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Die '''Kirlian-Fotografie''' (auch ''Elektrographie'' genannt) ist ein [[Esoterik|esoterisch]]-[[pseudomedizin]]isches Verfahren, bei dem Koronaentladungen durch Hochspannung fotografisch fixiert werden. Als Vorläufer der heutigen Kirlian-Fotografie können die Lichtenberg'schen Figuren aus der Zeit um 1770 angesehen werden.
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Die '''Kirlian-Fotografie''' (auch ''Elektrographie'' genannt) ist ein [[Esoterik|esoterisch]]-[[pseudomedizin]]isches Diagnoseverfahren, bei dem Koronaentladungen durch Hochspannung fotografisch fixiert werden. Als Vorläufer der heutigen Kirlian-Fotografie können die Lichtenberg'schen Figuren aus der Zeit um 1770 angesehen werden.
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==Geschichte==
 
Der Göttinger Physik-Professor Georg Christoph Lichtenberg ließ die Figuren durch den Einschlag elektrischer Funken auf eine Isolatoroberfläche entstehen. Schon 1851 wurden diese Figuren auf Daguerreotypie-Platten fotografisch festgehalten. Auch Fotografien - aufgenommen im Licht ihrer Hochfrequenzentladungen - wurden damals angefertigt. Sehr hohe Spannungen, die bei geringstem Stromfluss zusammenbrechen, können völlig gefahrlos sein (siehe beispielsweise die [[Zeileis-Methode]]).
 
Der Göttinger Physik-Professor Georg Christoph Lichtenberg ließ die Figuren durch den Einschlag elektrischer Funken auf eine Isolatoroberfläche entstehen. Schon 1851 wurden diese Figuren auf Daguerreotypie-Platten fotografisch festgehalten. Auch Fotografien - aufgenommen im Licht ihrer Hochfrequenzentladungen - wurden damals angefertigt. Sehr hohe Spannungen, die bei geringstem Stromfluss zusammenbrechen, können völlig gefahrlos sein (siehe beispielsweise die [[Zeileis-Methode]]).
    
Um 1890 beschrieben der Weißrusse [[Jakob von Narkiewitsch-Jodko]] (Jakob Ottonowitsch von Narkiewitsch-Jodko, 1848-1904) mit seinen "Elektrographien" oder "Fluidalphotographien" und später der Tscheche Navratil ebenfalls Entladungsbilder. Im Schatten der sich ausbreitenden Röntgendiagnostik versanken die Entdeckungen wieder und wurden erst im Jahre 1939 durch das russische Ehepaar Semjon Davidowitsch und Walentina Kirlian aus Krasnodar wiederentdeckt. Sie meldeten 1961 ein erstes Patent zur Hochfrequenz-Hochspannungsfotografie an und publizierten darüber 1964 in einer fotografischen Fachzeitschrift<ref>Kirlian SD, Kirlian VK: Photography and visual observation by means of high frequency currents. J Sci Appl Photo 6, 397-403, 1964</ref>. In den USA wurde 1976 sogar eine International Kirlian Research Association&nbsp;(IKRA) gegründet, die jedoch bald wieder bedeutungslos wurde. Erst in den letzten 10-15&nbsp;Jahren - im Rahmen des zunehmenden New-Age-Trends - wurde die Kirlian-Fotografie erneut aufgegriffen.
 
Um 1890 beschrieben der Weißrusse [[Jakob von Narkiewitsch-Jodko]] (Jakob Ottonowitsch von Narkiewitsch-Jodko, 1848-1904) mit seinen "Elektrographien" oder "Fluidalphotographien" und später der Tscheche Navratil ebenfalls Entladungsbilder. Im Schatten der sich ausbreitenden Röntgendiagnostik versanken die Entdeckungen wieder und wurden erst im Jahre 1939 durch das russische Ehepaar Semjon Davidowitsch und Walentina Kirlian aus Krasnodar wiederentdeckt. Sie meldeten 1961 ein erstes Patent zur Hochfrequenz-Hochspannungsfotografie an und publizierten darüber 1964 in einer fotografischen Fachzeitschrift<ref>Kirlian SD, Kirlian VK: Photography and visual observation by means of high frequency currents. J Sci Appl Photo 6, 397-403, 1964</ref>. In den USA wurde 1976 sogar eine International Kirlian Research Association&nbsp;(IKRA) gegründet, die jedoch bald wieder bedeutungslos wurde. Erst in den letzten 10-15&nbsp;Jahren - im Rahmen des zunehmenden New-Age-Trends - wurde die Kirlian-Fotografie erneut aufgegriffen.
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==Ablauf==
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In einen abgedunkelten Raum wird eine Metallplatte gelegt. Auf dieser wird ein Isolator, z. B. eine dünne Keramikplatte, befestigt. Auf der Isolationsplatte wird nun der zu belichtende Film, mit der fotoempfindlichen Seite nach oben angebracht. Auf den Film kommt das zu fotografierende Objekt, z. B. ein Blatt oder auch ein Mensch. Wichtig dabei ist, dass das Objekt ein elektrischer Leiter sein muss. An die Metallplatte wird anschließend eine Hochspannung von etwa 20 kV angelegt, die beispielsweise aus einem Tesla-Transformator gewonnen wird. Je nach benötigter Belichtungsdauer wird die elektrische Spannung für einige Bruchteile von Sekunden (ca. 100 μs) eingeschaltet. Es entsteht rund um das Objekt eine Koronaentladung.
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Da bei Koronaentladungen nur geringe elektrische Ströme fließen, sind diese Entladungen im Regelfall ungefährlich.
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==Physikalischer Rahmen==
 
Das Phänomen der Elektroradiographie findet in einem extrem weiten physikalischen Rahmen statt.
 
Das Phänomen der Elektroradiographie findet in einem extrem weiten physikalischen Rahmen statt.
 
*Frequenz: 100&nbsp;Hz - 250&nbsp;MHz
 
*Frequenz: 100&nbsp;Hz - 250&nbsp;MHz
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Diese Corona, die sich fotografisch nachweisbar wie ein Heiligenschein um Finger, Hände oder Zehen legt, ist jedoch erklärlich. Es handelt sich um leuchtende Funkenkanäle, die oftmals wegen der Häufigkeit der Entladungen überbelichtet sind und somit einen Kranz darstellen, obgleich es feinste Kanälchen sein müssten. Auch verändert der Feuchtigkeitsgehalt der Filmschicht und damit auch die Luftfeuchtigkeit und eine vom Untersuchungsobjekt selbst erzeugte lokale Dunstglocke aus feinsten Wassertropfen (Schwitzen) die Coronabildung.
 
Diese Corona, die sich fotografisch nachweisbar wie ein Heiligenschein um Finger, Hände oder Zehen legt, ist jedoch erklärlich. Es handelt sich um leuchtende Funkenkanäle, die oftmals wegen der Häufigkeit der Entladungen überbelichtet sind und somit einen Kranz darstellen, obgleich es feinste Kanälchen sein müssten. Auch verändert der Feuchtigkeitsgehalt der Filmschicht und damit auch die Luftfeuchtigkeit und eine vom Untersuchungsobjekt selbst erzeugte lokale Dunstglocke aus feinsten Wassertropfen (Schwitzen) die Coronabildung.
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Kirlian-Fotografen verweisen wieder gerne auf unerklärliche Farben. Beunruhigend ist das ausgedehnte kräftige Rot bis Gelb, das auf manchen Bildern auftritt, auf anderen wieder völlig fehlt. Manche meinen, Rot sei das durchscheinende Blut in der Elektrode Finger; dies trifft aber nicht zu. Rot, Orange, Gelb und Grün kommen zustande, wenn der Film auf der Fotoplatte verkehrt herum aufgelegt und somit quasi von hinten belichtet wird. Blau bis Türkis und auch Violett entstehen, wenn der Film korrekt aufgelegt ist. Weiß und andere Farben entstehen durch Überbelichtung des Filmes oder durch additive Farbmischungen durch Vorder- und Rückseitenbelichtung.
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==Interpretation der Bilder==
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Die Kirlianfotografie soll den Behauptungen ihrer Anhänger zufolge Rückschlüsse auf die elektrische Leitfähigkeit bestimmter Körperteile erlauben. Ziel dabei ist, zu beurteilen, ob vermutete energetische Leitbahnen, die [[Meridian]]e, blockiert seien. Fotografiert werden vorwiegend Hände (Fingerkuppen) und Füße (Zehen), wo nach den Vorstellungen der [[Akupunktur]]lehre der [[TCM|Traditionellen Chinesischen Medizin]] die Meridiane beginnen und enden. Durch den Vergleich der Fotografien der Hände von Personen mit bestimmten bekannten Krankheiten und den Fotografien von Personen, von denen keine Krankheit bekannt war, meinte man krankheitstypische Abweichungen feststellen und so die Aufnahmen diagnostisch einsetzen zu können. Daher arbeiten manche [[Heilpraktiker]] mit der Kirlianfotografie als Grundlage für ihre Anamnese.
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Die Anwendung soll zur Diagnostik von Erkrankungen und zum Nachweis eines Behandlungserfolgs herangezogen werden.
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Gänzlich ungefährlich ist die Kirlian-Fotografie für den Klienten nicht. Zwar sind Hochfrequenzströme ungefährlich, weil die Ladungsträger nahezu am Ort bleiben und nur um eine Ruhelage hin- und herschwingen. Allerdings erzeugen diese Ströme durchaus Wärme, die zu Überhitzungen und sogar Verbrennungen im Körperinneren führen können. Der häufig verwendete Begriff der kalten Entladung ist hier irreführend; so werden die Elektroden lokal mitunter ausgesprochen heiß. Zu nahe dürfen die Vorgänge mit bloßem Auge nicht betrachtet werden: Wird das Auge zur Elektrode, kann dies zu massiven Schäden und Einschränkung der Sehfähigkeit führen. Selbstgebaute Geräte, aber auch gekaufte können gefährlich sein oder durch unsachgemäße Anwendung gefährlich werden.
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Die Kirlianfotografie eine für die medizinische Diagnose von Krankheiten ungeeignete Methode.<ref>Edzard Ernst: [http://www.aerzteblatt.de/pdf/95/27/a1743.pdf Komplementärmedizinische Diagnoseverfahren.] Dtsch Arztebl 2005; 102(44): A-3034 / B-2560 / C-2410
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==Gefahren==
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Durch unsachgemäße Anwendung oder selbst gebauten Geräten kann es zu Stromunfällen kommen. Besonders gefährdet sind Personen mit Herzschrittmacher oder Herzschwäche. Bei unzureichender Belüftung können sich durch den Vorgang der Gasentladung in Luft schädliche Gase wie Stickstoffdioxid oder Ozon ansammeln.
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Die Ströme, die während der Aufnahmen fließen, erzeugen Wärme, die zu Überhitzungen und sogar Verbrennungen im Körperinneren führen können. Der häufig verwendete Begriff der kalten Entladung ist hier irreführend; so werden die Elektroden lokal mitunter heiß. Zu nahe dürfen die Vorgänge mit bloßem Auge nicht betrachtet werden: Wird das Auge zur Elektrode, kann dies zu massiven Schäden und Einschränkung der Sehfähigkeit führen.
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==Gesetzliche Lage==
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Gemäß dem aktuellen Medizinproduktegesetz dürfen unlautere und unwirksame Diagnosemethoden in Deutschland nicht mehr im Handel sein. Aufgrund einer Rechtslücke ist jedoch weiterhin mit dem Verkauf solcher Geräte zu rechnen. Ursache dafür ist, dass der Hersteller solcher Geräte lediglich die elektrische Sicherheit und Produktionsgüte des Gerätes nachweisen muss und ansonsten eigenständig das Gerät als sog. Klasse&nbsp;IIa-Produkt einstufen kann. Für diese Geräte muss kein Wirksamkeitsnachweis erbracht werden. Dies erlaubt den Verkauf der Geräte sogar unter der Bezeichnung 'Medizinprodukt' mit einer CE-Prüfnummer, was nicht informierten Patienten nahelegt, es handele sich um ein wirksames Medizingerät. Eine Reform dieser Rechtslage zeichnet sich nicht ab.
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==Varianten==
 
Seit einigen Jahren wird die Kirlian-Fotografie auch als [[Color-Plate-Verfahren]] bezeichnet, welches von einem Physiker namens Dieter Knapp entwickelt worden ist. Es wird in der [[Bachblüten|Bach-Blüten-Szene]] als Diagnoseverfahren eingesetzt<ref>Scheffer M; Die Bach-Blütentherapie. Eine sanfte Heilmethode in der täglichen Praxis. Erfahrungsheilkunde Nr.6, 390-401, 1991</ref>. Es gibt auch eine [[Energetische Terminalpunktdiagnose nach Mandel]], deren diagnostische Zuverlässigkeit sich jedoch in einer Studie nicht bestätigt hat.&nbsp;<ref>Treugut H, Görner C, Lüdtke R, Mandel P: Neue Aspekte der Kirlian-Fotografie: Reliabilität der Energetischen Terminalpunktediagnose (ETD) nach Mandel bei gesunden Probanden. Jahrbuch der [[Karl und Veronica Carstens-Stiftung]], Hippokrates Verlag, Stuttgart, Band 3, 172-196, 1996</ref>
 
Seit einigen Jahren wird die Kirlian-Fotografie auch als [[Color-Plate-Verfahren]] bezeichnet, welches von einem Physiker namens Dieter Knapp entwickelt worden ist. Es wird in der [[Bachblüten|Bach-Blüten-Szene]] als Diagnoseverfahren eingesetzt<ref>Scheffer M; Die Bach-Blütentherapie. Eine sanfte Heilmethode in der täglichen Praxis. Erfahrungsheilkunde Nr.6, 390-401, 1991</ref>. Es gibt auch eine [[Energetische Terminalpunktdiagnose nach Mandel]], deren diagnostische Zuverlässigkeit sich jedoch in einer Studie nicht bestätigt hat.&nbsp;<ref>Treugut H, Görner C, Lüdtke R, Mandel P: Neue Aspekte der Kirlian-Fotografie: Reliabilität der Energetischen Terminalpunktediagnose (ETD) nach Mandel bei gesunden Probanden. Jahrbuch der [[Karl und Veronica Carstens-Stiftung]], Hippokrates Verlag, Stuttgart, Band 3, 172-196, 1996</ref>
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Gemäß dem aktuellen Medizinproduktegesetz sollten eigentlich unlautere und unwirksame Diagnosemethoden in Deutschland nicht mehr im Handel sein. Aufgrund einer Rechtslücke ist jedoch weiterhin mit dem Verkauf solcher Geräte zu rechnen. Ursache dafür ist, dass der Hersteller solcher Geräte lediglich die elektrische Sicherheit und Produktionsgüte des Gerätes nachweisen muss und ansonsten eigenständig das Gerät als sog. Klasse&nbsp;IIa-Produkt einstufen kann. Für diese Geräte muss kein Wirksamkeitsnachweis erbracht werden. Dies erlaubt den Verkauf der Geräte sogar unter der Bezeichnung 'Medizinprodukt' mit einer CE-Prüfnummer, was nicht informierten Patienten nahelegt, es handele sich um ein wirksames Medizingerät. Eine Reform dieser Rechtslage zeichnet sich nicht ab.
      
==Quellennachweise==
 
==Quellennachweise==
 
<references/>
 
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{{Paralex}}
   
[[category:Diagnostik in der Pseudomedizin]]
 
[[category:Diagnostik in der Pseudomedizin]]
 
[[category:Esoterik]]
 
[[category:Esoterik]]
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