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Version vom 11. Dezember 2009, 17:38 Uhr

Rudolph Breuß

Die sogenannte Breuß-Kur oder Krebs Total Kur nach Breuß ist eine umstrittene alternativmedizinische Krebsdiät, die von dem aus Bludenz (Östterreich) stammenden Elektromonteur, Landwirt und Heilpraktiker Rudolf Breuß (24. Juni 1899 - 17. Mai 1990) erfunden wurde. Sie wird von ihren Befürwortern insbesondere bei Krebs eingesetzt.

Auf Breuß geht auch eine Massagemethode zurück. Diese wird häufig zusammen mit der Dorn-Therapie des Allgäuer Landwirts Dieter Dorn kombiniert angeboten.

Ansichten von Breuß zu Krebs

"Der Krebs lebt nur von festen Speisen, die der Mensch zu sich nimmt. Wenn man also 42 Tage lang nur Gemüsesäfte und Tee trinkt, so stirbt die Krebsgeschwulst ab, der Mensch hingegen kann dabei noch gut leben - dies ist das der Breußschen Krebskur zugrundeliegende Credo" (Moerman und Breuß 1986, S. 171). Breuß trat in den 1950er Jahren mit dieser für Krebspatienten sehr eingängigen, inhaltlich aber völlig falschen These an die Öffentlichkeit. Er vermittelte die Botschaft, man könne sich den Krebs einfach aus dem Leibe hungern.

Breuß mangelte es offenbar am Verständnis der medizinischen Zusammenhänge, die beim strengen Fasten ablaufen und seit Jahrzehnten bekannt sind. Nach spätestens 14-tägiger Nahrungskarenz scheidet das Fettgewebe (nach dem vorher Glykogenreserven in der Leber und den Muskelgeweben verbraucht wurden) verstärkt freie Fettsäuren aus, die in der Leber zu sog. Ketonkörpern (Acetacetat und Hydroxybutyrat) umgewandelt werden. Diese Ketonkörper dienen dem Organismus anstelle der Glukose als Energielieferant, werden zu Aceton verbrannt und dieses wird als Abfallprodukt primär über die Nieren ausgeschieden. Ein wenig Aceton wird auch abgeatmet und mit dem Schweiß ausgeschieden, was den etwas unangenehmen Körpergeruch streng Fastender nach 2-wöchiger Fastenkur erklärt. Während dieser Fastenperiode steigert der Körper seine Stresshormon-Produktion (v.a. von Glückshormonen wie ß-Endorphin), die es dem Organismus erlaubt (sofern noch Fettreserven vorhanden sind) auf relativ stabilem Niveau subjektives Wohlbefinden und hohe körperliche Aktivität zu entfalten. Sind diese Fettreserven aber verbraucht, fällt man um so schneller in ein "schwarzes Loch".

Krebszellen sind Körperzellen, die u.a. "verlernt" haben, sich selbst umzubringen oder dem Immunsystem nicht mehr mitteilen, dies zu übernehmen. Sie leben ewig und breiten sich im Organismus aus. Bestimmte Tumorzellen (z.B. Dickdarm-, Lungen- oder Mammakarzinomzellen) verändern auf Grund genetischer Defekte sogar ihre Zelloberfläche derartig, dass kursierende Abwehrzellen die Zelle nicht mehr als tumorbefallen oder falsch funktionierend erkennen können. Andere Tumorzellen produzieren Hormone, obwohl sie dies nicht sollten oder inaktivieren von Abwehrzellen ausgeschiedene Enzyme, die normalerweise den sog. programmierten Zelltod (auch Apoptose genannt) in den Krebszellen einleiten würden.

In einem Bereich unterscheiden sich Krebszellen jedoch nicht von anderen Körperzellen. Sie gewinnen ihre Zellenergie auf exakt die gleiche Weise wie normale Körperzellen. Im Normalzustand arbeiten sie durch chemische Verbrennung von Glukose, im Hungerzustand schalten sie zunehmend auf die Verarbeitung von Ketonkörpern um. Eine Krebszelle kann - ein sie umgebendes funktionierendes Gefäßsystem vorausgesetzt - deshalb nicht ausgehungert werden. Manche Tumorarten sondern sogar bestimmte Wachstumsfaktoren aus, die die umliegenden Gefäßepithelien zu einem verstärkten Wachstum anregen und somit die verstärkte Blutversorgung des Tumors gewährleisten. Die Grundidee, den Krebs quasi zu Tode zu hungern, die Heilpraktiker Breuß propagierte, ist deshalb schon im Ansatz falsch gewesen. Die Breußsche Kur ist ein einfaches, auf mittelalterlichen, säftepathologischen Gedankengebäuden fußendes Konglomerat von falschen Thesen, falschen Analogieschlüssen und falsch interpretierten, medizinischen Tatsachen.

Was ist die Breuß-total Krebskur?

Breuß (Moerman und Breuß 1981, S. 171) erklärt das einfache System: Bei dieser Kur darf man 42 Tage lang nichts essen, sondern nur Gemüsesäfte und die dazu gehörenden Tees zu sich nehmen. Säfte kann man trinken, soviel man Hunger hat, jedoch nicht mehr als einen halben Liter pro Tag (je weniger, desto besser).

Die Breußsche Saftmischung besteht aus 3/5 Rote Rüben (Randen, Rote Bete), 1/5 Gelbe Rüben (Karotten), 1/5 Sellerieknollen und dazu noch ein wenig Rettich und eine hühnereigroße Kartoffel. [...] Die Kartoffel muss nicht unbedingt sein, jedoch bei Leberkrebs ist die Kartoffel sehr wichtig. Statt einer Kartoffel, zum Saft dazugegeben, kann man auch eine Tasse Kartoffelschalentee pro Tag schluckweise kalt trinken. Sämtliche Gemüse werden durch einen Entsafter gepresst und nachträglich wird der Saft jeweils noch durch ein feines Teesieb oder durch ein Leinentuch passiert, denn bei 1/4 Liter Saft ist immer noch ein Esslöffel Satz dabei. Dieser Satz ist erstens schlecht einzunehmen und zweitens wäre er noch Nahrung für den Krebs. (Moerman und Breuß 1981, S.171)

Aus ernährungswissenschaftlicher Sicht ist der regelmäßige Konsum der sehr nitrathaltigen Rote Beete nicht gerade gesundheitsförderlich, da Nitrat im Organismus in Nitrit und dieses wiederum in krebserzeugende Nitrosamine umgewandelt wird. Auch rohe Kartoffeln sind im Übermaß genossen nicht gesund, denn sie enthalten Solanin - eine atropinartig wirkende Substanz, mit der sich Kartoffeln vor Fressfeinden schützen. Deshalb kommt es beispielsweise bei Personen, die Kartoffelkochwasser (in dem sich Solanin anreichert) aus vermeintlich gesundheitsfördernden Gründen zu sich nehmen, gehäuft zu funktionellen Sehstörungen, die sie zum Augenarzt führen (Weiß 1991). Dergleichen seit Jahrzehnten bekannte Hintergründe beeinflussten Breuß offenbar nicht. Er empfahl bei einer Reihe von Tumoren neben seinem Gemüsesaft auch noch diverse Tee-Zubereitungen (Moerman und Breuß 1981, S.173-176):

  • Gehirnturmor: 1-2 Tassen Melissentee pro Tag schluckweise kalt trinken. Goldmelisse oder Zitronenmelisse oder gemischt.
  • Augenkrebs: 1 Tasse Augentrosttee pro Tag, auch schluckweise kalt trinken.
  • Brust-, Eierstock- und Gebärmutterkrebs: 1 Tasse Silber- und Frauenmänteletee mit gelber oder weißer Taubnessel pro Tag schluckweise kalt trinken.
  • Gaumen-, Lippen-, Zungen-, Halsdrüsen- und Kehlkopfkrebs: Bibernellentee die ganzen 42 Tage lang. Mit dem 1. und 2. Esslöffel voll Tee spülen oder gurgeln und dann ausspucken. Den 3. Esslöffel nach dem spülen und gurgeln schlucken.
  • Hautkrebs: frischer Schöllkrautsaft auf die kranke Stelle tupfen. Im Winter Schöllkrauttee trinken.
  • Knochen- und Lungenkrebs: Tee aus Spitz-/Breitwegerich, Isländischmoos, Lungenkraut, Gundelrebe, Königskerze und Muttern trinken.
  • Leberkrebs: 2 Tassen Kartoffelschalentee pro Tag schluckweise oder kalt trinken. Daneben werden Kohlblätter-Wickel, Olivenöl- oder Johannisöl-Einreibungen empfohlen.
  • Magenkrebs: 1 Tasse Wermuttee oder Tausendguldenkraut pro Tag schluckweise trinken.
  • Milz- und Bauchspeichelkrebs: mindestens einen Liter Salbeitee pro Tag, dazu heiße Kurzwickel mit Heublumen, Zinnkraut oder Haferstroh.
  • Prostata- und Hodenkrebs: 2 Tassen Tee vom kleinblütigen Weideröschen pro Tag.

Fragwürdige Vorstellungen über die Krebsentstehung als Basis der Therapie

Sieht man sich Breuß' schriftliche Darlegungen über die Krebsentstehung an, so ist man als onkologisch vorgebildeter Mensch entsetzt. Breuß definiert eine Krebsgeschwulst als selbständiges Gewächs oder Gebilde, das meist durch Druck entsteht. Wenn z.B. jemand jahrelang magenkrank ist und die Speisen oft stundenlang im Magen verbleiben und dadurch einen ungewöhnlich langen Druck auf die Magendrüsen und Magenwände ausüben, so kann das zu Magenkrebs führen. Es ist erschreckend, dass Breuß die Anfang der 1980er Jahre entdeckte, bakterielle Ursache für Magenulzera (und eventuell auch Magenkarzinome auf ulzeröser Grundlage) schlicht ignoriert hat. Wie mittlerweile bekannt ist, ist der Erreger von Magenulzera der Keim Helicobacter pylori.

Heilpraktiker Breuß ließ sich von der Realität aber nicht beirren. Immerhin hatte er angeblich am 1. Oktober 1952 entdeckt, dass die Leukämie kein Blutkrebs sein dürfte, sondern eine Blutzersetzung, verursacht durch Pfortaderkreiserkrankung und diese Krankheit wieder durch eine seelische Depression hervorgerufen würde. Zumindest stellte er dies bei einer Patientin namens Regina Lörünser aus Feldkirch per Irisdiagnose fest. Er behandelte sie mit einem Wadenwickel und heilte die Frau angeblich. Da die Frau fünf Jahre später bei einem Autounfall ums Leben kam, blieb ungeklärt, ob sie sonst an ihrer Leukämie verstorben wäre. Je nach Art der Leukämie reicht bei Erwachsenen die durchschnittliche Überlebenszeit nach Diagnosestellung von wenigen Monaten bis zu mehreren Jahren...

Dass Breuß sich die Realität ein wenig zurechtzubiegen schien, zeigen seine übrigen Anwendungsbereiche, bei denen seine Diät angeblich hilfreich sein sollte: zerstörende Gelenkentzündungen, Hüftgelenkleiden, Osteoporose, Brust- und Lendenwirbelabnutzung. Einen Beleg für diese Anwendungsbereiche legte Breuß nicht vor. Angeblich hatte er seit den 1950er Jahren schätzungsweise 20.000 Krebskranke und andere Unheilbare durch seine Saftkur wieder gesund gemacht. Schaut man sein Büchlein genau durch, schrumpft die Zahl von Patienten ein kleines bisschen zusammen, denn Breuß schrieb: "Ich persönlich habe ungefähr etwas über 2.000 Menschen so behandelt." Von Erfolgsraten aber war auf einmal keine genaue Rede mehr.

Ärztliche Kritik an der Breußschen Krebskur

Die Breußsche Säftekur wurde in den 1980er Jahren sogar in den (gegenüber paramedizinischen Verfahren offenen) ärztlichen Kreisen wie jenen, die in der Szene-Zeitschrift Erfahrungsheilkunde veröffentlichen, kritisiert. So schrieb Schultz-Friese (1981): Insgesamt abzulehnen ist die Totalkur nach BREUSS mit 42 Tage Saftfasten, die sozusagen ein negatives Gegenstück einer Vollwertkost ist.

Aber auch hochmedizinisch orientierte Ärzte, wie St. Galler Onkologen Dr. med. Senn und Dr. med. Jungi (1979) warnten zu dieser Zeit bereits vor diesem gefährlichen Gesundheitsexperiment, das zu einer rasant zunehmenden und lebensbedrohlichen Aushungerung (Kachexie) des Patienten führt und somit den Krebs nicht aushungert, sondern ihn sogar noch beschleunigt. Die Schweizer Krebsliga warnte in den späten 1980er Jahren ebenfalls vor der Breußschen Säftekur (Hauser 1987), denn es existierten als Beweise nur Dankschreiben, die keiner genauen Prüfung standhielten. Lege artis dokumentierte, geheilte Fälle fehlten völlig und es wurden von Breuß und seinem Umfeld niemals glaubwürdige Wirksamkeitsstudien vorgelegt oder überhaupt ein Versuch unternommen, dergleichen zu tun. Die Schweizer Krebsliga riet deshalb von der Anwendung der Breußschen Säftekur bei Krebspatienten ab und tut dies auch heute noch.

Das Gesundheitsinformationsnetz Tirols warnt ebenfalls dringend vor Hungerkuren gegen Krebs, wie es die Breußsche Kur ist. Diesen Wunderdiäten fehle jegliche wissenschaftliche Grundlage, sie seien zumindest nutzlos, wenn nicht sogar gefährlich. Besonders die Breuß-Kur zeigte keinerlei Heilungserfolge, sondern beschleunige nur das Ableben.

Dieser Tenor ist auch der Homepage des Krebsinformationsdienstes des Deutschen Krebsforschungszentrums in Heidelberg zu entnehmen. Überall, wo der Körper durch Ernährung stoffwechselaktiviert, entschlackt, gereinigt oder gar entgiftet werden soll, wird zuviel versprochen. Krebspatienten müssen sich überhaupt keiner bestimmten Diät unterziehen (außer vielleicht direkt nach einer Chemo- oder Strahlentherapie bzw. direkt postoperativ nach der Operation eines Primärtumors oder einer Metastase im Rahmen des Kostaufbaus).

Ein normaler, ruhender, nicht arbeitender Mensch benötigt täglich ca. 5.000-6.000 kJoule oder nach einer Faustregel 1 kcal pro kg Körpergewicht pro Stunde. Ein Liter des Breußschen Saftes enthält nach Hauser (1987) etwa 1.540 kJoule und mehr als 1 Liter täglich darf man laut Breuß nicht konsumieren. Die von ihm angepriesenen Teemischungen enthalten so gut wie keine Kalorien, so dass eine massive Gewichtsreduktion trotz der Breußschen Behauptung "Wer meine Krebskur richtig macht, nimmt an Gewicht wenig ab" zwangsläufig ist. Die Teemischungen enthalten (mit Ausnahme des Schöllkrauts und selbst bei diesem ist keine Heilung absehbar) keine Wirkstoffe, die auch nur ansatzweise eine moderate krebshemmende Wirkung hätten. Das Glücksgefühl, dass durch die hormonelle Umstellung unter der Fastenkur erzeugt wird, beruht auf einer massiven ß-Endorphin-Ausschüttung, die in Wirklichkeit ein Zeichen des Organismus dafür ist, sich endlich auf Nahrungssuche zu begeben, bevor es zu spät ist.

Quellennachweise

  • Hauser SP: Krebskur total nach Breuss. Schweiz Rundschau Med Prax, 76, 1165-1166, 1987
  • Moerman C, Breuß R: Krebs, Leukämie und andere scheinbar unheilbare Krankheiten - mit natürlichen Mitteln heilbar. Aurum Verlag, 3. Aufl., 1986
  • Schultz-Friese W: Schwerpunkte der Vollwerternährung bei Krebskranken und Krebsgefährdeten. Erfahrungsheilkunde, Nr.4, 307-309, 1981
  • Senn HJ, Jungi WF: Krebskur total. Schweizer Ärzte-Zeitung 60, 1678-1680, 1979
  • Weiß RF: Lehrbuch der Phytotherapie. Hippokrates Verlag, Stuttgart, 7. Aufl., S.101, 1991
Dieser Text ist ganz oder teilweise von Paralex übernommen