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Unter Alternativmedizin versteht man Methoden und Behandlungen, welche nicht von der wissenschaftsbasierten Medizin (bzw evidenzbasierten Medizin) angewendet werden. Der Begriff überschneidet sich teilweise mit dem Begriff der Komplementärmedizin. Das National Center for Complementary and Alternative Medicine NCCAM definiert komplementär- und alternativmedizinische Therapien als Behandlungen, die anstatt ("alternativ") oder zusätzlich ("komplementär") zu einer konventionellen, etablierten Therapie durchgeführt werden. Eine Behandlung gilt dann als etabliert, wenn die klinische Wirksamkeit in prospektiven randomisierten Studien zweifelsfrei belegt ist oder ein biologisches Rationale die Behandlung als sinnvoll erscheinen lässt. Der Grund für die häufig zu beobachtende Ablehnung alternativmedizinischer Methoden seitens der wissenschaftlichen Medizin liegt entweder in einem fehlenden Wirksamkeitsnachweis oder in bestehenden Methoden, die wirksamer und/oder verträglicher sind. Da die moderne Medizin "evidence based" arbeitet, also durchaus auch mit Methoden, von denen man weiss, dass sie wirken aber nicht unbedingt weiss, warum, werden und wurden wirksame Verfahren der Alternativmedizin integriert, sofern sie ihre Wirksamkeit belegen konnten und nicht als Evidence-deficient Medicine abgelehnt werden. Der Begriff Alternativmedizin ist daher eher euphemistisch, da er in der Regel keine wirkliche Alternative anbietet, ausser nicht- oder weniger wirksamen Methoden.

typische Eigenschaften alternativmedizinischer Methoden

Fast immer beruhen alternativmedizinischen Verfahren auf einem Axiom, d.h. auf einem keines Beweises bedürfenden Grundsatzes, und sind daher nicht in üblicher Weise reproduzierbar. Häufig sind alternativmedizinische Axiome oder Annahmen auch nicht falsifizierbar.

Oft erkennt man paramedizinische Verfahren im Alltag auch an folgenden Eigenschaften:

  • Entdeckung im Alleingang durch einen bestimmten Erfinder als "Einzelforscher"
  • Anwendung falscher akademischer Titel, oder Titel von title-mills (karibische Kleinstaaten)
  • Ankündigung der Entdeckung erfolgt in Boulevardmedien und nicht über wissenschaftliche Fachzeitschriften wissenschaftlichen Mitteilung
  • entsprechende Produkte sind häufig chemisch ungenau definiert, ihre Zusammensetzung wird laufend verändert.
  • Verfahren haben keine Kontraindikationen und keine Nebenwirkungen
  • Verfahren bei vielen Krankheiten (wenn nicht sogar allen) und in allen Krankheits-Stadien wirksam

Die Attraktivität

Für die Beleibtheit und Attraktivität können folgende Faktoren angenommen werden:

  • die aktive Beteiligung des Kranken
  • das meist angeführte angebliche, oder tatsächliche Fehlen von Nebenwirkungen bei behaupteten Wirkungen (sanft und natürlich)
  • einfacher, wenn nicht sogar primitiver oder naiv zu nennender unterstellter Wirkmechanismus.
    • Beispiel: Krebs aushungern durch Diät
    • Tumorverbrennung durch Ganzkörperhyperthermie
  • Nennung von Namen wir Galilei oder Semmelweis, als Beispiele für Forscher deren Erkenntnisse sich erst viel später durchsetzten
  • Nennung von angeblichen oder tatsächlichen Befürwortern mit Professorentitel

der typische Alternativmedizin-Patient bzw Kunde

Meist ist der typische Patient

  • jung (30 - 50 Jahre) [1]
  • mit höherer Bildung
  • Trend zu "Links und Grün" [2]
  • Patient mit höherem Einkommen
  • weiblich

Der Alternativmedizin-Markt

Zahlen zu Umsätzen der Alternativ- und Komplementärmedizin sind aus den USA bekannt. Dort werden jährlich 27 Milliarden US-Dollar für komplementär- und alternativmedizinische Verfahren durch die Konsumenten selbst ausgegeben [3]. Nach einer Untersuchung des Autors McGinnis wurden in den USA 1987 viermal mehr Geld für Komplementärmedizin als für die gesamte Krebsforschung ausgegeben mit einer stolzen Summe von 12 Milliarden US-Dollar [4]. 1981 erzielte Laetrile, ein damals populäres alternatives und unwirksames Krebsmedikament aus Aprikosenstein-Extrakt, einen Umsatz von 2 Milliarden US-Dollar, im gleichen Zeitraum wurde für Chemotherapie 0.2 Mlliarden US-Dollar ausgegeben.

Kritik an der Alternativmedizin

Anwender alternativmedizinischer Methoden berufen sich bei der Frage nach einer Wirksamkeit häufig lediglich auf ihre eigene Erfahrung, die sich auf die selektive Auswahl bestimmter eigener Wahrnehmungen in der Vergangenheit bezieht. Derartige retrospektive Betrachtungen haben jedoch keinen beweisenden Charakter. Auch die gelegentlich zu hörende Argumentation Wer heilt hat Recht ist nicht zielführend, da bei einem therapeutischen oder diagnostischen Vorgehen stets das optimale Verfahren mit günstigstem Verhältnis von Nutzen zu Risiken gewählt werden muss (wenn dieses bezahlbar ist), und nicht lediglich ein Hinweis auf Eignung.

Der Begriff einer postulierten und unscharf formulierten Ganzheitlichkeit (meist verbunden mit "...von Körper, Geist und Seele") bleibt innerhalb alternativmedizinischer Verfahren ein reines Versprechen, das aufgrund des zeitlichen oder finanziellen Bedarfs auch nur schwer umzusetzen wäre. (siehe Ganzheitlichkeit nach Issels)

Im Bereich der Alternativmedizin sind häufig Therapeuten ohne fundierte fachliche Ausbildung zu finden, was in der Vergangenheit zu grotesken Fehldiagnosen (siehe Tests der Stiftung Warentest), unnötigen bleibenden Schäden und zu vermeidbaren Todesfällen geführt hat.

das Gefahrenpotential

Alternativmedizinischer Mittel oder Verfahren bergen Gefahren und Risiken [5]:

  • Ablehung effektiver Diagnostik oder Therapie zugunsten von alternativmedizinischen Methoden ohne Wieksamkeitsnachweis, mit der Folge einer Verschleppung einer Krankheit, oder dem Erscheinen vermeidbarer Symptome
  • Verschlechterung der Therapieaussichten, durch vergebliche alternativmedizinische Bemühungen
  • Entstehung von Schuldgefühlen bei Misserfolg, sich selbst oder Angehörigen gegenüber
  • Todesfälle oder körperliche Schäden durch nicht geeignete Verfahren

Literatur

  • Michael Shermer und Lee Traynor: Heilungsversprechen - Alternativmedizin zwischen Versuch und Irrtum,Skeptisches Jahrbuch III, Alibri, 2004, ISBN 3-932710-86-X
  • Christian Ullmann: Fakten über die „andere Medizin“. Augsburg: Foitzick 2006
  • Tobias Weber: Christian Ullmanns „Fakten über die andere Medizin“. Skeptiker 19 (3/06) 103-106
  • K. Federspiel, I. Lackinger-Karger: Kursbuch Seele. Köln: Kiepenheuer & Witsch 1996 (544 S.)
  • B.L. Beyerstein: Warum falsche Therapien zu wirken scheinen. In Shermer/Traynor (s. u.)
  • Bernd Harder: Stimmt es, dass Recht hat, wer heilt? Skeptiker 2/07, 74-75
  • I. Oepen (Hrsg.): An den Grenzen der Schulmedizin. Eine Analyse umstrittener Methoden. Köln: Dt. Ärzte-Verlag 1985
  • Oepen I., O. Prokop (Hrsg.): Außenseitermethoden in der Medizin. Ursprünge, Gefahren, Konsequenzen. WBG 1989
  • Irmgard Oepen (Hrsg.) (1993): Unkonventionelle medizinische Verfahren, Stuttgart.
  • Irmgard Oepen, Amardeo Sarma (Hrsg.)(1998): Paramedizin - Analysen und Kommentare, Muenster.
  • Oepen I., R. Scheidt: Wunderheiler heute. Eine kritische Literaturstudie. München: Zuckschwerdt 1989
  • J. Randi: Flim-Flam! Buffalo: Prometheus 1982, ch. 7 (Wunderheiler entlarvt)
  • A. Siebert: Strafrechtliche Grenzen ärztlicher Therapiefreiheit. Berlin: Springer 1983
  • D. Stalker, C. Glymour (eds.): Examining holistic medicine. Buffalo: Prometheus 1985
  • Ernst E.: The Desktop Guide to Complementary and Alternative Medicine. An evidence-based approach. Mosby, Harcourt Publishers Limited 2001

Weblinks

Quellenangaben

  1. Richardson M.A., Ramirez T., Palmer J.L. et al.: Complementary/alternative medicine use in a comprehensive cancer center and the implications for oncology. J Clin Oncol 2000; 18: 2505-2514
  2. Lee M.M., Lin S.S., Wrensch M.R. et al.: Alternative therapies used by women with breast cancer in four ethnic populations. J Natl Cancer Inst 2000; 92: 42 – 47
  3. Curt G.A.: Introduction: Complementary and Alternative Medicine in Cancer Treatment. Sem Oncol 2002; 29: 529-530
  4. McGinnis L.S.: Alternative therapies, 1990. An overview. Cancer 1991; 67 (6 Suppl): 1788-1792
  5. Markman M.: Safety issues in using complementary and alternative medicine. J Clin Oncol 2002; 20: 39s-41s