Pater Pio

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Pater Pio da Pietrelcina (ital.: padre Pio oder Fra Pio; 27. Mai 1887 - 23. September 1968) war ein heiliggesprochener Kapuziner-Mönch (eigentlich ein franziskanischer Bettelorden) und Betrüger, der in Italien weiterhin überaus populär ist. Sein eigentlicher bürgerlicher Name ist Francesco Forgione. Aufsehen erregte Pater Pio durch seine Stigmata, angebliche Wunderheilungen, seine ihm angedichtete Fähigkeit der Bilokation und seinen Kampf gegen den leibhaftigen Teufel.

Zeitlebens, aber aber auch posthum, wurde Pater Pio mit Betrugsvorwürfen konfrontiert. Es gab und gibt jedoch auch viele Kritiker innerhalb der katholischen Kirche, die ihn für einen Betrüger halten.[1] Pater Pio wurde 1999 selig und 2002 heilig gesprochen. Im Juni 2009 wurde Padre Pio auch nachträglich durch den Besuch seines ehemaligen Wirkungsortes und heutigen Wallfahrtsortes durch Papst Benedikt XVI. (Joseph Alois Ratzinger) aufgewertet. Damit verstummten die Kritiker aus den eigenen Reihen größtenteils.

In Italien ist Pater Pio noch beliebter als die Mutter Gottes Maria und Jesus Christus. In unzähligen italienischen Geldbeuteln liegt ein Bildchen des stets bärtigen Heiligen.

Kurzbiographie

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Pater Pio bzw. Francesco Forgione wurde 1887 in Pietrelcina in der Nähe von Benevento als Bauernsohn geboren. Seine Mutter wird als sehr gläubig beschrieben. Die Schule besuchte er nicht regelmäßig, da er die Familie durch seine Arbeit in der Landwirtschaft unterstützen musste. Seine ersten Lehrer waren selbst Bauern und Handwerker. Er kam daher erst mit 12 Jahren in Kontakt mit ausgebildeten Lehrern. 1902 gelang es ihm nach einem ersten vergeblichen Versuch, sich für ein Kloster anzumelden. Am 1. Januar 1903 soll Francesco ein visionäres Erlebnis gehabt haben, das ihn dazu bewegte, gegen Das Böse zu kämpfen. Wenige Tage später, am 5. Januar 1903, sollen ihm Gott und Maria in einer weiteren Offenbarung verkündet haben, er sei eine auserwählte Person. Im selben Jahr wurde er in das Kloster von Morcone aufgenommen und wurde 15-jähriger Novize bei den Kapuzinern unter dem Namen Fra Pio (frater Pio). 1910 wurde er zum katholischen Priester geweiht. Im ersten Weltkrieg wurde er zum Militär eingezogen und erschien nicht zur Einberufung. Er wurde als Deserteur gesucht und am 18. August 1917 verhaftet. Seine anschließenden psychosomatischen Beschwerden führten schließlich dazu, dass man ihn in Ruhe ließ.[2] Der italienische Psychiater Luigi Cancrini kam in einem Gutachten (“perizia psichiatrica su padre Pio”) aus dem Jahr 1999 zur Diagnose einer hystrionischen Persönlichkeitsstörung. Nach seinem Tod sollen seine Stigmata angeblich nicht mehr sichtbar gewesen sein. Dagegen wurden ein Fläschchen Iodtinktur und ein Fläschchen mit Karbolsäure gefunden.[3]

Stigmata

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Bereits in seinen frühen Mönchszeiten wurde bekannt, dass seine Hände Stigmata zeigten, die ihn sein weiteres Leben über begleiteten. Die erste schriftliche Mitteilung darüber stammt vom 8. September 1911, als er selbst in einem Brief darauf hinwies. Diese Stigmata sollen 1910 erstmalig aufgetreten sein, als er täglich eine kleine, von seinem Bruder errichtete Hütte aufsuchte, um sich zum Gebet zurückzuziehen. Er berichtete auch seinen Eltern gegenüber von Schmerzen an den Händen und Füßen und von Schmerzen, für die er Dornenkrone und Peitschenhiebe verantwortlich machte. Zeugen aus der Zeit berichten von unerklärlichen Körpergerüchen nach Jasmin. 1916 begab er sich aus gesundheitlichen Gründen nach San Giovanni Rotondo. 1918 äußerte Fra Pio, er werde von Lanzenstichen heimgesucht, die dazu führten, dass er ständig eine offene Wunde habe. Seine Stigmata sprachen sich inzwischen herum und San Giovanni Rotondo entwickelte sich allmählich zu einem Wallfahrtsort. Auch wurden Gerüchte über Fra Pio zugeschriebene Wunderheilungen an diesem Ort verbreitet. Um seine Stigmata an den Händen zu verbergen, streifte Pio stets dunkle Handschuhe über, die er aber aus liturgischen Gründen während der Messe ablegen musste.

Angebliche Fieberschübe

Anekdotisch wird immer wieder von einer abnorm hohen Körpertemperatur von Pater Pio berichtet. Mehrfach sei dabei das Fieberthermometer zersprungen und erst Badethermometer hätten eine Temperatur von 48 Grad anzeigen können, die jedoch aus medizinischer Sicht mit dem Überleben nicht vereinbar ist. Häufig traten die angeblichen Fieberzustände zu Zeiten seiner häufigen psychosomatischen Erkrankungen auf, so zum Beispiel während seiner Militärzeit im ersten Weltkrieg. Der Klosterarzt Festa konnte jedoch nur normale Körpertemperaturen zwischen 36 und 37 Grad messen.

Pater Pio und der Teufel

Pater Pio fühlte sich zeitlebens Versuchungen seitens des Teufels ausgesetzt, so auch in Gestalt [...] junger Mädchen, die nackt tanzten [...] oder als Hund mit rauchendem Maul usw. In einem Brief aus dem Jahr 1912 schrieb er: "Der Teufel will den Kampf nicht aufgeben. Er kam in verschiedenen Formen. Einige Tage kam er zusammen mit seinen Brüdern, bewaffnet mit Stöcken und Eisenstücken. Das Schlimmste daran sind ihre Verkleidungen. Mehrere Male haben sie mich aus dem Bett geworfen und aus dem Zimmer geschleppt [...] Ich bin sicher, daß Pater Evangelista Sie schon über den neuen Krieg informiert hat, den die unreinen Apostel mit mir führe. Mein Pater, sie können nicht gewinnen, weil ich einen festen Willen habe [...] Der Feind will mich nicht in Ruhe lassen, er schlägt mich ständig. Er tut alles, um mein Leben mit seinen höllischen Versuchungen zu vergiften [...][4]

Die unterschiedlichen Haltungen des Vatikans zu Pater Pio

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Etwa ab 1919 begann man im Vatikan, sich für Pater Pio zu interessieren, der Wallfahrtsrummel hatte sich herumgesprochen. Die Stadtverwaltung des Ortes musste inzwischen auch Entscheidungen hinsichtlich des steigenden Pilgerandrangs treffen. Anfänglich war dem Vatikan die Angelegenheit eher peinlich; man vermutete Betrügereien und kommerzielle Interessen. So gab Vatikan mehrere Untersuchungen in Auftrag, von denen viele verdeckt, also ohne Wissen von Pater Pio abliefen. Vom Vatikan beauftragte Ärzte stellten tatsächlich Hautveränderungen und lokale Nekrosen fest, konnten die Ursache jedoch nicht ermitteln. Der Pathologe Amico Bignami vermutete suggestive Faktoren oder den Einfluss einer aufgetragenen Iodtinktur. 1920 wurde der Arzt und Psychologe Agostino Gemelli beauftragt, Fra Pio zu untersuchen. Zu dieser Zeit begannen auch Gerüchte um sexuelle Aktivitäten von Fra Pio die Runde zu machen. Pater Pio erlaubte Gemelli aber nicht, ihn körperlich zu untersuchen, was zu einem steigenden Misstrauen führte. Gemelli erstellte dennoch ein Gutachten und kam zum Schluss, dass Pater Pio ein Betrüger sei È un bluff (ein Bluff). Nach Ansicht von Gemelli handelte es sich bei Pater Pio um eine hysterische und psychopathische Persönlichkeit, die sich im Rahmen der psychiatrischen Erkrankung die Wunden selbst zufüge. 1923 wurde daraufhin vom Vatikan ein Dekret erlassen, in dem die Aktivitäten von Pater Pio verurteilt und die Gläubigen aufgefordert wurden, Pater Pio nicht zu glauben und nicht mehr nach San Giovanni Rotondo zu pilgern. Das Dekret wurde im Osservatore Romano am 5. Juli veröffentlicht. Pater Pio war offiziell aus Sicht des Vatikans ein Betrüger. Am 31. Mai 1931 wurde erneut vor Pater Pio gewarnt. Ihm wurde verboten, öffentlich den Gottesdienst durchzuführen und Beichten abzunehmen.

1933 wurden die Beschränkungen jedoch durch den Papst Pius XI. wieder aufgehoben. Ob dies formal durchgeführt wurde, ist jedoch umstritten.

In einer Notiz aus dem Juni 1960 attestiert Papst Johannes XXIII. Padre Pio ein "weitreichendes Seelen-Chaos" und vermutet einen "immensen Betrug" hinter dem Treiben des Mönchs. Um den Gerüchten um Prostituiertenbesuche nachzugehen, wurde 1960 heimlich im Auftrag des Vatikans von einem Mitbruder ein Tonbandgerät in seiner Zelle installiert.

Unter Karol Wojtyla, dem eifrigsten Selig- und Heiligsprecher in der Geschichte der Päpste, wendete sich das Blatt. Im Jahr 2002 wurde Padre Pio von Papst Johannes Paul II. unter einem riesigen Pilgeransturm in Rom heiliggesprochen. Pio kam wohl auch zugute, dass ihm die Heilung einer polnischen Freundin Karol Wojtylas zugeschrieben wurde.

Pater Pio - Rummel und Kommerz

San Giovanni Rotondo

Zu seinen Lebzeiten erhielt eine Gruppe von Frauen (die Pie donne) die Erlaubnis das Kloster zu betreten. Sie verkauften außerhalb des Klosters kleine, mit Hühnerblut verschmierte Läppchen als Reliquien der Pio-Stigmata und durften heimlich bei der Beichte mitlauschen.[5] Ende der 1930er Jahre erhielt Pater Pio vermehrt Besuch von europäischen Aristokraten. Die Pilgerzahl nahm zu. 1940 wurde in San Giovanni Rotondo ein Krankenhaus errichtet. 1950 musste ein Anmeldeverfahren eingeführt werden, um den Pilgerandrang zu beschränken. 2004 wurde in San Giovanni Rotondo auf Initiative der Pio-Anhänger eine riesige, vom renommierten Architekten Renzo Piano entworfene Wallfahrtskirche eingeweiht. Die Geschäfte entwickelten sich so gut, dass Rom einen Supervisor ins schwerreiche Kapuzinerkloster von San Giovanni Rotondo entsenden musste. Ein Satelliten-TV Sender namens Tele Radio Padre Pio kurbelt die Geschäfte an und kann auch in Deutschland über Hotbird gesehen werden.[6] Aufkleber, Anhänger und Aschenbecher mit dem Konterfei von Pater Pio werden in ganz Italien und besonders im wundergläubigen Süden angeboten. Der Wallfahrtsort San Giovanni Rotondo in Apulien ist das meistbesuchte Pilgerzentrum in Europa. Sieben Millionen Menschen pilgern jährlich dorthin, mehr als nach Lourdes. Padre Pio ist somit zu einem enormen Wirtschaftsfaktor in der Region geworden.

Unterstützung des italienischen Faschismus

Ab 1920 unterstützte der fromme Pater Pio offen die im Aufwind begriffene faschistische Bewegung und laut seines Biographen Luzzatto habe sich um ihn ein klerikal-faschistisches Gemisch herausgebildet".

Die PP-Biographie von Sergio Luzzatto 2007

2007 veröffentlichte der italienische Historiker Sergio Luzzatto eine akribisch recherchierte Biographie, die die Zweifel an Pater Pio erhärtete. Als Erster, schreibt Luzzatto, habe er die Untersuchungsunterlagen zum Fall Padre Pio im Geheimarchiv des Vatikan einsehen dürfen, die die Gerüchte um einen nie offen ausgetragenen Konflikt innerhalb der katholischen Kirche bestätigen. Luzzato bezieht sich in seiner Biographie auch auf einen Apotheker aus Foggia namens Valentini Vista. Der Pio-Anhänger geriet durch die Pilgerfahrt einer Kusine, die ebenfalls eine Apotheke betrieb, in spirituellen Kontakt mit dem „lebenden Heiligen“. Der Apotheker wurde misstrauisch, als Pio sich über die Kusine an ihn wandte und nach einem Fläschchen ätzender Karbolsäure fragte, vorgeblich zur Wundsterilisation bei jungen Mitbrüdern in seinem Kloster in San Giovanni Rotondo. Als Padre Pio - über Mittelsleute und unter Bitte um höchste Geheimhaltung - später noch eine vielfach tödliche Menge des Nervengiftes Veratrin bei ihm bestellte, verweigerte Vista die Lieferung und informierte seinen Bischof. Der meldete den Verdacht - samt der schriftlichen Gift-Bestellung Padre Pios, die noch heute in den Vatikanischen Archiven ruht - ergebnislos nach Rom weiter.

Literatur

  • Sergio Luzzatto: Padre Pio. Miracoli e politica nell'Italia del Novecento Verlag Einadi 2007 Torino
  • Josef Hanauer: Der stigmatisierte Pater Pio von Pietrelcina, Bock und Herrchen. Bad Honnef 1979
  • E. Malatesta: La vera storia di padre Pio, Verlag Piemme

Weblinks

Quellennachweise

  1. F.A.Z., 26.10.2007, Nr. 249 / Seite 33: Padre Pio - ein Säurenheiliger?
  2. Mario Guarino: Beato impostore, Verlag Kaos
  3. Angaben des Dr. Vincenzo Tangaro
  4. Brief vom 18. Januar 1912, Epistolario I° a cura di Melchiorre da Pobladura e Alessandro da Ripabottoni - Edizioni "Padre Pio da Pietrelcina" Convento S.Maria delle Grazie San Giovanni Rotondo
  5. Giovanni Maria Bellu: Artikel in la Repubblica vom 28. April 1999
  6. http://www.teleradiopadrepio.it