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Begründet wurde dieser Mythos Mitte der 70er-Jahre durch den kalifornischen Arzt und Allergologen Ben Feingold. Er formulierte erstmals eine entsprechende Hypothese in seinem Buch „Why your Child is hyperactive?“ Danach stellen auch Nahrungsmittelzusätze wie künstliche Aroma-, Farb- und Konservierungsstoffe die Ursache für Hyperaktivität, Lernstörungen und Verhaltensauffälligkeiten dar. Seine Aussagen beruhten aber nur auf einzelnen Fall-Beobachtungen.  
 
Begründet wurde dieser Mythos Mitte der 70er-Jahre durch den kalifornischen Arzt und Allergologen Ben Feingold. Er formulierte erstmals eine entsprechende Hypothese in seinem Buch „Why your Child is hyperactive?“ Danach stellen auch Nahrungsmittelzusätze wie künstliche Aroma-, Farb- und Konservierungsstoffe die Ursache für Hyperaktivität, Lernstörungen und Verhaltensauffälligkeiten dar. Seine Aussagen beruhten aber nur auf einzelnen Fall-Beobachtungen.  
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Wissenschaftlich belegt wurde diese These nie. In den 1990ern mit der Entwicklung des Internets und dann ab den 2000ern, als Foren und Blogs wie Pilze aus dem Boden wuchsen, nahm das Thema noch einmal an Fahrt auf. Vor allem Hausärzten kennen dies: Besorgte Mütter, die sich über Erfahrungsberichte in Internetforen, zuweilen auch über Lehrer an Schulen, verunsichern lassen und wissen möchten, ob ein zu hoher Zuckerkonsum ADHS verstärken oder gar auslösen kann. Dies Besorgnis wird in entsprechenden Portalen, in der Regel verbunden mit kommerziellen Interessen massiv verstärkt<ref>www.zentrum-der-gesundheit.de/zucker-als-droge-ia.html</ref> <ref>http://www.elternwissen.com/lerntipps/konzentration-adhs/art/tipp/dierichtigeernhrungbeiadhs.html</ref>. Aufklärung und Information sind dann immer in Zusammenhang mit Angebot entsprechenden Produkter, Dienstleistungen und Ernährungsmethoden zu sehen.
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Wissenschaftlich belegt wurde diese These nie. In den 1990ern mit der Entwicklung des Internets und dann ab den 2000ern, als Foren und Blogs wie Pilze aus dem Boden wuchsen, nahm das Thema noch einmal an Fahrt auf. Vor allem Hausärzte kennen dies: Besorgte Mütter, die sich über Erfahrungsberichte in Internetforen, zuweilen auch über Lehrer an Schulen, verunsichern lassen und wissen möchten, ob ein zu hoher Zuckerkonsum ADHS verstärken oder gar auslösen kann. Dies Besorgnis wird in entsprechenden Portalen, in der Regel verbunden mit kommerziellen Interessen massiv verstärkt<ref>www.zentrum-der-gesundheit.de/zucker-als-droge-ia.html</ref> <ref>http://www.elternwissen.com/lerntipps/konzentration-adhs/art/tipp/dierichtigeernhrungbeiadhs.html</ref>. Aufklärung und Information sind dann immer in Zusammenhang mit dem Angebot entsprechender Produkte, Dienstleistungen und Ernährungsmethoden zu sehen.
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Grundsätzlich beruht die These schlicht darauf, dass Ernährung theoretisch Einfluss auf die Entstehung oder den Verlauf von ADHS haben kann, da bestimmte Nährstoffe und Stoffwechselprodukte eben von Bedeutung für die Abläufe im Gehirn sind, wie eben die Glukose für die Energiegewinnung. Daraus wurden dann die entsprechenden Aussagen abgeleitet und Schlüsse gezogen. Allerdings wurden in den letzten 20 Jahren, die immer wieder auftauchenden Schlagzeilen in den Medien, mit klinischen Studien über einen möglichen Zusammenhang zwischen ADHS und hohem Zuckerkonsum sehr gut untersucht. Die Ergebnisse von methodisch einwandfreien Studien zeigen ausnahmslos einheitliche Resultate. Weder bei Kindern, bei denen ADHS bereits diagnostiziert worden war, noch bei gesunden Kindern führte Zuckerkonsum zu Verhaltensauffälligkeiten, unabhängig davon, ob zu zuckerhaltigen Drinks, Fruchtzucker, Schokolade oder anderen Süßigkeiten gegriffen wurde.<ref> (Gebhardt et al. 2008, S. 27, Perold/ Louw/Kleynhans 2010, S. 469, Thapar et al. 2013, S. 8).</ref> <ref> What causes ADHD? NIMH, 2012</ref> <ref> Mark Wolraich, Richard Milich, Phyllis Stumbo, Frederick Schultz: Effects of sucrose ingestion on the behavior of hyperactive boys. In: The Journal of Pediatrics. Bd. 106, Nr. 4, 1985, S. 675–682</ref>
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Grundsätzlich beruht die These schlicht darauf, dass Ernährung theoretisch Einfluss auf die Entstehung oder den Verlauf von ADHS haben kann, da bestimmte Nährstoffe und Stoffwechselprodukte eben von Bedeutung für die Abläufe im Gehirn sind, wie eben die Glukose für die Energiegewinnung. Daraus wurden dann die entsprechenden Aussagen abgeleitet und Schlüsse gezogen. Allerdings wurden in den letzten 20 Jahren, die immer wieder auftauchenden Schlagzeilen in den Medien, mit klinischen Studien über einen möglichen Zusammenhang zwischen ADHS und hohem Zuckerkonsum, sehr gut untersucht. Die Ergebnisse von methodisch einwandfreien Studien zeigen ausnahmslos einheitliche Resultate. Weder bei Kindern, bei denen ADHS bereits diagnostiziert worden war, noch bei gesunden Kindern führte Zuckerkonsum zu Verhaltensauffälligkeiten, unabhängig davon, ob zu zuckerhaltigen Drinks, Fruchtzucker, Schokolade oder anderen Süßigkeiten gegriffen wurde.<ref> (Gebhardt et al. 2008, S. 27, Perold/ Louw/Kleynhans 2010, S. 469, Thapar et al. 2013, S. 8).</ref> <ref> What causes ADHD? NIMH, 2012</ref> <ref> Mark Wolraich, Richard Milich, Phyllis Stumbo, Frederick Schultz: Effects of sucrose ingestion on the behavior of hyperactive boys. In: The Journal of Pediatrics. Bd. 106, Nr. 4, 1985, S. 675–682</ref>
 
Eine weitere Übersichtsarbeit aus 23 Studien mit über 560 kindern belegen dies <ref>http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/7474248</ref>
 
Eine weitere Übersichtsarbeit aus 23 Studien mit über 560 kindern belegen dies <ref>http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/7474248</ref>
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Auch die Frage, wie es zu erklären ist, dass trotz der wissenschaftlichen Widerlegung noch immer so viele, rein persönliche und individuelle, Erfahrungsberichte einen Nutzen der zuckerfreien Diät bei ADHS vermitteln, wurde erforscht. Mann kam zu dem Schluss, das die Erwartung der Eltern hierbei eine große Rolle spielen könnte. Dies zeigt eine Untersuchung bei der die Forscher 35 Jungen im Alter von fünf bis sieben Jahren zufällig in zwei Gruppen einteilten. Den Müttern wurde mitgeteilt, dass ein Teil der Kinder extrem zuckerhaltige Nahrung erhalte, der andere ein Placebo. Tatsächlich erhielten alle Kinder zuckerfreie Nahrung. Doch die Mütter, die davon ausgingen, dass ihr Nachwuchs Süßes bekommen hatte, beurteilten das Verhalten der Jungen im Anschluss häufiger als hyperaktiv und auffällig.<ref>[https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/7963081 Effects of sugar ingestion expectancies on mother-child interactions.]</ref>  
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Auch die Frage, wie es zu erklären ist, dass trotz der wissenschaftlichen Widerlegung, noch immer so viele, rein persönliche und individuelle, Erfahrungsberichte einen Nutzen der zuckerfreien Diät bei ADHS vermitteln, wurde erforscht. Man kam zu dem Schluss, das die Erwartung der Eltern hierbei eine große Rolle spielen könnte. Dies zeigt eine Untersuchung bei der die Forscher 35 Jungen im Alter von fünf bis sieben Jahren zufällig in zwei Gruppen einteilten. Den Müttern wurde mitgeteilt, dass ein Teil der Kinder extrem zuckerhaltige Nahrung erhalte, der andere ein Placebo. Tatsächlich erhielten alle Kinder zuckerfreie Nahrung. Doch die Mütter, die davon ausgingen, dass ihr Nachwuchs Süßes bekommen hatte, beurteilten das Verhalten der Jungen im Anschluss häufiger als hyperaktiv und auffällig.<ref>[https://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/7963081 Effects of sugar ingestion expectancies on mother-child interactions.]</ref>  
    
In diesem Zusammenhang wäre auch noch zu erwähnen, dass Hyperaktivität oftmals mit ADHS gleichgesetzt wird. Kernsymptom der ADHS ist allerdings nicht allein der gesteigerte Bewegungsdrang, sondern  auch ein Konzentrationsdefizit. Auch davon lassen sich viele schlichtweg zu Fehlschlüssen verleiten. Wenn Kinder zu besonderen Anlässen Süßes bekommen und dann aufgedreht sind, ist das keinesfalls krankhaft. Oder umgekehrt könnte auch der erhöhte Energiebedarf dafür gesorgt haben, dass Kinder zu Zucker greifen.
 
In diesem Zusammenhang wäre auch noch zu erwähnen, dass Hyperaktivität oftmals mit ADHS gleichgesetzt wird. Kernsymptom der ADHS ist allerdings nicht allein der gesteigerte Bewegungsdrang, sondern  auch ein Konzentrationsdefizit. Auch davon lassen sich viele schlichtweg zu Fehlschlüssen verleiten. Wenn Kinder zu besonderen Anlässen Süßes bekommen und dann aufgedreht sind, ist das keinesfalls krankhaft. Oder umgekehrt könnte auch der erhöhte Energiebedarf dafür gesorgt haben, dass Kinder zu Zucker greifen.
    
====Ist Zucker ein Vitamin- und Mineralienräuber?====
 
====Ist Zucker ein Vitamin- und Mineralienräuber?====
Der Mythos, dass Zucker dem Körper Calcium raubt und damit die Knochen "weich macht", geht auf falsche Folgerungen aus Tier-Versuchen aus den 1920er Jahren an Ratten zurück. Daraus entstand das Gerücht, Zucker führe zu einer Entkalkung der Knochen. Diese These ist aber nicht haltbar und durch keinerlei Untersuchungen und Ergebnisse bestätigte. Es gibt einige Lebensmittel die Bestandteile enthalten, welche eine Einlagerung von Calcium in den Knochen hemmen und sich damit negativ auf die Calcium-Bilanz auswirken, deshalb nennt man sie sie 'Calcium-Räuber'. Dazu gehören Phosphate und  [https://de.wikipedia.org/wiki/Oxals%C3%A4ure Oxalsäure]. Ein weiterer Calciumräuber ist Phytin, ein pflanzlicher Stoff, der z.B. in den Randschichten von Getreide vorkommt. Phosphor und Phosphat behindern die Calciumaufnahme im Darm. Und zu viel aufgenommener Phosphor löst das Calcium aus den Knochen. Anschließend wird das Calcium über die Niere ausgeschieden und geht damit dem Körper "verloren".<ref>http://www.osd-ev.org/osteoporose-therapie/osteoporose-ernaehrung/calcium-raeuber/ </ref>.
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Der Mythos, dass Zucker dem Körper Calcium raubt und damit die Knochen "weich macht", geht auf falsche Folgerungen aus Tier-Versuchen aus den 1920er Jahren an Ratten zurück. Daraus entstand das Gerücht, Zucker führe zu einer Entkalkung der Knochen. Diese These ist aber nicht haltbar und durch keinerlei Untersuchungen und Ergebnisse bestätigt. Es gibt einige Lebensmittel die Bestandteile enthalten, welche eine Einlagerung von Calcium in den Knochen hemmen und sich damit negativ auf die Calcium-Bilanz auswirken, deshalb nennt man sie sie 'Calcium-Räuber'. Dazu gehören Phosphate und  [https://de.wikipedia.org/wiki/Oxals%C3%A4ure Oxalsäure]. Ein weiterer Calciumräuber ist Phytin, ein pflanzlicher Stoff, der z.B. in den Randschichten von Getreide vorkommt. Phosphor und Phosphat behindern die Calciumaufnahme im Darm. Und zu viel aufgenommener Phosphor löst das Calcium aus den Knochen. Anschließend wird das Calcium über die Niere ausgeschieden und geht damit dem Körper "verloren".<ref>http://www.osd-ev.org/osteoporose-therapie/osteoporose-ernaehrung/calcium-raeuber/ </ref>.
    
Es sind keine Publikationen bekannt die solche oder ähnliche Effekte bei Zucker beschreiben. Es bestehen noch weitere Gründe für eine Unterversorgung z.B. an Calcium, verschiedene Erkrankungen, [https://de.wikipedia.org/wiki/Z%C3%B6liakie Zöliakie], [http://flexikon.doccheck.com/de/Morbus_Crohn Morbus Crohn] oder [https://de.wikipedia.org/wiki/Phenylketonurie Phenylkentonurie] bewirken dies. Für keine ist ein Zusammenhang mit der Zuckeraufnahme belegt. Dies gilt auch für andere Mineralien. Bei keinem wurde belegt das Zucker, das Milieu des Mineralhaushaltes steuern kann oder einen negativen Einfluss auf die Knochen hat und damit Osteoporose fördern würde.
 
Es sind keine Publikationen bekannt die solche oder ähnliche Effekte bei Zucker beschreiben. Es bestehen noch weitere Gründe für eine Unterversorgung z.B. an Calcium, verschiedene Erkrankungen, [https://de.wikipedia.org/wiki/Z%C3%B6liakie Zöliakie], [http://flexikon.doccheck.com/de/Morbus_Crohn Morbus Crohn] oder [https://de.wikipedia.org/wiki/Phenylketonurie Phenylkentonurie] bewirken dies. Für keine ist ein Zusammenhang mit der Zuckeraufnahme belegt. Dies gilt auch für andere Mineralien. Bei keinem wurde belegt das Zucker, das Milieu des Mineralhaushaltes steuern kann oder einen negativen Einfluss auf die Knochen hat und damit Osteoporose fördern würde.
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Das Gleiche gilt für Vitamine. Dort beruht der Mythos auf der Aufgabe des Vitamin B1 (Thiamin). Diese spielt eine entscheidende Rolle im Energie-, Kohlenhydrat- und damit auch im Zucker-Stoffwechsel.
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Das Gleiche gilt für Vitamine. Dort beruht der Mythos auf den Aufgaben des Vitamin B1 (Thiamin). Diese spielt eine entscheidende Rolle im Energie-, Kohlenhydrat- und damit auch im Zucker-Stoffwechsel. Theoretisch könnte tatsächlich eine gewisse Unterversorgung eintreten. Diese Befürchtungen sind jedoch weitgehend unbegründet. Ein klinisch relevanter Thiamin-Mangel ist außerordentlich selten und dann auch nicht auf Zuckerkonsum zurückzuführen. Er tritt gelegentlich auf bei chronischem Alkoholmissbrauch, bei chronisch gestörter Darmfunktion und bei schweren Leberfunktionsstörungen. Bei einer ausgewogenen Ernährung ist der Bedarf an Vitamin B1 leicht zu decken.<ref>http://www.spektrum.de/news/zucker-ein-vitaminraeuber/340841</ref>. Im Normalfall nimmt der Mensch täglich etwa 2 mg Vitamin B1. zu sich. Orientiert man sich an den Empfehlungen, würde dies ausreichen um mehr als 1,5 kg Zucker pro Tag zu kompensieren.
Theoretisch könnte eine gewisse Unterversorgung eintreten. Diese Befürchtungen sind jedoch weitgehend unbegründet. Ein klinisch relevanter Thiamin-Mangel ist außerordentlich selten und dann auch nicht auf Zuckerkonsum zurückzuführenn. Er tritt gelegentlich auf bei chronischem Alkoholmissbrauch, bei chronisch gestörter Darmfunktion und bei schweren Leberfunktionsstörungen. Bei einer ausgewogenen Ernährung ist der Bedarf an Vitamin B1 leicht zu decken.<ref>http://www.spektrum.de/news/zucker-ein-vitaminraeuber/340841</ref>. Im Normalfall nimmt der Mensch täglich etwa 2 mg Vitamin B1. zu sich. Orientiert man sich an den Empfehlungen, würde dies ausreichen um mehr als 1,5 kg Zucker pro Tag zu kompensieren.
   
====Liegt der Zuckerstoffwechsel in den Genen?====
 
====Liegt der Zuckerstoffwechsel in den Genen?====
 
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====Gibt es eine Zuckerrallergie?====
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====Gibt es eine Zuckerallergie?====
 
In der [[Alternativmedizin]] finden sich gelegentlich Nennungen einer so genannten [[Zuckerallergie]], also einer allergischen Reaktion auf Zucker. Da Zucker (Saccharose) nicht immunogen und daher nicht "allergisierend" ist, handelt es sich um eine typische [[Krankheitserfindung]]. (siehe auch: [[Wasserallergie]])
 
In der [[Alternativmedizin]] finden sich gelegentlich Nennungen einer so genannten [[Zuckerallergie]], also einer allergischen Reaktion auf Zucker. Da Zucker (Saccharose) nicht immunogen und daher nicht "allergisierend" ist, handelt es sich um eine typische [[Krankheitserfindung]]. (siehe auch: [[Wasserallergie]])
  
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