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Deutschland ist das einzige Land auf der Welt, in dem die Psychoanalyse eine Regelleistung der Krankenkassen ist, zudem sind noch immer von den über 40 Lehrstühlen für klinische Psychologie an staatlichen Universitäten zwei von Psychoanalytikern besetzt.<ref>https://www.welt.de/gesundheit/psychologie/article152795956/Warum-die-Psychoanalyse-ein-Comeback-feiert.html</ref> Viele Studierende hören in ihrem gesamten Psychologiestudium von der Psychoanalyse so gut wie nichts, wie selbt die "Interessengemeinschaft der Psychoanalyse an Universitäten e.V." beklagt.<ref>https://www.welt.de/gesundheit/psychologie/article152795956/Warum-die-Psychoanalyse-ein-Comeback-feiert.html</ref>
 
Deutschland ist das einzige Land auf der Welt, in dem die Psychoanalyse eine Regelleistung der Krankenkassen ist, zudem sind noch immer von den über 40 Lehrstühlen für klinische Psychologie an staatlichen Universitäten zwei von Psychoanalytikern besetzt.<ref>https://www.welt.de/gesundheit/psychologie/article152795956/Warum-die-Psychoanalyse-ein-Comeback-feiert.html</ref> Viele Studierende hören in ihrem gesamten Psychologiestudium von der Psychoanalyse so gut wie nichts, wie selbt die "Interessengemeinschaft der Psychoanalyse an Universitäten e.V." beklagt.<ref>https://www.welt.de/gesundheit/psychologie/article152795956/Warum-die-Psychoanalyse-ein-Comeback-feiert.html</ref>
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Von wissenschaftsphilosophischer und -theoretischer Seite wird gegen die Psychoanalyse eingewendet, daß sie keine Wissenschaft darstelle, sondern sich nur als Wissenschaft ausgebe. Für Sir Karl R. Popper, dem Vater des Wortes Pseudowissenschaft, sind Theorien nur dann wissenschaftlich, wenn sie grundsätzlich widerlegbar sind (falsifizierbar). Die Psychoanalyse ist somit den Pseudowissenschaften zuzuordnen, wie Popper bereits 1972 formulierte.<ref>http://www.verhaltenswissenschaft.de/Psychotherapie/Psychoanalyse/psychoanalyse.htm#Pseudowissenschaft</ref> Diese Auffassung wird von diversen weiteren Wissenschaftstheoretikern wie T.S. Kuhn, B.A. Farrell oder F. Cioffi geteilt.<ref>http://www.verhaltenswissenschaft.de/Psychotherapie/Psychoanalyse/psychoanalyse.htm#Pseudowissenschaft</ref>  
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Von wissenschaftsphilosophischer und -theoretischer Seite wird gegen die Psychoanalyse eingewendet, daß sie keine Wissenschaft darstelle, sondern sich nur als Wissenschaft ausgebe. Für Sir Karl R. Popper, dem Vater des Wortes Pseudowissenschaft, sind Theorien nur dann wissenschaftlich, wenn sie grundsätzlich widerlegbar sind (falsifizierbar). Die Psychoanalyse ist somit den Pseudowissenschaften zuzuordnen, wie Popper bereits 1972 formulierte.<ref>http://www.verhaltenswissenschaft.de/Psychotherapie/Psychoanalyse/psychoanalyse.htm#Pseudowissenschaft</ref> Diese Auffassung wird von diversen weiteren Wissenschaftstheoretikern wie T.S. Kuhn, B.A. Farrell oder F. Cioffi geteilt.<ref>http://www.verhaltenswissenschaft.de/Psychotherapie/Psychoanalyse/psychoanalyse.htm#Pseudowissenschaft</ref> Weitere Kritiker der Psychoanalyse sind beispielsweise: Martin Seligman<ref>Seligman, Martin, Authentic Happiness (The Free Press, Simon & Schuster, 2002), p. 64.</ref>, Noam Chomsky<ref>The Professorial Provocateur, Noam Chomsky interviewed by Deborah Solomon".</ref>, Steven Pinker<ref>Pinker, Steven (1997). How The Mind Works. Steven Pinker</ref>, Stephen Jay Gould<ref>Gould, Stephen Jay (1977). Ontogeny and Phylogeny. Harvard University Press.</ref>, Richard Feynman<ref>Feynman, Richard (2007) [1998]. The Meaning of It All: Thoughts of a Citizen-Scientist. London: Penguin. pp. 114–5. Feynman was also speaking here of psychiatrists.</ref> oder Michel Foucault<ref>Weeks, Jeffrey (1989), Sexuality and its Discontents: Meanings, Myths, and Modern Sexualities, New York: Routledge, p. 176, ISBN 978-0-415-04503-2</ref>.
    
Die Psychoanalyse sei der Aberglaube des Jahrhunderts, schrieb der Autor Dieter E. Zimmer in seiner berühmt gewordenen Polemik. Zwar habe Freud als Neurologe angefangen und sich als Wissenschafter ausgegeben. Dennoch habe sich keine seiner Theorien in den Jahrzehnten seit ihrer Veröffentlichung empirisch belegen lassen. Seine Vorstellung von seelischer Energie, der Physik abgeschaut, sei komplett falsch, seine Einteilung in Ich, Es und Über-Ich nicht mehr als eine Metapher, ausserdem habe er dauernd an der Biologie und Evolution vorbei­argumentiert. Kurz: Freuds Lehre sei ein Irrglaube mit religiösen Zügen.<ref>https://www.tagesanzeiger.ch/wissen/medizin-und-psychologie/was-von-freud-bleibt/story/30839499</ref> Selbst der Narzissmusforscher Otto Kernberg, der viele Jahre lang die amerikanische Gesellschaft für Psychoanalyse anführte, kritisierte die zögerliche Einstellung der Psychoanalyse zu Forschung und Anwendung. Ihm missfiel auch, dass Psychoanalytiker jede Kritik an ihrer Methode als Widerstand gegen ihre Erkenntnisse abwerteten.<ref>https://www.tagesanzeiger.ch/wissen/medizin-und-psychologie/was-von-freud-bleibt/story/30839499</ref> Auch andere Kritiker werfen der Psychoanalyse vor eine Art Religion oder sektenhaft zu sein.<ref>https://www.tagesanzeiger.ch/kultur/buecher/Freuds-Psychoanalyse-ist-so-unwirksam-wie-Homoeopathie/story/11694740</ref>
 
Die Psychoanalyse sei der Aberglaube des Jahrhunderts, schrieb der Autor Dieter E. Zimmer in seiner berühmt gewordenen Polemik. Zwar habe Freud als Neurologe angefangen und sich als Wissenschafter ausgegeben. Dennoch habe sich keine seiner Theorien in den Jahrzehnten seit ihrer Veröffentlichung empirisch belegen lassen. Seine Vorstellung von seelischer Energie, der Physik abgeschaut, sei komplett falsch, seine Einteilung in Ich, Es und Über-Ich nicht mehr als eine Metapher, ausserdem habe er dauernd an der Biologie und Evolution vorbei­argumentiert. Kurz: Freuds Lehre sei ein Irrglaube mit religiösen Zügen.<ref>https://www.tagesanzeiger.ch/wissen/medizin-und-psychologie/was-von-freud-bleibt/story/30839499</ref> Selbst der Narzissmusforscher Otto Kernberg, der viele Jahre lang die amerikanische Gesellschaft für Psychoanalyse anführte, kritisierte die zögerliche Einstellung der Psychoanalyse zu Forschung und Anwendung. Ihm missfiel auch, dass Psychoanalytiker jede Kritik an ihrer Methode als Widerstand gegen ihre Erkenntnisse abwerteten.<ref>https://www.tagesanzeiger.ch/wissen/medizin-und-psychologie/was-von-freud-bleibt/story/30839499</ref> Auch andere Kritiker werfen der Psychoanalyse vor eine Art Religion oder sektenhaft zu sein.<ref>https://www.tagesanzeiger.ch/kultur/buecher/Freuds-Psychoanalyse-ist-so-unwirksam-wie-Homoeopathie/story/11694740</ref>
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==Kritik==
 
==Kritik==
 
===Generell===
 
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Hans-Jürgen Eysenck veröffentlichte bereits 1952 eine Übersichtsarbeit über 24 Psychotherapiestudien, wobei er "eklektischer Psychotherapie" mit Psychoanalyse und spontanen Remissionsraten unbehandelter Patienten verglich. Er kam zu dem Schluss, dass Psychoanalyse der Spontanremission sogar unterlegen sei, obwohl seine Methodik aus heutiger Sicht nicht mehr hinlänglich ist, demonstriert diese Arbeit jedoch, die schon sehr früh eintretende Forschung, die die Wirksamkeit der Psychoanalyse in Frage stellte.<ref>Hans Jürgen Eysenck: The Effects of Psychotherapy: An Evaluation. In: Journal of Consulting Psychology. 16, 1952, S. 319–324.</ref>
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Anfang der 1990er Jahre veröffentlichte dann die Arbeitsgruppe um Klaus Grawe die bisher umfangreichste Metaanalyse von Psychotherapie-Vergleichsstudie und folgerte dass kognitive Verhaltenstherapie im Durchschnitt hochsignifikant wirksamer sei als psychoanalytische Therapie.<ref>Klaus Grawe: Psychotherapieforschung zu Beginn der neunziger Jahre. In: Psychologische Rundschau. 43, 1992, S. 132–162.</ref><ref>Klaus Grawe, Ruth Donati, Friederike Bernauer: Psychotherapie im Wandel. Von der Konfession zur Profession. Hogrefe, Göttingen 1994, ISBN 3-8017-0481-5.<ref> Diese Ergebnisse wurden im deutschsprachigen Raum zum Teil sehr kontrovers diskutiert und von psychoanalytischer Seite in Frage gestellt.<ref>Wolfgang Mertens: Psychoanalyse auf dem Prüfstand? Eine Erwiderung auf die Meta-Analyse von Klaus Grawe. Berlin, München: Quintessenz, 1994.</ref> Grawe warf allerdings auch die Frage auf, in welchen Fällen, welche Therapie am wirksamsten sein könnte, diese Frage wird weiterhin kontrovers diskutiert.
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Gemäss neueren Untersuchungen erweisst sich ein Vergleich von Psychoanalytischen Therapien mit anderen als schwierig. Insbesondere die Einbeziehung von Prä- / Post-Studien anstelle von randomisierten kontrollierten Studien und das Fehlen adäquater Vergleiche mit Kontrollbehandlungen ist eine schwerwiegende Einschränkung bei der Interpretation der Ergebnisse von Studien, die den Psychoanalytischen Therapien Evidenz zusprechen.<ref>De Maat, S; De Jonghe, F; De Kraker, R; Leichsenring, F; Abbass, A; Luyten, P; Barber, J. P; Rien, Van; Dekker, J (2013). "The current state of the empirical evidence for psychoanalysis: A meta-analytic approach". Harvard Review of Psychiatry. 21 (3): 107–37. doi:10.1097/HRP.0b013e318294f5fd (inactive 2019-12-03). PMID 23660968.</ref>
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Eine Metaanalyse der Langzeitpsychodynamischen Psychotherapie aus dem Jahr 2012 ergab eine bescheidene Gesamtwirkungsgröße. Diese Studie kam zu dem Schluss, dass die Recovery Rate den Kontrollbehandlungen, einschließlich den treatment as usual, gleich war. Die Autoren stellten fest, dass die Wirksamkeit der Langzeitpsychodynamischen Psychotherapie somit begrenzt und bestenfalls widersprüchlich sei.<ref>Smit, Y.; Huibers, J.; Ioannidis, J.; van Dyck, R.; van Tilburg, W.; Arntz, A. (2012). "The effectiveness of long-term psychoanalytic psychotherapy — A meta-analysis of randomized controlled trials". Clinical Psychology Review. 32 (2): 81–92. doi:10.1016/j.cpr.2011.11.003. PMID 22227111.</ref>
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Eine systematische Überprüfung der medizinischen Literatur durch die angesehene Cochrane Collaboration aus dem Jahr 2001 ergab, dass keine Daten vorliegen, die belegen, dass die psychodynamische Psychotherapie bei der Behandlung von Schizophrenie und schweren psychischen Erkrankungen wirksam ist.<ref>Malmberg, Lena; Fenton, Mark; Rathbone, John (2001). "Individual psychodynamic psychotherapy and psychoanalysis for schizophrenia and severe mental illness". Cochrane Database of Systematic Reviews (3): CD001360. doi:10.1002/14651858.CD001360. PMC 4171459. PMID 11686988.</ref> Ein französisches Review kam zum selben Ergebnis.<ref>National Institute for health and medical research (2004), Psychotherapy: Three approaches evaluated, PMID 21348158</ref> Auch das "Institut national de la santé et de la recherche médicale" kurz INSERM kam anhand von Metaanalysen zu dem Schluss, dass die psychoanalytische Therapie weniger wirksam ist als andere Psychotherapien für bestimmte Krankheiten.<ref>National Institute for health and medical research (2004), Psychotherapy: Three approaches evaluated, PMID 21348158</ref>
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Freud sah die Psychoanalyse anfangs als eine Naturwissenschaft. Je mehr empirische Fakten im Laufe der Zeit gegen die Annahmen der Psychoanalyse sprachen, desto stärker wandelte sich diese zu einer Art "Verstehenskunst". Die bedeutendsten Vertreter der Psychoanalyse sind keine Psychologen oder Ärzte, sondern Philosophen (Beispiel: Jürgen Habermas), denen die empirische Prüfung der Aussagen der Psychoanalyse nicht relevant erschien.
 
Freud sah die Psychoanalyse anfangs als eine Naturwissenschaft. Je mehr empirische Fakten im Laufe der Zeit gegen die Annahmen der Psychoanalyse sprachen, desto stärker wandelte sich diese zu einer Art "Verstehenskunst". Die bedeutendsten Vertreter der Psychoanalyse sind keine Psychologen oder Ärzte, sondern Philosophen (Beispiel: Jürgen Habermas), denen die empirische Prüfung der Aussagen der Psychoanalyse nicht relevant erschien.
  
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