Cantharidin
Lytta vesicatoria, früher Cantharis vesicatoria

Das Cantharidinpflaster ist eine nicht ungefährliche, aus der mittelalterlichen Volksheilkunde bis heute fortgeführte, pseudo-naturheilkundliche Behandlung in der Alternativmedizin. Es wird aus einem Käfer (Spanische Fliege, eigentlich Lytta vesicatoria, früher Cantharis vesicatoria) hergestellt und galt ursprünglich als Potenzmittel und Aphrodisiakum. Dabei handelt es sich keineswegs um eine Fliege, und dieser Käfer kommt nicht nur in Spanien vor. Früher wurde diese Käfer zerrieben und als Pulver eingenommen. Ihre Speicheldrüsen enthalten eine Substanz namens Cantharidin, dass stark zellschädigend wirkt (Wang et al. 2000).

In der Szene setzt man es als 'blasenziehendes Mittel' ein, das den Körper von üblen Säften befreien soll. Es ist ein Mittel, das in der Tradition der Säftepathologie des Galen (Humoralpathologie) aus dem 2. nachchristlichen Jahrhundert steht.

Aus dem Käfer hergestellte Pasten (sog. Vesikanzien) rufen an der Hautoberfläche aufgrund der Giftwirkung des Cantharidins Entzündungen hervor. Der Therapeut markiert eine Hauptpartie von 5-6 cm Durchmesser und legt das Pflaster auf. Zunächst brennt die Hautregion stark, nach 24 Stunden hat sich aufgrund der lokalen allergischen Reaktion eine flüssigkeitsgefüllte Blase entwickelt, die punktiert wird. Danach wird ein steriler Wundverband aufgebracht. Nach 10-14 Tagen sollte die Wunde verheilt sein.

Als Variation des Pflasters wird auch die Fontanelle praktiziert. Dabei wird die Blase abgetragen, die Haut lokal anästhesiert und schließlich Salpetersäure aufgebracht. Daraufhin bildet sich Wundschorf, der später abfällt. In den Wundtrichter setzt man eine Glaskugel oder einen anderen Fremdgegenstand, der einige Tage in der Wunde verbleibt. Die nachfolgende Entzündung wird so lange aufrecht erhalten, bis der Therapeut eine kleine Quelle (Fontanelle) feststellt, die ausreichend Flüssigkeit absondert. Erst dann wird die Wunde versorgt, damit sie heilen kann.

Eine gefährliche Methode mit massiven Nebenwirkungen!

Vor dem Cantharidenpflaster ist nachdrücklich zu warnen, da es heute immer noch zur Behandlung von Rheuma, Gicht, Arthritis, chronischen Rückenschmerzen, Depressionen und Mittelohrentzündungen angepriesen wird. Dies geschieht vor allem in Kreisen mittelalterlich orientierter Naturheilkundeärzte und entsprechend unqualifizierter Heilpraktiker.

Die Behandlung kann zu entstellenden Narben führen. Cantharidin selbst ist ein Nervengift, dass, wenn es direkt in den Kreislauf gelangt, in geringen Mengen tödlich wirken kann. Es verstärkt zusätzlich die Wirkung krebserzeugender Substanzen. Die Fontanelle verstärkt zusätzlich die Infektionsgefahr.

Das säftepathologische Canthridinpflaster ist eine der letzten, üblen Methoden aus dem tiefsten europäischen Mittelalter, dass es bis in die heutige Zeit hinein geschafft hat, Patienten zu schaden. Vor dieser nutzlosen Primitivtherapie ist mit Nachdruck zu warnen. Das Canthridinpflaster schadet mehr als es nutzt. Daran ändert auch die Rückwärtsgewandtheit diverser quacksalberischer Ärzte und Heilpraktiker nichts, die immer wieder gerne diese gefährliche Kurpfuscherei anpreisen.

Quellennachweis

  • Wang CC, Wu CH, Hsieh KJ, Yen KY, Yang LL: Cytotoxic effects of cantharidin on the growth of normal and carcinoma cells. Toxicology, 147, 77-87, 2000
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