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Afa-Algen (Aphanizomenon Flos Aquae) sind Bakterien der Gattung Cyanobakterien und werden auch Blaualgen genannt. Diese werden seit einigen Jahren als Nahrungsergänzungsmittel (NEM) angeboten. Entsprechend der häufigen Vorgehensweise von Vermarktern von "Wundermitteln" wurden über diese schlichte Alge dieverse Märchen und beleglose Behauptungen verbreitet und ihr Heilwirkungen bei ADHS bis Krebs und natürlich allen üblichen Zivilisationskrankheiten angedichtet. Nahrungsergänzungsmittel sind rechtlich jedoch Lebensmittel und unterliegen daher dem LFGB (Lebensmittel-, Bedarfsgegenstände- und Futtermittelgesetzbuch). Laut LFGB sind gesundheitsbezogene Werbung und werbeähnliche Äusserungen untersagt und können kostenpflichtig abgemahnt werden. Problematisch ist, dass in diesen Algen z.T. sehr giftige (lebertoxische) Microcystine vorhanden sein können.

Afa-Algen sind in keine Pflanzen, sondern Cyanobakterien

Die als Afa-Algen bezeichneten Lebewesen sind zur Photosynthese befähigte Einzeller (Eubakterien), die evolutionsgeschichtlich sehr alt sind. Viele Stämme dieser Bakterien sind in der Lage, hochwirksame Gifte (Microcystine, Anatoxine, Saxitoxin) zu produzieren, welches sich in den Bakterien selbst sowie in den sie verzehrenden Meerestieren anreichert. Man nennt sie deshalb auch blaugrüne Cyanobakterien. Eine ausführliche Darstellung über Microalgen und deren Belastung mit Algentoxinen finden sie in den Guidelines for Safe Recreational-water Environments (Vol. I: Coastal and Fresh-waters), Oktober 1998 [1].

Beworbene Indikationen

Afa-Algen werden von unterschiedlichen Firmen als Lebensmittel angepriesen. Je nach Lokalisation der Firma werden verschiedene heilende Aussagen getroffen. In den USA werden die Mittel u.a. von der Fa. Bluegreen (von der auch deutsche Firmen ihre Produkte beziehen) als Mittel zur Behandlung von Krebs, HIV, Immunschwächeerkrankungen anderer Art, ADHS, Hypercholesterinämie und zur Stärkung des allgemeinen Wohlbefindens beworben. Für diese propagierten Aussagen liegen keine glaubwürdige Wirksamkeitsnachweise vor.

Studienlage

Seriöse Studien über die Wirkung der AFA-Algen gibt es im internationalen wissenschaftlichen Schrifttum nicht. Es gibt allerdings einige Nischenpublikationen wie einen Buchbeitrag (Manoukain et al. 1998) und Journalartikel (Kushak et al. 2000, Jensen et al. 2000). Letztere stemmen aus dem Journal of the American Nutraceutical Association (JANA). Allein diese Titelwahl soll den Leser verwirren, denn die American Medical Association, die größte US-Vereinigung für Fachärzte der Inneren Medizin, gibt mit JAMA eine ähnlich klingende Fachzeitschrift heraus, die sich Journal of the American Medical Association (JAMA) nennt. JANA ist nicht in medizinischen Fachinformationsdiensten wie Medline gelistet, JAMA hingegen sehr wohl.

In der Studie von Manoukain et al. (1998) wurde festgestellt, dass man durch die Gabe von 1.5 g Afa-Algen bei fünf gesunden Freiwilligen eine signifikante Verringerung der Natürlichen Killerzellen innerhalb von 2 Stunden nach dem Schlucken bewerkstelligen konnte. Die Menge an NK-Zellen sank um 63%. Dies verwundert nicht, denn die unten noch näher beschriebenen Algentoxine greifen u.a. direkt die Zellstrukturen von weißen Blutkörperchen an und können die Aufnahme von Nahrungsenergie (z.B. Glukose) durch die Zellwand hemmen. Wahrscheinlich resultiert die Reduktion der NK-Zellen auf einer direkten Giftwirkung der in den Afa-Algen vorhandenen Microcystine oder des Saxitoxins, das in geringerer Mengen Auswirkungen auf Blutzellen hat.

In einer zweiten Studie (Jensen et al. 2000) wurden 21 gesunde Probanden mit 1.5 g Afa-Algen über sechs Wochen behandelt. Unter der Afa-Algenbehandlung kam es zu einem deutlichen Anstieg bestimmter weißer Blutkörperchen, was unter Placebogabe nicht eintrat. Dieser Effekt wurde von den Autoren als Stimulation des Immunsystems interpretiert, die eine Verbesserung der Abwehrsituation anzeige. Diesen Schluss ist lächerlich, denn wenn man eine Substanz verzehrt, die Zellgifte enthält, welche im Organismus z.B. Leberzellen verstärkt in den Selbstmord treiben können (Auslösung der Apoptose), erklärt sich der Anstieg der Abwehrzellen wesentlich offensichtlicher. Stirbt im Organismus Zellgewebe ab, weil es beschädigt wurde, dann ändert sich die Oberflächenstruktur der betroffenen Zellen. Diese werden dadurch für das Abwehrsystem als zur Entsorgung freigegeben gekennzeichnet, daraufhin von weißen Blutkörperchen angegriffen und verzehrt. Je mehr solche betroffenen Zellen sterben, desto höher ist der Bedarf an den sie verzehrenden weißen Blutkörperchen. Die Erhöhung bestimmter weißer Blutkörperchen ist nur die Folge einer durch Algengifte verursachten, niedrigschwelligen Entzündungsreaktion u.a. von Leberzellen. Jensen et al. (2000) verloren kein Wort über den Zustand der Leber oder der Nieren der Probanden.

Kushak et al. (2000) veröffentlichten eine Studie, die an Ratten zeigen sollte, dass der Konsum von Afa-Algen den Blutfettspiegel zu regulieren in der Lage sei. Sie gaben den Tieren unterschiedliche, mit ungesättigten Fettsäuren angereicherte Diäten. Daneben reicherten Sie die Diät z.T. mit 10-15% Afa-Algensubstanz an. Im Vergleich zu der Kontrollgruppe, die keinen Afa-Zusatz erhielt, wiesen die beiden Afa-Untersuchungsgruppen eine deutliche Senkung des Gesamtcholesterin- und Triglyzeridspiegels im Serum auf. Die Autoren kamen zu dem Schluss, dass Afa-Algen einen cholesterinsenkenden Effekt hätten und empfahlen, diese Wirkung im Lebensmittelsektor auszunutzen. Auch dieses Resultat wundert mich nicht, lässt es sich doch erneut mit der Giftwirkung von Algentoxinen erklären. Die Leber ist das Zielorgan für Microcystine, die sich dort anreichern. Dies ist auch bei Ratten nachgewiesenermaßen der Fall. Die Leber ist aber gleichzeitig der Produktions- und Umschlagsort für Blutfette. Da Microcystine auch in niedriger Dosierung auf Leberzellen von Ratten schädigend wirken, sinkt mit steigender Afa-Menge logischerweise die Syntheseleistung der Leberzellen, weil sich eine zunehmende toxinbedingte Organentzündung in einer verschlechterten Syntheseleistung niederschlägt. Interessanterweise hatten die Autoren weder Leberwerte berichtet, die auf die Organfunktion hätten schließen lassen, noch hatten sie nach dem Fütterungsversuch über histologische Leberuntersuchungen der Tiere berichtet, um eventuelle Auswirkungen der Algentoxine zu bewerten. Dies lässt darauf schließen, dass sie offenbar befürchteten, negative Auswirkungen zu finden. Wer nicht sucht, findet nicht und kann dem Leser in die Tasche lügen.

Die drei Studien sind kein Beleg für die Wirkung von Afa-Algen, zumal keiner der Autoren in seinen Berichten genaue Angaben über die Microcystin-, Anatoxin- und Saxitoxingehalte der verwendeten Afa-Produkte machte. Bei jeder Studie war ein Vertreter von Bluegreen, dem größten US-amerikanischen Afa-Algenproduzenten, Mitautor. Dies lässt auf eine direkte Einflussnahme und auf Gefälligkeitsstudien schließen.

Es gibt im Bereich der Therapie hyperaktiver Kinder bisher keine einzige seriöse Studie, die bewiesen hätte, dass Afa-Algen einen therapeutischen Vorteil erbracht hätten. Man muss sich recherchemäßig fast auf den Kopf stellen, um zumindest indirekte Hinweise zu erhalten, denn im internationalen medizinischen Fachschrifttum gibt es keine einzige Afa-Studie. Auch das Durchforsten von Doktorarbeiten oder Habilitationsschriften deutscher Universitäten erbringt keine einzige Untersuchung mit diesem Nahrungsergänzungsmittel.

In einem Buch der Heilpraktikerin und Diplom-Politologin Barbara Simonsohn (2001), die Afa-Algen als Ersatz für Ritalin vorstellt, findet man einen ersten Hinweis. Sie berichtet übrt Einzelfälle, die als Belege dargestellt werden: Julian, 13, war sprunghaft, ungewöhnlich rastlos, unkonzentriert und ermüdete schnell. Sein Verhalten war dominant, undiplomatisch und oft verständnislos. Julian ist seit Afa-Algen-Einnahme weniger impulsiv, er findet nach einem Wutanfall leichter zurück zum Normalzustand, kann besser nachgeben und ist lustiger und fröhlicher. Diesem lächerlichen Beweis fehlt so ungefähr alles, was es erlaubt, eine seriöse DSM-IV-basierte Beurteilung der Hyperaktivität des Kindes zu erstellen. Die Heilpraktikerin hat nur einen winzigen Ausschnitt der tatsächlichen Symptomatik eines hyperaktiven Kindes beschreibt. Da die anderen Fallbeschreibungen in ihrem Buch von ähnlicher Güte sind, stellt sich die Frage, ob Simonsohn wirklich eine Ahnung von dem hat, über was sie schreibt. Da sie als Werbeinstrument für Algenhersteller dient, sind ihre Publikationen wohl nichts anderes als direkte Schleichwerbung für Afa-Algen, an denen sie gut verdient. Sie selbst gibt in ihrem Buch offen zu, von mindestens drei deutschen Anbietern mit Afa-Pillen im Marktwert von 7.500 Euro ausgestattet worden zu sein, um Kinder von 44 Familien zu behandeln. Die Heilpraktikerin empfahl den Kindern eine Dosis von 1.5 g/d und die Beobachtung soll 10 Wochen gedauert haben. Kalkuliert man die Tagesdosis mit 1 Euro, hätte die Dame 5.000 Tagesdosen ausreichen können. Weil man 80 Tagesdosen pro Kind braucht, hätte man mindestens 60 Kinder behandeln können. Es sind aber nur 19 Kinder in der Publikation der Heilpraktikerin grob beschrieben. Da 44 Familien gemeinsam wohl kaum 19 Kinder haben können, dürfte sich die Heilpraktikerin entweder jene Fälle herausgesucht haben, bei denen ihre schlampige Diagnostik einer wahrscheinlich gar nicht bestehenden ADHS durch Afa-Algen 'geheilt' wurde oder sie hat, wie in solchen Jubelpublikationen üblich, die Krankengeschichten erfunden.

Blickt man in populärwissenschaftliche Zeitschriften der Ganzheitsmedizin, findet sich eine Publikation von Simonsohn im Jahr 2000. Hier berichtete sie über verschiedene Studien, die angeblich die Wirksamkeit bei Afa-Algen bewiesen haben sollen. In der sog. The kid.com Study, die von einem Afa-Anbieter durchgeführt worden sein soll, sollen Symptomverbesserungen bei Kindern erreicht worden sein. Was genau diagnostiziert und welches Resultat sich vor und nach der Studie exakt dargeboten hat, gibt die Autorin nicht wieder. Sie gibt nur folgendes bei den Kindern an: Signifikante Verbesserungen in ihrer Fähigkeit, zu fokussieren, Anweisungen zu folgen und sich zu konzentrieren. Eine Abnahme von streitsüchtigem, fordernden und kämpferischen Benehmen. Weniger Symptome von Angst und Depression. Verbesserung des sozialen Verhaltens. Weniger Zeichen von emotionalen und verhaltensmäßigen Abgelenktsein. Weniger Wutanfälle und Erziehungsprobleme. Weniger Verhaltensauffälligkeiten, die man als merkwürdig klassifizieren könnte. Weniger körperliche Symptome wie Kopfschmerzen und Magenschmerzen, für die kein offensichtlicher Grund vorliegt.

Wenn man diese Untersuchungsmerkmale mit den DSM-IV Diagnosekriterien für ADHS vergleicht, kommt man mit sehr viel Mühe auf gerade einmal zwei ADHD-Merkmale. Das lässt den Verdacht aufkommen, dass es sich bei den Kindern in der Kid.com-Studie nicht um hyperaktive Kinder gehandelt hat. Da wundert es nicht, wenn Simonsohn (2000) schreibt: Die beiden Behandlungsformen (gemeint ist der Vergleich zwischen Ritalin und Afa-Algen) waren gleichermaßen effektiv. Wer den Eindruck hinterlässt, Äpfel mit Birnen zu vergleichen und gleichzeitig so wenig Ahnung von ADHS hat, wie Frau Simonsohn, mag diesen Schluss ziehen.

Ähnlich sieht es bei einer zweiten Studie aus, die Simonsohn (2000) referiert. Es handelt sich um den The Children & Algae Report, bei dem die beteiligten Eltern die Produkte eines Afa-Algenanbieters sogar selbst zahlen mussten. Die Bewertung der Kinder erfolgte mit einem Aschenbach-Bewertungsschema, welches u.a. Aufmerksamkeit, Aggression, soziale Probleme, Ängstlichkeit/Depression, Straffälligkeit, Denkprobleme, Zurückgezogenheit und eine Bewertung namens somatisch beurteilen soll. Diese pseudowissenschaftliche Bewertungsschema ist in der seriösen ADHS-Diagnostik vollständig unbekannt.

In keiner der von Befürwortern durchgeführten Studien, sofern diese überhaupt erreichbar sind, ist eine glaubwürdige, realitätsbezogene Selektion des untersuchten Kollektivs nach etablierten Diagnosemethoden erfolgt. Offenbar wurden die üblichen DSM-Kriterien nicht als Bewertungs- und Einstufungsgrundlage angewendet. Allein diese methodischen Unzulänglichkeiten machen die bisherigen Befürworterstudien in meinen Augen unglaubwürdig. Der Umstand, dass in keiner Studie mitgeteilt wird, ob nach Toxinen in den Afa-Algen gesucht worden war oder ob zumindest Leber- und Nierenparameter zur Absicherung von negativen Auswirkungen dieser Gifte laborchemisch bestimmt worden sind, zeigt, dass in diesen Studien offenbar nicht mit großer wissenschaftlicher Genauigkeit vorgegangen worden zu sein scheint.

Eine weitere Quelle, der sog. The Nicaragua Report, die von der US-Algenfirma Bluegreen gesponsort wurde, ist in Wahrheit eine spanischsprachige Doktorarbeit aus dem von Wirtschaftskrisen und politischen Händeln zerrissenen Nicaragua. Das Land ist bekannt dafür, eine hungernde Bevölkerung zu besitzen und es ist leicht, dort für wenige Dollars Gefälligkeitsstudien zu lancieren. In der seriösen wissenschaftlichen Szene wären diese bedeutungslos, aber für den unwissenden Verbraucher sind solche Studien exzellentes Marketingmaterial. In einem 14 Seiten dünnen A5-Heftchen wird auf populärwissenschaftliche Weise beschrieben wird, wie Afa-Algen in einer Schule, in der zu Studienbeginn mehr als 80% der 6-11jährigen Kinder unterernährt waren, der Ernährungsstatus, die Schulnoten und das Verhalten der Kinder positiv beeinflusst worden sein soll. Angeblich sei innerhalb eines halben Jahres die Fehlernährungsrate von 86% auf 21% gefallen. Überflüssig zu betonen, dass auch hier weder Toxinbestimmungen der Afa-Algen noch einschlägige Leber- und Nierenwerte berichtet wurden. Dass vorher mangelernährte Kinder mit wenigen Gramm proteinhaltiger, aber vitamin- und mineralstoffarmer Afa-Algen Normalgewicht erreichen sollen, wirkt einfach nur lächerlich. Höchstwahrscheinlich wurden die teilnehmenden Kinder mit einer Schulspeisung angelockt und nahmen deshalb zu. Niemand dürfte vor Ort etwas gegen dieses Vorgehen eingewendet haben. Dass man die daraus resultierenden Scheinergebnisse im Westen als Beweis verkauft, dürfte in Nicaragua unbekannt sein und spielt für die Menschen dort in Wirklichkeit auch keine Rolle.

Marketingskampagnen für AFA-Algen

In den letzten Jahren schlug eine Marketingkampagne aus den USA in Europa auf. Im Zuge der Diskussion um Kinder mit Aufmerksamkeits-Defizit-und-Hyperaktivitäts-Syndrom (ADHS), wurde eine Vielzahl von Alternativen zur etablierten Ritalintherapie auf den Markt gebracht. Dabei spielt die Psychosekte Scientology im Konzert mit anderen sektenähnlich operierenden Gruppen und Firmengeflechten eine herausragende Rolle.

Da bis zu 15% der kindlichen Bevölkerung an ADHS leiden, jedoch nur ein winziger Bruchteil adäquat versorgt wird, sind die Eltern dieser Kinder einer enormen Belastung ausgesetzt. Sie suchen nach Alternativen und diese werden ihnen in Form angeblicher Wundermittel angeboten. Dazu gehören auch die Nahrungsergänzung aus blaugrünen Algen der Gattung Aphanizomenon flos Aquae (sog. Afa-Algen). Diese werden als therapeutische Alternative zur Substition mit Methylphenidat (Ritalin/Novartis, Medikinet/Medice, Equasym/Celltech Group) propagiert.

Unverantwortliche Werbeaussagen

Im April 2002 verschickte KEIMLING Naturkost in Buxtehude einen Werbebrief, in dem unter dem Titel "Sind Klamath Uralgen gefährlich?" u.a. folgende Behauptung zu lesen war: Das Landwirtschaftsministerium in Oregon hat einen Grenzwert von 1.0 Microgramm/kg Klamath Uralge festgesetzt. Wenn Sie täglich 2 g der Uralgen verzehren, wären demnach 2 Microgramm Microcystin zulässig. Ihr amtlicher Sicherheitsfaktor beträgt 11655..... und weiter heißt es: ...Demnach könnte ein Mensch mit 70 kg Körpergewicht 23310 Microgramm Microcystin-LR zu sich nehmen, ohne gesundheitliche Schäden befürchten zu müssen. Dies mag der Geschäftsführer der Firma Keimling, Winfried Holler, einmal am eigenen Leibe auspropieren. Er dürfte diesen Selbstversuch mit dem Leben bezahlen. Allerdings hat sein Haus einen Vorteil: es verkauft tiefgefrorene E3LIVE(tm)-Algen. Unseren Analysen zufolge enthält dieses Produkt keinerlei Microcystine ... der mikroskopische Augenschein zeigt aber ebenso, dass es sich offenbar nicht um ein Afa-Cyanobakterienprodukt handelt. Vielmehr tauchen unter dem Mikroskop Gräser und normale Algen auf, so dass man den Eindruck hat, als ob jemand einfach mit der Harke durch einen See gefahren ist, das Resultat zerkleinert hat und als Cyanoalgenprodukt anpreist.

Herstellung und AFA-Algen Anbau

 
Luftbildaufnahme am Abfluss des Upper Klamath Lake in den Link River aus geringer Höhe
 
Luftbildaufnahme am Abfluss des Upper Klamath Lake in den Link River aus größerer Höhe
 
Infrarotaufnahme der Region um den Upper Klamath Lake mit dichter landwirtschaftlicher Nutzung

Aphanizomenon flos Aquae-Algen werden in unterschiedlichen Regionen der Erde gefunden. Jene Produkte, die derzeit in den USA und Europa verkauft werden, stammen nach Angaben der Hersteller aus dem Upper Klamath Lake im US-Bundestaat Oregon. Dieser See ist Teil einer riesigen Seenplatte, aus der nur ein einziger Fluss (der Klamath River) nach dem Grenzübertritt in den US-Bundesstaat California in den Pazifik mündet. Die Region dient als Brutstätte für Seelachse, ist aber seit 150 Jahren dicht besiedelt und wird intensiv landwirtschaftlich genutzt. Der Upper Klamath Lake dient als Wasserreservoir für die ihn an drei Seiten umgebenden, intensiv landwirtschaftlich genutzten Anbaugebiete. Die exzessive Wasserentnahme der letzten Jahrzehnte hat zu einer erheblichen Senkung des Seewasserspiegels geführt, so dass derzeit die den See bildende Wasserschicht dünner ist als die Schlammschicht am Seegrund. Die Wasserqualität und der Sauerstoffgehalt ist mittlerweile so desolat, dass es regelmäßig zu Fischsterben im Upper Klamath Lake kommt. Umweltschutzorganisationen versuchen seit Jahrzehnten, den zu hohen Wasserabzug aus dem See zu bremsen und die Wasserqualität zu steigern. Das Fischsterben ist regelmäßig auf die Produktion von Microcystinen durch im Wasser vorkommende und durch die Überdüngung massiv wachsenden blaugrünen Cyanobakterien zurückzuführen.

Während die Anbieter von Afa-Algen dem Käufer mit offensichtlich geschönten Seeaufnahmen eine heile Umwelt vorzugaukeln versuchen, teilen Anwohner des Upper Klamath Lakes in Webforen mit, dass die Gewinnung der im See wachsenden Algen z.T. mit Schleppern und Baumaschinen erfolgt, wobei das dicht wachsende Gemisch aus Algen, Seegras und blaugrünen Cyanobakterien zum Teil vermischt mit Schlamm herausgebaggert wird.

Aufgrund dieser Anbaumethoden ist es nicht verwunderlich, dass die Qualität einiger der gewonnenen Afa-Produkte zu wünschen übrig lässt.

Der Werbetrick mit der Kameraperspektive

Der Geschäftsführer Sanacells, Eckart Pinnow, verkündete in seiner Hauspostille Forum - Informationen für Mitglieder des GesundheitsNetzwerkes (Nr. 5, 2002), dass seine Afa-Produkte nicht microcystinbelastet seien. Pinnow ist in dieser Ausgabe in einem Boot abgebildet, dass auf dem Upper Klamath Lake schwimmt. Der Untertitel lautet: "Dipl.-Ing. Eckart Pinnow überprüft persönlich den Qualitätssicherungsprozess am Klamath-See".

AFA-Algen und Microcystinbelastung

 
Anabaena

Das Hauptproblem der Algenprodukte stellt nicht ihr Lebensmittelcharakter dar, denn es handelt sich um eher minderwertige Nahrungsmittel mit geringem Mineralien- und Vitamingehalt (Ausnahme: Vitamin A) und hohem Proteingehalt. Hauptproblem ist vielmehr die Beimengung von Cyanobakteriengiften.

In aktuellen Publikationen, die verschiedene Stämme der blaugrünen Cyanobakterien Anabaena, Aphanizomenon, Calothrix, Cylindrospermum, Nostoc, Microcystis, Planktothrix, Oscillatoria und Synechococcus genera untersuchten, fanden sich immer wieder Sorten, die die Kampfgifte der Klasse der Microcystine und der Anatoxine produzierten (Lyra et al. 2000). Auch ist bekannt, dass einige Arten der blaugrünen Cyanobakterien das Nervengift Saxitoxin produzieren können.

Befürworter der Algen sind sich des Toxinproblems bewußt. Ray (1991) schrieb schon vor 10 Jahren, dass einige A.f.a.-Stämme hochwirksame Nervengifte produzieren könnten, diese Gifte aber in Nahrungsmitteln aus Algen des Upper Klamath Sees in Oregon nicht gefunden worden seien. Seine Ansicht wird von einer Arbeit von Schaeffer et al. (1999) unterstützt, die in Algen eine Beimengung durch eine Microcystin-produzierende Alge (Microcystis spp.) nachwiesen. Demzufolge sei diese Beimischung an dem Toxineintrag schuld.

Inzwischen gibt es eine Veröffentlichung, die sich mit Microcystinbelastungen von A.f.a.-Nahrungsergänzungsmitteln befasst, die aus dem Upper Klamath See gewonnen werden. Gilroy et al. (2000) analysierten Microcystinkonzentrationen in vier verschiedenen Afa-Produkten über vier Jahre hinweg (1996-1999) und alle Produkte enthielten Microcystine in unterschiedlicher Menge.

Anbieter von A.f.a.-Produkten weisen jedoch die Microcystinbelastung generell weit von sich. Sie stellen sich auf den Standpunkt, dass Aphanizomenon Flos Aquae keine Microcystine produziere und führen Studien an, in denen dergleichen nachgewiesen worden sei. Das wirkt befremdlich, denn selbst der sich für Algenprodukte einsetzende US-amerikanische Professor Wayne Carmichael schrieb noch am 30.01.2002 auf seiner Homepage unter Bezugnahme auf einen Artikel im Scientific American: ..Anabaena, Oscillatoria, Lyngbya, and Aphanizomenon produce neurotoxic anatoxins and/or saxitoxins. Anatoxin-a and Anatoxin-a(s) seem unique to cyanobacteria, while saxitoxin also arise in certain marine algae. Anatoxin-a is a potent nicotinic agonist that mimics acetylcholine and is used as a research tool in neurobiology. Anatoxin-a(s) is a structurally new organophosphate that inhibits acetylcholinesterase. Saxitoxin prevents acetylcholine from being released from neurons by blocking the inward flow of sodium ions across the axonal membrane channels, disrupting the communication between neurons and muscle cells...

Richtet man den Blick in die Fachliteratur, gibt es offenbar einige Stämme von Aphanizomenon Flos Aquae, die keinerlei Microcystine produzieren. Lyra et al. (2001) nennen hier Aphanizomenon sp. 202, A. sp. TR183 (AJ133155), A. sp. PCC 7905, A. sp. PH-271, A. flos aquae NIES 81 und Aphanizomenon gracilie PH-219. Allerdings sind diese Aphanizomenon-Bakterien genetisch ausgesprochen eng verwandt mit den Anabaena-Bakterien, die selbst durchaus Neurotoxine erzeugen. Beide Gattungen sind ausgesprochen klein und unterscheiden sich offenbar nur unter dem Mikroskop eindeutig voneinander.

unzuverlässigen Testmethoden

Microcystine und Saxitoxine, die wichtigsten Gifte in Cyanobakterienprodukten, sind nicht einfach zu messen. Es gibt verschiedene Messmethoden, die teilweise sehr aufwendig, zeitraubend und teuer sein können. Grundsätzlich stellt sich das Problem der Wahl des Nachweisverfahrens, denn es gibt Verfahren, die die Gifte direkt sichtbar machen, und Analysen, die die Gifte nur indirekt messen. Außerdem sind die Messverfahren unterschiedlich empfindlich. Zusätzlich erschwert wird die Suche, weil diese Tests in der Lebensmittelanalytik nur selten benutzt.

Prinzipiell stellt sich die Wahl zwischen dem Enzyme Linked Immunosorbent Assay (ELISA) oder dem Protein Phosphatase Inhibition Assay (PPIA). Andere Verfahren wie die High Performance Liquid Chromatography (HPLC) oder Liquid Chromatography/Mass Spectrometry (LC/MS) kommen wegen zu hoher Kosten oder noch nicht etablierter Nachweismethodik nicht in Frage. Die Testmethoden von ELISA und PPIA sind unterschiedlich.

Im ELISA werden hochspezifische Ant-körper, die gegen Microcystinmoleküle gerichtet sind, eingesetzt. Diese Antikörper docken an Microcystine an. In einem zweiten Schritt klebt man einen weiteren Antikörper, der nur an den bereits eingesetzten Antikörper, nicht aber direkt an Microcystin andocken kann, an diesen Microcystin-Antikörperkomplex. Dies tut man, weil erst der zweite Antikörper einen fluoreszierenden Farbstoff tragen kann, den man mit speziellen Analyseverfahren sichtbar macht und dann in seiner Konzentration messen kann. Ein direktes Ankoppeln des zweiten, den Farbstoff tragenden, Antikörpers an das Microcystin ist nicht möglich, da dieser Antikörper zu klobig und ungenau wäre. Vergleichbar ist dieses Verfahren mit dem Angeln. Der Fisch ist das Microcystin, der Köder ist der 1. Antikörper und erst, wenn man den Fisch mit der Angelschnur (dem 2. Antikörper) herausgezogen hat, weiss man am Ende, was man gefangen hat. Der ELISA hat den Vorteil, dass er das Gift direkt misst, welches vorhanden ist. Er kann dies mit einer Genauigkeit tun, die ein Microcystinmolekül in einer Lösung von 10 Milliarden anderen Molekülen herausfinden kann. Die Genauigkeit liegt bei 0,1 ppb.

Im PPIA hingegen ist das Testprinzip völlig anders. Hier wird die bremsende Wirkung der Microcystine auf eine enzymatisch gesteuerte Umwandlungsreaktion gemessen. Microcystine bremsen die Protein Phosphatase, die die Dephoyphorylierung von p-Nitrophenylphosphat steuert. Durch Nachweis der Ausgangs- und Endprodukte des Umwandlungsprozesses kann man indirekt auf die Konzentration der Microcystine zurückschließen. Ein direkter Nachweis der Microcystine geschieht jedoch nicht. Der Test hat auch den Nachteil, dass er nur eine einzige Wirkung der Microcystine erfasst und dabei unberücksichtigt lässt, dass im Organismus durch verschiedene Microcystintypen unterschiedliche Enzymsysteme beschädigt werden können. Der PPIA ist nicht so genau wie der ELISA, denn er gibt nach Lawrence et al. (2001) in der Regel deutlich niedrigere Belastungswerte für Microcystine aus, die manchmal 10-40% unter den im ELISA gemessenen Konzentrationen liegen können.

Anbieter von AFA-Algen legen zum Nachweis der angeblichen Produktgüte in der Regel PPIA-Analysen vor. Dies ganz offensichtlich deshalb, weil mit dieser Testmethode nur ein Teil der Microcystine (und dieser wiederum nicht sicher) gemessen werden kann. Auf diese Weise schönt man die Resultate mit der methodenbedingten Ungenauigkeit des Messverfahrens nach unten. Dies trägt zur Verunsicherung des Verbrauchers bei und kann (wie unten näher beschrieben) sogar vor Gericht Vorteile bringen, weil Richter nicht selten bereits zu abgehoben sind, um sich mit den Hintergründen von Prüfmethoden zu befassen.

Gesundheitsschäden

In den USA listete die US-Gesundheitsbehörde FDA, die im leider mittlerweile nicht mehr online abrufbaren Med Watch Programm 57 Schadensfälle bis zum Jahre 1998 auf, die in zeitlichem Zusammenhang mit Afa-Konsum zu stehen schienen. Ebenso warnte Health Canada Online bereits im Jahre 1999 vorbeugend vor blaugrünen Algenprodukten, vor allem vor der Anwendung bei Kindern. Auch Erwachsene sollten Vorsicht bei der Einnahme bis zu dem Zeitpunkt walten lassen, bis die Produktsicherheit zweifelsfrei gewährleistet sei [2]. Der STERN veröffentlichte im Artikel Die Grüne Gefahr (Nr.8/2002) Warnungen über die Giftstoffe Algenprodukten am 14.02.2002.

Obgleich den deutschen Lebensmittelüberwachungsbehörden sowohl auf Bundes- als auch auf Landesebene seit Mai 2002 Laboranalysen über den Microcystingehalt in Afa-Produkten vorliegen, haben sie bis heute keinerlei Schutzmassnahmen über die bereits angesprochene Warnmeldung hinaus unternommen. Dies wird mit dem Fehlen eines Microcystingrenzwertes begründet (vgl. hierzu Spirulina). Es drängt sich der Verdacht auf, dass hier Grüner Lobbyismus im Spiel ist, denn offenbar pflegen einige Algenhersteller exzellente Kontakte zu den dt. Bündnisgrünen nahestehenden Prüflabors, die sich einer verbraucherkritischen Untersuchung der Algenprodukte entziehen. Vor allem in alternativen und esoterischen Kreisen wurden die Wunderalgen stark propagiert. Offenbar befürchtet man bei den Grünen, aufgrund des eigenen Fehlverhaltens in den sich abzeichnenden Skandal einbezogen zu werden. Es gibt mittlerweile auch in Deutschland Berichte über Personen, die über Symptome nach dem Konsum von Afa-Algenprodukten klagten. Diese Symptome stellten sich nach einigen Monaten kontinuierlicher Einnahme ein, klangen nach dem Absetzen aber wieder ab und verschwanden. Eine Betroffene bekam Taubheitsgefühl in den Fingern bis hin zum totalen Durchblutungsstopp in den letzten zwei Fingergliedern, desweiteren häufiges Kribbeln wie bei einer Minderdurchblutung und dies auch ansatzweise in den Zehen. Desweiteren beklagte die Betroffene brüchige, wie erweicht erscheinende Fingernägel sowie eitrige, langwierig sich hinziehende Entzündungsherde der Haut im Bereich des Gesichts und des Rückens. Ein anderer Betroffener schilderte, dass er nach längerer Einnahme sehr schmerzhafte, chronische Halsschmerzen entwickelt hätte und neben den analog bereits beschriebenen Hautentzündungserscheinungen vor allem extrem langanhaltende Muskelschmerzen bereits nach normaler sportlicher Aktivität bekommen habe.

Diese Hinweise deuten auf eine chronische Langzeitbelastung mit Microcystinen hin. Microcystine verursachen Leberschäden, Nierenversagen und können auch, weil sie die Natriumkanäle der Nerven blockieren können, die Impulsübertragung menschlicher Nervenzellen unterbrechen, was bis zum Tod durch Atemstillstand führen kann. Auch krebserzeugende Wirkungen sind nachgewiesen (NCI 2000). In China gibt es beispielsweise ausreichend Hinweise dafür, dass microcystinbelastetes Trinkwasser die Hauptursache für die hohe Sterblichkeit an Leberkarzinomen in bestimmten Provinzen des Landes ist (Yu 1995, Ueno 1996). Aktuell publizierte Tierversuche an schwangeren Ratten (Zhang et al. 2002) zeigen, dass die Gabe von 4 Microgramm Microcystin-LR pro kg Körpergewicht bereits zu leichten Veränderungen im Lebergewebe der ungeborenen Feten innerhalb von 10 Tagen führen kann. Interessant ist, dass sich solche Ergebnisse bei Mäusen selbst bei Dosen von 2-128 Microgramm pro kg Körpergewebe nicht einstellen (Chernoff et al. 2002). Es kommt also auf das Tiermodell an, was verwendet wird. Die offenbar gegen Microcystine recht robust erscheinenden Mäuse sind das bevorzugte Tiermodell bei Studien aus der Algenszene. Offenbar weiss man genau, dass man nur mit Mäusen eine Verharmlosung der Giftwirkung der Microcystine beweisen kann, da dies in allen anderen Tiermodellen nicht gelingt.

Beim Menschen korreliert die Microcystinbelastung im Trinkwasser eindeutig mit der Häufigkeit von Leberkrebs (Yu et al. 2001), wie Studien aus China beweisen. Dort hat man schon lange Probleme mit microcystinbelastetem Trinkwasser, das in etlichen Provinzen Chinas ursächlich mit dem gehäuften Auftreten von Leberkarzinomen assoziiert zu sein scheint. Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat einen Trinkwassergrenzwert für Microcystine von 1 Teil pro 1 Millarde Teile Wasser empfohlen (1 ppb), der in Kanada, Australien und Großbritannien mittlerweile auch in Kraft ist. In den USA oder der Bundesrepublik Deutschland ist dergleichen nicht umgesetzt worden. Dies ist vor dem Hintergrund, dass die Gesundheitsbehörden des US-Bundesstaates Oregon eine Microcystinbelastung bis zu 1.000 ppb (= 1 parts per million/ppm) in Algenprodukten tolerieren, inakzeptabel.

Versucht man eine grobe Risikoabschätzung der Microcystinbelastung in den Algenprodukten vorzunehmen, so scheint eine klinische Symptomatik nach einigen Monaten Konsum von Produkten mit Belastungen ab 100 ppb einzutreten. Dies zeigt, dass das der WHO-Trinkwassergrenzwert von 1 ppb mit einem vernünftigen Sicherheitsabstand von 1:1000 zum Algengrenzwert aus Oregon durchaus begründet ist und sicherheitshalber auf Lebensmittel übertragen werden sollte. Von Algenanbietern wie Sanacell und Algavital wird immer wieder die Falschmeldung verbreitet, dass der in Oregon etablierte Grenzwert für die gesamte USA gelten würde. Dem ist nachweislich nicht der Fall. Zudem ist der Grenzwert nicht verbindlich, sondern lediglich ein US-amerikanischer Empfehlungswert, ab dessen Überschreitung microcystinbelastete Afa-Produkte aus dem Verkehr gezogen werden sollen (nicht müssen!).

Legt man die oben geschilderten Fälle zugrunde und bedenkt man, dass sich Microcystine sowohl in der Leber- als auch im Nerven- und Muskelgewebe angereicht als auch nur langsam ausgeschieden werden, wäre es möglich, dass Dauerkonsumenten erst mit monatelanger Verzögerung Gesundheitsprobleme entwickeln. Microcystindosen können beim Schwein, dass uns Menschen vor allem bei der Leberfunktion sehr ähnlich ist, bereits in Dosen von 25 Microgramm pro Kilogramm Körpergewicht Leberschäden auslösen, während Ratten und Mäuse wesentlich robuster reagieren. Deshalb ist es absolut denkbar, dass der Mensch, der in vielen gesundheitlichen Bereichen empfindlicher als Tiere reagiert, schon bei niedrigeren Dosen Gesundheitsprobleme entwickelt, die anfänglich nicht mit den A.f.a.-Produkten assoziiert werden.

Legt man eine Verzehrsmenge von 2 Gramm Algenmasse mit einer Belastung von 100 Microgramm pro kg Algenmasse (100 ppb) zugrunde, würde man sich pro Tag eine Microcystinmenge von 0,2 Mikrogramm einverleiben. Da die oben geschilderten beiden Verbraucher erst nach 7 Monaten, dann aber zügig, gesundheitliche Probleme entwickelten, wäre zu spekulieren, dass bei einer Gesamtmenge von 40 Microgramm Microcystinen von ersten klinischen Symptomen auszugehen sein könnte (von einer unbemerkten Krebsschädigung nicht zu reden!). Diese zugegebenermaßen spekulative Obergrenze für bemerkbare, klinische Probleme scheint nicht unrealistisch zu sein, da eine weitere Verbraucherin, die über Monate hinweg eine mit 76 ppb belasteten Probe konsumiert hatte, keine gesundheitlichen Probleme berichtete. Die Wirksamkeitsschwelle zur Auslösung klinischer Symptome beim Menschen dürfte derzeit bei einer Gesamtaufnahmemenge von 40-50 Microgramm liegen, die je nach Belastung des A.f.a.-Produkts mehr oder weniger schnell erreicht ist.

In Australien wird für Trinkwasser ein Microcystin-LR Richtwert von 1,3 Microgramm/Liter empfohlen. Alle Grenzwerte, auch der von der WHO empfohlene, orientieren sich aus Hochrechnungen, die ihre Grundlage in Tierversuchen am Mausmodell haben. Mäuse halten aber eine deutlich höhere Microcystinbelastung aus, ohne Leberschäden oder körperliche Symptome zu entwickeln, als andere Tiergattungen (z.B. Ratte oder Schwein). Zeigen sich bei Mäusen noch keine Zeichen von Leberschädigungen bei intraperitonealen Gaben von Microcystinen in Dosen von 25-50 Microgramm/kg Körpergewicht (vgl. Fromme, Berlin, 1999), treten bei Rattenfeten bereits ab 4 Microgramm/kg Körpergewicht Schäden auf (Zhang et al. 2002). Schweine überleben nach Beasley et al. (2000) gerade noch eine Microcystindosis von 25 Microgramm/kg Körpergewicht, erleiden dabei aber bereits nachweisbare Organschäden u.a. im Bereich der Leber. Beim Menschen fehlen entsprechende Untersuchungen aus naheliegenden Gründen. Niemand würde die Erlaubnis erhalten, selbst bei Freiwilligen solche Versuche durchzuführen. Deshalb ist man auf Analogieschlüsse angewiesen, die sich sinnvollerweise auf die Trink- oder Badewasserbelastung mit Microcystinen beziehen, denn hier zeigen Studien aus China, dass der Konsum microcystinbelasteten Trinkwassers eindeutig mit einem erhöhtem Auftreten von Leberkarzinomen assoziiert ist (z.B. Shun-Zhang 1995).

Das Institut für Umweltanalytik und Humantoxikologie (ITox) in Berlin empfiehlt in der Gesundheitlichen Bewertung von Blaualgentoxinen (Microcystinen) in Badegewässern bereits ab einer Belastung von 10-100 Microgramm pro Liter, auf das gesundheitliche Risiko beim Baden in entsprechend belasteten Gewässern hinzuweisen und vom Baden abzuraten sowie ab Microcystinwerten oberhalb von 100 Microgramm pro Liter das Baden in solchen Gewässern zu untersagen. Es liegt nahe, diesen Trinkwassergrenzwert auf die Algenprodukte zu übertragen, denn in der von mir iniziierten Untersuchung fand ich zwei Personen, die nach mehrmonatiger Einnahme von Algenprodukten in einer geschätzten Microcystin-Gesamtdosis von etwas über 40 Microgramm klinische Symptome entwickelt hatten, die auf eine chronische Vergiftung durch Microcystine schließen lassen.

Wenn also Tierversuche zeigen, dass Mäuse zur Risikoabschätzung durch Microcystin aufgrund ihrer Unempfindlichkeit ungeeignet sind, Ratten und Schweine hingegen viel empfindlicher reagieren und zudem erste Hinweise bei Erwachsenen zeigen, dass Gesamtdosen von etwa 40 Migrogramm Microcystinen - auch über längere Zeit verteilt eingenommen - zu Gesundheitsschäden führen können, muss gefordert werden, dass der WHO-Trinkwassergrenzwert für Microcystine von 1 Microgramm/Liter auch bei den Algenprodukten einzuhalten ist. Die im US-Bundesstaat Oregon tolerierten Microcystinmengen in Algenprodukten (1.000 Microgramm pro kg), die nur auf Schätzungen aus Mausmodellen beruhen (Schaeffer et al. 1999), sind offensichtlich wesentlich zu hoch. Sie liegen um den Faktor 1.000 überhalb der für Trinkwasser empfohlenen WHO-Richtwerte.

Legt man die übliche Verzehrsempfehlung von 2 Gramm Algenmasse pro Tag, eine durchschnittliche Microcystinbelastung von 0,1 Microgramm pro Algengramm und eine Dosisschwelle von 40 Microgramm Microcystinen bei Erwachsenen zugrunde, ab der offensichtlich klinische Symptome auftreten können, so kann man innerhalb von etwa 6-7 Monaten die kritische Belastungszone zum Auftreten körperlicher Beschwerden erreichen. Es gibt jedoch Algenanbieter, deren entsprechend belastete Algenprodukte mit Verzehrsempfehlungen bis zu 20 Pillen (5 Gramm) täglich angepriesen werden. Bei solchen Verzehrsmengen ist es kein Wunder, wenn die kritische Schwelle bereits innerhalb weniger Wochen erreicht wird und die Patienten anfänglich mit schnell auftretenden Hautausschlägen konfrontiert werden. Sanacell und Algavital nutzen beide gern die Dienste der Heilpraktikerin Barbara Simonsohn, die einschläge Ritalin-kritische und AFA-propagierende Bücher publiziert hat sowie einschlägige werbende Artikel in Szene-Zeitschriften veröffentlichte. Sie tritt für noch höhere Dosen pro Tag (20 Gramm und mehr) ein. Bei den Microcystinmengen, die in den Produkten von Sanacell und Algavital gefunden wurden, würde dies eine Krebsgefahr bedeuten sowie nach wenigen Wochen bis Monaten klinische Symptome einer Microcystinvergiftung bewirken.

Zusätzlich ist zu bedenken, dass sich 50% der oral eingenommenen Microcystindosis in der Leber anreichert. Somit sind die üblichen Dosierungsschemata des Giftes in Bezug auf Kilogramm Körpergewicht per se fragwürdig. Die Leber eines Erwachsenen hat ein durchschnittliches Gewicht von 3-4 kg, so dass bereits niedrige Einnahmemengen zu Leberschäden führen können. Geht man davon aus, dass man eine Giftkonzentration von 1 Microgramm pro kg Lebergewicht einnehmen müßte, würden bereits 8 Microgramm Gesamtaufnahmemenge ausreichen, um erste Leberschäden zu bewirken oder ggf. dazu beizutragen, Leberkrebs auszulösen. Diese Dosis kann bei Algenprodukten, die, wie in der vorliegenden Untersuchung nachgewiesen, mit 68-134 Microgramm pro kg (also 0,068 - 0,134 Microgramm pro Gramm) mit Microcystinen belastet sind, durchaus schon in 2-3 Monaten erreicht werden, denn die Microcystine werden nicht so schnell abgebaut, wie sie eingenommen werden. Das Leberkrebsrisiko kann bereits in solchen Dosen möglicherweise deutlich erhöht werden.

Yu und Chen (1994) untersuchten den Microcystingehalt in Trinkwasser von 20 Patienten, die an hepatozellulärem Karzinom erkrankt waren (61 Microgramm/Liter) und verglich ihn mit demjenigen von gesunden Kontrollpersonen (36 Microgramm/Liter). Dies zeigt, dass eindeutige Risiken bestehen können, wenn dauerhaft Microcystine in noch vergleichsweise niedrigen Dosen eingenommen werden.


Warnung des BfArM und BgVV

Das Bundesinstitut für gesundheitlichen Verbraucherschutz und Veterinärmedizin ( BgVV) gemeinsam mit dem Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) veröffentlichte am 21. März 2002 eine gemeinsame Presseerklärung [3], die vor dem Konsum der Algenprodukte warnte. Am 22.03.2002 warnte der kritische Informationsdienst für Ärzte und Apotheker (Arznei-Telegramm) in einer Blitz-Mitteilung per eMail [4] vor den Algenprodukten und vertiefte dies in einer Printausgabe des Arznei-Telegramms am 12. April 2002. Am 27.03.2002 warnte der Krebs-Kompass.de auf seiner Website ebenfalls mit dem Titel Warnung vor Algen statt Arznei. Diese Warnungen trugen dazu bei, dass Elternverbände in Deutschland und der Schweiz, die sich für hyperaktive Kinder (ADS-Kinder) einsetzen, sich dem von Algenvertreibern erzeugten juristischen Druck ausgesetzt sahen, besser widerstehen konnten.

Die Pressemitteilung vom 21.3.2002 zu AFA-Algen:

  • Ein Nutzen durch den Verzehr AFA-Algen-haltiger Nahrungsergänzungsmittel ist wissenschaftlich nicht belegt.
  • eine Gefährdung der Gesundheit durch Gifte ist nicht auszuschließen.
  • Produkte, denen werblich eine heilende Wirkung zugeschrieben wird, sind als Arzneimittel anzusehen und bedürfen deshalb der amtlichen Zulassung. Liegt eine solche Zulassung nicht vor, sind die Produkte nicht verkehrsfähig. In Deutschland ist kein solches Produkt zugelassen.
  • Damit liegt ein Verstoß gegen das Verbot der irreführenden Werbung nach dem Heilmittelwerbegesetz vor. Es besteht die Gefahr, dass aufgrund der Fehlinformation Eltern eine notwendige ärztliche Behandlung ihrer Kinder abbrechen und sich das Leiden verschlimmert, wenn ersatzweise AFA-Algenprodukte gegeben werden. Gleiches gilt für Erwachsene, die im Vertrauen auf die "Heilkraft der AFA-Algen" bei einer diagnostizierten Depression oder bei anderen Gesundheitsstörungen eine ärztlich verordnete medikamentöse Therapie abbrechen und stattdessen AFA-Algenprodukte zu sich nehmen.

Literatur

  • Beasley VR, Lovell RA, Holmes KR, Walcott, HE, Schaeffer DJ, Hoffmann WE, Carmichael WW: Microcystin-LR decrease hepatic and renal perfusion and causes circulatory shock, severe hypoglycemia and terminal hyperkalemia in intravasculary dosed swine. J Toxicol Environm Health 61 (Part A): 281-203, 2002
  • Chernoff N, Hunter ES, Hall LL, Rosen MB, Brownie CF, Malarkey D, Marr M, Herkotivs J: Lack of teratogenicity of microcystin-LR in the mouse and toad. J Appl Toxicol 22: 13-17, 2002
  • Gilroy DJ, Kauffman KW, Hall RA, Huang X, Hu FS: Assessing potential health risks from microcystin toxins in blue-green algae dietary supplements. Environment Healtch Perspect 108: 435-439, 2000
  • Jensen GS, Ginsberg DI, Huerta P, Citton M, Drapeau C: Consumption of Aphanizomenon flos-aquae has rapid effects on the circulation and function of immune cells in humans. A novel approach to nutritional mobilization of the immune system. Journal of the American Nutraceutical Association, 2(3), 50-58, 2000
  • Kushak RI, Drapaeu C, Van Cott, EM, Winter, HH: Favorable effects of blue-green algae Apha-nizomenon flos-aquae on rat plasma lipids. Journal of the American Nutraceutical Association, 2(3), 59-65, 2000
  • Lyra C, Suomalainen S, Gugger M, Vezi C, Sundman P, Paulin L, Sivonen K: Molecular characterization of planktic cyanobacteria of Anabaena, Aphanizomenon, Microcystis and Planktothrix genera. Int J System Evolut Microbiol 51: 513-526, 2001
  • Manoukain R, Citton M, Huerta R, Rhode B, Drapeau C, Jensen GS: Effects of the blue-green algae aphanizomenon flos aqua (L.) Ralphs on human natural killer cells. In: Savage L (Ed.): Phytoceuticals. 1.1. Chap. 3.1., Seite 233-241, 1998
  • NCI Nomination: Blue-Green Algae. Submitted to the NTP. September 2000
  • Ray RA: Microalgae as food and supplement. Crit Rev Food Sci Nutr 30: 555-573, 1991
  • Schaeffer DJ, Maplas PB, Barton LL: Risk assessment of microcystins in dietary Aphanizomenon flos-aquae. Ecotoxicol Envinron Saf 44: 73-80, 1999
  • Shun-Zhang Y: Primary prevention of hepatocellular carcinoma. J Gastroenterol Hepatol 10: 675-682, 1995
  • Simonsohn B: Aufmerksamkeitsstörungen und Hyperaktivität - ein Problem unserer Zeit. Erfahrungsheilkunde, Nr. 8, 516-527, 2000
  • Simonsohn B: Hyperaktivität - warum Ritalin keine Lösung ist. W. Goldmann Verlag, München, 2001
  • Ueno Y, Nagata S, Tsutsumi T, Hasegawa A, Watanabe MF, Park HD, Chan GC, Chen G, Yu SZ: Detection of microcystins, a blue-green algal hepatotoxin, in drinking water sampled in Haimen and Fusui, endemic areas of primary liver cancer in China, by highly sensitive immunoassay. Carcinogenesis 17: 1317-1321, 1996
  • Yu SZ: Primary prevention of hepatocellular carcinoma. J Gastroenterol Hepatol 10: 674-682, 1995
  • Yu SZ, Chen G: Blue-green algae toxins and liver cancer. Chin J Cancer Res 6: 9-17, 1994
  • Zhang Z, Lian M, Liu Y, Wei G, Yu S, Kang S, Zhang Y, Chen C: Teratosis and damage of viscera induced by microcystin in SD rat fetuses. Zhonghua Yi Xue Za Zhi 82: 345-347, 2002

Weblinks

Quellennachweise