Heilpraktiker (HP) ist in Deutschland eine Bezeichnung für Personen, die auch ohne medizinische Ausbildung kranke Menschen behandeln dürfen. Zur Ausübung genügt ein Hauptschulabschluss, das Alter von 25 Jahren, ein ärztliches Attest, ein polizeiliches Führungszeugnis und ein Test beim Gesundheitsamt, dessen Ziel es ist, zu prüfen, ob der angehende HPs eine Gefahr für die öffentliche Gesundheit darstellt. Dazu muss per Multiple Choice (60 Fragen, von denen 45 richtig sein müssen) und einer mündlichen Prüfung gezeigt werden, dass man in der Lage ist, allgemeingefährdende Infektionskrankheiten und akute Krankheitszustände zu erkennen und sie umgehend an ausgebildete Ärzte weiterzuleiten. Weiterhin werden Grundlagen der Hygiene und der Differentialdiagnose abgefragt. Eine Prüfung, wie und nach welchem Konzept ein zukünftiger HP seine Kunden zu heilen plant, gibt es nicht. HPs dürfen auch chirurgische Eingriffe vornehmen.

Esowatch-Kommentar zum Thema Heilpraktiker

Dass HPs so groß im Geschäft sind, hat im Wesentlichen zwei Gründe:

Die Veränderung des Krankheitsbegriffes

Der allgemein gute Gesundheitsstatus einer modernen Gesellschaft bedingt, dass wir heute etwas als behandlungsbedürftige Erkrankung empfinden, was unsere Vorfahren, geplagt von üblen Infektionskrankheiten, Seuchen und hoher Kindersterblichkeit eher als unbedeutend abgetan hätten. Entsprechend sind die wirklich ernsten Erkrankungen unter der Gesamtzahl der behandelten Fälle stark zurückgegangen. So geht man davon aus, dass ca. 80% der Arzt/HP-Besuche Erkrankungen betreffen, die sowieso von selbst wieder verschwinden.

Eine solche Situation bringt natürlich alles, was es so an Quacksalberei gibt, zum Erblühen, da es in den meisten Fällen tatsächlich egal ist, was man tut.

Dass dies nicht aus der Luft gegriffen ist, kann man an zwei Phänomenen belegen:

  • HPs "behandeln" mit Vorliebe Erkrankungen, von denen bekannt ist, dass sie in Schüben verlaufen und/oder in den meisten Fällen sowieso remissieren, wie z.B. Neurodermitis, welche eine für HPs geradezu ideale Erkrankung darstellt: Hoher Leidensdruck, aber nicht lebensbedrohlich, in Schüben verlaufend und in der Regel "auswachsend". Hier können die HPs ihre hohe Kunst des Verknüpfens koinzidenter Ereignisse zur angeblichen Kausalität besonders gut ausspielen.
  • In keinem Land dieser Erde, in dem epidemische, ernsthafte Krankheiten verbreitet sind, können HPs Fuß fassen. In solchen Ländern ist die Überlegenheit moderner Medizin für jeden evident sichtbar. Also überall dort, wo man tatsächlich oft etwas wirksames tun muss und nicht nur so tun als ob.

Das Abrechnungswesen des Gesundheitssystems

Dieses treibt auch viele zum HP. Solange Ärzte mit einer lächerlichen Honorierung für Beratungsgespräche abgespeist werden, werden auch HPs Zulauf haben, bei denen sich der Kunde endlich aussprechen kann und sich mit seinen Ängsten ernstgenommen fühlt. Das geht, weil HPs nicht nach Gebührenordnungen, sondern nach Zeit zu einem beliebigen Stundensatz abrechnen.

(Eine richtig fiese Maßnahme wäre, HPs in die ärztliche Gebührenordnung mit einzubeziehen. Sie wären sehr schnell nur noch kurz angebunden ...)

Die HP-Regelung, ebenso die Ausnahmeregelung bzgl. des Wirksamkeitsnachweises für "Arzneimittel" der besonderen Therapierichtungen sind ein Anachronismus, eine Schande für eine angeblich aufgeklärte Gesellschaft.

Man muss HPs nicht persönlich angreifen (außer offensichtliche Pfuscher). Viele glauben an das, was sie tun und sind nicht in der Lage, die echten Ursachen für das zu sehen, was ihnen wie "Erfolge" vorkommt.

Die HP-Prüfung ist nach wie vor lächerlich: Man muss zwar ein paar Sachen lernen, geprüft wird aber lediglich, ob der HP eine Gefahr für die öffentliche Gesundheit wäre. Der angehende HP muss zeigen, dass er bestimmte Infektionskrankheiten oder das Vorliegen einer akuten Situation erkennen kann. Das ist ungefähr so, als wenn man einen Pilotenschein bekommen würde, wenn man weiß, wo man nicht hinfliegen darf und wie man einen Notruf absetzt, ohne dass die Fähigkeit, ein Flugzeug zu fliegen, geprüft würde.

Überschätzungen eigener Fähigkeiten und die tödlichen Folgen

HPs müssen schwerkranke Patienten zum Arzt schicken. Einem Heilpraktiker, der diese Grenzen nicht erkennt bzw. nicht danach handelt, kann die Berufserlaubnis entzogen werden. Das hat der Verwaltungsgrichtshof Baden-Württemberg angelegentlich einer schwerwiegenden Fehldiagnose im Jahr 2008 entschieden. [1] Patienten dürfen nicht im Glauben gelassen werden, der Besuch beim HP ersetze eine ärztliche Behandlung, so der Richter. Ein HP hatte geklagt, nachdem er seine Zulassung verloren hatte. Er hatte einer seiner Patientinnen mit einer bioelektrischen Bioresonanzmethode untersucht. Mit dieser Art der Elektro-Akupunktur hatte er einen Krebstumor in ihrer Brust als vermeintlich gutartige Wucherung erklärt. An dieser Diagnose hielt er bis zuletzt fest. Auch als das Geschwür auf eine Größe von 24 Zentimeter Durchmesser angewachsen und aufgebrochen war und die Patientin bereits stark an Gewicht verloren hatte. Ein Arzt diagnostizierte dagegen einen bösartigen Tumor mit Tochtergeschwülsten. An dessen Folgen starb die Frau. Dem Mann sei die HP-Erlaubnis zu Recht entzogen worden, urteilte das Gericht. Sein Verhalten rechtfertige den Schluss, dass ihm die für die Berufsausübung erforderliche Zuverlässigkeit fehle und die Volksgesundheit gefährdet sei, wenn er die Heilkunde ausübe. [1]

Literatur

  • Ich geh kaputt... Heilpraktiker-Test in: Ökotest Heft 02 Februar 2005

Weblinks

Quellennachweise

  1. AZ 9 S 1782/08