Änderungen

Zur Navigation springen Zur Suche springen
4 Bytes hinzugefügt ,  16:44, 12. Mai 2014
K
keine Bearbeitungszusammenfassung
Zeile 9: Zeile 9:  
Galen entwickelte ein sehr umfangreiches literarisches Konzept. Zum Teil wiederholte, kommentierte und ergänzte er die Schriften des Hippokrates (Corpus Hippocraticum), zum Teil übernahm er die Inhalte der Schriften der Ärzte Artemidorus Kaption (2. Jhdt. n. Chr.), Kallimachos (um 200 v. Chr.), Dioskurides Phakas (um 100 v. Chr.) und Erotianus (1. Jhdt. n. Chr.).
 
Galen entwickelte ein sehr umfangreiches literarisches Konzept. Zum Teil wiederholte, kommentierte und ergänzte er die Schriften des Hippokrates (Corpus Hippocraticum), zum Teil übernahm er die Inhalte der Schriften der Ärzte Artemidorus Kaption (2. Jhdt. n. Chr.), Kallimachos (um 200 v. Chr.), Dioskurides Phakas (um 100 v. Chr.) und Erotianus (1. Jhdt. n. Chr.).
   −
Aus diesen Schriften entwickelte Galen das Konzept der sog. Humoralpathologie als einer Vereinigung der vor seiner Zeit entstandenen Qualitäten-, Elementen- und Säftelehren. Seine Vorstellung von Krankheit basierte auf antiken griechischen Vorstellungen, wie sie z.B. von Empedokles (gest. ca. 435 v. Chr.) mit seiner [[Vier-Elemente-Lehre|Vier-Elemente-Theorie]] (Feuer, Wasser, Erde, Luft) oder den vier Elementarqualitäten (warm, kalt, feucht, trocken) des Zenon (gest. ca. 264 v. Chr.) vertreten worden waren.
+
Aus diesen Schriften entwickelte Galen das Konzept der sogenannten Humoralpathologie als eine Vereinigung der vor seiner Zeit entstandenen Qualitäten-, Elementen- und Säftelehren. Seine Vorstellung von Krankheit basierte auf antiken griechischen Vorstellungen, wie sie z.B. von Empedokles (gest. ca. 435 v. Chr.) mit seiner [[Vier-Elemente-Lehre|Vier-Elemente-Theorie]] (Feuer, Wasser, Erde, Luft) oder den vier Elementarqualitäten (warm, kalt, feucht, trocken) des Zenon (gest. ca. 264 v. Chr.) vertreten worden waren.
    
==Geschichte==
 
==Geschichte==
Zeile 17: Zeile 17:  
#Blut (latein.: sanguis) soll in der Leber (Plasma) aus dem rohen Pneuma der Atemluft gebildet werden und sei der konstituierende Saft der Sanguiniker und dem Element Luft, dem Morgen, dem Frühling und der Kindheit zugeordnet. Einen bestimmenden Einfluss üben neben den Sternzeichen Waage, Wassermann und Zwilling auch der Planet Jupiter aus.  
 
#Blut (latein.: sanguis) soll in der Leber (Plasma) aus dem rohen Pneuma der Atemluft gebildet werden und sei der konstituierende Saft der Sanguiniker und dem Element Luft, dem Morgen, dem Frühling und der Kindheit zugeordnet. Einen bestimmenden Einfluss üben neben den Sternzeichen Waage, Wassermann und Zwilling auch der Planet Jupiter aus.  
 
#Gelbe Galle (= griech.: cholé) soll aus der Leber stammen, wird den Cholerikern sowie dem Element Feuer, dem Sommer, der Jugend, dem Mittag und den Sternzeichen Löwe, Widder, Schütze sowie dem Planeten Mars zugeordnet.  
 
#Gelbe Galle (= griech.: cholé) soll aus der Leber stammen, wird den Cholerikern sowie dem Element Feuer, dem Sommer, der Jugend, dem Mittag und den Sternzeichen Löwe, Widder, Schütze sowie dem Planeten Mars zugeordnet.  
#Schwarze Galle (= griech.: mélaina cholé) soll in der Milz produziert werden und den Charakter der Melancholiker bestimmen. Sie ist dem Element Erde, dem Herbst, dem Erwachsenenalter, dem Nachmittag und den Sternzeichen Jungfrau, Steinbock, Stier sowie dem Planeten Saturn zugeordnet.  
+
#Schwarze Galle (= griech.: mélaina cholé) soll in der Milz produziert werden und den Charakter der Melancholiker bestimmen. Sie ist dem Element Erde, dem Herbst, dem Erwachsenenalter, dem Nachmittag und den Sternzeichen Jungfrau, Steinbock, Stier sowie dem Planeten Saturn zugeordnet.  
 
#Schleim (= griech.: phlégma) soll im Gehirn produziert werden, bestimmt das Wesen der Phlegmatiker. Sie habe Bezug zum Element Wasser, dem Abend, dem Winter und dem Greisenalter sowie den Sternzeichen Krebs, Fische, Skorpion und dem Mond.  
 
#Schleim (= griech.: phlégma) soll im Gehirn produziert werden, bestimmt das Wesen der Phlegmatiker. Sie habe Bezug zum Element Wasser, dem Abend, dem Winter und dem Greisenalter sowie den Sternzeichen Krebs, Fische, Skorpion und dem Mond.  
   Zeile 34: Zeile 34:     
==Heutige Bedeutung==
 
==Heutige Bedeutung==
Anklänge an die Galen'schen Vorstellungen zeigen sich heute in zahlreichen pseudomedizinischen Konzepten und Verfahren, wie z.B. [[Entschlackung]], [[Aderlass]], [[Schröpfen]], [[Darmreinigung]], [[Leberreinigung]], [[Heilfasten]] usw. Teile der Galen'schen Ernährungslehre zeigen gewisse Parallelen zu Aspekten, die in der New-Age-Szene auch heute noch propagiert werden.
+
Anklänge an die Galen'schen Vorstellungen zeigen sich heute in zahlreichen pseudomedizinischen Konzepten und Verfahren, wie z.B. [[Entschlackung]], [[Aderlass]], [[Schröpfen]], [[Darmreinigung]], [[Leberreinigung]], [[Heilfasten]] usw. Teile der Galen'schen Ernährungslehre zeigen gewisse Parallelen zu Aspekten, die in der New-Age-Szene auch heute noch propagiert werden:
    
* Die erste Verdauungsstufe erfolge in der Milz. Aus der Nahrung entstehe Chylus, dessen schlechte Anteile als schwarze Galle über Magen und Darm ausgeschieden würden, während die reinen Anteile in die Leber gelängen.
 
* Die erste Verdauungsstufe erfolge in der Milz. Aus der Nahrung entstehe Chylus, dessen schlechte Anteile als schwarze Galle über Magen und Darm ausgeschieden würden, während die reinen Anteile in die Leber gelängen.
Zeile 40: Zeile 40:  
* Die dritte Verdauungsstufe erfolge in den Organen, die durch das Blut regeneriert würden. Dabei würde das Blut vollständig aufgebraucht und seine Abfallprodukte als Schweiß ausgeschieden.  
 
* Die dritte Verdauungsstufe erfolge in den Organen, die durch das Blut regeneriert würden. Dabei würde das Blut vollständig aufgebraucht und seine Abfallprodukte als Schweiß ausgeschieden.  
   −
Es läßt sich erkennen, dass demnach das '[[Entgiftung|Ausschwitzen von Schlacken]]', wie es heute noch in der naturheilkundlichen Szene propagiert wird, eindeutig der Galen'schen Lehre zuzuordnen ist. Schlacken gibt es im Organismus nicht.  
+
Es lässt sich erkennen, dass demnach das '[[Entgiftung|Ausschwitzen von Schlacken]]', wie es heute noch in der naturheilkundlichen Szene propagiert wird, eindeutig der Galen'schen Lehre zuzuordnen ist. Schlacken gibt es im Organismus nicht.  
    
==Kritik==
 
==Kritik==
Zeile 49: Zeile 49:  
Aber der eigentliche Todesstoß wurde der Galen'schen Säftelehre nie versetzt. Schon Versal, der durch seine Sektionen allen Grund gehabt hätte, die Lehre des Galen umzustürzen, vermied die offene Konfrontation mit den damaligen, mächtigen Verfechtern der Galen'schen Lehren. So fand Versal eindeutig kein anatomisches Korrelat für die Diffusion des Blutes von der rechten in die linke Herzkammer, begründete aber sein Unvermögen, die dafür notwendigen Poren nachzuweisen, damit, dass die Poren wohl so winzig seien, dass sie für ihn bzw. das menschliche Auge nicht mehr erkennbar seien. Versal trug mit seinen harmonisierenden Tendenzen, nämlich die Galen'sche Lehre und die Sektionslehre zu integrieren, eher dazu bei, das Bild der Galen'schen Lehre zu stützen als es zu revidieren. Aus heutiger Sicht kann man Versal seine Haltung nicht zum Vorwurf machen, da auch heute noch gerade im rückwärtsgewandten Bereich der Komplementär- und [[Alternativmedizin]] jene Strömungen dominieren, die auf die Galen'schen Vorstellungen zurückzuführen sind. Gerade solche Säftepathologen sind es, die dem unwissenden Verbraucher harmlos und logisch erscheinende (inhaltlich aber in der Regel grob falsche) Erklärungstheorien für quacksalberische Methoden andienen. Fachwissen ist ein Feind solcher Kreise, weshalb gerade laienverständliche Information von Säftepathologen auch heute noch heftig bekämpft wird.
 
Aber der eigentliche Todesstoß wurde der Galen'schen Säftelehre nie versetzt. Schon Versal, der durch seine Sektionen allen Grund gehabt hätte, die Lehre des Galen umzustürzen, vermied die offene Konfrontation mit den damaligen, mächtigen Verfechtern der Galen'schen Lehren. So fand Versal eindeutig kein anatomisches Korrelat für die Diffusion des Blutes von der rechten in die linke Herzkammer, begründete aber sein Unvermögen, die dafür notwendigen Poren nachzuweisen, damit, dass die Poren wohl so winzig seien, dass sie für ihn bzw. das menschliche Auge nicht mehr erkennbar seien. Versal trug mit seinen harmonisierenden Tendenzen, nämlich die Galen'sche Lehre und die Sektionslehre zu integrieren, eher dazu bei, das Bild der Galen'schen Lehre zu stützen als es zu revidieren. Aus heutiger Sicht kann man Versal seine Haltung nicht zum Vorwurf machen, da auch heute noch gerade im rückwärtsgewandten Bereich der Komplementär- und [[Alternativmedizin]] jene Strömungen dominieren, die auf die Galen'schen Vorstellungen zurückzuführen sind. Gerade solche Säftepathologen sind es, die dem unwissenden Verbraucher harmlos und logisch erscheinende (inhaltlich aber in der Regel grob falsche) Erklärungstheorien für quacksalberische Methoden andienen. Fachwissen ist ein Feind solcher Kreise, weshalb gerade laienverständliche Information von Säftepathologen auch heute noch heftig bekämpft wird.
   −
Dass die Galen'sche Denkweise in der Vergangenheit nicht offen abgelehnt oder widerlegt wurde, mag auch ein Grund dafür sein kann, dass sich so manches pseudomedizinisches Behandlungssystem (z.B. [[Urintherapie|Eigenurintherapie]], ausleitende Verfahren, [[Colon-Hydro-Therapie]], [[Baunscheidtismus]]) als 'neues' Therapiekonzept etablieren konnte. Solche Systeme sind nichts anders als modernisierte Auflagen der immer gleichen alten und längst überholten Galen'schen Ideologien.
+
Dass die Galen'sche Denkweise in der Vergangenheit nicht offen abgelehnt oder widerlegt wurde, mag auch ein Grund dafür sein kann, dass sich so manches pseudomedizinische Behandlungssystem (z.B. [[Urintherapie|Eigenurintherapie]], ausleitende Verfahren, [[Colon-Hydro-Therapie]], [[Baunscheidtismus]]) als 'neues' Therapiekonzept etablieren konnte. Solche Systeme sind nichts anders als modernisierte Auflagen der immer gleichen alten und längst überholten Galen'schen Ideologien.
    
==Quellennachweise==
 
==Quellennachweise==
8.396

Bearbeitungen

Navigationsmenü