PaläoPower

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Buchtitel zu PaläoPower

Unter dem Namen PaläoPower (von griechisch palaiós „alt“, englisch power „Kraft“; Werbeslogan: PaläoPower ist die Kraft, die aus der Steinzeit kommt, Kraft und Erfolgsfaktoren die aus dem paläolithischen Leben stammen, die Steinzeitkraft oder innere Urkraft) werden von einem "PaläoPower-Institut für evolutionäre Strategien" in Frankfurt am Main[1] Produkte, Dienstleistungen, "Erfolgsgeheimnisse" und "Erfolgsstrategien" angeboten, die aus Eigensicht "neue Lösungen" für unterschiedliche, als Zivilisationskrankheiten bezeichnete Erkrankungen wie Übergewicht, Allergien, Unverträglichkeiten, Konzentrationsprobleme, ADS, ADHS, Stress und Burnout bieten sollen. Die "neuen Lösungen" werden aus Interpretationen einer "evolutionären Medizin" und "evolutionären Ernährung" abgeleitet. Letztere erscheint als Variante der so genannten Steinzeitdiät, einer propagierten Ernährungsweise, die der des Steinzeitmenschen nachempfunden sein soll. Auch wird Bezug genommen auf eine "evolutionäre Psychologie", mit der Störungen wie ADHS oder Burnout erklärt werden.

Ein bedeutender Anteil der PaläoPower-Dienstleistungen bezieht sich auf Motivationstraining und Erfolgstraining.

Treibende Kraft des PaläoPower-Institut für evolutionäre Strategien ist die promovierte Molekular- und Evolutionsbiologin Sabine Paul. Unterstützt wird sie vom Apotheker und Biologiehistoriker Thomas Junker, der wie Paul Mitglied der Giordano Bruno Stiftung ist und sich einen Namen als Kreationismusgegner machte.

Das PaläoPower – Geschäftsmodell und Konzept

Im Eigenverständnis des PaläoPower-Institut für evolutionäre Strategien sei PaläoPower "die Urkraft, die Menschen seit zwei Millionen Jahren als genetisches Erbe in sich tragen" und ein "innerer Kompass" der "wiederentdeckt werden könne", um ausschließlich positive Effekte auf bestimmte Erkrankungen oder Störungen auszuüben, oder ein tieferes Verständnis für ihre Entstehung zu ermöglichen.

Das Konzept geht von der Annahme aus, dass sich die Menschen seit Beginn des Neolithikums vor 20.000 bis 10.000 Jahren genetisch nicht wesentlich verändert haben. Zitat: "Wir tragen heute alle genetischen Informationen in uns, die unsere Vorfahren erfolgreich gemacht haben – und können sie in einem positiven Sinn für uns nutzen." Andererseits wird auch ein Zeitraum von 2 Millionen Jahren genannt, auf den Bezug genommen wird. Bestimmte Erkrankungen werden unter anderem darauf zurückgeführt, dass "heutige Umweltbedingungen" nicht mehr mit derjenigen Umwelt übereinstimmten, in der unsere Vorfahren gelebt haben. Daraus würden sich "Ungleichgewichte" ergeben, die zur Enstehung von Krankheit und Konflikten führten. Der enorme Anstieg der durchschnittlichen Lebenserwartung in den letzten Jahrzehnten als Folge verbesserter Ernährung, Hygiene und Gesundheitsvorsorge und -Versorgung spielt im Rahmen des PaläoPower keine erkennbare Rolle. Herausgestellt werden lediglich angenommene oder tatsächliche Störungen und (Zivilisations)Erkrankungen, die mit der Umwelt der Menschen der "ersten Welt" in Verbindung gebracht werden.

Letztendlich handelt es sich einerseits um in kostenpflichtigen Kursen erlernbare Ernährungsratschläge mit Elementen der so genannten Steinzeitdiät. Gesundheitliche Effekte werden allein von einer bestimmten Ernährungsweise erwartet, die der Ernährung des Altsteinzeitmenschen (knapp erste 2 Millionen Jahre der Menschheit) nachempfunden sein soll. Interessierten wird auch ein Bluttest schmackhaft gemacht, der angeblich die Frage beantworten könne, ob man ein Kandidat für die PaläoPower-Ernährungsratschläge sei. So wird beispielsweise in diesem Zusammenhang vom Institut eines der vielen Moodfood-Konzepte oder Wachteleier aus "artgerechter Haltung" empfohlen.[2]

Kritik

Ernährung in der Steinzeit

Allgemeine Aussagen über die Nahrungszusammensetzung steinzeitlicher Menschen sind nicht zulässig. Abhängig von den vorherrschenden Umweltbedingungen gab es unterschiedliche Nahrungsangebote. Damit variirten auch die Ernährungsformen erheblich. Getreide wurde bereits vor 30.000 Jahren für die menschliche Ernährung genutzt.[3]

Die Aussage, dass sich das menschliche Erbgut seit der Steinzeit nicht verändert hat, ist nicht haltbar. Wissenschaftler haben rund 700 genetische Veränderungen gefunden, die in den letzten 10.000 Jahren aufgetreten sind. Zu diesen genetischen Veränderungen gehört die Entwicklung der Lactosetoleranz bei Erwachsenen, und zwar vor allem bei den Nachkommen der Stämme, die vor rund 10.000 Jahren die Viehzucht einführten und die heute in Europa, den USA und Australien leben. Hier verfügen 80% bis 90% der Bevölkerung über das für die Verarbeitung des Milchzuckers nötige Enzym Lactase. Entgegen der These der Steinzeitdiät-Vertreter hat diese Anpassung an ein neues Nahrungsmittel in einem relativ kurzen Zeitraum längst stattgefunden.

Therapie von Krankheiten

Wissenschaftlich völlig unhaltbar sind Annahmen, dass PaläoPower zur Vorbeugung bzw. Behandlung von sogenennten Zivilisationskrankeiten wie zum Beispiel Übergewicht, Diabetes, Krebs, Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Allergien, Unverträglichkeiten, Burnout und AD(H)S geeignet sei:[4]

"Aber wir können uns ihre Erfolgsstrategien bewusst machen und für körperliche und geistige Gesundheit nutzen, z.B. bei Übergewicht, AD(H)S oder Burnout."

Neben dem behaupteten prophylaktischen und therapeutischen Nutzen werden auch "Erfolgsstrategien" für "Wirtschaft und Management" im Sinne eines Erfolgs- oder Motivationstraining propagiert sowie Werke von Paul und Junker zu PaläoPower beworben.

Sabine Paul

Screenshot der Webseite zu Sabine Paul bei der Giordano Bruno Stiftung (August 2012)

Sabine Paul (geb. 1968) ist promovierte Molekular- und Evolutionsbiologin und Buchautorin. Paul ist auch Vortragsrednerin und Workshop-Trainerin bzw. „Coach“ (Bodypainting-Workshops). Sie studierte Biologie und promovierte an der Universität Tübingen. Sabine Paul ist nach ihrer Promotion 1999 nicht mehr forschend, in der akademischen Lehre oder durch wissenschaftliche Tätigkeiten bei unabhängigen Institutionen hervorgetreten, sondern ist in die Marketing- und PR-Abteilungen diverser Unternehmen gewechselt, wie man ihrem Lebenslauf bei der GBS entnehmen kann. Ab 1999 war sie im Wissenschaftsmarketing tätig, von 2002 bis 2005 war sie Abteilungsleiterin "Kommunikation und Marketing" beim Verein Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung in Frankfurt am Main[5][6] (Director Marketing and Communication). Seit 2009 leitet Sabine Paul das PaläoPower-Institut für evolutionäre Strategien.

Sabine Paul war in der Vergangenheit für die Pharmafirma Procter & Gamble (Schwalbach i.Ts., zuständig für Produktentwicklung, Marktforschung, Marketing) und ist aktuell im Aufsichtsrat der Firma Tavarlin AG, die Produkte nach der umstrittenen Coy-Diät von Johannes Coy (Autor des Bestsellers „Die neue Anti-Krebs-Ernährung – Wie Sie das Krebs-Gen stoppen“) vermarktet, die in einem weiten Sinne als eine Erscheinungsform einer Krebsdiät zu verstehen ist. Weitere Tavarlin-Angebote sind KH-armes Brot, Fette, Büffel-Salami, Kakao-Kekse, Kakao-Creme, Erdbeermarmelade, Bierwurst, Nusskuchen und eine proprietäre Diagnostik.

Sabine Paul ist auch für die Firma Evomed Diagnostics AG[7] als Marketing Director tätig.[8]. Die Evomed gründete in der Vergangenheit zusammen mit der Firma Indago[9] und mehr als hundert ihr zuarbeitenden Ärzten ein Kartell mit dem Ziel der gemeinsamen Ausbeutung von Patienten. Schwerpunkt des gemeinsam betriebenen Geschäfts sind Kinder mit der Krankheit ADHS. Die Indago vermarktete die Nanopartikelanalyse, die inzwischen nach erfolgreicher Klage als Stoffwechselfunktionstest angeboten wird. Indago-Kunden wird beispielsweise von ihren Behandlern empfohlen, Testverfahren der Evomed in Anspruch zu nehmen. Dazu gehört beispielsweise ein Evomed "ImuPro300"-Test, mit dem Nahrungsmittel-Allergien nachgewiesen werden sollen, auf die vorher der Stoffwechselfunktionstest einen Verdacht lieferte. Ein "CTL-Labor - Ortholab" bietet diesen umstrittenen IgG-Lebensmittel-Allergietest für 450 Euro an. Derartige IgG-Tests können jedoch im Gegensatz zu IgE-Tests nach Expertenmeinung weder Allergien noch Lebensmittelunverträglichkeiten feststellen und die Ergebnisse sollten daher nicht zu Ernährungsempfehlungen herangezogen werden. Auch zeigte sich im Experiment, dass erhobene Befunde nur wenig reproduzierbar waren. Das Verwaltungsgericht Lüneburg urteilte 2004, dass die IgG-Bestimmung im Gegensatz zur IgE-Bestimmung keine allgemein wissenschaftlich anerkannte Methode zur Austestung einer Lebensmittelallergie sei. Kunden des SFT werden somit zu immer weiteren unnötigen und kostspieligen Tests aufgefordert. Die Evomed AG ist auch Lieferant von TAVARLIN-Produkten nach Johannes Coy.

Paul ist auch Mitglied im GBS Forschungsrat (Giordano Bruno Stiftung). Sabine Paul wirbt auf Veranstaltungen (siehe GBS, zertifizierte Lehrerfortbildung, GEW) offen für ihre Firma und ihr kommerziell umgesetztes Konzept einer "Evolutionären Ernährung" und empfiehlt in diesem Zusammenhang den umstrittenen IgG-Test. Behauptungen von Paul wurden in der Vergangenheit unkritisch und unkommentiert in Vortragsankündigungen der GBS wiedergegeben (Zitat: "Paläopower – Das Wissen der Evolution nutzen für Ernährung, Gesundheit und Genuss"), obwohl sie mit dem aktuellen Forschungsstand nicht übereinstimmten.

Äußerungen aus dem Jahre 2012 lassen erkennen, dass Sabine Paul eine energische Gegnerin des Projekts Psiram ist, von dessen Inhalten sie enttäuscht zu sein scheint. Beleglos warf sie beispielsweise unbekannten, von ihr Psiram zugeordneten Personen vor, gegen sie Morddrohungen erhoben zu haben.

Begriff "Evolutionäre Medizin"

Der Begriff "evolutionäre Medizin" wird von Prof. Detlev Ganten[10] (Vorstand Charité) benutzt.[11][12]

Literatur und Zeitungsartikel

  • Sabine Paul (Autor), Helge Nyncke (Illustrator): "PaläoPower: Das Wissen der Evolution nutzen für Ernährung, Gesundheit und Genuss", Beck Verlag (2012)
  • Thomas Junker, Sabine Paul: "Der Darwin-Code: Die Evolution erklärt unser Leben", Beck Verlag ( 2010). (Prof. Dr. Thomas Junker lehrt Geschichte der Biowissenschaften an den Universitäten Tübingen und Göttingen)

PaläoPower-Weblinks

  • www.palaeo-power.de
  • www.evolution-ernaehrung-medizin.de
  • www.darwin-code.de

Weblinks

Blogs

Quellennachweise

  1. PaläoPower-Institut für evolutionäre Strategien, Dr. Sabine Paul, Skylineblick 14, D-60438 Frankfurt a.M.
  2. http://www.palaeo-power.de/home?page_id=5041
  3. Menschen mahlten Getreide schon vor 30.000 Jahren
  4. www.palaeo-power.de/home/
  5. Verein Senckenberg Gesellschaft für Naturforschung, Senckenberganlage 25, 60325 Frankfurt
  6. http://www.senckenberg.de
  7. Evomed Diagnostics AG, Landwehrstraße 54, 64293 Darmstadt
  8. http://anonym.to?http://de.linkedin.com/in/sabinepaul Marketing Director, Evomed Diagnostics AG, D-60308 Frankfurt
  9. INDAGO GmbH, Deutscher Platz 5a, D-04103 Leipzig
  10. http://de.wikipedia.org/wiki/Detlev_Ganten
  11. http://www.planet-wissen.de/alltag_gesundheit/medizin/evolutionsmedizin/interview_evolutionaere_medizin.jsp
  12. Detlev Ganten, Thilo Spahl, Thomas Deichmann: Die Steinzeit steckt uns in den Knochen : Gesundheit als Erbe der EvolutionMünchen und Zürich: Piper-Verlag 2011, siehe Rezension: [1]