Zuckermythen
Zuckermythen bezeichnen seit Jahren gängige Behauptungen zu Gesundheitsschäden und Risiken, wie auch positive Auswirkungen auf den Menschen durch Zucker, die wissenschaftlich nicht belegt oder umstritten sind. Diese Behauptungen sind von anerkannten schädlichen Folgen des Zuckerkonsums (Beispiel: "Honig-Schnuller-Karies" bei Kleinkindern) zu unterscheiden.
Allgemeines zu Zucker/Konsum/Mythen
Zucker ist ein Überbegriff für chemisch ähnliche, jedoch im Detail sehr unterschiedliche Substanzen. Gemeinhin versteht man darunter die Monosaccharide Glukose und Fructose und die Di-und Oligosaccharide Saccharose, Maltose und Laktose.
Am meisten gebräuchlich ist der gewöhnliche Haushaltszucker, der zum Süßen von Speisen verwendet wird. Diesen Zucker bezeichnet der Chemiker als Saccharose. Der "Braune Zucker" aus dem Supermarkt ist chemisch das gleiche, aber weniger stark gereinigt ("raffiniert")[1]. Erzeugt wird Haushaltszucker heute hauptsächlich aus Zuckerrüben, die das Zuckerrohr in Europa weitgehend verdrängt haben.[2]
Entwicklung/Hintergründe der Mythen
Zucker wurde schon 500 v.C. in Indien in kristalliner Form hergestellt. Im Prinzip begann der Siegeszug des weißen Stoffes mit der Entdeckung der „Neuen Welt“ durch Christoph Columbus. Ab dem 16. Jahrhundert wurden vor allem in der Karibik Kolonien zur Zuckerproduktion gegründet.
In Europa war Zucker aufgrund der geringen Verfügbarkeit lange Zeit ein Luxusgut. In den letzten 200 Jahren hat sich der Konsum drastisch vervielfacht (Stand 2014: etwa 35 kg/Person/Jahr). Ein großer Teil der Verwendung fällt mittlerweile auf gesüßte Getränke, die einen immer größeren Anteil bei der täglichen Aufnahme von Flüssigkeit einnehmen und in einer breiten Produktpalette beworben und angeboten werden.
Der am häufigsten verwendete raffinierte Zucker hat quasi den Charakter einer Rein-Chemikalie. Dennoch ist diese Substanz damit nicht unmittelbar und per se krankheitsfördernd, kann aber durch die vermehrte und einseitige Aufnahme das Fehlen anderer bioaktiver Substanzen (Xenobiotika) bewirken, die in Kombination vorbeugende und schützende Effekte ausüben, in der Folge Auswirkungen auf die Gesundheit haben.
Es liegen sehr viele Mythen zu positiven und negativen Aspekten und Fragen bzgl. Inhalte, Formen der Aufnahme, Auswirkungen zugrunde, wie zb.
- "Ist Zucker giftig; -macht Zucker süchtig; -macht Zucker dick; -verursacht Zucker Diabetes oder ADHS; -welche Nährstoffe oder Lebensmittelprodukte enthalten wieviel Zucker; -spielt die Farbe/Herkunft eine Rolle; -wird der Zuckerstoffwechsel in den Genen bestimmt; -ist Zucker notwendig für den Energieverbrauch und steigert er die Leistungsfähigkeit; -verbessert Zucker die Gehirnleistung; -ist Milchzucker wirklich Zucker; -ist Fructose der bessere Zucker;[3] und: gibt es Zuckerverschwörungen?[4] ".
Die Vielfalt der Mythen und Geschichten ist schwer zu überschauen und beliebig zu kombinieren. Diese Mythen und Unklarheiten werden auch gerne aus kommerziellen Gründen gepflegt und aufrechterhalten. Tausende von Untersuchungen und Studienergebnissen der letzten Jahre haben unmissverständlich belegt: Es gibt keinen einheitlichen wissenschaftlichen Beleg, dass irgendeine Ernährungsform oder gar ein Lebensmittel per se krank, gesund, schlank oder dick macht. Auch lassen sich aus den recht schwachen Daten der Ernährungsforschung keine allgemeingültige Ernährungsregeln ableiten. Die abstrakten oder gar nicht vorhandenen Ernährungsempfehlungen und Infos lassen Verbraucher und Konsumenten im Unklaren und sind der Boden für die entsprechenden Mythen. Diese wurden und werden dann von Industrie, Handel, Verkündern von Ernährungswahrheiten und natürlich von Konsumenten instrumentalisiert und dient damit als Rechtfertigung für die nicht immer adäquate Zufuhr.
Gerade das Internet, speziell soziale Medien und Werbung, werden quasi als interaktive Schlachtfelder benutzt, um Glaubenskriege zu entfesseln. Es gibt zahlreiche Studien, die von Ideologen und Lobbyisten der jeweiligen Ernährungsreligionen entsprechend zurechtgebogen werden, um eine Art Gesundheitskraft bzw. negative Folgen für die Gesundheit zu belegen. Zucker ist ein elementarer Bestandteil davon.
Nicht zu vergessen: die Stärke und Macht der Mythen ist verbunden mit den tiefen Emotionen und Gewohnheiten, die mit der Aufnahme verbunden sind. So ist das Essen von Süßigkeiten mehr als nur Nahrungsaufnahme, es ist Erinnerung, Ritual, Unterhaltung, oft Belohnung und manchmal Qual. Dies manifestiert die Mythen noch mehr.
Und dennoch, auch wenn die Folgen von zu viel Zuckerkonsum drastisch sein können, besteht trotz allem kein Anlass, Zucker generell zu verteufeln. Wir wollen versuchen, einige Mythen aufzugreifen und zu beleuchten.
Pro und Contra: Wesentliche Vertreter und ihre Thesen
Robert Lustig
Ein Vertreter zuckerkritischer Thesen/Mythen ist der amerikanische Endokrinologe Robert Lustig. Seit 2009 verbreitet er Behauptungen, Zucker löse Suchtverhalten aus. Durch ein virales Youtube-Video erhielt diese Behauptung mit spektakulären, dramatischen Aussagen eine breite Öffentlichkeit in den USA [5] Diese Behauptung ist aber heftig umstritten, auch wenn Zucker im Belohnungsareal Reize ähnlich einer Droge auslöst, die den Konsum begünstigen. Eine Sucht mit Entzugserscheinungen wie Heroin löst Zucker nicht aus; die gängige deutsche Formulierung ist daher "suchtähnliches Verhalten". In Deutschland finden sich solche spektakulären Aussagen vor allem bei alternativen Anbietern wie dem Zentrum der Gesundheit, selbstverständlich mit kostenpflichtigen Angeboten zum "Ausstieg".
Durch Aussagen wie "Viele wissen gar nichts von ihrer Sucht" werden im Sinne einer Krankheitserfindung Ängste geschürt und genutzt, um einen Markt für überflüssige Produkte und Dienstleistungen zu erschließen (siehe -> Macht Zucker süchtig?). Auch Zitate wie "Fructose ist Gift. Fructose schädigt die Leber, in derselben Art und Weise wie Alkohol" und "Ich stehe heute hier um Euch zu rekrutieren. Für einen Krieg gegen schlechtes Essen" sorgten für Aufsehen.[6]
Dr. Max Otto Bruker
Max Otto Bruker war Anhänger einer grundsätzlich zivilisationskritischen Naturheilkunde. In Deutschland war er einer derjenigen, die den Konsum von Zucker heftig kritisierten und ihm eine Reihe von Erkrankungen wie z.B. Magen- und Darmprobleme zuschrieben. Besonders industriell hergestellte raffinierte Kohlenhydrate wie „Fabrikzucker“ bezeichnete er als schädlich, aber auch Fruchtsäfte lehnte Bruker ab.
Allerdings sind zahlreiche Aussagen und Empfehlungen von Bruker aus medizinischer Sicht nicht vertretbar und insbesondere für Säuglinge und Kleinkinder sogar gefährlich. Als gefährlich wird auch Brukers Behauptung gewertet, dass wer sich vollwertig ernähre, keinerlei Sorgen um eine Erkrankung an AIDS zu machen brauche.
Dazu gab es eine Nähe zur rechtsgerichteten Szene, die sich in rechtskräftigen Urteilen widerspiegelt. Im Urteil des 16. Zivilsenats des Oberlandesgerichts Frankfurt am Main heißt es: "Der Verfügungskläger muß es sich (...) gefallen lassen, als Scharnierstelle zwischen Ökologie- und Naturkostbewegung auf der einen und Neonazi-Szene auf der anderen Seite bezeichnet zu werden."[7]
Zu den Vertretern, die Thesen und Mythen für den Konsum von Zucker bilden und pflegen, gehören natürlich auch Lobbyverbände der Nahrungsmittelhersteller mit Aussagen: "Zucker ist ein Grundnahrungsmittel", und lapidaren Ergänzungen wie: "Na ja, jeder trägt die Verantwortung für sich selbst, zunächst einmal."[8]
John Yudkin
Yudkin (geb. 8. August 1910 in London; gest 12. Juli 1995) war ein britischer Ernährungswissenschaftler und gilt als Pionier zum Thema schädigende Effekte von Zucker. Ab 1938 arbeitete er am Dunn Nutrition Laboratorium und erforschte dort Vitamin A und Riboflavin. Er untersuchte als erster die Zusammenhänge zwischen Zucker in der Ernährung und verschiedenen degenerativen Erkrankungen. International bekannt wurde er durch sein Buch :"Pure, White and Deadly", das im Jahre 1974 unter dem Titel Süß, aber gefährlich auch auf Deutsch erschien. Auch um ihn ranken sich Gerüchte: "Aber die Anti-Fett-Lobby machte ihn mundtot" [9]
Zuckermythen in Politik/Medien
Medien
Ein exemplarisches Beispiel für die Mitwirkung diverser Medien an der Dynamik bei der Entstehung und Entwicklung von Mythen durch kritiklose und ungeprüfte Übernahme von künstlich erzeugten Aussagen lieferte im Jahr 2015 eine von ZDF und Arte inszenierte Geschichte um die Forschung und Ergebnisse bzgl. Schokolade als Schlankmacher. Es wurde dokumentiert, wie Untersuchungen und ihre Ergebnisse manipuliert werden können und wie diese dann aufgenommen und verbreitet werden. Es wurde die Schokoladendiät "The Chocolate Transformation" erfunden und eine wissenschaftlich begleitete Studie durchgeführt, die so absurd war, dass man sie eigentlich nicht ernst nehmen durfte.
- "Man nehme eine sehr schlechte, aus wissenschaftlicher Sicht gar hochgradig peinliche „Studie“. Dazu wird ein Abstrakt erstellt, das auf den ersten Blick der standardisierten Studien-Darstellung entspricht. Verfasst wird es natürlich auf Englisch, idealerweise mit vielen Fachbegriffen gespickt, das hebt die Leseschwelle an. Im Text lässt man viel im Dunkeln, bleibt nebulös und bastelt ein paar schwer verständliche, aber seriös aussehende Blender-Grafiken mit ein. Wenn alles „angerührt“ ist, sucht man sich ein wissenschaftliches Journal, das die Studie publiziert. Wenn man weiß, „dieses Schundwerk wird niemals den Review-Prozess eines auch nur halbwegs seriösen Journals bestehen“, dann kauft man sich eben in ein halbseidenes Journal ein, wo keine besondere Prüfung des „wissenschaftlichen Materials“ erfolgt – und schon wird aus der Science-Fiction eine „echte Publikation“.[10]
Ergebnisse wurden hin- und hergeschoben, bis das gewünschte Ergebnis feststand: Schokolade macht dünn. Genau das soll das Fake-Projekt deutlich machen: Ernährungsstudien sind oft fragwürdig. Dann wurde eine PR-Kampagne mit einer attraktiven Headline gestartet: „Schoko statt Jojo - Studie: Schokolade wirkt als Diät-Turbo“. Als Initiator fungierte das deutsche „Institute of Diet and Health“ – eine Non-Profit-Organisation, die „weder von der Industrie beauftragt noch finanziert wird“. Alle Leitmedien sprangen auf den Zug, Bild brachte die Meldung auf Seite eins. Brigitte, Focus und RTL folgten. Die Nachricht ging auch durch die internationale Presse.[11]
Dies ist nur ein Beispiel und eine Ursache, aus welchem Grund und auf welchem Weg Ernährungsmythen wie die des Zuckers entstehen und gepflegt werden. Allerdings ein wesentlicher, nämlich der kommerzielle Nutzen, der daraus gezogen wird. Nicht wenige der existierenden Mythen basieren auf diesem Prinzip und ein großer Teil der Werbung ist darauf abgestimmt, so auch schon in einem Werbevideo aus dem Jahre 1954 mit der Aussage: "Zucker macht schlank".[12]
Umgekehrt gibt es aber auch einige kritische Berichte in den Medien, wie z.B. eine Dokumentation des Senders ARTE : "Die große Zuckerlüge"[13]. Dort wurde sich auf dem Level eines Krimis, Verschwörungen, gekaufter Wissenschaftler, Machenschaften der Industrie, korrupte Ministeriale beschäftigt. Aussagen und Inhalte des Beitrages beruhten hauptsächlich auf 2 Protagonisten (einer davon Dr. Lustig). Er wurde daher als tendenziell und einseitig empfunden und auch dahingehend kommentiert [14]
Ein signifikantes Beispiel für die Auseinandersetzung auf dem Level einer Verschwörungstherorie liefert ein Bericht des Magazins Odysso beim SWR vom 12.01.2017. Berichtet wurde mit drastischen Aussagen über Aspekte wie :"Wie die Zuckerlobby die Welt täuschte", "Zuckerlobby in Deutschland","Macht Zucker süchtig?"[15]. Alle in der Sendung behandelten Aspekte sind seit langer Zeit bekannt, werden dementsprechend untersucht und immer wieder thematisiert. Die erwähnten Untersuchungen und Manipulation in den USA stammen aus den 1960- und 1970er-Jahren. Über die Verbindung von Zucker mit Adipositas und Sucht gibt es viele Publikationen und dennoch sind die Themen noch nicht abschließend erforscht. Bezogen wird sich in dem Beitrag auch hauptsächlich auf zwei der bekanntesten Vertreter der Verschwörungstheorien zum Thema Zucker, den US-Amerikaner Robert Lustig und den verstorbenen britischen Ernährungswissenschaftler John Yudkin. Allerdings gilt vor allem die These des beruflichen Scheiterns um Yudkin schon länger als obsolet und nicht haltbar.[16]. Der Beitrag ist insgesamt sehr tendenziell zu sehen und gilt als ein weiterer, in der langen Reihe derer, die Zuseher oder Zuhörer, schlechter informiert aber stark verunsichert zurücklassen als vorher.
Einen weiteren Versuch sich dem Thema zu nähern gab es ebenfalls auf dem Sender ARTE. Dabei wurde versucht die Frage zu beantworten was schädlicher ist: zu viel Zucker oder zu viel Fett. Dazu wurde ein Selbstversuch mit eineiigen Zwillingen, über einen Zeitraum von von 4 Wochen durchgeführt. Ein Teilnehmer nahm eine stark zuckerhaltige und fettarme Nahrung zu sich, der zweite Teilnehmer nahm fettreiche Nahrung ohne Zucker zu sich. Kontrolliert und gemessen wurden dabei wurden Gewichts- und Körpermasseschwankungen, Blutdruck, Cholesterin- und Blutzuckerspiegel und beide unterzogen sich physischen und kognitiven Leistungstests. Das Ergebnis war, dass Kalorien aus Kohlenhydraten, welche in Zucker umgewandelt werden, nicht schlimmer sind als die aus Fett, und der Konsum von Fett nicht unbedingt dick macht. Als Risikofaktor wurden vielmehr die Auswirkungen der Kombination aus Fett und Zucker identifiziert. Für diesen Versuch haben die gewonnen Erkenntnisse, aufgrund der geringen Teilnehmerzahl und der kurzen Laufzeit, keine Signifikanz. Es ist allerdings aus vielen Untersuchungen und Publikationen ersichtlich, dass die Gewichtszunahme, wie auch die folgenden Erkrankungen keine mono-kausalen Ereignisse sind, sondern immer mehrere, auch wechselnde Indikatoren haben. Rauchen, Alkohol, Umweltbedingungen, Bewegung alles nimmt Einfluss. [17]
Politik
In den USA zeichneten Ärzte der University of California in San Francisco in einer Ausgabe des Fachblatts PLOS Medicine nach, wie die Zuckerindustrie von 1950 bis 1971 massiv daran arbeitete, die Folgen von gesüßten Getränken und Speisen auf die Zähne zu verharmlosen. Gesundheitswissenschaftler werteten 319 Dokumente von 30 internationalen Lebensmittel- und Süßwarenherstellern aus - darunter Coca-Cola. Dabei zeigte sich, dass der Einfluss der Industrie auf das 1971 in den USA verabschiedete "Nationale Karies-Programm" erheblich war.[18]
In Europa wurden im Jahre 2006 mit der Verordnung (EG) Nr. 1924/2006 des Europäische Parlamentes und des Rates [19], die sogenannte Health-Claim-Verordnung, eine Maßnahme getroffen, die auch Zucker- und Zuckermythen betrifft, da mit dieser Maßnahme irreführende oder gar komplett falsche Aussagen zu Werbezwecken verhindert werden sollen. Auch wurden weitere nationale und EU-weite Lebensmittelkennzeichnungen geregelt.[20]. Dennoch bieten sich immer noch Schlupflöcher, die von Industrie und Handel genutzt werden, um Mythen zu pflegen oder tatsächliche Zuckergehalte zu verschleiern. Im Dezember 2016 kamen wieder Forderungen nach einer Zuckersteuer auf. Diese stellte u.a. der Chef der Krankenkasse AOK Rheinland/Hamburg angesichts der steigenden Zahl von Menschen, die an Diabetes erkranken.[21].
Abgesehen von der Tatsache, dass das Ausmaß des Einflusses von Zucker auf Adipositas immer noch nicht abschließend geklärt ist, hatten sich ähnliche Vorhaben in anderen Ländern nicht durchgesetzt. So wurde eine 2012 in Dänemark eingeführte Fettsteuer mangels Effektivität bereits nach einem Jahr wieder eingestellt. [22] Berechnungen einer US-Studie zufolge müsste sich der Preis unerwünschter Lebensmittel um 20% erhöhen, damit sich deren Konsum merkbar reduziert. Dies wiederum erscheint schwer durchsetzbar, da ein Preissprung in dieser Größenordnung Menschen mit niedrigem Einkommen besonders stark belasten und ihre Wahlfreiheit bei Lebensmitteln stark einschränken würde. Auch die WHO fordert im Kampf gegen Übergewicht und Fettsucht länderübergreifend strengere Regeln und Gesetze.
Ob die Zuschreibung von „gut" und „böse" generell zielführend ist, bleibt offen und unbeantwortet. Laut Psychologen bewirkt die Dämonisierung von vermeintlich ungesunden Lebensmitteln oft nicht den gewünschten Verzicht, sondern macht diese besonders attraktiv. Die Überschreitung des Verbots wird zum Genuss.
In Österreich wurde der Ernährungsbericht aus dem Jahr 1994 mit dem Ernährungsbericht von 2012 verglichen und es zeigte sich, dass die Österreicher seit zwei Jahrzehnten täglich nahezu gleich viele Kalorien aufnehmen. Was sich dramatisch veränderte: Kinder, Jugendliche und Erwachsene verbringen ihre Zeit heute in einem besorgniserregenden Ausmaß körperlich inaktiv und drosseln somit ihren Energieverbrauch.[23]
Empfehlungen als Unsicherheits- und Mythos-Faktor?
Es gibt mittlerweile in vielen Ländern entsprechende Institute, die ursprünglich auf Basis der aktuellsten Erkenntnisse in Medizin und Forschung in regelmäßigen Abständen Zahlen evaluieren und entsprechend anpassen sollen. Da trotz intensiver Forschung in vielen Bereichen immer noch unklare oder widersprüchliche Daten- und Ergebnislage vorherrschen, wirkt sich dies natürlich auch auf die Qualität der entsprechenden Empfehlungen zur Nahrungsaufnahme aus. In der Regel sind diese recht allgemein gehalten und bringen Verbraucher und Konsumenten nicht wirklich weiter.
In Deutschland ist es die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE), die die Referenzwerte wie auch die Einflussfaktoren regelmäßig bewertet. Auch hier sind die Werte als abstrakt zu bezeichnen und es wird mangels besserer Alternativen immer noch mit der Ernährungspyramide gearbeitet. Schwierig zu vermitteln ist der Unterschied zwischen Nährstoffgehalt und Brennwert von Lebensmitteln sowie der daraus resultierenden Nährstoffdichte, also dem Verhältnis der enthaltenen Nährstoffe in einem Lebensmittel in Bezug auf dessen Energiegehalt. Zucker und zuckerhaltige Produkte wie Süßigkeiten ebenso wie sehr fettreiche Lebensmittel und Alkohol weisen eine geringe Nährstoffdichte auf. Mit diesen Produkten nimmt man reichlich Kalorien, aber nur wenig Nährstoffe zu sich. Tatsächlich ist es in Deutschland so, dass es große Diskrepanzen zwischen den empfohlenen Nährstoff- und Energiemengen und den aufgenommenen gibt. Dies liegt an der fehlenden Aufklärung von Konsumenten über eben jene Details wie auch an der mangelhaften Berücksichtigung vieler Einflussfaktoren.[24]
In den USA gibt es seit 1941 den National Research Council, welcher im Rhythmus von fünf Jahren Empfehlungen erstellt. Diese gelten bis heute weltweit als Maßstab für nationale Empfehlungen. Auch in Europa kümmert sich eine Behörde um die Werte. Die EFSA erarbeitet die entsprechenden Vorgaben. Schwierigkeiten ergeben sich aber in der Festlegung für sogenannte "repräsentative Gruppen", da dabei Alter, Ernährungszustand, Umgebungsfaktoren u.a. nicht ausreichend berücksichtigt werden können. Somit sind die Werte nur bedingt geeignet, um eine eventuelle Über- oder Unterversorgung anzuzeigen.[25]
Physiologie/Stoffwechselprozesse
Die Ernährung des Menschen besteht im Wesentlichen aus sieben Grundkomponenten, sechs Gruppen aus festen Nährstoffen und Wasser. Kohlenhydrate und Fette sind die wichtigsten Träger der täglichen Energiezufuhr, Proteine, Vitamine, Mineralien und Spurenelemente beeinflussen Wachstum und Entwicklung. Allesamt haben sie eines gemeinsam: sie sind unabdingbar für die menschliche Physiologie und den Stoffwechsel und müssen zugeführt werden. Die einen mehr, die anderen weniger, auch abhängig von dem Energiebedarf des jeweiligen Menschen. [26]
Der Zucker in unserem Körper
Nicht nur Zucker, der direkt und unmittelbar mit der Nahrung aufgenommen wird, spielt eine Rolle, auch Kohlenhydrate (wie auch pflanzliche Stärke) spielen eine herausragende Rolle. Sie sind sehr energiereich und enthalten den Zuckerbaustein Glukose (Traubenzucker). Kohlenhydrate sind in verschiedenen Lebensmitteln enthalten: in Obst, Brot, Getreideprodukten, Kartoffeln und Milchprodukten. Der Körper zerlegt die Kohlenhydrate in ihre Bestandteile, denn der Mensch kann nur sogenannte Monosaccharide (Einfachzucker) aufnehmen. Wenn diese dann im Blut gelöst sind, dienen sie als der sogenannte Blutzucker als Energielieferant für die Zellen.
Es wird oft und an vielen Stellen erwähnt und ist bemerkenswert, dass bei gesunden Menschen im normalen Ernährungszustand keinerlei essentielle Notwendigkeit besteht, diese dem Körper in der Menge zuzuführen wie es mittlerweile passiert. Der Grund dafür liegt auf der Hand: die Bedeutung, vor allem für das menschliche Gehirn, da dieses nur sehr kurze Zeit ohne Glukose auskommt (das gleiche gilt auch für Erythrozyten). Deshalb hat die Evolution den Körper mit der Fähigkeit ausgestattet, permanent aus allem Glukose zu produzieren, auch aus Laktat, Aminosäuren und Glycerin (Glykolyse – Glukoneogenese - Glykogenolyse).[27]
Der tägliche Glucosebedarf eines erwachsenen Menschen liegt bei rund 180 g. Davon verbraucht allein das Gehirn, als größter Konsument 80%, dieser Menge zur Energiegewinnung. Dies ist der Grund warum bei kurzfristigen Hungerperioden Glucose neu synthetisiert werden muss. Diesen Vorgang bezeichnet man als Gluconeogenese. Sie findet in der Leber, in der Nierenrinde und auch im Darm statt. Überschüssige Glucose wird in Form von Glycogen im Körper gespeichert und bei Bedarf, zum Beispiel bei körperlicher Aktivität, wieder in Glucose überführt. [28]
Zwingend notwendig ist die separate Zufuhr von Extraportionen Zucker somit also nicht. Es sind auch keine symptomatischen Mangelerscheinungen bekannt. Dennoch beeinflusst (und teilweise dominiert) Zucker unser Essverhalten in vielerlei Hinsicht.
Nahrung
Grundsätzlich existieren recht strenge Regeln für Hersteller und Vermarkter von Lebensmitteln. In einer EU-Verordnung VERORDNUNG (EG) Nr. 1924/2006 DES EUROPÄISCHEN PARLAMENTS UND DES RATES vom 20. Dezember 2006, finden sich auch Angaben zu Zucker und Ballaststoffen.
Dennoch ist es ratsam, immer einen kritischen Blick auf die Nährwertkennzeichnung zu werfen, besonders bei "Light"-Produkten mit reduziertem Zuckergehalt. Ein Joghurt mit 30 Prozent weniger Zucker kann beispielsweise immer noch einen hohen Zuckeranteil haben. Außerdem heißt bei vielen Produkten "weniger Zucker" oft "mehr Fett" oder umgekehrt.[29]
Beispiel Angaben zu Zucker:
- Zuckerarm: Das Produkt enthält nicht mehr als 5 Gramm Zucker pro 100 Gramm oder 2,5 Gramm Zucker pro 100 Milliliter bei flüssigen Lebensmitteln.
- Zuckerfrei: Das Produkt enthält nicht mehr als 0,5 Gramm Zucker pro 100 Gramm bzw. 100 Milliliter.
- Ohne Zuckerzusatz: Diese Angabe ist nur zulässig, wenn das Produkt keine zugesetzten Mono- oder Disaccharide (zum Beispiel Traubenzucker, Glucose, Fruktose, Maltose, Sacharose) oder eine andere Zutat mit süßender Wirkung (etwa natürliche Fruchtsüße, Fruchtsirup) enthält. Wenn das Lebensmittel von Natur aus Zucker enthält, soll das Etikett nach EU-Verordnung auch den folgenden Hinweis enthalten: "Enthält von Natur aus Zucker".
- Reduzierter Zuckeranteil: Die Aussage ist zulässig, wenn mindestens 30 Prozent weniger Zucker im Vergleich zu anderen Lebensmitteln gleicher Art enthalten sind.[30]
Problematisch ist auch der Streit um die Interpretation epidemiologischer Daten, bei denen es um die Begriffe wie „Freier Zucker“ geht. Denn Zucker ist ein Bestandteil vieler Nahrungsmittel wie Früchte oder als Glykogen in der Leber zu finden. Laut WHO werden Mono- und Disaccharide Lebensmitteln zugesetzt. Dazu kommen noch Zucker, die natürlicherweise in Honig, Sirupen, Fruchtsäften und Fruchtsaftkonzentraten enthalten sind. Dies macht Berechnungen und Empfehlungen sehr schwierig und wenig transparent für die Verbraucher.
Es bleibt auch unklar, warum z.B. Zucker in Obst „harmlos“ und in Obstsäften, mit denen sie der Nahrung wieder zugesetzt werden, „riskant“ sein sollen.[31]
Natürliches Vorkommen bzw. Gewinnung
Zucker wird aus verschiedenen Pflanzen gewonnen. Für den Zucker, wie Verbraucher ihn hierzulande kennen und zu sich nehmen, sind Zuckerrüben das Ausgangsprodukt. In den heute angepflanzten Zuckerrüben stecken etwa 20 Prozent Zucker: Saccharose. Diese Rüben aus Deutschland decken heute fast unseren gesamten Zuckerbedarf. Dafür werden pro Jahr etwa 4 Millionen Tonnen Rüben geerntet. Eine weitere Möglichkeit ist die Gewinnung aus Zuckerrohr, welche heute aber nicht mehr die Bedeutung hat wie noch im 18. oder 19. Jahrhundert. Schon um 1900 wurde die Hälfte der weltweiten Zuckerproduktion durch Rüben gedeckt.[32]
Erzeugt werden Zuckerkristalle dann aus reinem Haushaltszucker (Saccharose), bei Unterdruck und etwa 70 Grad Celsius in einem Kessel. Danach werden die Kristalle mit einer Zentrifuge von der braunen Flüssigkeit, der Melasse, getrennt: Sie werden durch die Fliehkraft gegen ein Sieb gedrückt, durch das nur die flüssige Melasse abfließen kann. Dabei ändert sich die Farbe des zurückbleibenden Zuckers langsam von dunklem Braun zu Weiß. Um besonders reinen Kristallzucker herzustellen – die „Raffinade“ – wird der Weißzucker aufgelöst und nochmals auskristallisiert. Raffinade wird mit Aktivkohle, Kieselgur und Entfärbeharzen durch mehrfaches Auflösen und Auskristallisieren gereinigt. Sie besteht zu 99,7 Prozent aus Saccharose. Dazu kommt noch Fructose, die als Einfachzucker vor allem in Früchten vorhanden und auch unter dem Namen Fruchtzucker bekannt ist. In einem Apfel mit einem Gewicht von 100 Gramm stecken zum Beispiel rund sechs Gramm Fructose. Alle anderen Endprodukte wie z.B. Puderzucker, Kandiszucker, Hagelzucker und auch brauner Zucker basieren auf diesen Rohstoffen und Verfahren.[33]
Industrieprodukte
Begriffe wie Maltodextrin, Invertzuckersirup oder Laktose sind vielen Verbrauchern nicht oder nicht in ihrer vollen Bedeutung geläufig. Mit diesen Bezeichnungen können Hersteller den Zucker auf ihren Verpackungen deklarieren, ohne dass der Verbraucher wirklich erkennt, was dahinter steckt. So werden grundsätzlich tatsächliche Zuckermengen in Produkten verschleiert, denn nur der Haushaltszucker, die Saccharose, muss auf der Zutatenliste auch als „Zucker“ ausgewiesen werden. Hersteller ersetzen diesen aber durch einen anderen. Je mehr andere Zuckerarten enthalten sind, um so geringer der Anteil an Haushaltszucker: die Ersatz-Zucker stehen dann in der Zutatenliste entsprechend weit hinten. Zutaten wie Maltodextrin oder Glukose-Sirup sind prinzipiell nichts anderes als Zucker. So werden kleinere Glucose-Ketten zu Maltodextrin verarbeitet. Diese Zuckerketten dienen zum Beispiel als „Füllstoff“ in Corn-Flakes. Verbraucher erkennen dies aber nicht und glauben, ein gesundes Produkt zu kaufen. Nur wer in den Nährwert-Tabellen unter Kohlenhydraten nachschaut, sieht wie viel Zucker wirklich enthalten ist, da dort meist noch ein kleiner Hinweis auf den Gesamtzuckergehalt („Kohlenhydrate – davon Zucker“) gegeben wird. [34] [35].
Die Gefahr liegt dann in den hohen Mengen, gerade bei Menschen mit ohnehin schon gestörtem Essverhalten. Damit nimmt man Zuckermengen auf, die die Tagesbilanz ganz schnell sprengen – ein unkalkulierbarer Konsum.[36]
Industriell erzeugte Produkte und Substanzen-> • brauner Zucker • Kandiszucker • Einmachzucker • Vanillezucker • Invertzucker • Fruchtzucker (Fruktose, Laevulose) • Traubenzucker (Glukose, Dextrose) • Milchzucker (Laktose) • Malzzucker (Maltose) • Vollrohrzucker (Sucanat) • Ur-Süße, Ur-Zucker • Rapadura (Vollrohrzucker) • Demarara (Rohrzucker) • Panelista • Melasse • Maissirup (Isoglucose) • Ahorn- oder Rübensirup • Apfel- oder Birnendicksaft • Frutilose (flüssiger Obstdicksaft) • Maltodextrin • Reis- oder Gerstenmalz • Glukosesirup • Leucrose[37]
Zuckerersatzstoffe
Lange Zeit war die Rechnung für Verbraucher einfach: Ein Stückchen Würfelzucker enthält zehn Kalorien, eine Tablette Süßstoff gar keine. Folglich wurde geschlussfolgert, dass Süßstoff schlank mache.
Noch relativ neu sind Erkenntnisse, dass synthetische Süßstoffe den Zuckerstoffwechsel stören. Das zeigte eine kürzlich in "Nature" veröffentlichte Studie israelischer Forscher. Bei Mäusen, denen häufig genutzte Süßstoffe wie Saccharin, Aspartam oder Sucralose über das Trinkwasser verabreicht wurden, kam es nach kurzer Zeit im Glukosebelastungstest zu überhöhten Blutzuckerwerten. "Ein Anstieg des Blutzuckers könnte deshalb bedeuten, dass Süßstoffe die Entwicklung der Zuckerkrankheit fördern", resümieren die Forscher. Diese Arbeit sei dennoch mit Vorsicht zu betrachten, brauchbare Ergebnisse seien nur an Mäusen erzielt worden und dies sei keineswegs so einfach auf den Stoffwechsel des Menschen übertragbar.
Darauf weisen auch die Ergebnisse der laufenden ernährungsphysiologischen Studie "Personalized Nutrition Project" hin. "Teilnehmer, die Süßstoffe verzehrten, wogen mehr, sie hatten höhere Werte im Nüchtern-Blutzucker und im Langzeit-Blutzucker HbA1c, und ihre Ergebnisse im Glukosebelastungstest waren gestört". Die ungünstige Wirkung scheint über eine Veränderung der Darmbakterien zustande zu kommen ("Molecular Aspects of Medcine"). "Die Süßstoffe begünstigen das Wachstum von Bakterien, die die Aufnahme von Zucker und möglicherweise auch von kurzkettigen Fettsäuren aus dem Darm steigern", erläutert DGE-Mediensprecher Helmut Schatz. "Die regelmäßige Einnahme von Süßstoffen könnte deshalb die Nahrungsverwertung steigern."[38]
Dazu kommt noch, dass Süßstoff zudem langfristig appetitanregend wirken kann. Der Effekt ist einfach: der süße Geschmack löst einen Reflex aus, die Bauchspeicheldrüse schüttet Insulin aus, weil sie mit Süßem rechnet. Der süße Geschmack wird von der Bauchspeicheldrüse mit Zucker gleichgesetzt, sie kennt aber den Unterschied zwischen Süßstoff und Zucker nicht. Das ausgeschüttete Insulin läuft dann aber zunächst ins Leere, weil Süßstoff keinen Blutzucker liefert, den das Insulin abbauen könnte. Da greift das Insulin auf den vorhandenen Blutzucker zurück, der Blutzuckerspiegel sinkt und der Körper antwortet darauf mit Heißhunger. Das bedeutet in der Folge: Süßstoff macht auch hungrig und erhöht damit wieder die Gefahr der Gewichtszunahme.
Süßstoffe, die nicht nur in "Diät"- oder "Light"-Getränken enthalten sind, sondern auch immer häufiger Fertignahrungsmitteln zugesetzt werden, galten in den vergangenen Jahren als unbedenklich. "Diese Einschätzung kann nicht mehr aufrecht gehalten werden" und "Übergewichtige Menschen, die mit Süßmitteln ihr Gewicht senken wollen, müssen wissen, dass sie nach dem neuen Wissensstand möglicherweise ihr Diabetesrisiko sogar erhöhen", so die neuen Aussagen.[39] [40]
- Stevia
- Pro: Die Steviolglycosidgemische haben praktisch keine Wirkung auf den Blutzuckerspiegel, sind damit für Diabetiker geeignet und haben keine Kalorien.
- Kontra: Nur weil Stevia keine Kalorien hat, wird Verbrauchern empfohlen, nicht zu viel des Stoffes zu konsumieren. Denn einerseits warnt die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (Efsa) **vor Überdosierung. Sie untersuchte zuletzt 2014 das Ausmaß, in dem Menschen und die Umwelt mit Stevia in Berührung kommen. Der Behörde zufolge sind lediglich vier Milligramm Steviolglycosid pro **Kilogramm Körpergewicht unbedenklich.[41]
- Saccharin ist der am längsten bekannte synthetische Süßstoff und hat keine Kalorien. Heute ist Saccharin eines der gängigsten Süßungsmittel und wird häufig in Kombination mit anderen Süßstoffen eingesetzt, auch in kalorienreduzierten Lebensmitteln und Getränken. Zumindest bei Mäusen scheint Saccharin, wie auch einige andere künstliche Süßstoffe, eher das Gegenteil zu bewirken. In einer 2010 in Ungarn durchgeführten Studie und einer weiteren 2013 in Brasilien legten die mit Saccharin im Trinkwasser versorgten Mäuse bei gleichem Nahrungsangebot erheblich mehr an Gewicht zu als die Mäuse einer Vergleichsgruppe, die keine Süßstoffe bekamen. Der künstliche Süßstoff Saccharin wird im Körper nicht verstoffwechselt und über das Nierensystem unverändert ausgeschieden. So gelangt der in großen Mengen eingesetzte Süßstoff ins Abwasser und das stellt laut einer 2009 in Deutschland durchgeführten Studie angeblich ein zunehmendes Umweltproblem dar.[42]
Untersucht werden noch Wechselwirkungen auf die sogenannte Carboanhydrase. Diese gelten als Ansatzpunkte für die Therapie von Erkrankungen mit erhöhtem Augeninnendruck (Glaukom) oder zur Diurese.[43] Eine im Jahr 1970 erschienene Vermutung "Kann Saccharin Krebs hervorrufen?" wurde so nicht bestätigt.[44] Warnhinweise für den Verzehr liegen nicht vor. Auch aus Sicht der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG) gibt es nach wie vor keinen Beleg dafür, dass der maßvolle Gebrauch von Süßstoff dem Menschen schadet und etwa das Risiko für Typ-2-Diabetes erhöht.[45]
- Aspartam ist einer der Zuckerersatzstoffe, um die sich Verschwörungstheorien ranken. Schon 1977 witterten Verschwörungsanhänger ein Komplott als Donald Rumsfeld an die Spitze von G. D. Searle berufen wurde. Später soll er bei seiner Rückkehr in die Politik unter anderem dafür gesorgt haben, dass Arthur Hull Hayes Chef der bislang Aspartam-skeptischen Lebensmittelbehörde FDA wurde, der dann dort den Süßstoff zuließ.[46] Trotz aller spektakulären Kampagnen und Aussagen: "Krebserregend? Pepsi verbannt Süßstoff Aspartam aus Diät-Cola"[47], "Süßstoff Aspartam erhöht das Krebsrisiko",[48] "Gefahr Aspartam? – Die Süßstoff-Lüge"[49] ist es ein Fakt, dass bislang keine belastbaren, das heißt fehlerfreien und unabhängigen medizinischen Studien existieren, die einen Zusammenhang zwischen dem Verzehr des Süßstoffs und Krankheiten wie Krebs oder ähnlichen Gesundheitsschäden nachweisen konnten. Es gab Untersuchungen wie die Studie der Ramazzini Foundation an Nagetieren. Doch die Europäische Behörde für Lebensmittelsicherheit (EFSA) kam zu dem Schluss, dass auch diese Studie "keinen wissenschaftlichen Beweis dafür liefert, die Verwendung von Aspartam in Lebensmitteln nochmals zu überdenken". 2013 erklärte die Behörde den Süßstoff erneut für unbedenklich.[50] [51]. Kein Aspartam aufnehmen dürfen laut Efsa lediglich Menschen, die an der seltenen Stoffwechselkrankheit Phenylketonurie leiden. Ihr Körper kann Phenylalanin, eines der drei Abbauprodukte von Aspartam, nicht umwandeln. Betroffene müssen daher eine strikte phenylalanin-arme Diät halten.
Zucker in der Forschung
Die Gründe für die Problematik der Beweisführung zur Zuckerproblematik liegen auf der Hand. Der weitaus größte Teil der Arbeiten und Publikationen sind entweder Beobachtungsstudien, epidemiologische Studien oder Meta-Analysen/Reviews. Das bedeutet in der Praxis Beobachtung der Verzehrmengen und Art der Aufnahme, Befragungen zum Thema und Auswertungen der Fragebögen, Vergleich statistischer Daten aus irgendwelchen Erhebungen.
Allesamt liefern sie keinerlei Nachweis einer Kausalität, sprich Ursache-Wirkungsbeziehung. Es werden nur Korrelation und statistische Auswirkungen und Zusammenhänge betrachtet und bewertet. Daraus lassen sich Hypothesen ableiten, be- und erwiesen ist damit gar nichts. So zum Beispiel mit der sogenannte Havard-Zuckerstudie.[52]
In dieser Studie wurde nicht der Gesamtzuckergehalt der Nahrungsmittel herangezogen, sondern lediglich der „hinzugefügte“ Zucker („added sugar“). Die Gehalte wurden anhand einer Nährwerttabelle („MyPyramid Equivalents Database“) kalkuliert. Als „added sugar“ gelten darin beispielsweise Ahornsirup und Honig. Fruchtkonzentrate zum Süßen hingegen gelten nicht als „zugesetzter Zucker“. Das Verfahren zur „Berechnung“ des zugesetzten Zuckers wird als dubios betrachtet. Auf diesem Weg lässt sich so ziemlich jede Vermutung generieren, die man sich vorstellen kann.[53] Die enorme Anzahl von Studien und Untersuchungen zu Zucker und Gesundheit lässt folglich keine gesicherten Schlüsse zu. Viele Untersuchungen sind nicht vergleichbar und daher leider nutzlos. Trotz jahrzehntelanger Forschung fehlen handfeste Beweise, dass Zucker, abgesehen von seinem Beitrag zur Entstehung von Karies, tatsächlich ein Risikofaktor für die menschliche Gesundheit darstellt.[54]
Mythen
Zucker und Gesundheit
Verursacht Zucker Krebs?
Für die Entstehung und die Pflege des Mythos, dass Zucker unmittelbar Krebs auslöst, gibt es eine simple physiologische Grundlage: Nämlich die beobachtete Tatsache, dass Tumorzellen verstärkt aus Zucker Bausteine für neue Krebszellen gewinnen können. Allerdings ist die Diagnose eben der erkannte Tumor, der schon vorhanden ist. Das bedeutet noch lange nicht, dass Zucker an sich ein direkter Risikofaktor ist und Krebs verursacht. Aber dass Krebszellen grundsätzlich anders mit dem Energielieferanten Zucker umgehen als dies gesunde Zellen tun, ist so neu nicht mehr.
Entsprechende Theorien sind schon lange bekannt und gehen auf die Forschungen des Nobelpreisträgers Otto Warburg zurück. Er beobachtete, dass Tumorgewebe oft bei einem bestimmten Schritt des Zuckerstoffwechsels quasi stehenblieb. Es kam zu einer Art Gärung, wie sie etwa Bakterien zur Energiegewinnung nutzen. Tatsächlich bleibt die Beobachtung des Energiestoffwechsels von Tumorzellen ein wichtiger Bestandteil der Forschung. Die Frage, ob der Tumor quasi "gefüttert" wird, wenn man Kohlenhydrate und insbesondere Zucker aufnimmt, ist aber nach wie vor offen. Bisher gibt es keine belastbaren Studiendaten und Ergebnisse, die dazu eine klare und für Patienten passende Antwort bieten würden. [55]
Weitere Studien haben einen Zusammenhang von energiereicher Nahrung und bestimmten Krebserkrankungen gefunden, allerdings wurde dabei der Einfluss von Übergewicht oder Bewegungsarmut nicht berücksichtigt.[56] [57]. So betont auch das deutsche Krebsforschungszentrum: "Für viele Tumoren sind zufällige Fehler bei der Zellteilung verantwortlich, denen man nicht vorbeugen kann".[58]
Aktuellere Übersichtsarbeiten sehen weniger den Zucker allein als Gefahr, sondern eher die Kalorienbilanz insgesamt.[59][60] Auch bekannte Risikofaktoren wie beispielsweise das Rauchen oder der Alkohol wurden nicht oder nicht ausreichend berücksichtigt.
Insgesamt lassen sich keine belastbaren wissenschaftlichen Hinweise dafür finden, dass Zucker das Krebsrisiko maßgeblich beeinflusst. Zu beachten ist aber, dass es viele Arten von Zucker und viele Risikofaktoren gibt, die miteinander in Verbindung stehen. Manche Krebsarten stehen möglicherweise mit solchen Risikofaktoren in Verbindung: Beispielsweise könnte eine Ernährung, die reich an Einfachzuckern wie Fruktose oder Glukose ist, das Risiko für Bauchspeicheldrüsenkrebs erhöhen. Aber auch hier stehen belastbare Ergebnisse auf der Basis von Humanstudien noch aus.
Plakative Aussagen wie "Zucker sorgt für Brustkrebs und Metastasen" oder "Krebs liebt Zucker (Fructose)"''[61] [62] sind entweder nicht belegt oder völlig aus dem Zusammenhang wiedergegeben. In der Regel bedienen diese Behauptungen kommerzielle Interessen und sollen die Bereitschaft erhöhen, angebotene Produkte und Methoden zu nutzen, die zur Vorbeugung oder gar Heilung dienen sollen.
Selbst deutsche Leitmedien springen auf diesen Zug und berichten z.B. über die Ketogene Diät.[63]. Es entsteht der Eindruck, als seien die beschriebenen Methoden durchaus als Fakten zu betrachten. Erst am Ende des Artikels kommt der Hinweis der beteiligten Forscher: "Wir können die Ketogene Diät derzeit nicht prinzipiell empfehlen", erklärt Sütterlin, "aber wir haben genug Hinweise darauf, dass die Ernährungsumstellung einen positiven Effekt haben könnte, dass es Sinn ergibt, sie weiter zu untersuchen." Trotzdem wird die Verzweiflung und die Hoffnung Betroffener instrumentalisiert und es werden Produkte und Methoden auf den einschlägigen Portalen intensiv beworben und vertrieben, für die es keinerlei Wirkungsnachweis gibt.
Hydroxymethylfurfural: Diese Substanz entsteht beim Erhitzen von kohlenhydrat- bzw. zuckerhaltigen Lebensmitteln und ist Bestandteil von z.B. Karamel-Farbstoffen und Raucharomen. Zwischenzeitlich war sie aufgrund des stark ansteigenden Konsums von karamellisierten Produkten (Gehalt: bis zu 9500mg/kg/L) im Verdacht, an der Entstehung von Krebs beteiligt zu sein. Dementsprechend wurde untersucht und vom Bundesinstitut für Risikobewertung beurteilt. Mit dem Ergebnis: "Derzeit kann aus den vorliegenden experimentellen Studien hinsichtlich einer krebserzeugenden und erbgutschädigenden Wirkung von 5-HMF keine Relevanz für den Menschen abgeleitet werden."[64] Auch hier wäre damit einer möglichen Mythenbildung, die zur Panikmache und damit zum Vertrieb diverser Entgitungsmittel oder ähnlichem führen würde, entgegen gewirkt.
Diabetes/Adipositas und Zuckermythen
In der Ernährungsmedizin unterscheidet man zwischen ernährungsbedingten (Mangelerscheinungen) und ernährungsmitbedingten Erkrankungen, die in der Regel durch ein Nährstoffüberangebot entstehen. Dazu gehören auch Diabetes und Adipositas. Was nach Haarspalterei aussieht, ist im Prinzip zwingend notwendig, da die Erkrankung multiple Ursachen hat, die sich in Kombination auswirken. Dies beeinflusst Diagnostik und Behandlung entscheidend. Um Diabetes und Adipositas dauerhaft zu therapieren, bedarf es eben mehr als nur den Zuckerkonsum zu reduzieren. Auch wenn dies in der Regel eine der ersten Maßnahmen ist.
Der Typ-2-Diabetes mellitus beruht nach heutiger Erkenntnis auf genetisch bedingten, multifaktoriellen Ursachen. Zucker- und Kohlenhydratreiche Ernährung kann ein Teil davon sein. Zur Entwicklung eines klinisch relevanten Krankheitsbildes kommt es dann unter dem Einfluss sogenannter Manifestations- oder Risikofaktoren, die häufig in Form eines metabolischen Syndroms vorliegen. Nicht ausgewogene Ernährung, insbesondere die übermäßige Aufnahme von zuckerhaltigen Produkten, ist ein wesentlicher Faktor bei diesem Syndrom. Über den tatsächlichen Anteil des Zuckers an diesen Krankheiten wird intensiv geforscht und publiziert. Die Erkenntisse sind sehr unterschiedlich und werden kontrovers diskutiert.
Stress -> Zucker - Adipositas -> Diabetes: Das Cortisol-Modell
Auf Dauer fördert ein hoher Cortisolspiegel Gewichtszunahme, vor allem am Bauch, und damit einher geht dann ein erhöhtes Risiko für Herzinfarkt und Diabetes. Für einen pathologischen und dauerhaft hohen Cortisolspiegel gibt es aber mehrere Möglichkeiten und Zusammenhänge, wie z.B. bei Morbus Cushing;[65] auch Tumore wie bei Lungenkrebs oder auch Alkoholiker können im Verlauf ihrer Erkrankung zu viel Cortisol ins Blut schwemmen.
Physiologen des Monell-Institutes für Chemische Sinne in Philadelphia wollen unlängst herausgefunden haben, dass Stress auf hormonellem Wege die Rezeptoren für Süßes im Mund manipuliert, so dass der Appetit auf Zuckerzeug zwangsläufig ansteigt. Der Schlüssel dafür ist laut Institut das Hormon Cortisol. Cortisol hilft Stresssituationen zu meistern. Unter Stress steigt mit dem Cortisol auch der Energiebedarf, vor allem das Gehirn benötigt mehr Treibstoff, sprich mehr Glucose. Deshalb ist der Hang zum kalorienreichen Zucker in dem Moment eine sinnvolle Reaktion des Körpers. Sobald der Mensch Süßes wie Schokolade isst, sinkt ein erhöhter Cortisolspiegel schnell ab.
Ärger und Angst gelten als wesentlichen Ursachen des metabolischen Syndroms. Eine aktuelle Studie aus dem belgischen Gent sollte zeigen, dass Kinder aus einem schwierigen sozialen Umfeld mit hohem Cortisolspiegel deutlich dicker sind als Kinder in entspannten Lebensverhältnissen. Folgerichtig hätten diese Kinder auch einen ausgeprägten Hang nach Süßem. Wer will, kann daraus einen Zusammenhang zwischen Zuckerverzehr und Gewicht konstruieren. In Wirklichkeit wäre es aber genau umgekehrt. Zucker würde schnell und effektiv das riskante Cortisol senken und damit der Adipositas entgegen. wirken.[66] [67]
Macht Zucker süchtig?
Die Tatsache, dass Menschen Süßes lieben, gilt als bereits angeboren. Dies lässt sich an Babys beobachten: Gibt man Neugeborenen eine Zuckerlösung auf die Zunge, wirkt ihr Gesicht zufrieden. Diese biologischen Präferenzen sind aber individuell unterschiedlich ausgeprägt. Mittlerweile wurde ein entsprechendes Gen des „süßen” Geschmackzellproteins identifiziert. Variationen (Polymorphismen) des Gens könnten zu einer unterschiedlich starken Wahrnehmung von süßem Geschmack führen. Deshalb fällt es selbst den Menschen, die den Zucker für gefährlich halten, so schwer, darauf zu verzichten.[68]. Es existieren auch Thesen, die Aussagen, das die Süße in früheren Zeiten eine Art Signal war für Menschen: "Nicht giftig".
Schlagzeilen und Aussagen wie "Zucker macht so süchtig wie Kokain" [69] sind nicht belastbar belegt. Die in diesem Artikel erwähnte Forschungsarbeit führte ihre Studien an Ratten durch.
- "Auch hier gaben die Forscher Ratten Zuckerwasser zu schlecken. Sechs Wochen lang labten sich die Tiere statt an Wasser an dem süßen Nass. Nach dieser Zeit sollten die Tiere eine vorher trainierte Strecke durch ein Labyrinth zurücklegen und schnitten dabei auffallend schlecht ab. Daraus folgerten die Wissenschaftler, dass diese Tiere "weniger klar denken" könnten."
Auch Schlagzeilen wie "So verwandelt uns Zucker in Sklaven[70] dienen eher der plakativen Auflagensteigerung als einer fundierten Betrachtung der Sachlage.
Grundsätzlich existieren einige Genussmittel, die aufgrund ihrer Inhaltsstoffe ein gewisses "Suchtpotenzial" aufweisen. Nicht nur originäre Inhaltsstoffe wie Morphin in Hopfen oder Diazepam in Weintrauben entfalten ihre Wirkung über opiatähnliche Mechanismen, sondern auch zahlreiche Aromastoffe, welche beim Rösten, Braten oder Backen gebildet werden, wirken ähnlich. Nicht jedes Verlangen nach einer Substanz ist gleichzusetzen mit einer chronischen und nicht mehr veränderbaren Sucht und auch nicht mit den dann folgenden körperlichen Auswirkungen. Es ist auch bekannt, dass Zucker Dopamin- bzw. Opiatrezeptoren im Gehirn sensibilisiert. Einer Studie der Universität Princeton zufolge zieht der regelmäßige Zuckerkonsum Veränderungen im Gehirn nach sich.[71]
Am Zentralinstitut für seelische Gesundheit in Mannheim beschäftigen sich Suchtmediziner mit suchtartigem Essverhalten und Übergewicht. In einer Studie wurden übergewichtigen Probanden Bilder von verschiedenen Gerichten, darunter Süßigkeiten, Kuchen und Eis gezeigt. Dabei lagen die Probanden in einem Kernspin-Gerät, das die Reaktionen ihres Gehirns aufzeichnete. Die Forscher fanden heraus: Übergewichtige reagieren auf Bilder von Süßigkeiten deutlich anders als auf Bilder von Gemüse, Salat oder Fleisch, vor allem im Vergleich mit normalgewichtigen Teilnehmern. In einem bestimmten Bereich des Gehirns, dem sogenannten Belohnungssystem, zeigen die übergewichtigen Probanden beim Anblick der Süßigkeiten eine wesentlich stärkere Aktivierung.[72]
Dennoch ist eine Relevanz für eine pathologische physische wie auch psychische Ausprägung einer Sucht nach Süßem bis heute nicht evident nachgewiesen. Die Schlussfolgerungen sind gewagt, konstruiert und werden den tatsächlichen, körperlichen und psychischen Auswirkungen eine Kokain-Sucht nicht gerecht und gelten als übertrieben. Alle Faktoren, von den Toleranzentwicklung bis hin zur Entzugs-Symptomatik und der Unumkehrbarkeit (Irreversibel) einer Alkohol- oder Heroinsucht sind so nicht gegeben.
Ist Fructose gesünder?
Fructose ist der wichtigste natürlich vorkommende Zucker in Honig und Obst (z.B. Datteln, Rosinen, Feigen, Äpfeln und Säften) und in kleinen Mengen in einigen Gemüsesorten (z.B. Karotten). Eine weitere Fructosequelle ist Glucose-Fructosesirup, der aus Mais und Weizen hergestellt und als Süßungsmittel in einer Vielzahl von Lebensmitteln wie z.B. Marmelade, Konserven und Süßwaren verwendet wird.[73]
Grundsätzlich hat Fruchtzucker einen guten Ruf. Da er in Obst und Honig vorkommt, gilt er damit als „natürlich“. Lange Zeit versuchten Hersteller von Wellnessgetränken oder Müsliriegeln per Werbung den Eindruck zu erwecken, der Haushaltszucker sei schlecht und Fruchtzucker gut. Diese Produkte wurden gerne Diabetikern empfohlen. Im Gegensatz zu Glukose beeinflusst Fructose nicht den Insulinspiegel. Fructose wird in den Leberzellen aufgenommen und verstoffwechselt, ohne Beteiligung des Insulins. Dadurch entsteht der Eindruck, dass dies ideal für Diabetiker ist, wenn der Insulinstoffwechsel außer Kontrolle geraten ist oder gar nicht funktioniert.
Nun haben aber Studien gezeigt, dass ein hoher Softdrinkkonsum mit Fructose bei Männern dazu führt, dass sie ein erhöhtes Bluthochdruckrisiko haben, eher Gicht oder eine Fettleber bekommen, erhöhte Blutfettwerte haben und schneller übergewichtig werden, ähnlich wie bei Versuchsmäusen, die Fructoselösung trinken mussten. All diese Krankheitsbilder bedeuten vor allem für Diabetiker ein großes Risiko, da ihr Stoffwechsel bereits entgleist ist.[74]
Seit Mitte der 1980er Jahre gibt es vermehrt Studien, die darauf hindeuten, dass zu viel Fructose schaden kann. Und möglicherweise ist sie beteiligt, wenn es um den Aspekt der Auswirkung von Haushaltszucker geht. Haushaltszucker wird im Körper aufgespalten – und zwar in Glukose und Fructose im Verhältnis eins zu eins. Diese Studien wurden an Tieren durchgeführt oder in Form von kurzfristigen Überernährungsstudien an Menschen, in denen ein erheblich höheres Maß an Fructose konsumiert wurde als normalerweise (zum Beispiel 100 bis 150 g reine Fructose/Tag.[75] [76]
Probleme mit Fructose können bereits im Darm beginnen. Dieser kann nur bestimmte Menge an Fruchtzucker aufnehmen und verarbeiten. Anders als die Glukose ist die Fructose auf spezielle Transportmechanismen in den Darmzellen angewiesen. Auf große Mengen ist der Verdauungstrakt nicht eingestellt. Alles, was zu viel ist, wird im Dünn- und oberen Dickdarm von Bakterien oft unter erheblicher Gasbildung verdaut. Betroffene haben Bauchweh und Durchfälle. Unter solch einer Fruchtzuckerunverträglichkeit, auch Fruktose-Malabsorption genannt, leiden zwischen drei und zehn Prozent der Menschen.[77]
Fruchtzucker wird in der Leber abgebaut und steigert dort die Fettproduktion. Deshalb wird Fructose auch mit der Entstehung einer Fettleber assoziiert, der sogenannten "nicht Alkohol bedingten Fettleber“. In Tierversuchen konnte ein Zusammenhang zwischen der Aufnahme von Fruchtzucker und einer Steigerung des Harnsäurespiegels gezeigt werden. Das wiederum kann zu Gicht führen. In einigen Studien ist bei den Tieren auch der Blutdruck gestiegen, wenn sie sehr viel gelöste Fruktose trinken mussten.
Allerdings gibt es auch auch Studien, die den Zusammenhang zwischen Fruktose und Stoffwechselstörungen so nicht finden. Ernährungswissenschaftler der Uni Hohenheim haben in einer Pilotstudie Menschen mit einer "nicht alkoholbedingten Fettleber" ein halbes Jahr lang eine Fruchtzuckerdiät verordnet. Das Ergebnis war laut den Wissenschaftlern überraschend: Bei fast allen Patienten ist das Fett in der Leber zurückgegangen. Nun sollen weitere Studien folgen; unter anderem eine mit Kindern. [78]
Schweizer Studien warnen davor, dass der Fruchtzucker "Teufelskreise auslöse", die unter anderem Übergewicht und Diabetes förderten – und sogar den Herzmuskel ungebremst wachsen lassen sollen. Das erste Ergebnis kam von der Uni Basel: "Fruchtzucker erzeugt weniger Belohnungsgefühle im Gehirn". Das bedeutet, dass dann wieder mehr gegessen werden müsste, bis es mit den Gefühlen wieder passt. Dies betont auch die ETH Zürich: Fructose führe zur Insulinresistenz – weil die Insulinausschüttung verhalten erfolgt. Bis dato wurde die Fructose gerade deshalb empfohlen. Jetzt gilt das Gegenteil: Durch das niedrige Insulin würden Betroffene nicht mehr richtig satt und wieder mehr essen. Das fördere Übergewicht und Diabetes, so die ETH.
Dazu kommt, lt. den Forschern der ETH, das Fruktose in industriell hergestellten Lebensmitteln unter bestimmten Umständen gefährliche Herzveränderungen hervorrufen kann. Die Forscher haben einen molekularen Mechanismus, die sogenannte Ketohexokinase-C (KHK-C), identifiziert durch den Fruktose unkontrolliertes Wachstum des Herzmuskels auslösen könnte, was bis zum tödlichen Herzversagen führen kann. Die Forscher beschreiben die Mechanismen und Zusammenhänge so, dass bei erhöhtem Bluthochdruck sich das Herz vergrößert, um Blut stärker in den Kreislauf pumpen zu können. Infolge dessen wird zu viel Sauerstoff verbraucht. Bei Sauerstoffmangel stellen dann die Herzzellen auf den sauerstoffsparenden Zuckerstoffwechsel Glykolyse um. Dieser baut sowohl Glukose als auch Fruktose ab, um deren Energie freizusetzen. Dieser Sauerstoffmangel ruft laut der Studie ein Molekül auf den Plan, das bei krankhaften Wachstumsprozessen in Aktion tritt.
Dies führt dazu, dass der Fruktose-Metabolismus immer stärker angekurbelt wird, denn bei Fruktose gibt es keine negative Rückkopplung, damit würde das Wachstum des Herzmuskels immer weiter angetrieben da durch die fehlende Rückkopplung auch keine natürliche Bremse für dieses Enzym gibt. Es entsteht somit ein Zyklus, welcher zum Herzversagen führen kann. Schalteten die Forscher das Enzym bei Mäusen mit chronischem Bluthochdruck gentechnisch aus, wurde des Herzmuskelwachstum unterbunden. Auch in Herzgewebeproben von Patienten, die an krankhafter Herzvergrößerung und entsprechender Verengung der Herzklappe zur Hauptschlagader litten, fanden sich sowohl höhere Mengen des Enzyms als auch des molekularen Schalters. Laut den Forschern kann die Einnahme von Fructose in Verbindungen mit anderen Faktor wie Herzklappenerkrankungen oder Bluthochdruck, die beschriebenen beschriebenen Mechanismus verstärkt auslösen.[79] [80][81]
Für dramatische Formulierungen und Betrachtungen wie "Fructose (Fruchtzucker) - Die gefährlichste Form aller Zuckerarten"[82] besteht allerdings kein erkennbarer konkreter Anlass und sind als Übertreibung zu werten. In dem Zusammenhang genannte Symptome und Studien beziehen sich auf Untersuchungen und Schlussfolgerungen bei Pferden mit Hufrehe (Laminitis).[83] Dies spiegelt in etwa die Qualität der Aussagen zu solchen Themen, wie sie auf Seiten wie der des Zentrum der Gesundheit zu finden sind. Oft steht ein direkter oder indirekter Vertriebsaspekt dahinter, unter dem alle Aussagen betrachtet werden müssen. Grundsätzlich ist Verbrauchern immer zu empfehlen, sich aus mehreren Quellen zu informieren.
Hyperaktivität und Zucker
Begründet wurde dieser Mythos Mitte der 1970er Jahre durch den kalifornischen Arzt und Allergologen Ben Feingold und seine Feingold-Diät. Er formulierte erstmals eine entsprechende Hypothese in seinem Buch „Why your Child is hyperactive“ Danach stellen auch Nahrungsmittelzusätze wie künstliche Aroma-, Farb- und Konservierungsstoffe die Ursache für Hyperaktivität, Lernstörungen und Verhaltensauffälligkeiten dar. Seine Aussagen beruhten aber nur auf einzelnen Fallbeobachtungen.
Wissenschaftlich belegt wurde diese These nie. In den 1990ern mit der Entwicklung des Internets und dann ab den 2000ern, als Foren und Blogs wie Pilze aus dem Boden wuchsen, nahm das Thema noch einmal an Fahrt auf. Vor allem Hausärzte kennen dies: Besorgte Mütter, die sich über Erfahrungsberichte in Internetforen, zuweilen auch über Lehrer an Schulen, verunsichern lassen und wissen möchten, ob ein zu hoher Zuckerkonsum ADHS verstärken oder gar auslösen kann. Diese Besorgnis wird in entsprechenden Portalen, in der Regel verbunden mit kommerziellen Interessen, massiv verstärkt.[84] [85]. Aufklärung und Information stehen dann immer in Zusammenhang mit dem Angebot entsprechender Produkte, Dienstleistungen und Ernährungsmethoden.
Grundsätzlich beruht die These schlicht darauf, dass Ernährung theoretisch Einfluss auf die Entstehung oder den Verlauf von ADHS haben kann, da bestimmte Nährstoffe und Stoffwechselprodukte von Bedeutung für die Abläufe im Gehirn sind, wie eben die Glukose für die Energiegewinnung. Daraus wurden dann die entsprechenden Aussagen abgeleitet und Schlüsse gezogen. Allerdings wurden in den letzten 20 Jahren die immer wieder auftauchenden Schlagzeilen in den Medien mit klinischen Studien über einen möglichen Zusammenhang zwischen ADHS und hohem Zuckerkonsum sehr gut untersucht. Die Ergebnisse von methodisch einwandfreien Studien zeigen ausnahmslos einheitliche Resultate. Weder bei Kindern, bei denen ADHS bereits diagnostiziert worden war, noch bei gesunden Kindern führte Zuckerkonsum zu Verhaltensauffälligkeiten, unabhängig davon, ob zu zuckerhaltigen Drinks, Fruchtzucker, Schokolade oder anderen Süßigkeiten gegriffen wurde.[86] [87] [88] Eine weitere Übersichtsarbeit aus 23 Studien mit über 560 Kindern belegt dies.[89]
Auch die Frage, wie es zu erklären ist, dass trotz der wissenschaftlichen Widerlegung noch immer viele rein persönliche und individuelle Erfahrungsberichte einen Nutzen der zuckerfreien Diät bei ADHS vermitteln, wurde erforscht. Man kam zu dem Schluss, dass die Erwartung der Eltern hierbei eine große Rolle spielen könnte. Dies zeigt eine Untersuchung, bei der die Forscher 35 Jungen im Alter von fünf bis sieben Jahren zufällig in zwei Gruppen einteilten. Den Müttern wurde mitgeteilt, dass ein Teil der Kinder extrem zuckerhaltige Nahrung erhalte, der andere ein Placebo. Tatsächlich erhielten alle Kinder zuckerfreie Nahrung. Doch die Mütter, die davon ausgingen, dass ihr Nachwuchs Süßes bekommen hatte, beurteilten das Verhalten der Jungen im Anschluss häufiger als hyperaktiv und auffällig.[90]
In diesem Zusammenhang wäre auch noch zu erwähnen, dass Hyperaktivität oftmals mit ADHS gleichgesetzt wird. Kernsymptom der ADHS ist allerdings nicht allein der gesteigerte Bewegungsdrang, sondern auch ein Konzentrationsdefizit. Auch davon lassen sich viele schlichtweg zu Fehlschlüssen verleiten. Wenn Kinder zu besonderen Anlässen Süßes bekommen und dann aufgedreht sind, ist das keinesfalls krankhaft. Oder umgekehrt könnte auch der erhöhte Energiebedarf dafür gesorgt haben, dass Kinder zu Zucker greifen.
Ist Zucker ein Vitamin- und Mineralienräuber?
Der Mythos, dass Zucker dem Körper Calcium raubt und damit die Knochen "weich macht", geht auf falsche Folgerungen aus Tierversuchen aus den 1920er Jahren an Ratten zurück. Daraus entstand das Gerücht, Zucker führe zu einer Entkalkung der Knochen. Diese These ist aber nicht haltbar und durch keinerlei Untersuchungen und Ergebnisse bestätigt. Es gibt einige Lebensmittel, die Bestandteile enthalten, welche eine Einlagerung von Calcium in den Knochen hemmen und sich damit negativ auf die Calcium-Bilanz auswirken, deshalb nennt man sie sie 'Calcium-Räuber'. Dazu gehören Phosphate und Oxalsäure. Ein weiterer Calciumräuber ist Phytin, ein pflanzlicher Stoff, der z.B. in den Randschichten von Getreide vorkommt. Phosphor und Phosphat behindern die Calciumaufnahme im Darm. Zu viel aufgenommener Phosphor löst das Calcium aus den Knochen. Anschließend wird das Calcium über die Niere ausgeschieden und geht damit dem Körper "verloren".[91].
Es sind keine Publikationen bekannt, die solche oder ähnliche Effekte bei Zucker beschreiben. Es bestehen noch weitere Gründe für eine Unterversorgung z.B. an Calcium; verschiedene Erkrankungen wie Zöliakie, Morbus Crohn oder Phenylkentonurie bewirken dies. Für keine ist ein Zusammenhang mit der Zuckeraufnahme belegt. Dies gilt auch für andere Mineralien. Bei keinem wurde belegt, dass Zucker das Milieu des Mineralhaushaltes steuern kann oder einen negativen Einfluss auf die Knochen hat und damit Osteoporose fördere.
Das Gleiche gilt für Vitamine. Dort beruht der Mythos auf den Aufgaben des Vitamin B1 (Thiamin). Diese spielt eine entscheidende Rolle im Energie-, Kohlenhydrat- und damit auch im Zuckerstoffwechsel. Theoretisch könnte tatsächlich eine gewisse Unterversorgung eintreten. Diese Befürchtungen sind jedoch weitgehend unbegründet. Ein klinisch relevanter Thiamin-Mangel ist außerordentlich selten und dann auch nicht auf Zuckerkonsum zurückzuführen. Er tritt gelegentlich bei chronischem Alkoholmissbrauch, bei chronisch gestörter Darmfunktion und bei schweren Leberfunktionsstörungen auf. Bei einer ausgewogenen Ernährung ist der Bedarf an Vitamin B1 leicht zu decken.[92]. Im Normalfall nimmt der Mensch täglich etwa 2 mg Vitamin B1. zu sich. Orientiert man sich an den Empfehlungen, würde dies ausreichen, um mehr als 1,5 kg Zucker pro Tag zu kompensieren.
Liegt der Zuckerstoffwechsel in den Genen?
Die Frage, ob und in welcher Form der Zuckerstoffwechsel durch genetische Faktoren beeinflusst wird oder ob Zucker selbst auf genetische Prozesse Einfluss nimmt, ist Bestandteil umfangreicher Forschung und wird teilweise heftig und kontrovers diskutiert. Zur Aufklärung der genetischen Ursachen des Typ-2-Diabetes haben Wissenschaftler aus Deutschland, den USA, Großbritannien, Island und acht weiteren Ländern Daten von über 140.000 Studienteilnehmern untersucht. Tatsächlich wurden diverse Gene identifiziert, die einen prä-dispositionellen Faktor darstellen, der Einfluss auf die Entstehung und Entwicklung von Diabetes II und Adipositas nimmt. Insgesamt sind mittlerweile 38 genetische Risikofaktoren für die Erkrankung bekannt.
So wurde ein Genom-Projekt in Island durchgeführt, das sich die genetische Ähnlichkeit der isländischen Bevölkerung zunutze machte. Der Vorteil dabei war, dass man auf genealogische Daten bis ins Jahr 930 zurückgreifen konnte. Damit wurden häufig auftretende komplexe Krankheiten wie eben Diabetes II und auch die dabei relevanten Krankheitsgene untersucht und dabei z.B. Calpain 10 identifiziert.[93]
Sogenannte Suszeptibilitätsgene erhöhen die Erkrankungswahrscheinlichkeit. Für zuckerassozierte Krankheiten wie Diabetes II ist es z.B. das Calpain 10-Gen oder das TCF7L-Gen, welche an der Regulation des Blutzuckerspiegels beteiligt sind und diesen nachteilig beeinflussen können. Die Wahrscheinlichkeit zu erkranken wurde mit einem relativen Risiko (Odds Ratio) von 2.5 errechnet. Eine praktische Relevanz zur Diagnostik, Behandlung oder gar Vorbeugung lässt sich aber nicht ableiten, da Erkrankungen wie Diabetes II oder Adipositas bei mehr als 95 % aller Betroffenen durch nicht-genetische Faktoren wie hochkalorische Ernährung und Bewegungsmangel über einen längeren Zeitraum maßgeblich beeinflusst werden. Oder auch andere begleitende körperlichen Erkrankungen. Auch gibt es eine Sonderform der juvenilen Diabetes, die autosomal vererbt wird. Aber auch für diese gelten die nicht genetisch bedingten Faktoren bei der Entstehung.[94]
Aussagen wie "Fruchtzucker verändert DNA von Gehirnzellen"[95] beruhen auf Versuchen an Ratten an der University of California in Los Angeles. Dabei analysierten die Forscher, wie sich der Fruchtzucker auf das Erinnerungsvermögen von Ratten auswirkt. Sie trainierten die Tiere darin, ein Labyrinth zielsicher zu durchlaufen und teilten sie anschließend in unterschiedliche Gruppen ein. Danach gaben sie den Tieren fructosehaltiges Wasser zu trinken. Über mehrere Wochen hinweg konsumierten die Nager so Fructosemengen, die beim Menschen einem täglichen Limonadenkonsum von einem Liter entspricht. Die Zuckerkur verschlechterte die Gedächtnisleistung der Tiere erheblich: Sie brauchten doppelt so lange, um aus einem bereits bekannten Labyrinth wieder herauszufinden. Daraus schlossen die Forscher, dass Fructose das Erinnerungsvermögen schwächt. Daher nehmen sie an, dass Fructose sogar ein Risikofaktor für Alzheimer sein könnte.[96] Auf den Menschen übertragbar sind die Ergebnisse und Einschätzungen allerdings in keiner Weise. Ernsthafte Humanstudien zu der Thematik liegen nicht vor.
Noch mehr Mythen konkret beleuchtet
Verbesserung der Gehirnleistung
Dieser Mythos beruht wohl auf der Tatsache, dass Zucker, genauer Glucose, der wichtigste Energielieferant für die Zellen im Gehirn ist und dies auch die meisten Kalorien benötigt. Die Folgen einer Unterversorgung wie z.B. bei Diabetikern können schnell gravierende Auswirkungen haben. Bei ihnen verursachen Behandlungsfehler mit zuckersenkenden Wirkstoffen mitunter eine so ausgeprägte Energiekrise (sprich Mangel) im Gehirn, dass dies zu Bewusstseinseintrübungen, Bewusstlosigkeit und schlimmstenfalls sogar zum Tode führt. Von daher ist eine permanente Glucosezufuhr unabdingbar. So wäre die Aussage korrekt im Sinne einer grundsätzlich notwendigen Leistungsfähigkeit, denn das Gegenteil bedeutet das Ableben des Betroffenen. Daraus zu folgern, dass mehr Zucker auch mehr Gehirnleistung bringt, ist zu kurz gegriffen und nicht haltbar. Der Stoffwechsel regelt und verwertet den Bedarf für das Gehirn automatisch. Einen Speicher gibt es nicht.
Auch hier wird sich in Artikeln auf die Studie der Forscher der Universität von Kalifornien berufen (siehe Zuckerstoffwechsel und Gene). Ähnliche Versuche gab es auch an der University of New South Wales in Australien.[97]. Daraus werden Schlagzeilen abgeleitet: "Sechs Wochen Süßes und Limo machen dumm".[98] Dies steht allerdings in keinem Zusammenhang mit einer signifikanten Verbesserung der Leistung des Gehirns durch ein Mehr an Zucker.
Ist brauner Zucker besser als weißer?
Dieser Mythos wird bestimmt und aufrechterhalten durch die Assoziation der dunklen Farbe mit Nährstoffgehalten (ähnlich wie bei dunklem Vollkornbrot). Tatsächlich werden aber beide Varianten aus den gleichen Produkten, nämlich aus Zuckerrohr oder -Rüben gewonnen. Sie werden zerkleinert, gekocht, gepresst und behandelt. Aus dem Saft entsteht durch Eindampfen ein dickflüssiger Sirup, aus dem brauner Zucker entsteht. Der braune Zucker ist also eine Art „Zwischenprodukt“ auf dem Weg zum weißen Zucker. An seinen Teilchen klebt einfach noch ein wenig mehr Sirup. Dieses wird dann teilweise separat verarbeitet und vertrieben. Ansonsten haben beide Zuckersorten den gleichen Gehalt an Kalorien und Kohlenhydraten und beide bestehen zu fast 99 Prozent aus Saccharose.[99]
Honig ist besser als Zucker
Honig enthält zwar Spuren von Vitaminen, Mineralstoffen und Enzymen. Aber zu 80 Prozent besteht er aus Fruchtzucker, Traubenzucker und anderen Zuckerarten. Der Rest ist Wasser, weshalb Honig eigentlich als eine übersättigte Zuckerlösung zu bezeichnen ist. Von daher sind Aussagen, dass Honig besser als Zucker und wichtig für den täglichen Vitamin- oder Mineralstoffhaushalt sei, nicht korrekt. Im Gegenteil kann Honig für Kinder im ersten Lebensjahr sogar gefährlich werden. Als Naturprodukt kann er das Bakterium Clostridium botulinum enthalten, das sich aufgrund der noch nicht stabilisierten Darmflora der Säuglinge im Darm der Kinder einnisten kann.[100]
Zuckerfreie Lebensmittel enthalten keinen Zucker
Dieser "Mythos" ist noch recht jung und womöglich derjenige, der aus kommerziellen Gründen am meisten künstlich erzeugt, verstärkt und aufrechterhalten wird. Es existieren viele Produkte mit den Werbebotschaften "zuckerfrei", "zuckerarm", "zuckerreduziert". Sie sollen kalorienarme Kost suggerieren. Aber "ohne Zucker oder Zuckerzusatz" bedeutet eben nicht immer frei von Zucker. Nach der Health-Claims-Verordnung von 2006, die in der ganzen EU gilt, darf ein Lebensmittel die Aufschrift „zuckerfrei“, „ohne Zucker“ oder ähnliches tragen, wenn es nicht mehr als 0,5 Gramm des Genussmittels auf 100 Gramm oder Millilitern enthält. Es wird aber reichlich getrickst und das auch noch legal. Die diversen Verordnungen lassen für Hersteller viel Spielraum. Auch der Anteil der Kohlehydrate korreliert mit dem Zucker, es ist lediglich eine andere Bezeichnung. Das Endprodukt ist auch Glukose. Nur bei "ungesüßt" ist die Sache eindeutig. Hier dürfen weder Zucker, noch süßende Lebensmittel, noch Süßungsmittel eingesetzt werden. .
In der Regel ist der tatsächliche Gehalt an Zucker schwer abzuschätzen. Der Vermerk "ohne Zucker" bezieht sich nur auf die Saccharose, also den weißen Kristallzucker. Nahrungsmittel, die Stärkezucker enthalten, dürfen als "zuckerfrei" deklariert werden, da Stärkezucker nach deutschem Recht nicht als Zucker im Sinne des Gesetzes gilt, egal ob süß oder nicht. Mais, Kartoffeln oder Weizen schmecken zwar nicht süß, aber sie enthalten dennoch reichlich Stärke.
Oder es werden Zuckerersatzstoffe verwendet, die nicht als Zucker ausgewiesen werden müssen und deshalb gar nicht oder ganz am Ende der Zutatenliste auftauchen (z.B. Glucosesirup, Maltodextrin, Maltose, Lactose). Ein Tipp ist, auf die Endungen zu achten: Bei mit der Silbe "-ose" endenden Inhaltsstoffen handelt es sich um Zucker.
Die Regelung "Ohne Zuckerzusatz" ist besonders zu beachten. Das heißt nicht, dass die Produkte zuckerfrei sind. Diese Aussage bedeutet lediglich, dass dem Lebensmittel bei der Verarbeitung kein zusätzlicher Zucker (Haushaltszucker, Milch- und Fruchtzucker, Fruchtsirup) zugesetzt wurde. Von Natur aus kann es durchaus Zucker enthalten.
Wirbt ein Hersteller mit der Aufschrift „weniger Zucker“, so muss sein Produkt mindestens 30 Prozent des süßen Stoffes weniger beinhalten als ein vergleichbares Produkt.[101]
Gibt es eine Zuckerallergie?
In der Alternativmedizin finden sich gelegentlich Nennungen einer so genannten Zuckerallergie, also einer allergischen Reaktion auf Zucker. Da Zucker (Saccharose) nicht immunogen und daher nicht "allergisierend" ist, handelt es sich um eine typische Krankheitserfindung (siehe auch: Wasserallergie).
Ebenfalls im Bereich der Allergie anzusiedeln, sind die Aussagen verschiedener Ernährungsexperten zum Thema Neurodermitis. Die, in einigen Publikationen, aufgestellten Behauptungen, dass Betroffene keinen Zucker essen dürfen, sind wissenschaftlich nicht belegt und damit nicht haltbar. Die als Alternative vorgeschlagenen Süßungsmittel wie z.B. Honig bestehen aus den gleichen Bestandteilen und es konnte in placebokontrollierten Studien kein Nachweis eines Vorteils erbracht werden.[102]
Gibt es Zuckerverschwörungen?
Mittlerweile gibt es nur wenige Aspekte und Details des täglichen Lebens, um die sich keine Verschwörungstheorien oder sonstige konspirative Geschichten ranken. So existieren auch zum Thema Zucker einige Verschwörungstheorien, die verschiedene Bereiche aufgreifen: Von der künstlichen Verknappung über Verschleierung des Zuckergehalts bis hin zum gezielten Erzeugen von Sucht und Abhängigkeit.
So gab es z.B. 2011 Schlagzeilen, dass in bestimmten Region Zucker zur Mangelware geworden sei.[103]. Daraus entwickelte sich zeitnah eine kleine Verschwörungstheorie, die eine gezielte Manipulation sah, zwecks Verknappung und Verteuerung zur Verbraucherabzocke oder als Spekulationsobjekt für Banken.[104] [105] Tatsache ist, dass in der EU direkt und unmittelbar auf den Zuckermarkt Einfluss genommen wird. Betroffen sind davon z.B. Quotenregelungen, Rübenmindestpreise, Produktionsabgabe u.a.[106]
Allerdings geschieht dies alles offiziell und transparent und keineswegs geheim. Vieles auf diesem Markt ist streng reguliert. Da es aber, im Vergleich zu anderern Branchen, recht wenig relevante Unternehmen gibt, kommt es natürlich auch hier immer wieder zu Absprachen. Allerdings werden diese recht regelmäßig aufgedeckt und entsprechend der Kartellregeln behandelt. Oder es sind schlicht und ergreifend Organisations- und Planungsfehler, die sich bei einem reglementierten Markt sofort flächendeckend bemerkbar machen. So wurden im Jahr 2014 Absprachen von drei Konzernen aufgedeckt und entsprechend geahndet.[107] Auch gibt es immer wieder quer durch alle Branchen Spekulanten, die versuchen, Vorteile für sich zu schaffen.
Die Verschwörungstheorien zum Unterdrücken und Verharmlosen der Gefahren des Zuckers begannen im Jahre 1972 mit John Yudkin und seinem Buch "Pure, White an Deadly". Darin warnt Yudkin vor den Folgen von Zucker. Er konnte sich aber zu seiner Zeit nicht durchsetzen. Dies ist zum Teil damit begründet, dass zum Zeitpunkt des Erscheinens seines Buches die physiologischen Hintergründe und Zusammenhänge der entsprechenden Stoffwechselvorgänge noch nicht ausreichend erforscht waren und viele der Behauptungen und Visionen von Yudkin eben auf seine Vermutungen und Schlussfolgerungen beruhten. In den folgenden Jahren ging er aus den Auseinandersetzungen mit Kollegen als Verlierer hervor, auch wegen seiner offenbar absoluten Haltung, dass Zucker der dominante Faktor sei. Daraus entwickelte sich auch eine Verschwörungstherorie, dass Industrie und Forscher sich verbündet hätten, um ihn mundtot zu machen. In dem Zusammenhang wird auch von einer "Ernährungselite" gesprochen.
Auch wenn man die theoretische Möglichkeit solcher Versuche nie völlig ausschließen kann, konkrete Belege existieren bis dato nicht. Denn an der Vertuschung hätten sich dann nicht nur die Gruppe führender Ernährungswissenschaftler beteiligt, sondern z.B. auch die Presse, die verantwortlichen Regierungsvertreter und auch Wissenschaftler, die sich von Yudkins Scheitern am Ende von eigenen Forschungen haben abhalten lassen. Alle hätten dann eine gewisse Mitschuld. Es ist auch in aktuelleren Kommentaren zu erkennen, dass es schwerlich vorstellbar ist, dass sich alle gemeinschaftlich über einen längeren Zeitraum hätten absprechen können.[108]
Wesentlich konkreter wird der US-amerikanische Autor Michael Moss in seinem Buch "Das Salz-Zucker-Fett-Komplott". Dort beschreibt er detailliert die Zusammenkünfte der größten Nahrungsmittelkonzerne im April des Jahres 1999 in Minnesota. Bei diesem Treffen ging es laut Aussagen von Moss um die gesteigerte Wahrnehmung des Zuckerkonsums und seine Folgen in Politik und Gesellschaft und die Auswirkungen auf Umsatz und Produktpalette. Am Ende des Treffens sei gemeinschaftlich beschlossen worden, nichts Wesentliches zu ändern und der öffentlichen Kritik entgegenzutreten.
Laut Moss gab es weder Presse, noch unmittelbare Dokumente oder Aufnahmen, alle Details beziehen sich auf Aussagen und Aufzeichnungen von Teilnehmern, die Jahre später getätigt wurden. Ob daraus tatsächlich die Möglichkeit erwächst, dass Lebensmittelkonzerne Menschen zielgerichtet süchtig machen, gilt bis heute als nicht erwiesen. Zumal die Indikatoren und Implikationen, die zur Entwicklung einer Sucht beitragen, sehr vielfältig sind und auch nicht der Manifestation einer Sucht entsprechen, die man von Alkohol, Kokain und anderen Substanzen kennt (siehe Zucker und Sucht). Von daher ist die dramatische Gestaltung in Begriffen, die mit Verschwörung in Verbindung gebracht werden, kritisch zu sehen.
Weblinks
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Literatur
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Quellennachweise
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