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==Was geschieht, wenn der Körper hungert?==
 
==Was geschieht, wenn der Körper hungert?==
Für den menschlichen Organismus - wie für eine ganze Reihe anderer (Säugetier-)Arten - ist der Umstand, längere Zeit keine flüssige oder feste Nahrung zu sich nehmen zu können, stets eine Normalität gewesen. Erst in neuerer Zeit, und dies auch nur in den entwickelten Ländern und nicht mit Kriegen oder gewalttätigen Auseinandersetzungen überzogenen Gebieten, spielt das Ernährungs- und Hungerproblem eine zunehmend geringere Rolle. In den Wohlstandsstaaten der westlichen Hemisphäre ist die Ernährungslage so gut, dass ein erheblicher Teil der Bevölkerung sogar an Übergewicht leidet.
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Für den menschlichen Organismus - wie für eine ganze Reihe anderer (Säugetier-)Arten - ist der Umstand, längere Zeit keine flüssige oder feste Nahrung zu sich nehmen zu können, in Vergangenheit stets eine Normalität gewesen. Erst in neuerer Zeit, und dies auch nur in den Industrieändern und nicht mit Kriegen oder gewalttätigen Auseinandersetzungen überzogenen Gebieten, spielt das Ernährungs- und Hungerproblem eine zunehmend geringere Rolle. In den Wohlstandsstaaten der westlichen Hemisphäre ist die Ernährungslage so gut, dass ein erheblicher Teil der Bevölkerung sogar an Übergewicht leidet.
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Setzt man den menschlichen Organismus auf eine Nulldiät und achtet man dabei darauf, stets eine ausreichende Zufuhr von Flüssigkeit, Vitaminen und Mineralien zu gewährleisten, ist der Körper gezwungen, seinen täglichen Energiebedarf durch Anzapfen körpereigener Reserven zu decken. Ein Mensch mit einem Körpergewicht von etwa 70 kg hat in Ruhe einen täglichen Energiebedarf von 5.700-6.700 kJ, dem ein Arbeitsumsatz bei normaler körperlicher Aktivität von weiteren 3.300 kJ zugerechnet werden muss (Till und Thielmann 1989). Wird der Energiebedarf nicht gedeckt, kommt es bei gleichbleibender körperlicher Aktivität zu Gewichtsverlust, der sich in verschiedenen Schritten vollzieht.
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Setzt man den menschlichen Organismus auf eine Nulldiät und achtet man dabei darauf, stets eine ausreichende Zufuhr von Flüssigkeit, Vitaminen und Mineralien zu gewährleisten, ist der Körper gezwungen, seinen täglichen Energiebedarf ausschliesslich durch körpereigener Energiereserven zu decken. Ein arbeitender erwachsener Mensch mit einem Körpergewicht von etwa 70 kg hat in Ruhe einen täglichen Energiebedarf von 5.700-6.700 kJ, dem ein Arbeitsumsatz bei normaler körperlicher Aktivität von weiteren 3.300 kJ zugerechnet werden muss (Till und Thielmann 1989). Wird der Energiebedarf nicht gedeckt, kommt es bei gleichbleibender körperlicher Aktivität zu Gewichtsverlust, der sich in verschiedenen Schritten vollzieht.
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* Nüchternphase zu Beginn der Nulldiät: Der Glukosebedarf und -verbrauch von Gehirn, Leber, Fettgewebe und Muskulatur ist noch normal. Der Verbrauch der Spar-Energie, die aus Ketonkörpern gewonnen wird, ist niedrig, da noch genügend kurzfristige Glukosereserven verfügbar sind. Die Muskeln verbrauchen die im Blut noch vorhandenen freien Fettsäuren. Leber und Muskelgewebe gibt Glukose aus Glycogenreserven ab. Die Energiegewinnung aus Reserven im Rahmen der Gluconeogenese in der Leber ist niedrig, da noch keine Notwendigkeit auf die Aktivierung von Reserven besteht. Das Fettgewebe produziert weiterhin eine stetige Menge an freien Fettsäuren. Der normale Energieumsatz ist kurzfristig für 1-2 Tage gewährleistet.
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In der Medizin werden verschiedene Phasen des Hungerstoffwechsels unterschieden:([3])
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* 1. Phase der Nulldiät (nach ca. dreitägigem Fasten): Der Glukoseverbrauch von Muskulatur und Fettgewebe reduziert sich, da die erste Glycogen-Zwischenreserve in der Leber zur Neige geht. Der Glukosebedarf des Gehirns von 140 g/d wurde bis jetzt aus den Glycogenreserven der Leber gedeckt. Nunmehr muss sich sowohl das ZNS als auch (in zunächste geringem Umfang) die Muskulatur auf den Verbrauch von Ketonkörpern umstellen, die in der Leber im Rahmen der Aktivierung von Energiereserven entstehen. Als Ketonkörper bezeichnet man Acetacetat (3-Oxobutyrat), sein Reduktionsprodukt D-3-Hydroxybutyrat und das Decarboxylierungsprodukt Aceton. Aceton ist dabei das Endprodukt der Verbrennung von Acetacetat und Hydroxybutyrat, die beide aus freien Fettsäuren, die in dieser Hungerphase verstärkt von den Fettzellen ins Blut abgegeben werden und zur Leber transportiert werden, in der Leber gebildet werden. Acetacetat und Hydroxybutyrat werden als Energielieferanten von Gehirnzellen oder Muskelzellen anstelle der hungerbedingt immer rarer werdenden Glukose akzeptiert. Aus ihrer Verbrennung kann chemische Stoffwechselenergie (NADH/H+) gewonnen werden. Drastische Gewichtsverluste von bis zu 1 kg/d in den ersten 2-3 Tagen einer Fastenkur resultieren fast ausschließlich auf Wasserverlusten.
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*Absorptive Phase (Nüchternphase), die sich nach der Nahrungsaufnahme bis zur 3. Stunde erstreckt. Traubenzucker durch die Nahrung wird rasch innerhalb von etwa 30 Minuten verbraucht, durch Einwirkung des Hormons Insulin wird Traubenzucker (Glucose) in die Muskel aufgenommen. Gleichzeitig wird Glykogen ("Stärke") in den Glykogenspeichern des Menschen (Leber, Muskel) gespeichert, und Speicherfett in den Fettdepots gespeichert. Es findet eine Zunahme der Eiweißsynthese statt.
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* 2. Phase der Nulldiät (nach ca. siebentägigem Fasten): Die Glycogenreserven in der Leber sind aufgebraucht. Es stehen jedoch in der Muskulatur noch Glycogenreserven für weitere 8-10 Tage zur Verfügung. Diese werden parallel zur Ketonkörperproduktion (s. 1. Phase) ebenfalls aktiviert und decken damit den noch bestehenden Glukosebedarf von Gehirn und anderen Geweben teilweise ab. In den ersten 14 Tagen einer Hungerdiät wird verstärkt auf diese Muskelreserve zurückgegriffen. Die Fettzellen hingegen sind noch nicht ausschließlicher Energielieferant. Erst wenn diese Muskelreserve an Glycogen, die in der Leber in Glukose zurückverwandelt wird, überwiegend verbraucht ist, wird das Fett der Fettzellen angegriffen. In dieser Hungerphase reduziert sich die Muskelproteinmasse der Patienten deutlich. Die Gewichtsreduktion beruht also auf einem Muskelmassenverlust und nicht primär auf einem Verschwinden der Fettreserven.
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*Postabsorptive Phase, für den Zeitraum 3 bis 9 Stunden nach letzter Nahrungsaufnahme. In diesem Zeitraum findet eine Umkehr der Glykogeneinlagerung statt: Die Stärke aus den Speichern wird nun genutzt und zu Traubenzucker zurückverwandelt.
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* 3. Phase der Nulldiät (nach mehr als 14-tägigem Fasten): Nun sind alle Glycogenreserven sowohl der Leber (aktiviert in Phase 1) als auch den Muskeln (aktiviert in Phase 2) verbraucht und die Fettzellen geben jetzt in maximaler Menge Fettsäuren zur Herstellung der Ketonkörper Acetacetat und D-3-Hydroxybutyrat in der Leber ab. Die Ketonkörper sind die fast ausschließlichen Energielieferanten. Glukose aus der Glukoneogenese spielt fast keine Rolle mehr. Man verliert in dieser Phase täglich etwa 400 g Fett. Erst wenn die Fettreserven vollständig verbraucht sind, wird erneut die Muskelmasse zur Bildung von Ketonkörpern herangezogen.
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*Hungerphase
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**Frühe Hungerphase, mit Beginn 24 Stunden nach Nahrungsaufnahme. 24 Stunden nach letzter Nahrungsaufnahme ist der aus der letzten Nahrung stammende Traubenzucker längst verbraucht, und die Glykogenspeicher sind entleert. Etwa 2 bis 3 Tage nach Nahrungsentzug beginnt die Konzentration von Ketonkörpern im Blut (Ketonämie) anzusteigen. Allerdings gibt es auch Menschen, die auf Grund einer bestimmten Ernährungsweise eine beständig erhöhte Ketonämie aufweisen. (Ketogene Ernährung)
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**Adaptierte Hungerphase, ab 5 Tagen der Nahrungslosigkeit. Dieser Zeitraum ist durch Energieeinsparungsmechanismen und den Fettabbau gekennzeichnet. Täglich werden etwa 150 g Triglyceride (Körperfett) aus dem Fettgewebe zu Fettsäuren und Glycerin abgebaut. Es beginnt die Phase der Hungeradapation, also der Anpassung des Organismus an die fehlende Nahrungszufuhr. In den Muskeln findet eine vermehrte ß-Oxidation von Fettsäuren zu Acetyl-CoA statt, die im Citratcyclus zur ATP-Gewinnung genutzt wird. Ketonkörper erscheinen vermehrt im Blut. Diese stammen aus der ß-Oxidation von Fettsäuren. Die Hungeradaptation führt zur Glucoseeinsparung, statt eines Glukosebedarfs von anfänglich 5 Gramm pro Kilogramm Körpergewicht pro Tag, sinkt der Bedarf im Hungerzustand auf etwa 2 bis 3 Gramm ab. Zu einem späteren Zeitpunkt wird sogar nur noch etwa 1 Gramm pro kg und Tag benötigt. Der Mensch lebt nun sozusagen "auf Sparflamme". Allgemein ein Zustand der unfreiwillig Millionen Menschen in unterschiedlicher Ausprägung in Hungergebieten der Welt betrifft. In den späten Hungerphasen kommt es zum gefährlichen Abbau von Eiweißen. Der Mensch verfügt im Durchschnitt über etwa 12 kg Eiweiße, von denen er im Hungerzustand 50 bis 80 Gramm pro Tag verlieren kann. Den größten Substanzverlust erleidet dabei die Leber, die um bis zu 40% ihres Gewichts verlieren kann. Es können sich Hungerödeme durch Wasseransammlung im Gewebe bilden, als Zeichen des Eiweißmangels. Der Eiweißverlust wirkt sich auch auf das Immunsystem aus: Es kann zu häufigeren Infekten kommen. Durch die vermehrte Synthese von Ketonkörpern kann eine metabolische Azidose entstehen, eine bestehende Gicht-Erkrankung macht sich nun bemerkbar. In der Hungerphase sinkt die Körpertemperatur als Zeichen der Senkung des Grundumsatzes etwas ab, Fastende verspüren dann auch den Bedarf sich wärmer anzuziehen.
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Das Körpergewicht sinkt deutlich, dies jedoch in Abhängigkeit zur vorangehenden Ernährungsweise. Zu Beginn kann der Gewichtsverlust (auch durch Wasserverluste) bei gut ernährten oder übergewichtigen Menschen bis zu einem Kilogramm pro Tag betragen, später verringert sich der Verlust auf 200 bis 500 Gramm pro Tag. Nach einer Woche sinkt das Körpergewicht eines normal Ernährten um etwa 13%, nach einem Monat um etwa 21%.
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Eine harte Fastenkur ist - wie man aus den Anforderungen an den Organismus leicht erkennen kann - eine mit zunehmender Zeitdauer immer härter werdende Belastung für den Körper. Nicht nur an die Leber werden im Rahmen der Gluconeogenese und der Herstellung von Ketonkörpern aus freien Fettsäuren hohe Anforderungen gestellt. Auch die Nieren sind stark gefordert, denn die Ketonkörper erzeugen eine starke metabolische Azidose (also eine handfeste [[Übersäuerung]]), die kompensiert werden muss, um den pH des Organismus im Normbereich von 7,35-7,45 zu halten. Es kann bei harten Fastenkuren aufgrund eines erhöhten Natriumverlusts durch die Nieren zu Blutdruckabfall kommen, was erklärt, dass manche Fastenden beim Aufstehen Schwindelanfälle (sog. orthostatische Kreislaufprobleme) mit Durchblutungsproblemen des ZNS erleiden können. Es kann paradoxerweise wegen der Mangelernährung, die eine Unterversorgung mit Cholin und essentiellen Fettsäuren nach sich zieht, sogar zu einer (reversiblen) Leberverfettung kommen, weil die Leber mangels Emulgatoren wie Apolipoproteinen und Phospholipide massive Probleme bekommt, Triacylglycerol loszuwerden. Dieses wird dann in den Leberzellen (=Hepatozyten) angehäuft und kann bis zu 50% deren Trockenmasse ausmachen.
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Eine Fastenkur ist - wie man aus den Anforderungen an den Organismus leicht erkennen kann - eine mit zunehmender Zeitdauer immer härter werdende Belastung für den Körper. Nicht nur an die Leber werden im Rahmen der Gluconeogenese und der Herstellung von Ketonkörpern aus freien Fettsäuren hohe Anforderungen gestellt. Auch die Nieren sind stark gefordert, denn die Ketonkörper erzeugen eine metabolische Azidose (also eine tatsächlich [[Übersäuerung]]), die kompensiert werden muss, um den pH des Blutes im Normbereich von 7,35-7,45 zu halten. Es kann bei Fastenkuren aufgrund eines erhöhten Natriumverlusts durch die Nieren zu Blutdruckabfall kommen, was erklärt, dass manche Fastenden beim Aufstehen Schwindelanfälle (sog. orthostatische Kreislaufprobleme) mit Durchblutungsproblemen des ZNS erleiden können. Es kann paradoxerweise wegen der Mangelernährung, die eine Unterversorgung mit Cholin und essentiellen Fettsäuren nach sich zieht, sogar zu einer (reversiblen) Leberverfettung kommen, weil die Leber mangels Emulgatoren wie Apolipoproteinen und Phospholipide Triacylglycerol nicht ausreichend auscheiden kann. Dieses wird dann in den Leberzellen (=Hepatozyten) angehäuft und kann bis zu 50% deren Trockenmasse ausmachen.
    
Das Heilfasten ist wissenschaftlich nicht begründbar. Neben Nährstoff- und Vitaminmangel kann es zu einer Schädigung von Nieren oder Herz, zu Gichtanfällen oder Gallensteinen führen. Die von Fastenbefürworten angeführten [[Entschlackung|"Schlacken"]] die "ausgeschwemmt" werden sollen, sind wissenschaftlich unbekannt geblieben. Erfolglose Heilfastenkuren können den Faster auch glauben machen, in der restlichen Zeit des Jahres sich weniger um seine Gesundheit kümmern zu müssen.
 
Das Heilfasten ist wissenschaftlich nicht begründbar. Neben Nährstoff- und Vitaminmangel kann es zu einer Schädigung von Nieren oder Herz, zu Gichtanfällen oder Gallensteinen führen. Die von Fastenbefürworten angeführten [[Entschlackung|"Schlacken"]] die "ausgeschwemmt" werden sollen, sind wissenschaftlich unbekannt geblieben. Erfolglose Heilfastenkuren können den Faster auch glauben machen, in der restlichen Zeit des Jahres sich weniger um seine Gesundheit kümmern zu müssen.
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