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Solch fragwürdigen Ansichten sind medizinhistorisch jedoch typisch für die Zeit, in der Still lebte. Offenbar sah er die therapeutische Welt nur aus der vereinfachten chirurgischen Perspektive und erklärte sich die Krankheiten nach dem Aufbau eines eigenen Denksystems als Folge von Veränderungen der Knochen und Organe. Es ist auch dem medizinischen Laien offensichtlich, dass dieses begrenzte System nur zu einem kleinen Teil die tatsächlichen Abläufe im menschlichen Organismus beschreibt. Wird solch ein Ansatz aber mit genügender Energie verfolgt, ist er durchaus geeignet, einfachere Gemüter in seinen Bann zu ziehen.
 
Solch fragwürdigen Ansichten sind medizinhistorisch jedoch typisch für die Zeit, in der Still lebte. Offenbar sah er die therapeutische Welt nur aus der vereinfachten chirurgischen Perspektive und erklärte sich die Krankheiten nach dem Aufbau eines eigenen Denksystems als Folge von Veränderungen der Knochen und Organe. Es ist auch dem medizinischen Laien offensichtlich, dass dieses begrenzte System nur zu einem kleinen Teil die tatsächlichen Abläufe im menschlichen Organismus beschreibt. Wird solch ein Ansatz aber mit genügender Energie verfolgt, ist er durchaus geeignet, einfachere Gemüter in seinen Bann zu ziehen.
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Die Verknüpfung zwischen Ausbildungssystem und therapeutischer Anwendung, also das Geldverdienen mittels Ausbildungsgebühren für das Erlernen der Still'schen Therapie, ist eine der Säulen, auf der die Osteopathie ruht. Mit dieser Methode gelang es Still (wie auch vielen anderen Ärzten, die ähnliche Systeme etablierten), sich genügend Finanzmittel zu beschaffen, um sein System weiter auszubreiten. Dies geschah vor dem Hintergrund, dass es in den USA historisch bedingt keine einheitliche, hochschulmedizinische, universitäre Ärzteausbildung gab, wie sie heute z.B. in den meisten EU-Ländern vorhanden ist. Im Gegenteil, es gibt in einigen Bundesstaaten weiterhin die Möglichkeit, an naturopathischen Einrichtungen eine vollgültige Ausbildung zu absolvieren. Danach kann man sich als (naturopathischer) Arzt bezeichnen und beruflich tätig werden. Ein solches Studium ist nach Gugliemo (1998)<ref>Guglielmo, Wayne J.: ''Are D.O.s Losing Their Unique Identity?''. Medical Economics, April 27, 1998, Vol. 75, No. 8<ref/> gegenwärtig an 19&nbsp;Hochschulen in den USA möglich. Möglicherweise kommt aufgrund der Vereinheitlichungstendenzen auf europäischer Ebene eine ähnliche Verschlechterung der hochschulmedizinischen Ausbildung auch in der EU in den nächsten Jahren zum Tragen.<ref>Buchmann J.: ''What is osteopathic medicine?'' Dtsch Med Wochenschr. 2003 Jan 24;128(4):159. PMID: 12589588</ref> Insgesamt arbeiten in den USA heutzutage schätzungsweise 44.000&nbsp;Osteopathen.<ref>Guglielmo WJ.: Are D.O.s losing their unique identity? Med Econ. 1998 Apr 27;75(8):200-2</ref>
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Die Verknüpfung zwischen Ausbildungssystem und therapeutischer Anwendung, also das Geldverdienen mittels Ausbildungsgebühren für das Erlernen der Still'schen Therapie, ist eine der Säulen, auf der die Osteopathie ruht. Mit dieser Methode gelang es Still (wie auch vielen anderen Ärzten, die ähnliche Systeme etablierten), sich genügend Finanzmittel zu beschaffen, um sein System weiter auszubreiten. Dies geschah vor dem Hintergrund, dass es in den USA historisch bedingt keine einheitliche, hochschulmedizinische, universitäre Ärzteausbildung gab, wie sie heute z.B. in den meisten EU-Ländern vorhanden ist. Im Gegenteil, es gibt in einigen Bundesstaaten weiterhin die Möglichkeit, an naturopathischen Einrichtungen eine vollgültige Ausbildung zu absolvieren. Danach kann man sich als (naturopathischer) Arzt bezeichnen und beruflich tätig werden. Ein solches Studium ist nach Gugliemo (1998)<ref>Guglielmo, Wayne J.: ''Are D.O.s Losing Their Unique Identity?''. Medical Economics, April 27, 1998, Vol. 75, No. 8</ref> gegenwärtig an 19&nbsp;Hochschulen in den USA möglich. Möglicherweise kommt aufgrund der Vereinheitlichungstendenzen auf europäischer Ebene eine ähnliche Verschlechterung der hochschulmedizinischen Ausbildung auch in der EU in den nächsten Jahren zum Tragen.<ref>Buchmann J.: ''What is osteopathic medicine?'' Dtsch Med Wochenschr. 2003 Jan 24;128(4):159. PMID: 12589588</ref> Insgesamt arbeiten in den USA heutzutage schätzungsweise 44.000&nbsp;Osteopathen.<ref>Guglielmo WJ.: Are D.O.s losing their unique identity? Med Econ. 1998 Apr 27;75(8):200-2</ref>
    
==Ausbildung eines "ärztlichen Osteopathen"==
 
==Ausbildung eines "ärztlichen Osteopathen"==
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==Eine Methode ohne glaubwürdigen Wirksamkeitsnachweis==
 
==Eine Methode ohne glaubwürdigen Wirksamkeitsnachweis==
Laut der deutschen Krankenversicherung AOK konnten bisher keine wissenschaftlichen Nachweise der Wirksamkeit der Osteopathie erbracht werden.<ref>http://www.aok.de/bund/rd/136225.htm</ref> Auch die Autoren Posadzki und Ernst kamen im Rahmen einer Übersichtsarbeit zum Thema zum gleichen Schluß.<ref>Posadzki P, Ernst E. Osteopathy for musculoskeletal pain patients: a systematic review of randomized controlled trials., Clin Rheumatol., 30.10.2010</ref> Hass-Degg&nbsp;et&nbsp;al. führten eine Evaluierung und kritische Bewertung von Studien der Osteopathie im klinischen Bereich durch. Sie kamen zu dem Resultat, dass die meisten osteopathischen Studien als Diplomarbeiten von DOs an Osteopathieschulen durchgeführt worden waren und nicht in die weltweit verfügbare medizinische Fachliteratur vorgedrungen waren. Von den insgesamt 30&nbsp;gefundenen klinischen Studien erreichten nur 9&nbsp;die vorgegebene erforderliche Mindestpunktzahl für eine Zuordnung zu Qualitätskategorien, was bedeutet, dass die Studien zu schlampig organisiert oder zu schlecht dokumentiert waren, um aus ihnen einen glaubhaften Wirksamkeitsnachweis der Methode herausarbeiten zu können. Nur in 5&nbsp;der 9&nbsp;Studien war die osteopathische Behandlung der jeweiligen Kontrollintervention überlegen. Infolge der geringen Anzahl klinischer Studien, die die formalen Anforderungen erfüllten, lassen sich nach Hass-Degg&nbsp;et&nbsp;al. derzeit noch keine definitiven Schlüsse über die Wirksamkeit der Osteopathie ziehen.<ref>Hass-Degg K, Schwerla B.S, Schwerla F.: ''Evaluierung und kritische Bewertung von Studien der Osteopathie im klinischen Bereich und im Bereich der Grundlagenforschung in der europäischen und internationalen Literatur'' [http://www.osteopathie-akademie.de/abstracts/nr4.html]<ref/>
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Laut der deutschen Krankenversicherung AOK konnten bisher keine wissenschaftlichen Nachweise der Wirksamkeit der Osteopathie erbracht werden.<ref>http://www.aok.de/bund/rd/136225.htm</ref> Auch die Autoren Posadzki und Ernst kamen im Rahmen einer Übersichtsarbeit zum Thema zum gleichen Schluß.<ref>Posadzki P, Ernst E.: Osteopathy for musculoskeletal pain patients: a systematic review of randomized controlled trials., Clin Rheumatol., 30.10.2010</ref> Hass-Degg&nbsp;et&nbsp;al. führten eine Evaluierung und kritische Bewertung von Studien der Osteopathie im klinischen Bereich durch. Sie kamen zu dem Resultat, dass die meisten osteopathischen Studien als Diplomarbeiten von DOs an Osteopathieschulen durchgeführt worden waren und nicht in die weltweit verfügbare medizinische Fachliteratur vorgedrungen waren. Von den insgesamt 30&nbsp;gefundenen klinischen Studien erreichten nur 9&nbsp;die vorgegebene erforderliche Mindestpunktzahl für eine Zuordnung zu Qualitätskategorien, was bedeutet, dass die Studien zu schlampig organisiert oder zu schlecht dokumentiert waren, um aus ihnen einen glaubhaften Wirksamkeitsnachweis der Methode herausarbeiten zu können. Nur in 5&nbsp;der 9&nbsp;Studien war die osteopathische Behandlung der jeweiligen Kontrollintervention überlegen. Infolge der geringen Anzahl klinischer Studien, die die formalen Anforderungen erfüllten, lassen sich nach Hass-Degg&nbsp;et&nbsp;al. derzeit noch keine definitiven Schlüsse über die Wirksamkeit der Osteopathie ziehen.<ref>Hass-Degg K, Schwerla B.S, Schwerla F.: ''Evaluierung und kritische Bewertung von Studien der Osteopathie im klinischen Bereich und im Bereich der Grundlagenforschung in der europäischen und internationalen Literatur'' [http://www.osteopathie-akademie.de/abstracts/nr4.html]</ref>
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Die osteopathische Diagnostik scheint wenig reproduzierbar zu sein. Monteiro-Ferreira&nbsp;et&nbsp;al. untersuchten die Reproduzierbarkeit osteopathischer Tests am Beispiel des Beckens, weil die meisten Studien zu diesem Thema gravierende methodische und inhaltliche Mängel aufwiesen.<ref>Monteiro-Ferreira J., Rößel-Bretschneider A., Thuillier L.: ''Untersuchung der Reproduzierbarkeit osteopathischer Tests am Beispiel des Beckens''. [http://www.osteopathie-akademie.de/abstracts/nr30.html]<ref/> Ziel der Studie war es, osteopathische Tests am Becken auf ihre interindividuelle Reproduzierbarkeit hin zu untersuchen und herauszufinden, ob diese Tests geeignet sind, osteopathische Diagnosen zu erstellen. Drei Osteopathen, die zugleich ihre Ausbildung am COE in München absolviert haben, führten im Hauptversuch an 21&nbsp;symptomatischen Patienten mit Schmerzen in der LBH–Region jeweils 18&nbsp;ausgewählte Tests am Becken durch, die sich aus Schmerzprovokationstests, Mobilitätstests, positionellen Tests und Horchtests zusammensetzten. Die Auswertung der Reproduzierbarkeit erfolgte mit Kappa-Wert. Darüber hinaus gab jeder Therapeut nach jedem Test auf einer Skala von 0–10 an, wie überzeugt er von der Richtigkeit seines Testergebnisses war. Zuverlässige Ergebnisse konnte nur die Schmerzprovokationstests erzielen (Kappa-Werte bis zu 0,712). Bei den Mobilitätstests erreichte der Test der Mobilität des Iliosacralgelenks nur Kappa-Werten bis zu 0.364, was auf eine überwiegende Nichtreproduzierbarkeit schließen ließ. Die übrigen Mobilitätstests, die Tests der Muskeln und Ligamente, sowie die Positionstests mit Bestimmung der Landmarks konnten nicht überzeugen. Eine wichtige Ursache für die unterschiedlichen Testergebnisse liegt in der Ermessenstoleranz des Therapeuten, hängt also davon ab, ob er bei einer getesteten Struktur überhaupt einen Befund diagnostiziert, oder ob er die betreffende Struktur ohne Befund bewertet.
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Die osteopathische Diagnostik scheint wenig reproduzierbar zu sein. Monteiro-Ferreira&nbsp;et&nbsp;al. untersuchten die Reproduzierbarkeit osteopathischer Tests am Beispiel des Beckens, weil die meisten Studien zu diesem Thema gravierende methodische und inhaltliche Mängel aufwiesen.<ref>Monteiro-Ferreira J., Rößel-Bretschneider A., Thuillier L.: ''Untersuchung der Reproduzierbarkeit osteopathischer Tests am Beispiel des Beckens''. [http://www.osteopathie-akademie.de/abstracts/nr30.html]</ref> Ziel der Studie war es, osteopathische Tests am Becken auf ihre interindividuelle Reproduzierbarkeit hin zu untersuchen und herauszufinden, ob diese Tests geeignet sind, osteopathische Diagnosen zu erstellen. Drei Osteopathen, die zugleich ihre Ausbildung am COE in München absolviert haben, führten im Hauptversuch an 21&nbsp;symptomatischen Patienten mit Schmerzen in der LBH–Region jeweils 18&nbsp;ausgewählte Tests am Becken durch, die sich aus Schmerzprovokationstests, Mobilitätstests, positionellen Tests und Horchtests zusammensetzten. Die Auswertung der Reproduzierbarkeit erfolgte mit Kappa-Wert. Darüber hinaus gab jeder Therapeut nach jedem Test auf einer Skala von 0–10 an, wie überzeugt er von der Richtigkeit seines Testergebnisses war. Zuverlässige Ergebnisse konnte nur die Schmerzprovokationstests erzielen (Kappa-Werte bis zu 0,712). Bei den Mobilitätstests erreichte der Test der Mobilität des Iliosacralgelenks nur Kappa-Werten bis zu 0.364, was auf eine überwiegende Nichtreproduzierbarkeit schließen ließ. Die übrigen Mobilitätstests, die Tests der Muskeln und Ligamente, sowie die Positionstests mit Bestimmung der Landmarks konnten nicht überzeugen. Eine wichtige Ursache für die unterschiedlichen Testergebnisse liegt in der Ermessenstoleranz des Therapeuten, hängt also davon ab, ob er bei einer getesteten Struktur überhaupt einen Befund diagnostiziert, oder ob er die betreffende Struktur ohne Befund bewertet.
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Bei Rückenschmerzen ist der Wert der osteopathischen Manipulationen über das Placeboniveau hinaus bis heute nicht glaubhaft bewiesen worden.<ref>*Krista Federspiel, Vera Herbst: (2006) Die Andere Medizin. "Alternative" Heilmethoden für Sie bewertet. Herausgegeben von Stiftung Warentest. ISBN: 3937880356</ref>
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Bei Rückenschmerzen ist der Wert der osteopathischen Manipulationen über das Placeboniveau hinaus bis heute nicht glaubhaft bewiesen worden.<ref>Krista Federspiel, Vera Herbst: ''Die Andere Medizin.'' "Alternative" Heilmethoden für Sie bewertet. Herausgegeben von Stiftung Warentest, 2006. ISBN: 3937880356</ref>
    
==Tierosteopathie==
 
==Tierosteopathie==
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*[http://www.bundesaerztekammer.de/page.asp?his=0.7.47.7841.7869 Wissenschaftliche Bewertung osteopathischer Verfahren] Zusammenfassende Bewertung der Bundesärztekammer, Dtsch Arztebl 2009; 106(46) 13.11.2009
 
*[http://www.bundesaerztekammer.de/page.asp?his=0.7.47.7841.7869 Wissenschaftliche Bewertung osteopathischer Verfahren] Zusammenfassende Bewertung der Bundesärztekammer, Dtsch Arztebl 2009; 106(46) 13.11.2009
 
*[http://www.aok.de/bundesweit/gesundheit/behandlung-nichtmedikamentoese-und-alternative-therapien-osteopathie-8064.php Osteopathie] AOK-Bundesverband Berlin, Dezember 2011
 
*[http://www.aok.de/bundesweit/gesundheit/behandlung-nichtmedikamentoese-und-alternative-therapien-osteopathie-8064.php Osteopathie] AOK-Bundesverband Berlin, Dezember 2011
*http://www.spiegel.de/gesundheit/diagnose/osteopathie-heilen-mit-den-haenden-auf-krankenschein-a-865687.html
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*Heike Le Ker: [http://www.spiegel.de/gesundheit/diagnose/osteopathie-heilen-mit-den-haenden-auf-krankenschein-a-865687.html Osteopathie: Fragwürdige Heilmethode auf Rezept] Spiegel online, 13. Dezember 2012
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==Quellennachweise==
 
==Quellennachweise==
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