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Der Begriff '''Bibelcode''' (auch bekannt als '''Tora-Code''') bezeichnet die Annahme, dass es im Text der Bibel versteckte, aussagekräftige Textkonstellationen gebe. Diese Art der Codierung wird dem Gebiet der Steganographie zugeordnet. Allerdings lassen sich für die behaupteten Bibelcodes weder ein „Generalschlüssel“ noch eine Systematik oder ein Schema bestimmen, mit dem sich Informationen gezielt auffinden ließen; daneben ist die zugrundeliegende Textbasis unsicher. Daher gilt die These sowohl aus historischer wie mathematischer Perspektive als widerlegt. Der Bibelcode ist Bestandteil verschiedener [[Verschwörungstheorie]]n.
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Inge Hüsgen, Klaus SchmehDer Begriff '''Bibelcode''' (auch bekannt als '''Tora-Code''') bezeichnet die Annahme, dass es im Text der Bibel versteckte, aussagekräftige Textkonstellationen gebe. Diese Art der Codierung wird dem Gebiet der Steganographie zugeordnet. Allerdings lassen sich für die behaupteten Bibelcodes weder ein „Generalschlüssel“ noch eine Systematik oder ein Schema bestimmen, mit dem sich Informationen gezielt auffinden ließen; daneben ist die zugrunde liegende Textbasis unsicher. Daher gilt die These sowohl aus historischer wie mathematischer Perspektive als widerlegt. Der Bibelcode ist Bestandteil verschiedener [[Verschwörungstheorie]]n.
    
== Hintergrund ==
 
== Hintergrund ==
Der Ausdruck ''Bibelcode'' wurde durch die gleichnamige Publikation des Journalisten Michael Drosnin geprägt<ref>Michael Drosnin: ''Der Bibelcode.'' 1997–2002.</ref>, bezeichnet jedoch eine Methode, die als ''Equidistant Letter Sequence''<ref>Doron Witztum, Eliyahu Rips, Yoav Rosenberg: ''Equidistant letter sequences in the Book of Genesis.'' 1994, S. 429–438.</ref> (abstandsgetreue Buchstabenfolge, kurz ELS) eingeordnet wird (vgl. auch Intervallcode). Bei dieser Methode wird bei der Lesung von einem Ausgangspunkt im Textkorpus eine frei definierbare Anzahl von Buchstaben übersprungen und überprüft, ob sinnvolle Worte ermittelt werden können. Da in der Tora mit der Methode Begriffe gefunden werden konnten, wählte von Drosnin die Bezeichnung ''Bibelcode'', um zu implizieren, dass diese Begriffe in den Text codiert wurden. Zur Visualisierung der Methode verwendete man Buchstabengitter, deren Zeilenbreite konstant ist und dem zuvor definierten Abstand der Buchstaben entspricht. Überträgt man mehrere gefundene Begriffe, können in der entstandenen Matrix senkrecht, waagerecht oder diagonal Worte abgelesen werden, die zueinander in Beziehung stehen. Die Beobachtung, dass Worte zueinander in Beziehung stehen (z.B. der Name eines Rabbiners und sein Geburtsort), erschien dem Beobachter statistisch signifikant. Um auf die Robustheit des Textkorpus hinzuweisen, wird auf die Überlieferung der Toratexte verwiesen. Bis heute werden alle Torarollen von Hand geschrieben und unterliegen Überprüfungen gegen den masoretischen Text.
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Der Ausdruck ''Bibelcode'' wurde durch die gleichnamige Publikation des Journalisten Michael Drosnin geprägt,<ref>Michael Drosnin: ''Der Bibelcode.'' 1997–2002.</ref> bezeichnet jedoch eine Methode, die als ''Equidistant Letter Sequence''<ref>Doron Witztum, Eliyahu Rips, Yoav Rosenberg: ''Equidistant letter sequences in the Book of Genesis.'' 1994, S. 429–438.</ref> (abstandsgetreue Buchstabenfolge, kurz ELS) eingeordnet wird (vgl. auch Intervallcode). Bei dieser Methode wird bei der Lesung von einem Ausgangspunkt im Textkorpus eine frei definierbare Anzahl von Buchstaben übersprungen und überprüft, ob sinnvolle Worte ermittelt werden können. Da in der Tora mit der Methode Begriffe gefunden werden konnten, wählte Drosnin die Bezeichnung ''Bibelcode'', um zu implizieren, dass diese Begriffe in den Text codiert wurden. Zur Visualisierung der Methode verwendete man Buchstabengitter, deren Zeilenbreite konstant ist und dem zuvor definierten Abstand der Buchstaben entspricht. Überträgt man mehrere gefundene Begriffe, können in der entstandenen Matrix senkrecht, waagerecht oder diagonal Worte abgelesen werden, die zueinander in Beziehung stehen. Die Beobachtung, dass Worte zueinander in Beziehung stehen (z.B. der Name eines Rabbiners und sein Geburtsort), erschien dem Beobachter statistisch signifikant. Um auf die Robustheit des Textkorpus hinzuweisen, wird auf die Überlieferung der Toratexte verwiesen. Bis heute werden alle Torarollen von Hand geschrieben und unterliegen Überprüfungen gegen den masoretischen Text.
    
== Geschichte ==
 
== Geschichte ==
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Auch die Behauptung, codierte Botschaften seien absichtlich im hebräischen Urtext verborgen worden, ist hinfällig. Drosnins Aussage, nach der „alle heute in der hebräischen Originalsprache vorhandenen Bibeln Buchstabe für Buchstabe identisch sind“, ist falsch. Es ist zwar erstaunlich, dass der Bibeltext über Jahrtausende bewahrt wurde, ohne dass gravierende Unterschiede bestehen, jedoch sind die einzelnen erhaltenen Handschriften nicht Buchstabe für Buchstabe identisch.
 
Auch die Behauptung, codierte Botschaften seien absichtlich im hebräischen Urtext verborgen worden, ist hinfällig. Drosnins Aussage, nach der „alle heute in der hebräischen Originalsprache vorhandenen Bibeln Buchstabe für Buchstabe identisch sind“, ist falsch. Es ist zwar erstaunlich, dass der Bibeltext über Jahrtausende bewahrt wurde, ohne dass gravierende Unterschiede bestehen, jedoch sind die einzelnen erhaltenen Handschriften nicht Buchstabe für Buchstabe identisch.
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Die älteste vollständige hebräische Handschrift ist der Codex Leningradensis. Er wurde um 1000 n. Chr. angefertigt und ist Basis der meisten heutigen hebräischen Bibelübersetzungen. Rips und Drosnin benutzten jedoch den Text der Tora-Ausgabe des Koren Verlages. Der Codex Leningradensis weicht von der Koren-Ausgabe ab – allein im 5. Buch Mose um 41 Buchstaben. Die Schriftrollen vom Toten Meer enthalten Bibeltexte, die vor über 2000 Jahren abgeschrieben wurden. Nicht deren sinngemäße Aussage, jedoch die Anordnung der Buchstaben weicht vom ''Codex Leningradensis'' noch weitgehender ab. In manchen Buchrollen wurden häufig Buchstaben hinzugefügt, um Vokale anzuzeigen, da Vokalpunkte damals noch nicht geschrieben wurden. Ein einziger geänderter Buchstabe würde die Buchstabenfolge samt der entstehenden Aussage fundamental ändern, so sie denn vorhanden wäre.
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Die älteste vollständige hebräische Handschrift ist der ''Codex Leningradensis''. Er wurde um 1000 n. Chr. angefertigt und ist Basis der meisten heutigen hebräischen Bibelübersetzungen. Rips und Drosnin benutzten jedoch den Text der Tora-Ausgabe des Koren-Verlages. Der ''Codex Leningradensis'' weicht von der Koren-Ausgabe ab – allein im 5. Buch Mose um 41 Buchstaben. Die Schriftrollen vom Toten Meer enthalten Bibeltexte, die vor über 2000 Jahren abgeschrieben wurden. Nicht deren sinngemäße Aussage, jedoch die Anordnung der Buchstaben weicht vom ''Codex Leningradensis'' noch weitgehender ab. In manchen Buchrollen wurden häufig Buchstaben hinzugefügt, um Vokale anzuzeigen, da Vokalpunkte damals noch nicht geschrieben wurden. Ein einziger geänderter Buchstabe würde die Buchstabenfolge samt der entstehenden Aussage fundamental ändern, so sie denn vorhanden wäre.
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Die Theorie eines Bibelcodes wurde aus mathematischer Perspektive gründlich so der englische Sachbuchautor und Mathematiker der Universität Oxford Marcus du Sautoy – durch eine Arbeit von Persi Diaconis, Mathematiker an der Stanford University, widerlegt.<ref>Marcus du Sautoy: ''Musik der Primzahlen. Auf den Spuren des größten Rätsels der Mathematik.'' C. H. Beck, München 2004, ISBN 3-406-52320-X, S. 332.</ref> Das gelte gleichermaßen für die von den Kritikern wie McKay verwandten Werke. Die in ''Moby Dick'' gefundenen Zusammenhänge seien ein Ergebnis gezielter Suche danach und entsprechend gestalteter Sequenzierung des Textes. McKay und andere Kritiker bedienten sich somit der gleichen Beliebigkeit und Unwissenschaftlichkeit, die sie Drosnin zu Recht vorwürfen. Dies ergäbe Sinn, da sie ja zeigen wollten, dass man mit Drosnins Methoden auch bei anderen Texten fündig wird. McKay sagt allerdings, dass auch Witztum von vornherein mit diesen Methoden gearbeitet hatte: „Jeder einzelne unserer Tricks war aus Witztums Arbeit kopiert.“<ref>Brendan McKay: [http://cs.anu.edu.au/~bdm/codes/witzum/index.html ''Did we really find codes in War and Peace?''] "Every single one of our tricks was copied from Doron Witztum's own work." </ref>
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Die Theorie eines Bibelcodes wurde aus mathematischer Perspektive gründlich widerlegt, so der englische Sachbuchautor und Mathematiker der Universität Oxford Marcus du Sautoy, der dabei auf die Arbeit von Persi Diaconis, Mathematiker an der Stanford University, verweist.<ref>Marcus du Sautoy: ''Musik der Primzahlen. Auf den Spuren des größten Rätsels der Mathematik.'' C. H. Beck, München 2004, ISBN 3-406-52320-X, S. 332.</ref> Das gelte gleichermaßen für die von den Kritikern wie McKay verwandten Werke. Die in ''Moby Dick'' gefundenen Zusammenhänge seien ein Ergebnis gezielter Suche danach und entsprechend gestalteter Sequenzierung des Textes. McKay und andere Kritiker bedienten sich somit der gleichen Beliebigkeit und Unwissenschaftlichkeit, die sie Drosnin zu Recht vorwürfen. Dies ergäbe Sinn, da sie ja zeigen wollten, dass man mit Drosnins Methoden auch bei anderen Texten fündig wird. McKay sagt allerdings, dass auch Witztum von vornherein mit diesen Methoden gearbeitet hatte: „Jeder einzelne unserer Tricks war aus Witztums Arbeit kopiert.“<ref>Brendan McKay: [http://cs.anu.edu.au/~bdm/codes/witzum/index.html ''Did we really find codes in War and Peace?''] "Every single one of our tricks was copied from Doron Witztum's own work."</ref>
    
== Vertreter ==
 
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*[[Nostradamus]]
 
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*[[Maya-Kalender]]
 
*[[Maya-Kalender]]
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== Quellenangaben ==
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<references />
      
== Literatur ==
 
== Literatur ==
 
* Doron Witztum, Eliyahu Rips, Yoav Rosenberg: [http://homedir.jct.ac.il/~sifriah/reprints/witztum.pdf ''Equidistant letter sequences in the Book of Genesis.''] (PDF; 1,6&nbsp;MB) In: ''Statistical Science.'' Vol. 9, No. 3, 1994, S. 429–438.
 
* Doron Witztum, Eliyahu Rips, Yoav Rosenberg: [http://homedir.jct.ac.il/~sifriah/reprints/witztum.pdf ''Equidistant letter sequences in the Book of Genesis.''] (PDF; 1,6&nbsp;MB) In: ''Statistical Science.'' Vol. 9, No. 3, 1994, S. 429–438.
* Christoph Drösser: ''Wer suchet, der findet. Skeptiker widerlegen den Bestseller „Der Bibel Code“.'' In: ''Die Zeit'', 21.&nbsp;November&nbsp;1997.
   
* Jürgen Werlitz: ''Vom Bibelcode und wie man ihn knackt.'' In: ''Bibel und Liturgie.'' Bd. 73, 2000,  S. 4–12.
 
* Jürgen Werlitz: ''Vom Bibelcode und wie man ihn knackt.'' In: ''Bibel und Liturgie.'' Bd. 73, 2000,  S. 4–12.
 
* Michael Drosnin: ''Der Bibelcode.'' Heyne, München;
 
* Michael Drosnin: ''Der Bibelcode.'' Heyne, München;
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* Jeffrey Satinover: ''Die verborgene Botschaft der Bibel. Der Code der Bibel entschlüsselt'' (= ''Goldmann'' 12778). Goldmann, München 1997, ISBN 3-442-12778-5.
 
* Jeffrey Satinover: ''Die verborgene Botschaft der Bibel. Der Code der Bibel entschlüsselt'' (= ''Goldmann'' 12778). Goldmann, München 1997, ISBN 3-442-12778-5.
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=== Weblinks ===
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== Weblinks ==
* [http://www.talmud.de/cms/Der_Bibelcode.93.0.html Der „Bibelcode“] aus jüdischer Sicht
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* Christoph Drösser: [http://www.zeit.de/1997/48/bibel.txt.19971121.xml/komplettansicht Skeptiker widerlegen den Bestseller "Der Bibel Code".] Die Zeit, 21.&nbsp;November&nbsp;1997.
* [http://www.gwup.org/infos/nachrichten/163-bibelcode Themeneintrag „Bibel-Code“] aus skeptischer Sicht der Gesellschaft zur wissenschaftlichen Untersuchung von Parawissenschaften
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* Chajm Guski: [http://www.talmud.de/cms/Der_Bibelcode.93.0.html Die Codes in der Torah – Was ist der Bibelcode?] talmud.de, 22. November 2013
* [http://www.bbc.co.uk/science/horizon/2003/biblecodetrans.shtml Kompletter BBC-Text zur Sendung über den Bibelcode (engl.)]
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* Inge Hüsgen, Klaus Schmeh: [http://www.gwup.org/infos/nachrichten/163-bibelcode Bibelcode] GWUP, 15. März 2009
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* BBC: [http://www.bbc.co.uk/science/horizon/2003/biblecodetrans.shtml The Bible Code - transcript] Text zur Sendung über den Bibelcode vom 20. November 2003 (englisch)
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== Quellenangaben ==
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<references />
    
[[Kategorie:Verschwörungstheorie]]
 
[[Kategorie:Verschwörungstheorie]]
    
{{Wikipedia|Wikititel=Bibelcode|Jahr=2015|Monat=12}}
 
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