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Nachdem die ayurvedischen Lehren einmal festgelegt und die Interpretation des Körperbaus, der Lebensfunktion und der Krankheiten beschrieben war, änderte sich im Verlauf der Jahrhunderte an der Lehre kaum etwas (Mazars 1990). Lediglich im Bereich der Diagnostik und Therapie wurden Neuerungen eingeführt. Am wichtigsten war die Einführung des Opium in die Arzneimittellehre. Im Mittelalter kamen dann noch alchimistische Präparate hinzu, die oftmals auf der Basis von Quecksilber beruhten. Quecksilber sollte neben Unsterblichkeit und ewiger Jugend auch noch die Fähigkeit zu fliegen verleihen oder zumindest minderwertige Metalle in Silber und Gold verwandeln. Als Großbritannien sich während der Zeit des imperialen Kolonialismus u.a. auch Indien einverleibte, wurde dort die Weiterentwicklung der Ayurveda systematisch unterdrückt (Lindner 1997).<ref>Lindner M: Komplementärmedizin. in: Hentschel, Chr. (Hrsg.): Naturheilverfahren, Homöopathie und Komplementärmedizin. Chapman & Hall, Weinheim, S.340-342, 1997</ref> Dies mag ein Grund dafür sein, dass auch heute noch die Ayurveda in ihren medizinischen Grundlagen ausgesprochen rückwärtsgewandt und einseitig geblieben ist.
 
Nachdem die ayurvedischen Lehren einmal festgelegt und die Interpretation des Körperbaus, der Lebensfunktion und der Krankheiten beschrieben war, änderte sich im Verlauf der Jahrhunderte an der Lehre kaum etwas (Mazars 1990). Lediglich im Bereich der Diagnostik und Therapie wurden Neuerungen eingeführt. Am wichtigsten war die Einführung des Opium in die Arzneimittellehre. Im Mittelalter kamen dann noch alchimistische Präparate hinzu, die oftmals auf der Basis von Quecksilber beruhten. Quecksilber sollte neben Unsterblichkeit und ewiger Jugend auch noch die Fähigkeit zu fliegen verleihen oder zumindest minderwertige Metalle in Silber und Gold verwandeln. Als Großbritannien sich während der Zeit des imperialen Kolonialismus u.a. auch Indien einverleibte, wurde dort die Weiterentwicklung der Ayurveda systematisch unterdrückt (Lindner 1997).<ref>Lindner M: Komplementärmedizin. in: Hentschel, Chr. (Hrsg.): Naturheilverfahren, Homöopathie und Komplementärmedizin. Chapman & Hall, Weinheim, S.340-342, 1997</ref> Dies mag ein Grund dafür sein, dass auch heute noch die Ayurveda in ihren medizinischen Grundlagen ausgesprochen rückwärtsgewandt und einseitig geblieben ist.
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Von Befürwortern alternativer Methoden wird behauptet, dass in Indien die Ayurveda besonders häufig praktiziert würde. So meint Lindner (1997): ''Heute werden ca. zweidrittel der Einwohner Indiens medizinisch primär über ayurvedisch tätige Ärzte versorgt''.<ref>Lindner M: Komplementärmedizin. in: Hentschel, Chr. (Hrsg.): Naturheilverfahren, Homöopathie und Komplementärmedizin. Chapman & Hall, Weinheim, S.340-342, 1997</ref> Eine nette These - nur ist sie schlicht falsch. Wie die Realität wirklich ist, beschreibt ein Bericht des indischen Arztes Durgawale (1998).<ref>Durgawale PM: Practice of self medication among slum-dwellers. Ind J Publ Health 42 (Nr.2): 53-55, 1998</ref> Das Urban Health Training Centre (UHTC) startete in den Slums von Karad im Bezirk Satara im westlichen Teil des Districts Maharashtra eine Umfrage unter 650&nbsp;Slumbewohnern. 34,5% der befragten Slumbewohner therapierten sich selbst und zwar primär bei Schmerzen&nbsp;(84%), Husten&nbsp;(78%) und Fieber&nbsp;(78%). Bei Durchfall lag die Eigentherapierate bei&nbsp;31% und bei Atembeschwerden betrug sie&nbsp;26%. Von der Mehrzahl der Slumbewohner wurden konventionelle hochschulmedizinische Präparate&nbsp;(78%) eingenommen. Andere Medikamente wie ayurevedische Mittel&nbsp;(4%) oder traditionelle Arzneimittel&nbsp;(4%) spielten nur eine untergeordnete Rolle. Homöopathika wurden übrigens überhaupt nicht verwendet. Die Medikamente wurden in Taschen&nbsp;(68%), Töpfen&nbsp;(7%) oder ungesichert in der Slum-Behausung&nbsp;(23%) aufbewahrt. Kinder schienen die Medikamente nicht versehentlich zu benutzen, da kein einziger Fall eines Kindes zu ermitteln war, das die Medikamente eingenommen hatte (Smarties-Effekt). Der Grund, warum sich die Befragten selbst behandelten, waren primär wirtschaftliche Gründe&nbsp;(60%), weil kein Geld für die Behandlung durch einen Arzt vorhanden war. Für die Eigenbehandlung gaben&nbsp;47% der Befragten zwischen&nbsp;1-5% ihres Einkommens aus. 28%&nbsp; gaben zwischen&nbsp;6-10%, 21%&nbsp;gaben zwischen&nbsp;11-15% und der Rest bis zu&nbsp;25% ihres Einkommens für die Arzneimittel aus.
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Von Befürwortern alternativer Methoden wird behauptet, dass in Indien die Ayurveda besonders häufig praktiziert würde. So meint Lindner (1997): ''Heute werden ca. zweidrittel der Einwohner Indiens medizinisch primär über ayurvedisch tätige Ärzte versorgt''.<ref>Lindner M: Komplementärmedizin. in: Hentschel, Chr. (Hrsg.): Naturheilverfahren, Homöopathie und Komplementärmedizin. Chapman & Hall, Weinheim, S.340-342, 1997</ref> Eine nette These - nur ist sie schlicht falsch. Wie die Realität wirklich ist, beschreibt ein Bericht des indischen Arztes Durgawale (1998).<ref>Durgawale PM: Practice of self medication among slum-dwellers. Ind J Publ Health 42 (Nr.2): 53-55, 1998</ref> Das Urban Health Training Centre (UHTC) startete in den Slums von Karad im Bezirk Satara im westlichen Teil des Districts Maharashtra eine Umfrage unter 650&nbsp;Slumbewohnern. 34,5% der befragten Slumbewohner therapierten sich selbst und zwar primär bei Schmerzen&nbsp;(84%), Husten&nbsp;(78%) und Fieber&nbsp;(78%). Bei Durchfall lag die Eigentherapierate bei&nbsp;31% und bei Atembeschwerden betrug sie&nbsp;26%. Von der Mehrzahl der Slumbewohner wurden konventionelle hochschulmedizinische Präparate&nbsp;(78%) eingenommen. Andere Medikamente wie ayurevedische Mittel&nbsp;(4%) oder traditionelle Arzneimittel&nbsp;(4%) spielten nur eine untergeordnete Rolle. [[Homöopathie|Homöopathika]] wurden übrigens überhaupt nicht verwendet. Die Medikamente wurden in Taschen&nbsp;(68%), Töpfen&nbsp;(7%) oder ungesichert in der Slum-Behausung&nbsp;(23%) aufbewahrt. Kinder schienen die Medikamente nicht versehentlich zu benutzen, da kein einziger Fall eines Kindes zu ermitteln war, das die Medikamente eingenommen hatte (Smarties-Effekt). Der Grund, warum sich die Befragten selbst behandelten, waren primär wirtschaftliche Gründe&nbsp;(60%), weil kein Geld für die Behandlung durch einen Arzt vorhanden war. Für die Eigenbehandlung gaben&nbsp;47% der Befragten zwischen&nbsp;1-5% ihres Einkommens aus. 28%&nbsp; gaben zwischen&nbsp;6-10%, 21%&nbsp;gaben zwischen&nbsp;11-15% und der Rest bis zu&nbsp;25% ihres Einkommens für die Arzneimittel aus.
    
In Deutschland scheinen sich aufgrund von Presseberichen und TV-Beiträgen ayurvedische Therapiezentren steigender Beliebtheit zu erfreuen. Wie hoch unter Ärzten der Nutzungsgrad ayurvedischer Therapieformen bei Erwachsenen wirklich ist, ist derzeit schlicht unbekannt, da keine repräsentativen Umfragestudien existieren. Allerdings zeigt eine aktuelle, repräsentative Umfragestudie unter 252&nbsp;Kinderärzten, dass Pädiater diese 'Therapie' nicht bei ihren kindlichen Patienten anwenden. Keiner der befragten Kinderärzte wendete diese Methode an (Molz et al. 2000).<ref>Molz G, Küstermann W, König R: Konventionelle Therapien dominieren. Umfrage: komplementärmedizinische Verfahren in der Pädiatrie. Kinderärztliche Praxis Nr.5: 296-301, 2000</ref>
 
In Deutschland scheinen sich aufgrund von Presseberichen und TV-Beiträgen ayurvedische Therapiezentren steigender Beliebtheit zu erfreuen. Wie hoch unter Ärzten der Nutzungsgrad ayurvedischer Therapieformen bei Erwachsenen wirklich ist, ist derzeit schlicht unbekannt, da keine repräsentativen Umfragestudien existieren. Allerdings zeigt eine aktuelle, repräsentative Umfragestudie unter 252&nbsp;Kinderärzten, dass Pädiater diese 'Therapie' nicht bei ihren kindlichen Patienten anwenden. Keiner der befragten Kinderärzte wendete diese Methode an (Molz et al. 2000).<ref>Molz G, Küstermann W, König R: Konventionelle Therapien dominieren. Umfrage: komplementärmedizinische Verfahren in der Pädiatrie. Kinderärztliche Praxis Nr.5: 296-301, 2000</ref>
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