C, Nolting DM, Köster J, Schröder A, Sandkötter J, Boos J (2006): In-vitro toxicity of Ukrain against human Ewing tumor cell lines. Anticancer Drugs 17(9):1025-30</ref> Zwei an der Universität Ulm durchgeführte Studien an 90 und 30 Patienten zeigten, dass die zusätzlich zu einem anderen Zytostatikum mit Ukrain behandelten Patienten eine längere Überlebenszeit bei Bauchspeicheldrüsenkrebs hatten.<ref>Gansauge F, Ramadani M, Schwarz M, Beger HG, Lotspeich E, Poch B (2007): The clinical efficacy of adjuvant systemic chemotherapy with gemcitabine and NSC-631570 in advanced pancreatic cancer. Hepatogastroenterology 54(75):917-20</ref><ref>Gansauge F, Ramadani M, Pressmar J, Gansauge S, Muehling B, Stecker K, Cammerer G, Leder G, Beger HG (2002): NSC-631570 (Ukrain) in the palliative treatment of pancreatic cancer. Results of a phase II trial. Langenbecks Arch Surg. 386(8):570-4. Epub 2002 Feb 13</ref> Allderdings wurden auch diesen Studien schwerwiegende Mängel festgestellt, zumal der Hersteller von Ukrain erhebliche Sach- und Drittmittel geleistet hat.
    
==Vorwurf der Manipulation wissenschaftlichen Daten==
 
==Vorwurf der Manipulation wissenschaftlichen Daten==
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==Rechtlicher Status==
 
==Rechtlicher Status==
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Trotz fehlender Zulassung als Arzneimittel in EU-Ländern, der Schweiz oder auch anderen westlichen Industrieländern wird Ukrain zur Behandlung verschiedener Krebsformen propagiert. In Österreich wurde ein 1986 gestellter Zulassungsantrag vom damals zuständigen Bundesministerium für Gesundheit und Konsumentenschutz im Juni 1995 abgelehnt, auch aktuell warnt das Bundesamt für Sicherheit im Gesundheitswesen (BASG) vor der Anwendung von Ukrain, das nach wie vor in verschiedenen EU-Staaten in erheblichen Mengen ungesetzlich vermarktet wird. Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) hat Ukrain als bedenkliches Arzneimittel eingestuft, weswegen das Inverkehrbringen und die Anwendung an Patienten in Deutschland ausnahmslos verboten sind
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Ukrain ist angeblich in Weißrussland als Medikament zugelassen. Eine ehemalige Zulassung von Ukrain in der Ukraine wurde inzwischen dort widerrufen.<ref>[http://www.aerzteblatt.de/v4/archiv/artikel.asp?id=26084 Mitteilungen: Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft Zur Anwendung des Präparates „UKRAIN“ in der Krebstherapie. Dtsch Arztebl 2001; 98(7): A-418 / B-339 / C-317]</ref> Vom österreichischen Gesundheitsministerium wurde die Marktzulassung als Arzneimittel wegen unzureichender Unterlagen und fehlender Wirksamkeitsnachweise abgelehnt. Auf dem grauen Arzneimittelmarkt betragen die Behandlungskosten ca. 3.000 Euro/Woche.<ref>Hopf G: ''Ukrain® - Fortschritt oder Rückschritt in der medikamentösen Therapie onkologischer Erkrankungen''. In ''Wissenschaft & Forschung'' 34/2002, 31−6</ref><ref>Der Arzneimittelbrief, 33/1999, Nr. 8</ref> Die Kosten werden von den Krankenkassen nicht übernommen. Auch Beamte erhalten keine Zahlungen aus der sogenannten Beihilfe bei der Behandlung mit Ukrain.<ref>[http://www.medizinrecht-aktuell.de/gebuehrenrecht/18/ Thomas Ufer: Keine Beihilfefähigkeit für die Behandlung mit „Ukrain“. Medizinrecht-Aktuell.de, 18. August 2006]</ref> Die Studiengruppe ''Methoden mit unbewiesener Wirksamkeit in der Onkologie'' der Schweizerischen Krebsliga schrieb 1995, dass keine Beweise für die Wirksamkeit von Ukrain gegen Krebs vorlägen. Von der Anwendung in der Krebstherapie rät die Gruppe ab. Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft,<ref>[http://www.akdae.de/Arzneimittelsicherheit/Bekanntgaben/Archiv/2001/20010216.html Zur Anwendung des Präparates "UKRAIN" in der Krebstherapie. Gemeinsame Stellungnahme der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft und der Deutschen Krebsgesellschaft e.V., 2001]</ref> die Deutsche Krebsgesellschaft e.V. und das Bundesinstitut für Arzneimittel<ref name="bfarm2001">[http://www.bfarm.de/DE/BfArM/Presse/mitteil2001/pm16-2001.html BfArM warnt vor den Präparaten "Galavit" und "Ukrain". Pressemitteilung des BfArM vom 23.08.2001]</ref> kamen 2001 zum gleichen Ergebnis.
 
Ukrain ist angeblich in Weißrussland als Medikament zugelassen. Eine ehemalige Zulassung von Ukrain in der Ukraine wurde inzwischen dort widerrufen.<ref>[http://www.aerzteblatt.de/v4/archiv/artikel.asp?id=26084 Mitteilungen: Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft Zur Anwendung des Präparates „UKRAIN“ in der Krebstherapie. Dtsch Arztebl 2001; 98(7): A-418 / B-339 / C-317]</ref> Vom österreichischen Gesundheitsministerium wurde die Marktzulassung als Arzneimittel wegen unzureichender Unterlagen und fehlender Wirksamkeitsnachweise abgelehnt. Auf dem grauen Arzneimittelmarkt betragen die Behandlungskosten ca. 3.000 Euro/Woche.<ref>Hopf G: ''Ukrain® - Fortschritt oder Rückschritt in der medikamentösen Therapie onkologischer Erkrankungen''. In ''Wissenschaft & Forschung'' 34/2002, 31−6</ref><ref>Der Arzneimittelbrief, 33/1999, Nr. 8</ref> Die Kosten werden von den Krankenkassen nicht übernommen. Auch Beamte erhalten keine Zahlungen aus der sogenannten Beihilfe bei der Behandlung mit Ukrain.<ref>[http://www.medizinrecht-aktuell.de/gebuehrenrecht/18/ Thomas Ufer: Keine Beihilfefähigkeit für die Behandlung mit „Ukrain“. Medizinrecht-Aktuell.de, 18. August 2006]</ref> Die Studiengruppe ''Methoden mit unbewiesener Wirksamkeit in der Onkologie'' der Schweizerischen Krebsliga schrieb 1995, dass keine Beweise für die Wirksamkeit von Ukrain gegen Krebs vorlägen. Von der Anwendung in der Krebstherapie rät die Gruppe ab. Die Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft,<ref>[http://www.akdae.de/Arzneimittelsicherheit/Bekanntgaben/Archiv/2001/20010216.html Zur Anwendung des Präparates "UKRAIN" in der Krebstherapie. Gemeinsame Stellungnahme der Arzneimittelkommission der deutschen Ärzteschaft und der Deutschen Krebsgesellschaft e.V., 2001]</ref> die Deutsche Krebsgesellschaft e.V. und das Bundesinstitut für Arzneimittel<ref name="bfarm2001">[http://www.bfarm.de/DE/BfArM/Presse/mitteil2001/pm16-2001.html BfArM warnt vor den Präparaten "Galavit" und "Ukrain". Pressemitteilung des BfArM vom 23.08.2001]</ref> kamen 2001 zum gleichen Ergebnis.
  
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