Zilgrei-Methode

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Die Zilgrei-Methode ist ein alternativmedizinisches Verfahren nach dem Arzt und Chiropraktiker Hans Gressing und der italienischen Adeligen Adreiano Zillo. Sie wird auch als Zilgrei Respiro-Dynamik bezeichnet.

Glaubt man den Angaben, die die Zilgrei-Befürworter machen (u.a. unter www.zilgrei.de und www.zilgrei.com), so handelt es sich bei Adriana Zillo um eine im Jahre 1933 in Monti geborene Adelige. Wegen chronischer Schmerzen soll sie 1978 die Praxis des in Mailand praktizierenden Arztes Dr. Greissing aufgesucht haben. Gemeinsam sollen sie auf der Basis der Lehren des US-amerikanischen Chiropraktikers Palmer ein eigenständiges Behandlungssystem aufgebaut haben.

Hans Greissing (1925-2002) wanderte 1928 in die USA aus, diente im II. Weltkrieg in der US-Marine und wurde dort schwer verletzt. Mit chiropraktischer Behandlung soll er wieder in das normale Berufsleben zurückgefunden haben. 1954 promovierte er zum Doctor of Chiropractic. Diese Ausbildung ist keine hochschulmedizinische, sondern eine in ausgewählten US-Bundesstaaten an naturopathisch ausgerichteten Einrichtungen verliehener medizinischer Grad. 1961 siedelte Greissing nach Italien über.

Die Methode

Nach Angaben der Zilgrei-Befürworter leitet sich die Methode von der Ende des 19. Jahrhunderts von in den USA durch Daniel David Palmer begründeten Chiropraktik ab. Durch intuitive Erkenntnisse von Zillo und Greissing sei ein Therapiekonzept entwickelt worden, das für viele Indikationen angepriesen wird.

  • Gesunderhaltung, Prävention und Leistungssteigerung: Stärkung des seelischen und körperlichen Gleichgewichts, Begrenzung der schädlichen Auswirkungen der einseitigen Körperbelastung, Verbesserung der physiologischen Atmung, Steigerung der Selbstwahrnehmungsfähigkeit, Vorbeugung gegen allgemeine Erkrankung und zur sportlichen Leistungssteigerung.
  • zur Selbstbehandlung: bei Beschwerden der Wirbelsäule und des Bewegungsapparates, Haltungsschwächen, Bewegungseinschränkungen und Blockaden, Kopf-, Gelenk-, Muskel- und Organschmerzen, funktionellen Störungen der Organe, Atembeschwerden, Schlaflosigkeit, Stressbelastung, Verdauungsbeschwerden, Durchblutungsstörungen Menstruations- und Menopausebeschwerden

In der Zilgrei-Methode wird keine Diagnose gestellt, sondern der Patient untersucht sich in einfacher Form selbst. Im Bereich der Halswirbelsäule wird beispielsweise der Kopf nach vorne und hinten gebeugt, dann gestreckt und seitlich geneigt. Dieses Vorgehen soll mit jedem anderen Gelenk des Organismus durchgeführt werden, um die drei Bewegungsebenen zu prüfen. Daraus wird abgeleitet, welcher Körperteil bzw. Abschnitt der Wirbelsäul und welche Bewegungsebene/-richtung von Problemen betroffen ist. Daraufhin werden dann Übungen nach Zilgrei eingeleitet, die helfen sollen.

Dieser Test ist ein subjektiver, der mit dem in der Orthopädie üblichen Test auf Prüfung der maximalen Bewegungsausmaße von Gelenken (sog. Neutral-Null-Methode) nichts zu tun hat.

Der sog. Ist-Zustand des Patienten wird folgendermaßen 'diagnostiziert':

  • die schmerzhafte und schmerzlose Ausgangsstellung wird festgestellt. Es wird für die Selbstbehandlung die Ausgangsstellung gewählt, in der die wenigsten Symptome vorhanden sind.
  • der am meisten bzw. wenigsten betroffene Körperteil wird gesucht
  • die für die Selbstbehandlung erforderliche Stellung bzw. Bewegung wird festgelegt. Für die Selbstbehandlung wird nur diejenige Position benutzt, die der symptomauslösenden genau gegenüber liegt. Ist beispielsweise die Drehung nach rechts schmerzhaft, wird als Zilgrei-Position nach links gewählt (sog. Konzept der Gegenposition).

Durch das Prinzip der Gegenrichtung sollen die Zilgrei-spezifischen Haltungen und Bewegungen das von Schmerzen geplagte und verkrampfte Gewebe in eine Stellung bringen, in der es so weit entlastet ist, dass es das Angebot von sauerstoffbeladenem Blut wieder besser aufnehmen kann. Auch die aus der Humoralpathologie stammenden 'Schlacken' (vgl. Heilfasten) sollen dadurch besser abtransportiert werden.

Die eigentliche Selbstbehandlung erfolgt durch gezielte Bewegung und sog. dynamogene Atmung. Die dynamogene Zilgrei-Atmung ist eine Form der Bauchatmung mit integrierten Atempausen von 5 Sekunden Dauer zwischen Ein- und Ausatmung. Es wird behauptet, diese 'korrekte', vollständige Zwerchfellatmung sei die Voraussetzung für die Wirksamkeit der Selbstbehandlung. Die Selbstbehandlungen werden bei akuten Beschwerden dreimal täglich durchgeführt und dann schrittweise reduziert. Ein Nachsorgeprogramm wird empfohlen, das 2-3 Sitzungen pro Woche beinhaltet. Eine Sitzung besteht aus fünf Übungen und einer Selbstuntersuchung zu Sitzungsbeginn und -ende mit einer Gesamtdauer von 10 Minuten.

Eine solche Sitzung kann z.B. wie folgt strukturiert sein. Man geht in eine Ausgangsstellung (aufrecht, aber nicht steif, Oberschenkel parallel zum Boden, Füße fest auf dem Boden, Knie leicht geöffnet), dreht den Oberkörper nach rechts bis an die mögliche Bewegungsgrenze (nicht forciert), ohne die Schmerzgrenze zu überschreiten. Mit der rechten Hand wird an den hinteren Rand eines Hockers gegriffen, die linke Hand auf den rechten Oberschenkel gelegt und der Kopf ausgerichtet. Man blickt geradeaus, Kinn über dem Brustbein. Man verharrt in dieser Stellung und führt 5 Atemzyklen durch. Dies wiederholt man insgesamt fünf Mal.

Verbreitung durch Zilgrei-Lehrer

Die Zilgrei-Methode, die als eingetragenes Warenzeichen etabliert ist, wird durch sog. Zilgrei-Lehrer verbreitet. Zum Erlernen des Verfahrens sind keine medizinischen Vorkenntnisse nötig. Man erhält nach einem 56stündigen Grundkurs ein Zertifikat, das einen aus Zilgrei-Lehrer ausweist. Zusätzlich werden Aufbau- und Sonderkurse angeboten. In Deutschland sollen derzeit über 1.000 Zilgrei-Lehrer (darunter 500 Krankengymnasten, 100 Hebammen sowie Ärzte und Heilpraktiker) tätig sein.

Kurse zum Erlernen der Selbsthilfe werden an Volkshochschulen und in privater Form in Praxen veranstaltet. Die Methode ist allerdings laut Beschluss des Bundesausschusses der Ärzte und Krankenkassen vom 4.5.1996 in der vertragsärztlichen Versorgung (also in der gesetzlichen Krankenversicherung) nicht erstattungsfähig.

Wirksamkeitsnachweise liegen bis heute nicht vor

Auf der Homepage von www.zilgrei.de findet sich ein Link zu klinischen Studien, der aber bis heute nicht aktiviert ist. Im medizinischen Fachschrifttum finden sich keinerlei Publikationen zur Zilgrei-Methode, die einen Wirksamkeitsnachweis erbracht hätten. Obwohl die Methode seit etwa 20 Jahren angepriesen wird und angeblich tausende von Patienten erfolgreich behandelt worden sein sollen gibt es keine glaubhafte Darlegung fassbarer Erfolge. Lediglich einige, schlecht dokumentierte Einzelfallbeschreibungen finden sich auf der Homepage.

Nach Kreck und Saller (1996) gibt es angeblich in Italien zwei Studien, die Zilgrei untersucht haben sollen. Beide Untersuchungen wurden aber bis heute nicht veröffentlicht.

In der 1. Beobachtungsserie an der orthopädischen Universitätsklinik in Pisa (Leitung: Prof. Marcetti) wurden 106 Patinten im Alter von 17-71 Jahren mit multiplen Bescherden des Bewegungsapparates mit der Zilgrei-Methode behandelt. Anhand verschiedener Bewertungskriterien (z.B. Schmerzlinderung, Wiederaufnahme der beruflichen Tätigkeit, Wiederherstellung der vorher eingeschränkten Beweglichkeit) sollen bei 70% der Behandelten positive Ergebnisse erzielt worden sein. Wie stark jene gewesen sind, ist unbekannt. Es ist allerdings bekannt, dass keine Kontrollgruppe mit 'falschem' oder konventioneller Behandlung existiert hat, die einen positiven Erfolg im Vergleich zu einer Scheinbehandlung hätte abschätzen lassen (Keck und Saller 1996).

In einer 2. Untersuchung unter Leitung Prof. Marcettis am orthopädischen Institut in Bologna wurden nach Keck und Saller (1996) zwei Patientengruppen mit 'Lendenschmerzen' untersucht. Eine Gruppe erhielt Zilgrei, die andere wurde herkömmlich behandelt. Von den Zilgrei-Teilnehmern, die 10 Sitzungen bekamen, sollen 82.5% das Behandlungsergebnis als exzellent bis wenigstens befriedigend bezeichnet haben. Wie die Daten der Kontrollgruppe waren, wurde nicht veröffentlicht.

Harmlose Methode, aber Vorsicht ist angezeigt

Die Zilgrei-Methode ist bis heute ohne wirklich überzeugenden Wirksamkeitsnachweis. Trotzdem wird mit ihr ein gutes Geschäft gemacht. Problematisch ist weniger die Harmlosigkeit der Übungen oder die Indikationsstellung als das Problem der miserablen Ausbildung. Wenn Zilgrei von 'Lehrern' ausgeübt wird, die keine ausreichenden medizinischen Grundkenntnisse besitzen, besteht für den Laien die Gefahr, bestehende Symptome oder Erkrankungen falsch einzuschätzen. Dadurch kann eine seriöse Behandlung hinausgezögert werden. Allerdings ist bis heute kein Fall bekannt geworden, in dem Zilgrei zu einer Schädigung oder zu einer Verzögerung der Behandlung geführt hat.

Quellennachweise

  • Kreck C, Saller R: Zilgrei-Methode als Prävention und Behandlung. Internist Prax, 36, 823-827, 1996
Dieser Text ist ganz oder teilweise von Paralex übernommen