Piezonukleare Reaktion

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Fabio Cardone

Als Piezonukleare Reaktion (von gr. piezo Druck, engl. piezonuclear fission oder piezonuclear reaction) werden weitgehend außerhalb der akademischen Physik diskutierte und hypothetisch gebliebene atomare Kernspaltungsprozesse verstanden, die alleine durch einen hohen Druck bei nicht radioaktiven Elementen auftreten sollen. Die Reaktionen sollen laut der Hypothese Energie liefern, keine ionisierende Strahlung erzeugen und auch keinen radioaktiven Abfall hinterlassen. Die Hypothese piezonuklearer Reaktionen geht auf die Italiener Fabio Cardone und Roberto Magnani (Professor für theoretische Physik in Rom) zurück, die ab 2003 zu dem Thema forschten. 2009 erschienen bei der nicht peer-reviewten Onlinepublikation arXiv mehrere Artikel des Italieners Fabio Cardone (Institut für nanostrukturierte Materialforschung in Rom) zum Thema piezonuklearer Reaktionen. Berichtet wurde über einen Anstieg von Neutronen-Emission bei der Zerkleinerung von Marmor und Granit. Die Autoren vermuteten dass die Gesteinszerkleinerung zu piezonuklearen Spaltungen von Eisenatomen geführt hätte. Die Eisenatome wären demnach zu zwei Aluminiumatomen gespalten worden. Cardone und Magnani berichteten über Experimente mit Eisenchlorid bei denen Neutronenstrahlung aufgetreten sei nachdem Ultraschallschwingungen hoher Intensität eingesetzt wurden. Auf beide geht wohl auch der Begriff der "piezonuklearen Reaktion" zurück. Ein aktuell in Italien bekannter Befürworter der piezonuklearen Reaktionen ist der italienische Bauingenieur Alberto Carpintieri.

In der italienischsprachigen[1] und der französischsprachigen Wikipedia existiert jeweils ein Artikel zu diesem Thema. In der deutschsprachigen Wikipedia wurde ein Artikel dieses Namens gelöscht.[2][3] In der englischsprachigen Wikipedia wird unter "piezonuclear fission" auf einen Artikel zu Alberto Carpinteri verlinkt.

Zuweilen wird auch behauptet, dass bei den gemeinten piezonuklearen Reaktionen nicht Kernspaltungen sondern Kernfusionen stattfinden würden. Siehe dazu auch wissenschaftliche Betrügereien im Zusammenhang mit der Sonofusion.

Weitere Behauptungen beziehen sich auf eine angeblich mögliche Verkürzung der Halbwertzeit (beispielsweise auf ein Zehntausendstel) von radioaktiven Isotopen durch die piezonuklearen Reaktionen. Somit wären diese auch dazu geeignet radioaktive Abfälle zu dekontaminieren. Tatsächlich hatten Cardone und Mitarbeiter in der Zeitschrift Physics Letters A im Jahre 2009 behauptet das Thoriumisotop 228Th in wässriger Lösung durch Beschallung mit Ultraschall (20 kHz, 100 W Leistung) 10.000 mal schneller zum spontanen Zerfall anzuregen.[4] Ihr Bericht wurde in mehreren "comments" im journal jedoch kritisiert und in Frage gestellt.

Hypothese der piezonuklearen Reaktion

Laut Hypothese sollen hohe Drücke eine subatomare "Veränderung der Raumzeit" bewirken, die ursächlich sei für Kernspaltungen. Der Druck soll durch Ultraschall bewirkt werden. Derartige Vorgänge sind mit aktuellen Kenntnissen der Kernphysik nicht vereinbar. Dennoch wurden in Italien öffentliche Gelder zur Finanzierung der gemeinten piezonuklearen Reaktionen bewilligt, was dort zu Kritik führte.[5]

Wie einem "geleaktem" Dokument zu entnehmen ist, planten italienische Befürworter einer piezonuklearen Kernspaltung einen vom italienischen Staat zu finanzierenden Reaktor. Bei einer Einstrahlung von 2 kW Ultraschalleistung sollen 3 kW thermische Energie durch Kernspaltung von Eisenatomen freigesetzt werden, bei gleichzeitiger 1,5 MeV Neutronenstrahlung. Für 120 bis 300 Millionen Euro soll ein 1,2 MW Reaktor entstehen. 500 weitere Millionen soll die Entwicklung eines weiteren, leistungsstärkeren Reaktors kosten.[6] Italienische Journalisten deckten auf, dass mehrere der Beteiligten Mitglieder der Partei PDL (Fusion aus der postfaschistischen Alleanza Nazionale und der Forza Italia von Silvio Berlusconi) waren und Planungen bestanden politische Ämter und einflussreiche Posten in öffentlichen Einrichtungen für ihre Interessen zu nutzen.

Alberto Carpinteri

Der habilitierte Bauingenieur Alberto Carpinteri ist Professor am Turiner Politecnico und war seit 2011 Direktor des Turiner "Istituto Nazionale di Ricerca Metrologica" (INRIM), vergleichbar mit der deutschen Physikalisch-technischen Bundesanstalt (PTB). Nach Antritt als Direktor befasste sich Carpinteri am Institut mit Forschungen zu den piezonuklearen Reaktionen. 2012 kam es zu Protesten gegen Carpinteri unter den Wissenschaftlern des INRIM. Sie warfen diesem vor, öffentliche Institutsgelder durch weitere Forschungen zu den piezonuklearen Reaktionen zu verschwenden. Über 1000 italienische Wissenschaftler, darunter 50 vom INRIM, beschwerten sich zudem bei zuständigen Wissenschaftsminister Profumo.[7] Der Wortlaut ist hier zu lesen. Der Minister beschloss am 24. Dezember 2012 das INRIM-Institut kommissarisch leiten zu lassen.[8]

Patentanmeldungen und zurückgenommene Patentanmeldungen

Patent der Firma startec srl zu einer Kernspaltung durch Ultraschall
  • WO2008041253 - APPARATUS AND PROCESS FOR THE QUENCHING OF THE RADIOACTIVITY OF RADIOACTIVE MATERIALS BY MEANS OF PIEZONUCLEAR REACTIONS INDUCED BY ULTRASOUNDS AND CAVITATION, Anmeldung zurückgenommen[9]
  • WO2008041255 - PROCESS AND PLANT FOR THE PRODUCTION OF ENDOTHERMIC AND EXOTHERMIC PIEZONUCLEAR REACTIONS BY MEANS OF ULTRASOUNDS AND THE CAVITATION OF SUBSTANCES, Anmeldung zurückgenommen[10]
  • WO2008041254 - APPARATUS AND PROCESS FOR THE PRODUCTION OF NEUTRONS BY MEANS OF ULTRASOUNDS AND THE CAVITATION OF SUBSTANCES, Anmeldung zurückgenommen[11]
  • MI2010A001263, "dispositivo e metodo per rilasciare neutroni" (Vorrichtung und Methode zur Freisetzung von Neutronen), Erfinder: Cardone F, Monti M, Sala V, italienisches Patent der Firma Startec srl aus Brugherio bei Mailand[12]

Literatur

Fachliteratur aus Befürwortersicht findet sich unter anderem in "strain", einer Bauingenieur-Zeitschrift, in der Alberto Carpinteri Mitglied des editorial board ist.

  • A. Carpinteri, G. Lacidogna, A. Manuello, O. Borla, "Piezonuclear Fission Reactions in Rocks: Evidences from Microchemical Analysis, Neutron Emission, and Geological Transformation", Rock Mech Rock Eng DOI 10.1007/s00603-011-0217-7 Text
  • Fabio Cardone, Roberto Mignani, Andrea Petrucci, Piezonuclear decay of thorium, Physics Letters A, Volume 373, Issue 22, 11 May 2009, Seiten 1956–1958 Artikel
  • Cardone, F.: Piezonuclear reactions and Lorentz invariance breakdown, International Journal of Modern Physics E 15, 4, 911 (2006)
  • http://arxiv.org/abs/0910.3501
  • http://www.cenjur.de/energie/piezonuclearneutrons0812.1272v13.pdf

Weblinks

Quellennachweise

Siehe auch