Die Christengemeinschaft ist eine esoterisch-christliche Kirche, die sich als von der Anthroposophie inspirierte, aber selbständige Kultusgemeinschaft versteht. Sie wurde im September 1922 in Dornach (Schweiz) von einer Gruppe von Theologen meist evangelischer Herkunft unter der Leitung von Friedrich Rittelmeyer und Rudolf Steiner gegründet.[1]

Friedrich Rittelmeyer stammte aus Franken und war erst in Nürnberg, später in Berlin evangelischer Pfarrer. Er hörte in Berlin die Vorträge Steiners und war von ihm so begeistert, dass er 1922 in Stuttgart eine eigene Kirche, die Christengemeinschaft, gründete. Er versuchte, Steiners anthroposophische Erkenntnisse mit der biblischen Verkündigung zu verbinden in der Überzeugung, dass sich erst dadurch der tiefste Sinn der Heiligen Schrift erschließe.[2]

Verbreitung

Die Christengemeinschaft ist in 32 Ländern vertreten und hat weltweit etwa 35.000 Mitglieder.

In Deutschland gibt es etwa 140 Gemeinden, in der Schweiz 14, in Österreich 6. Es existieren heute Gemeinden in allen fünf Erdteilen. In Deutschland hatte die Christengemeinschaft im Jahr 2002 etwa 10.000 Mitglieder sowie 50.000 Freunde. Nach anderer Quelle sind es 20.000 Mitglieder. Zu bedenken ist, dass für die Christengemeinschaft die getauften Kinder nicht als Mitglieder zählen, sondern nur Erwachsene, die in jedem Fall selbständig beitreten müssen.

Seit 1933 besteht in Stuttgart ein Priesterseminar, seit 2001 eines in Hamburg, seit 2003 ein weiteres in Chicago.

Aufbau der Organisation

In Deutschland sind die Gemeinden regional zu Körperschaften des öffentlichen Rechts zusammengeschlossen. Die Christengemeinschaft hat damit die gleichen Rechte und Pflichten wie die anderen als Körperschaften des öffentlichen Rechts anerkannten Religionsgemeinschaften. Auf das Recht der Einziehung von Kirchensteuern durch den Staat verzichtet die Christengemeinschaft jedoch ausdrücklich. Sie wird finanziell durch freiwillige Beiträge und Spenden ihrer Mitglieder und Freunde getragen. Das Gehalt der Priester richtet sich nach der wirtschaftlichen Situation der Gemeinde und erfolgt auf einer sozial geprägten Grundlage.

Die Christengemeinschaft ist hierarchisch aufgebaut. An der Spitze steht der Erzoberlenker. Er wird von zwei Oberlenkern, Lenkern und der Priestersynode beraten. Die Lenker üben in ihrem Gebiet die Funktion von Bischöfen aus. Frauen stand von Anfang an der Zugang zum Priesteramt offen. Die Zahl der Mitglieder in Deutschland liegt bei etwa 20 000 Personen.[1]

Die Christengemeinschaft betreibt auch eigene Waldorfkindergärten.[3]

Lehre

Eine offizielle, verbindliche Lehre gibt es nicht: Es gibt weder eine „Lehrgewalt“, noch haben die Träger der Lenkerämter eine „Weisungsbefugnis“ gegenüber den (mit der gleichen „Weihevollmacht“ versehenen) Pfarrern, sondern jeder Priester besitzt Lehrfreiheit – also keine Verpflichtung auf ein bestimmtes Glaubensbekenntnis – und gilt als voller Repräsentant der Christengemeinschaft, „soweit er nicht dem von ihm ausgeübten Kultus widerspricht“.

Die Christengemeinschaft stützt sich in ihrem Verständnis des Christentums einerseits auf die gesamte christliche Überlieferung, andererseits wesentlich auf die Anthroposophie, die in Übereinstimmung mit dem Alten und Neuen Testament in dem Tod und der Auferstehung Jesu Christi das entscheidende Mittelpunktsereignis der Menschheitsgeschichte sieht. Sie ist in Deutschland die einzige christliche Kirchengemeinschaft, die offen anthroposophisches Gedankengut in ihre Auseinandersetzung mit religiösen Fragen einbezieht. Sie sieht sich selbst „in der Entwicklung des Christentums an der Stelle, wo ein drittes großes christliches Zeitalter aufgeht“.

Die liturgischen Texte der Christengemeinschaft stammen im Wortlaut von Rudolf Steiner und werden als unantastbar betrachtet. Er dürfen keine Auffassungen vertreten werden, die dem Inhalt Steiners Kultus widersprechen.

Unterschiede zu christlichen Tradition

Christus wird in der Liturgie als der Sohnesgott – in der Dreifaltigkeit: Vater, Sohn und Heiliger Geist – bezeichnet. Dieser hat sich nach einigen Theologen der Christengemeinschaft für drei Jahre in Jesus von Nazareth inkarniert und hat in ihm den irdischen Tod erlebt. Nach seinem Tod am Kreuz und dessen Überwindung würde er zum „Ich“ der neu werdenden Erde, deren Aura sich veränderte und die dadurch auch einen Weg der Vergeistigung beträte. Die Wiederkunft Christi geschehe stufenweise, als ätherischer, astraler und kosmischer Christus. Der auferstandene Christus wird im Glaubensbekenntnis als „Herr der Himmelskräfte auf Erden“ bezeichnet.

Nach einigen ist der Mensch in seinem Kern, dem „Ich“, ein geistiges Wesen, in diesem Sinn ein „Ebenbild Gottes“. Dieses Ich entwickele sich aus einem gottgeschaffenen Keim in fortgesetzten Inkarnationen allmählich zu einer schöpferischen Individualität („Gleichnis Gottes“).

Anstelle der Schöpfungsglaubens einer „fertigen“ Welt der christlichen Kirchen postuliert die Anthroposophie einen immerwährenden Weltprozess, was in der Regel auch die Theologen der Christengemeinschaft vertreten. In einem früheren Weltenzustand seien Geist und Physis noch nicht getrennt (und die Physis weniger fest als heute). Der Kosmos mache eine stufenweise Entwicklung durch, hin zu einer Welt des Geistes, so verstanden als „Auferstehung des Fleisches“ hin zu einer (Wieder-)Einswerdung mit Gott.

Unterschiede zu den großen christlichen Kirchen zeigen sich auch in ihrem Verständnis der Taufe, die in der Christengemeinschaft im Regelfall nur bis zum 14. Lebensjahr vollzogen wird. Sie wird als Inkarnationshilfe verstanden: Die vorgeburtliche Seele soll in den menschlichen Körper einziehen. Als Taufsubstanzen dienen Wasser, Salz und Asche.[4]

Das Credo der Christengemeinschaft beinhaltet die Vorstellung von der Sündhaftigkeit des Menschen. Es ist demnach erkrankt und droht zu ersterben. Sünde wird wesentlich als „Krankheit an dem Leiblichen“ verstanden.

Im Mittelpunkt des Gemeindelebens stehen Kulthandlungen, insbesondere die Menschenweihehandlung, die täglich vollzogen wird. Der Kultus wird unter Beachtung des christlichen Kirchenjahres nach festgelegten liturgischen Formen von Priestern gehalten. Die Amtsträger erhalten eine Ausbildung und sind fest angestellt. Für eine Aufnahme in die Christengemeinschaft ist die Beziehung zum Kultus und den Sakramenten ausschlaggebend. Kirchenaustritt wird nicht erwartet, Doppelmitgliedschaft kommt vor.

Die Christengemeinschaft versteht sich selbst als religiöse Erneuerungsbewegung in einer geistesgeschichtlichen Umbruchsituation. Die Christengemeinschaft feiert wie die Katholische Kirche sieben Sakramente, die alle "in erneuerter Form" vorliegen: Taufe, Konfirmation, Beichtsakrament, Menschenweihehandlung, so heißt der regelmäßige Gottesdienst, Trauung, Priesterweihe und Sterbesakrament.[1]

Quellenverzeichnis


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