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29.09.2007, 19:48 Uhr
Rauchwolke
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Es berichtet Frau Rose-Laure Huber:
--------------------------------------------------------- Gaby J., geb. 14.12.1954, gest. 5.6.2000
(von Beruf Krankenschwester!!)
Scheidung
von Ihrem Ehemann am 18. September 1996, der Sohn, damals 15jährig wird
ihr zugesprochen und lebt mit seiner Mama. Sie verstehen sich gut, der
Sohn hat auch Kontakt mit seinem Vater.
Anfangs Mai 1997:
Gaby
entdeckt einen kleinen Knoten in der Brust. Sie geht zum Frauenarzt,
der ihr vorschlägt, eine Biopsie zu machen, da unklar ist, um welche
Art Knoten es sich handelt. Am 13. Mai wird sie operiert. Als ich um 17
Uhr ins Frauenspital (Aarau) komme, liegt sie immer noch in der
Intensivstation: die Brust wurde wegoperiert inkl. Lymphdrüsen, und vom
Rücken her wurde ein Aufbau gemacht. Sie ist noch nicht richtig wach,
als eine Ärztin kommt und ihr die Sachlage erklärt. Der Knoten war
bösartig und 1 (ev. 2) Lymphdrüse war befallen, allerdings verkapselt.
Gleichzeitig werden ihr Chemo und Bestrahlung empfohlen. Der Schock ist
gross - und sie muss allein damit fertig werden. Für mein Empfinden
fehlte eine psychiatrische Betreuung in diesem Moment. Als ich am
andern Tag wieder ins Spital komme, erklärt sie mir, dass sie weder
Chemo noch Bestrahlungen machen wolle (panischer Horror vor dem Verlust
der Haare) sie werde sich mit Iscador behandeln.
Ihr Hausarzt
weist sie dann an einen Arzt, Dr. W., der auch mit Naturmitteln
arbeitet und der ihr Iscador verschreibt. Zudem macht sie
cranio-sacrale Behandlungen bei Jürg B. in Egliswil.
Dann
scheint es mit ihr aufwärts zu gehen. Sie mag wieder essen, ist
fröhlich und guter Dinge. Wir haben auch regelmässig Kontakt, u.a.
reisen wir zu dritt, noch mit Gabys Schwester, E., nach Südfrankreich,
wo wir wunderschöne Ferien erleben. Gottseidank tun wir ihr alles
zuliebe, was sie zu sehen wünscht, gehen wir anschauen - m.a.W. wir
alle geniessen die Zeit unendlich.
Juni 1999
Bei mir wird
Brustkrebs diagnostiziert, ich lasse mich im Spital Porrentruy
operieren. Gaby kommt mich besuchen und fragt mich, ob ich Chemo machen
würde. Ich bejahe, worauf sie ganz vernünftig sagt, Mami, das muss
jeder für sich selbst entscheiden, und wenn das für Dich der richtige
Weg ist, musst Du es tun. Ich machte also Chemo und gleichzeitig
spritzte ich mir Iscador.
Als ich sie am Telefon einmal frage,
ob sie das Iscador immer noch nehme, antwortet sie: ich streiche es nur
noch ein, denn auch Iscador ist Gift! Ich rufe am selben Tag in der
Lukas-Klinik (Arlesheim) an und frage, ob man Iscador auch nur
einreiben könne. Man bestätigte mir, dass das überhaupt nichts nützt
(die Ärztin am Telefon wirkt ziemlich erschrocken).
Als sie mich
während dieses Jahres zu Hause besucht, zeigt sie mir einen kleinen
Knoten unter der Achsel, beruhigt mich aber gleichzeitig, dass sei
nichts bösartiges, sondern es seien Stauungen, B. hätte dies auch
gesagt. Ich halte mich zurück, spreche nachher aber mit verschiedenen
Ärzten (u.a. auch mit dem Naturarzt, der mich neben der Schulmedizin
mit homöopatischen Mitteln behandelt) und alle sagen mir, das müsse
untersucht werden, denn es könnte wieder bösartig sein.
Auf
verschiedene, vorsichtige Bemerkungen auch von seiten meiner Schwester
reagiert sie mit Vorwürfen, wir würden sie nicht unterstützen, und sie
könne keine negativen Bemerkungen brauchen. Sie behandle sich jetzt
nach der neuen Medizin, und wisse, dass sie zuerst ihre Konflikte lösen
müsse, vor allem auch hätte sie den Scheidungsschmerz noch nicht
verdaut. Doch sie sei auf dem richtigen Weg. Wir versuchen also,
möglichst positiv zu wirken, und uns unsere Sorge nicht anmerken zu
lassen. Wir versuchen auch, fest daran zu glauben, dass es nichts
bösartiges ist, doch ----- die Sorge ist da und nagt!
Anfangs
November (1999) kommt Gaby in den Jura mit ihrer Schwester, und wir
feiern zusammen deren Geburtstag. Sie ist gut gelaunt und wiederholt,
wir müssten uns keine Sorgen machen. Wie gerne lässt man sich doch
beruhigen!
Ca. Mitte November ruft sie mich an und erklärt mir,
sie brauche nun etwas Zeit und Abstand und müsse sich nur noch auf Ihre
Heilung konzentrieren. Dies hätte mit Gefühlen nichts zu tun, sie liebe
uns alle. Sie rufe auch gelegentlich wieder an. (*) Gleichzeitig erhält
meine Schwester einen entsprechenden Brief.
Autofahren kann sie scheinbar nicht mehr, äussert sich aber nur dahingehend, es sei der „dicke Arm“, aber das müsse so sein!
Irgendwann
während dieser Zeit muss sie an einem Vortrag in Zürich sowie zu einer
Konsultation in Herisau gewesen sein. Ich weiss nicht, wer sie
dahingefahren hat und wer die Naturärztin in Herisau war. Niemand gibt
mir auf meine Fragen Antwort, alle „Freundinnen“ hüllen sich in
Schweigen oder sagen, sie wüssten es nicht! Während der ganzen Zeit
kümmert sich ihr jetzt 19jähriger Sohn um sie, das Essen wird von
„Freundinnen“ gebracht, doch wie sie einmal sagt, Essen möge sie kaum
mehr, es komme alles hoch, doch auch das sei ein Zeichen der Heilung.
Ihrem Sohn hatte sie verboten, uns zu benachrichtigen oder zu sagen,
wie schlecht es stand. Auch seinem Vater verriet er nicht ein Wort.
Dieser wurde erst von mir orientiert, als ich am 30. Mai in Rohr war -
er erschrak fürchterlich, als er sie am selben Abend noch besuchte.
An
Weihnachten erteilt sie mir ebenfalls eine Absage, sie gehe mit einer
Freundin ein paar Tage weg. Wie sich im Nachhinein herausstellt, stimmt
dies nicht, sie war nicht mehr fähig, weg zu fahren.
Irgendwann
erzählt sie von einem Inder, der ihr Naturmittel aus Indien besorgt
habe, und jetzt möge sie wieder essen. Zudem mache sie Neuraltherapie
und Lymphdrainage, es sei alles unter Kontrolle.
An Ostern
schicke ich ihr ein grosses Paket mit einem Stoffhasen (sie liebte
Stofftiere über alles) und Geld statt Süssigkeiten, mit einem Brief,
sie solle doch damit mit ihrem Sohn was Gutes essen gehen. Dies erwähne
ich nur, um zu zeigen, wie sie mir immer vormachte, es gehe ihr gut!
Am
29. Mai 2000 abends telefoniert sie mir und sagt „Mami, ich habe lange
Zeit nach Dir“! Ich frage: „Darf ich kommen“?. Sie weint und sagt ja,
aber nur Du, weder Vater (ihr Vater und ich sind seit 40 Jahren
geschieden, doch die Kinder hatten immer Kontakt mit ihm; ich auch,
aber etwas weniger, m.a.W. wir waren friedlich, und er hat Gaby
abgöttisch geliebt) noch G. noch meine Schwester, nur Du allein! Am
Dienstagvormittag bin ich in Rohr, den Wagen voll Lebensmittel, mit
allen Dingen, die sie gern hat.
Als ich ankomme, ist die Türe
offen, auf mein Läuten reagiert niemand, ich trete ein und sehe sie auf
dem Sofa schlafen: Gott im Himmel, warum lässt Du sowas zu? Ich gehe
nochmals hinaus, damit ich nicht losschreien muss. Was ist aus meinem
hübschen, fröhlichen Kind geworden.-
Auf dem Sofa liegt ein mit
Haut überzogenes Skelett, fast ohne Haare, eine alte Frau von 90
Jahren! Als sie erwacht, habe ich mich soweit gefasst. Mit ihren blauen
Augen, die in tiefen Höhlen liegen, lächelt sie mich an und umarmt
mich. Das dickste an ihr ist ihr Arm, der so dick ist wie normalerweise
ein Oberschenkel. Sie hat auch unsägliche Schmerzen. Als ich sie
wasche, sehe ich, dass die ganze operierte Seite bis zum Rücken eine
schwärende, eiternde, stinkende, faule Wunde ist mit ganzen Kratern.
Ich versuche sie mit Kompressen zu verbinden, habe aber Angst, ihr weh
zu tun. Ich sage dann, dass es so nicht weitergehen kann. Sie
antwortet, gut ich gehe in ein Erholungsheim, aber in kein Spital, dort
bringen sie einen nur um mit Morphium. Die Ärzte wissen das und machen
es trotzdem! Ich setze mich mit ihrem Arzt in Rohr in Verbindung und
darf zu ihm. Auf meine Frage, antwortet er mir: ich darf nichts sagen,
sagen Sie mir, was Sie denken. Ich sage Krebs und er antwortet ja, im
Endstadium. Er dürfe nur Neuraltherapie machen, alles andere lehne sie
ab. Ein Erholungsheim sei unmöglich, man nehme sie dort nicht mehr.
Also erkläre ich, dass die Spitex her müsse. Er antwortet mir, dann
müsse ich mich mit ihrem früheren Hausarzt in Verbindung setzen, der
müsse dies veranlassen. Jener Arzt lässt mich am Telefon abblitzen mit
der Bemerkung, sie lasse ja doch nichts machen, er kümmere sich nicht
mehr darum! Verzweiflung, ich mache den andern Arzt halb verrückt - bin
es selbst fast, gehe allen und mir selbst auf die Nerven.
Also
fahre ich jeden Tag am Morgen nach Rohr und versuche, meinem Kind
irgendwie zu helfen. Am Freitagmorgen als ich komme, schreit sie nur
noch vor Schmerzen, sagt mir aber, der Arzt (Neuraltherapie) komme am
Nachmittag. Sie sei nachts vor Schwäche noch gegen die Badewanne
gefallen. Sie kann weder im Bett noch auf dem Sofa mehr liegen, da kein
Gramm Fett mehr an ihr ist. Am Nachmittag kommt sowohl der Arzt wie die
Therapeutin, die Lymphdrainage machen durfte. Zu Dritt können wir Gaby
überzeugen, dass sie „zur Erholung“ ins Spital muss, und sobald es
besser geht, dürfte sie in eine Reha-Klinik. Sie ist so zermürbt von
den Schmerzen, dass sie endlich zustimmt. 15 Uhr: Ambulanz und
Notfallstation Spital Aarau. Dort sind sie rührend nett, sagen ihr
aber, dass nur Morphium ihre Schmerzen lindern könne, doch man gebe ihr
nur soviel, wie sie unbedingt brauche. Um 21 Uhr bringt man sie ins
Zimmer, ich darf sogar noch bleiben, bis ich merke, dass sie nun
einschlafen kann.
Ich bleibe dann in Rohr. Am Samstagvormittag
telefoniere ich zuerst ins Spital, um zu fragen, ob sie noch was
brauche. Sie ist total aufgestellt und sagt: „Mami, mir geht es so gut,
ich habe keine Schmerzen mehr, habe ein wunderbares Spezialbett
erhalten, worin ich liegen kann, ich werde wohl nicht lange hierbleiben
müssen. Wann gehen wir zusammen wieder nach Südfrankreich?“ Ich
antworte: „Sobald es Dir besser geht, fahren wir weg, dies ist ein
Versprechen.“
Wir machen uns beide die ganze Zeit etwas vor. Ob
sie immer noch überzeugt ist, weiss ich nicht, vielleicht wollte sie
auch mich schonen. Und ich habe nicht die Kraft, nicht zu lügen. Hier
auf der Abteilung, wo alles Tumorkranke liegen, sind die Schwestern
einmalig! Sie versuchen auf jede Art, den körperlichen und seelischen
Schmerz zu linden. man merkt, dass sie psychologisch ausgebildet sind.
Jeder Wunsch wird nach Möglichkeit erfüllt.- Am Sonntagabend
bespreche ich mich mit den Ärzten und frage, ob ich für einen Tag nach
Hause könnte. Man antwortet mir, es könne noch eine Zeitlang so gehen,
ich soll ruhig nach Hause, man werde mich benachrichtigen, wenn es
schlechter gehe.
Gaby sagt mir - klar kannst Du am Montag zu
Hause bleiben, ich bin am Dienstag sicher noch hier, lacht und mein:
„so schnell werden die mich nicht nach Hause lassen". Ich fahre also am
Sonntagabend in den Jura, arbeite am Montag in Basel, rufe noch im
Spital an, es sei alles unverändert. Ich lasse ausrichten, dass ich am
Dienstagvormittag komme. Abends in der Westschweiz heftige Gewitter.
Alle Telefone steigen aus, inkl. Handy!
Nachts um 12 Uhr
erreicht man mich endlich, um mir zu sagen, meine Tochter sei um 21.30
Uhr gestorben. Es war mir nicht einmal vergönnt, in den letzten Stunden
bei meinem Kinde zu sein. Ihr Exmann war allerdings dort bis kurz vor
21 Uhr, sie hat ihm noch gewunken, hatte allerdings Mühe beim Atmen.
Doch er hat auch nicht bemerkt, dass es so schlimm stand. Man muss fast
sagen, gottseidank hat sie nicht mehr lange leiden müssen.
Ich
hielt alle davon ab, sie aufgebahrt zu sehen - der Schock wäre für alle
zu gross gewesen. Ich habe mich im Namen von allen von ihr
verabschiedet - so dass alle sie so in Erinnerung behalten konnten, wie
sie war.
Als ich vor der Beerdigung am 9. Juni 2000 noch in
Gabys Wohnung bin, schnappe ich mir die zwei dicken Bücher von Hamer -
beim Lesen wird mir vieles klar: Iscador ist Gift, die Ärzte im Spital
bringen einen um etc. etc. Kein Wunder, haben die Menschen, die an den
Scharlatan glauben, solche Angst vor dem Spital. Ich finde auch noch
eine Rechnung betreffend Computertomographie vom Januar 2000! Also muss
sie doch gewusst haben, wie schlecht es stand, denn sie war total
verkrebst.- Ob Gaby mit Chemotherapie überlebt hätte, weiss ich
nicht, aber eines weiss ich: sie hätte nicht so grauenvoll leider
müssen und wäre menschlicher gestorben. Vor allem hätte sie doch unsere
ganze Liebe und Unterstützung gehabt. Wir hätten doch alles für sie
getan - wenn sie uns nur gelassen hätte!
(*) Nach der Operation
arbeitete Gaby noch kurze Zeit im Spital Brugg auf der Sterilisation,
konnte dann aber die schweren Plateaus nicht mehr heben. Sie war dann
längere Zeit arbeitslos und fand schlussendlich eine Teilzeitstelle im
„Obstgarten“, ein Aufenthaltsort für Kranke (Alkoholiker, psychische
Kranke etc.) der Heilsarmee. Die Heilsarmee kümmerte sich rührend um
Gaby, auch als sie nicht mehr arbeiten konnte und sorgte dafür, dass
sie von der Versicherung ein Taggeld bekam. Hut ab vor diesen Menschen.
-------------------------------------------------------------------------- Anmerkung: Dieser
Text stammt von Frau Huber. Sie hat zugestimmt ihn zu veröffentlichen.
Er wurde ursprünglich an einen anfragenden Journalisten geschickt, der
ihn weiterreichte. Es wurden einige Namen unkenntlich gemacht. Arlesheim
ist nahe Basel und daher auch nahe Dornach, dem Zentrum der
Anthroposophie (Goetheanum). Die Lukas-Klinik ist eine anthroposophisch
orientierte Klinik. |