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Studien zur Wirksamkeit von Chitosan zum Abnehmen sind nicht einheitlich. Zwar ist im Reagenzglas die fettbindende Wirkung von Chitosan erwiesen, doch zeigt die Mehrheit der Untersuchungen, dass die mit dem Stuhl ausgeschiedene Fettmenge durch die Einnahme von Chitosan nicht ansteigt.
 
Studien zur Wirksamkeit von Chitosan zum Abnehmen sind nicht einheitlich. Zwar ist im Reagenzglas die fettbindende Wirkung von Chitosan erwiesen, doch zeigt die Mehrheit der Untersuchungen, dass die mit dem Stuhl ausgeschiedene Fettmenge durch die Einnahme von Chitosan nicht ansteigt.
 
   
 
   
Es liegen fünf medizinischen Studien mit insgesamt 386&nbsp;Patienten vor, die angeblich beweisen, dass Chitosan zu einer stärkeren Gewichtsabnahme als ein [[Placebo]] führt.<ref>arznei-telegramm: Abnehmen mit Chitosan (Redumin u.a.)? AT, Nr.3, 33, 2002</ref> Bis auf zehn Patienten mussten alle Teilnehmer aber zusätzlich zu Chitosan oder Placebo eine kalorienreduzierte Diät von etwa 1.100&nbsp;kcal pro Tag einhalten. Signifikante Gewichtsverluste wurden sowohl unter Chitosan als auch unter Scheinmedikament beobachtet, aber in vier der fünf Studien soll dieser Effekt unter Chitosan signifikant größer gewesen sein als unter Placebo. Das arznei-telegramm bewertet diese Studien jedoch wegen massiver methodischer Mängel (fehlende Angaben zur Chitosan-Dosis, fehlende Definition von primären und sekundären Zielkriterien, fehlende Power- und Fallzahlkalkulation sowie fragwürdige Randomisierung und Verblindung) als Makulatur.
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Es liegen fünf medizinischen Studien mit insgesamt 386&nbsp;Patienten vor, die angeblich beweisen, dass Chitosan zu einer stärkeren Gewichtsabnahme als ein [[Placebo]] führt.<ref>[Abnehmen mit Chitosan (Redumin u.a.)? arznei-telegramm 2002; 33: 3-4]</ref> Bis auf zehn Patienten mussten alle Teilnehmer aber zusätzlich zu Chitosan oder Placebo eine kalorienreduzierte Diät von etwa 1.100&nbsp;kcal pro Tag einhalten. Signifikante Gewichtsverluste wurden sowohl unter Chitosan als auch unter Scheinmedikament beobachtet, aber in vier der fünf Studien soll dieser Effekt unter Chitosan signifikant größer gewesen sein als unter Placebo. Das arznei-telegramm bewertet diese Studien jedoch wegen massiver methodischer Mängel (fehlende Angaben zur Chitosan-Dosis, fehlende Definition von primären und sekundären Zielkriterien, fehlende Power- und Fallzahlkalkulation sowie fragwürdige Randomisierung und Verblindung) als Makulatur.
 
   
 
   
 
In drei glaubhaften, hochwertigen klinischen Untersuchungen, in denen die Wirkung von Chitosan ohne zusätzliche Diät untersucht wurde, konnte bei insgesamt 169&nbsp;Patienten kein Unterschied zwischen Verum und Placebo nachgewiesen werden. Chitosan wirkte nicht zur Reduzierung des Körpergewichts.<ref>Woulijoki E Hirvela T, Ylitalo P: Decrease in serum LDL cholesterol with microcrystalline chitosan Methods Find Exp Clin Pharmacol, 21, 357-361, 1999</ref><ref>Pittler MH, Abbot NC, Harkness, EF, Ernst E: Randomized, double-blind trial of chitosan for body weight reduction. Eur J Clin Nutr, 53, 379-381, 1999</ref><ref>Ho SC, Tai ES, Eng PH, Tan CE, Fok AC: In the absence of dietary surveillance, chitosan does not reduce plasma lipids or obesity in hypercholesterolaemic obese Asian subjects. Singapore Med J, 42, 6-10, 2001</ref>
 
In drei glaubhaften, hochwertigen klinischen Untersuchungen, in denen die Wirkung von Chitosan ohne zusätzliche Diät untersucht wurde, konnte bei insgesamt 169&nbsp;Patienten kein Unterschied zwischen Verum und Placebo nachgewiesen werden. Chitosan wirkte nicht zur Reduzierung des Körpergewichts.<ref>Woulijoki E Hirvela T, Ylitalo P: Decrease in serum LDL cholesterol with microcrystalline chitosan Methods Find Exp Clin Pharmacol, 21, 357-361, 1999</ref><ref>Pittler MH, Abbot NC, Harkness, EF, Ernst E: Randomized, double-blind trial of chitosan for body weight reduction. Eur J Clin Nutr, 53, 379-381, 1999</ref><ref>Ho SC, Tai ES, Eng PH, Tan CE, Fok AC: In the absence of dietary surveillance, chitosan does not reduce plasma lipids or obesity in hypercholesterolaemic obese Asian subjects. Singapore Med J, 42, 6-10, 2001</ref>
 
   
 
   
Das arznei-telegramm von Januar 2010<ref>at 01/2010</ref> zitiert eine Cochrane-Review aus dem Jahr 2008 und stellt fest:  
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Das arznei-telegramm von Januar 2010 zitiert einen Cochrane-Review aus dem Jahr 2008<ref>[http://www.mrw.interscience.wiley.com/cochrane/clsysrev/articles/CD003892/frame.html Jull AB, Ni Mhurchu C, Bennett DA, Dunshea-Mooij CAE, Rodgers A. Chitosan for overweight or obesity. Cochrane Database of Systematic Reviews 2008, Issue 3. Art. No.: CD003892. DOI: 10.1002/14651858.CD003892.pub3]</ref> und stellt fest:<ref name="at012010">[http://www.arznei-telegramm.de/html/2010_01/1001015_04.html Bedrohliche Interaktionen mit Chitosan (Formoline L112 u.a.). arznei-telegramm 2010; 41: 15-6]</ref>
:''"Der Nutzen des Mittels ist unzureichend belegt: In einer Metaanalyse 15&nbsp;randomisierter Studien mit 1.219&nbsp;adipösen oder übergewichtigen Teilnehmern, die vier bis maximal 24&nbsp;Wochen lang Chitosan oder Plazebo einnehmen, wird nur ein geringer Effekt von Chitosan auf das Gewicht (-1,7&nbsp;kg; 95% Konfidenzintervall [CI] -2,1&nbsp;kg bis -1,3&nbsp;kg) errechnet. Bei Beschränkung auf qualitativ höherwertige und größere Studien sowie auf solche mit längerer Therapiedauer ist der Effekt noch kleiner (im Mittel -0,55&nbsp;kg bis -0,81&nbsp;kg)."''<ref>Jull AB, Ni Mhurchu C, Bennett DA, Dunshea-Mooij CAE, Rodgers A. Chitosan for overweight or obesity. Cochrane Database of Systematic Reviews 2008, Issue 3. Art. No.: CD003892. DOI: 10.1002/14651858.CD003892.pub3 [http://www.mrw.interscience.wiley.com/cochrane/clsysrev/articles/CD003892/frame.html]</ref>
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:''"Der Nutzen des Mittels ist unzureichend belegt: In einer Metaanalyse 15&nbsp;randomisierter Studien mit 1.219&nbsp;adipösen oder übergewichtigen Teilnehmern, die vier bis maximal 24&nbsp;Wochen lang Chitosan oder Plazebo einnehmen, wird nur ein geringer Effekt von Chitosan auf das Gewicht (-1,7&nbsp;kg; 95% Konfidenzintervall [CI] -2,1&nbsp;kg bis -1,3&nbsp;kg) errechnet. Bei Beschränkung auf qualitativ höherwertige und größere Studien sowie auf solche mit längerer Therapiedauer ist der Effekt noch kleiner (im Mittel -0,55&nbsp;kg bis -0,81&nbsp;kg)."''
 
   
 
   
 
Zusammenfassend lässt sich daraus ableiten, dass Chitosan nicht geeignet ist, das Körpergewicht zu reduzieren.
 
Zusammenfassend lässt sich daraus ableiten, dass Chitosan nicht geeignet ist, das Körpergewicht zu reduzieren.
    
==Nebenwirkungen==
 
==Nebenwirkungen==
Das Arzneitelegramm berichtet über Fälle, in denen zwei Frauen mit Epilepsie, die seit mehreren Jahren unter der Medikation von Valproinsäure, in einem Fall in Kombination mit Phenobarbital anfallsfrei waren. Innerhalb weniger Tage, nachdem sie Chitosam zum Abnehmen eingenommen haben, traten wieder epileptische Anfälle auf. obwohl beide ihre Medikamente vorschriftsmäßig einnahmen, waren diese im Blut nicht nachweisbar. Es wird vermutet, dass das lipophile (fettlösliche) Antiepileptikum im Darm durch das Chitosam gebunden wurde oder dass der enterohepatische Kreislauf der Valproinsäure durch das Chitosan gestört wurde. Eine ähnliche Verdachtsmeldung liegt aus Japan vor.
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Das Arzneitelegramm berichtet von zwei Frauen mit Epilepsie, die seit mehreren Jahren unter der Medikation von Valproinsäure, in einem Fall in Kombination mit Phenobarbital, anfallsfrei waren. Innerhalb weniger Tage, nachdem sie Chitosam zum Abnehmen einnahmen, traten wieder epileptische Anfälle auf. Obwohl beide ihre Medikamente vorschriftsmäßig einnahmen, waren diese im Blut nicht nachweisbar. Es wird vermutet, dass das lipophile (fettlösliche) Antiepileptikum im Darm durch das Chitosan gebunden oder der enterohepatische Kreislauf der Valproinsäure durch das Chitosan gestört wurde. Eine ähnliche Verdachtsmeldung liegt auch aus Japan vor.
Generell kann daraus abgeleitet werden, dass Chitosan die Absorption lipophiler Medikamente behindern kann (dazu gehören auch hormonelle orale Verhütungsmittel, die „Pille“), was ihren Wirkungsverlust zur Folge hat.<ref>[http://www.arznei-telegramm.de/html/2010_01/1001015_04.html Bedrohliche Interaktion mit Chitosan], arznei-telegramm Nr. 1/10</ref><ref>[http://www.arznei-telegramm.de/html/1998_03/9803034_02.html „Fettblocker“ Chitosan] arznei-telegramm Nr. 3/98</ref>
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Generell kann daraus abgeleitet werden, dass Chitosan die Absorption lipophiler Medikamente behindern kann (dazu gehören auch hormonelle orale Verhütungsmittel, die „Pille“), was ihren Wirkungsverlust zur Folge hat.<ref name="at012010"/><ref>[http://www.arznei-telegramm.de/html/1998_03/9803034_02.html "Fettblocker" Chitosan. arznei-telegramm 1998; Nr. 3: 34]</ref>
    
==Rechtliche Situation==
 
==Rechtliche Situation==
Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (www.bfarm.de) kam im Jahr 2002 zur Ansicht, dass Chitosan weder pharmakologisch oder immunologisch wirke, sondern hauptsächlich dadurch, dass es Nahrungsfett absorbiere.<ref>arznei-telegramm: Abnehmen mit Chitosan (Redumin u.a.)? AT, Nr.3, 33, 2002</ref> Dies spielte den Chitosananbietern in die Hände, da für die Vermarktung als Medizinprodukt keine klinischen Studien wie bei Arzneimitteln erforderlich sind. Somit half die zuständige Arzneimittelbehörde einem fragwürdigen, nutzlosen Produkt, das zumindest von einigen Gerichten vom Markt gezogen wurde, indem es zunächst als Arzneimittel ein gestuft wurde, durch die Hintertür wieder zur Verkehrsfähigkeit. Auf diese Weise sparen die Anbieter Millionen für die Arzneimittelzulassung und benötigen keinerlei Wirksamkeitsnachweis für ihr nachweislich unwirksames Medizinprodukt. Damit teilt sich Chitosan das Marktsegment mit unwirksamen Methoden wie [[CM3-Kapseln]], die ebenfalls nicht als Arzneimittel, sondern als Medizinprodukte eingestuft wurden.
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Das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (www.bfarm.de) kam im Jahr 2002 zur Ansicht, dass Chitosan weder pharmakologisch noch immunologisch wirke, sondern hauptsächlich dadurch, dass es Nahrungsfett absorbiere.<ref>arznei-telegramm: Abnehmen mit Chitosan (Redumin u.a.)? AT, Nr.3, 33, 2002</ref> Dies spielte den Chitosananbietern in die Hände, da für die Vermarktung als Medizinprodukt keine klinischen Studien wie bei Arzneimitteln erforderlich sind. Somit verhalf die zuständige Arzneimittelbehörde einem fragwürdigen, nutzlosen Produkt, das zumindest von einigen Gerichten vom Markt gezogen wurde, indem es zunächst als Arzneimittel eingestuft wurde, durch die Hintertür wieder zur Verkehrsfähigkeit. Auf diese Weise sparen die Anbieter Millionen für die Arzneimittelzulassung und benötigen keinerlei Wirksamkeitsnachweis für ihr nachweislich unwirksames Medizinprodukt. Damit teilt sich Chitosan das Marktsegment mit unwirksamen Methoden wie [[CM3-Kapseln]], die ebenfalls nicht als Arzneimittel, sondern als Medizinprodukte eingestuft wurden.
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Eine Firma, die Chitosan unter dem Handelsnamen Strobby&reg; mit Schlagworten wie "Die Fett-weg-Pille" oder "Fett weg, 10&nbsp;Kilo runter!" beworben hatte, bekam wegen dieser Werbung juristische Probleme. Das Oberlandesgericht Karlsruhe<ref>Az: 6&nbsp;U&nbsp;74/02 vom 23.&nbsp;Oktober 2002</ref> beanstandete 2002 nicht nur die fragwürdige Werbung, es bestätigte auch die Ansicht der landgerichtlichen Vorinstanz, dass das Schlankheitsmittel die ihm in der Werbung zugesprochenen Eigenschaften nicht besitze: Der Wirkstoff Chitosan, der in dem Mittel 'Strobby' enthalten ist, mag zwar in Laborversuchen eine Eignung zur Bindung von Fetten gezeigt haben; zur Erreichung der in der beanstandeten Werbeanzeige plakativ angepriesenen Wirkung reicht dies jedoch bei weitem nicht aus. Das OLG bewertete diese Werbung als grob irreführend. Dem Verlag, der die entsprechende Anzeige veröffentlicht hatte, drohten ebenfalls juristische Probleme. Man hätte dort erkennen müssen, dass die Art der Anpreisung heilmittelwerberechtswidrig sei.
   
   
 
   
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Eine Firma, die Chitosan unter dem Handelsnamen Strobby&reg; mit Schlagworten wie ''"Die Fett-weg-Pille"'' oder ''"Fett weg, 10&nbsp;Kilo runter!"'' beworben hatte, bekam wegen dieser Werbung juristische Probleme. Das Oberlandesgericht Karlsruhe<ref>Az: 6&nbsp;U&nbsp;74/02 vom 23.&nbsp;Oktober 2002</ref> beanstandete 2002 nicht nur die fragwürdige Werbung, es bestätigte auch die Ansicht der landgerichtlichen Vorinstanz, dass das Schlankheitsmittel die ihm in der Werbung zugesprochenen Eigenschaften nicht besitze: Der Wirkstoff Chitosan, der in dem Mittel 'Strobby' enthalten ist, mag zwar in Laborversuchen eine Eignung zur Bindung von Fetten gezeigt haben; zur Erreichung der in der beanstandeten Werbeanzeige plakativ angepriesenen Wirkung reicht dies jedoch bei weitem nicht aus. Das OLG bewertete diese Werbung als grob irreführend. Dem Verlag, der die entsprechende Anzeige veröffentlicht hatte, drohten ebenfalls juristische Probleme. Man hätte dort erkennen müssen, dass die Art der Anpreisung heilmittelwerberechtswidrig sei.
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==Weblinks==
 
==Weblinks==
*Edzard Ernst: [http://www.stern.de/gesundheit/angebliches-abnehm-mittel-chitosan-fischige-verheissungen-1554042.html Angebliches Abnehm-Mittel Chitosan Fischige Verheißungen]
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*[http://www.stern.de/gesundheit/angebliches-abnehm-mittel-chitosan-fischige-verheissungen-1554042.html Edzard Ernst: Angebliches Abnehm-Mittel Chitosan: Fischige Verheißungen. Stern Gesund leben, 02/2010]
*http://www.scienceblogs.de/plazeboalarm/2010/01/formoline-und-co-bringen-die-was-beim-abnehmen.php Fischige Verheißungen]
      
==Quellennachweise==
 
==Quellennachweise==
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