Traditionelle Chinesische Medizin

Aus Psiram
Zur Navigation springen Zur Suche springen
Tcm.jpg

Die Traditionelle Chinesische Medizin (TCM) bezeichnet verschiedene volksmedizinische Behandlungsmethoden und gymnastische Übungen, die in China vor über 2.000 Jahren begründet und über die Jahrhunderte hinweg weiterentwickelt wurden. Zu den therapeutischen Verfahren, die in dieser Medizin zur Anwendung kommen, gehören eine eigene TCM-Arzneitherapie, Akupunktur und Moxibustion (Erwärmung von Akupunkturpunkten), eine eigene Massage (Tuina Anmo), eine am Wirkmechanismus der Arzneien orientierte Ernährungslehre und gymnastische Bewegungsübungen wie Qigong und Taijiquan.

In China existieren zwei Medizinsysteme nebeneinander, die traditionell-chinesische und die westlich-hochschulmedizinische Richtung. Beide Ärztegruppen orientieren sich an der medizinischen Erfahrung und die Patienten wählen jeweils jenen Arzt, dessen Fertigkeiten sie gerade nutzen wollen.

Nach dem Krankheitsverständnis wird in der TCM ein Zuviel abgeleitet, Mangel ausgeglichen, Heißes gekühlt und Kaltes erwärmt.

Geschichte

In der Frühzeit war die chinesische Medizin von einer Ahnenheilkunde geprägt, die in die Zeit der Shang-Dynastie (2. vorchristliches Jahrtausend) einzuordnen ist. Überlebt hat aus dieser Zeit noch ein Krankheitsverständnis, das einerseits durch Beziehungen zwischen den Lebenden und den Toten geprägt, andererseits aber auch durch Wissen über die natürliche Beeinflussung von Leben und Krankheit bestimmt ist.

Historisch folgte der Ahnenheilkunde die Dämonenheilkunde der sogenannten Chou-Zeit (1. vorchristliches Jahrtausend). Grundlage dieser Heilkunde war die Annahme, dass Krankheiten auf feindseligen Angriffen von Dämonen beruhen, die den Körper der Erkrankten heimsuchten. Demnach musste man sich magischer Elemente bedienen, um diese Dämonen aus- bzw. zu vertreiben. Hierzu setzte man Amulette/Talismane (Fu) oder Siegel (Yin) als Vertreiber ein. Daneben gab es Bannsprüche, Besprechungsformeln und auch Arzneimittel. Analogien gibt es zum Exorzismus der westlichen Welt.

Fast parallel zur Dämonenheilkunde entwickelte sich das durch die Lehren des Konfuzius (551-479 v.Chr.) beeinflusste Heilkonzept der systematischen Entsprechungen. Es handelte sich ebenso um eine magisch geprägte Medizin, die sich jedoch nicht mehr auf Personen (also Dämonen) konzentrierte, sondern auf natürliche Entsprechungselemente und aussagekräftigere Symbole abzielte. Ein typisches Beispiel für dieses Konzept ist die sogenannte Yin-Yang-Lehre. Dabei bedeutet Yin die Schattenseite des Hügels, Yang hingegen dessen Sonnenseite. Das System wurde erweitert und symbolisiert. So entsprach Yin der Dunkelheit, dem weiblichen Prinzip, Kälte, Regen und Feuchtigkeit. Yang wiederum stand für Sonnenschein, das männliche Prinzip, den Sommer oder die Hitze.

Etwa 300 Jahre v. Chr. entstand eine weitere Lehre, die von Tsou Yen geschaffen wurde – die Fünf-Elemente-Lehre. Dabei wurden Orientierungselemente in Form von Naturphänomenen (Wasser, Erde, Feuer, Holz, Metall) festgelegt, die in einem Geflecht von 16 Wandlungs- bzw. Überwindungsbeziehungen standen. So überwand Erde angeblich Wasser, Wasser hingegen Feuer und Metall überwand Holz. Aus Feuer konnte Asche/Erde und aus Holz wiederum Feuer entstehen. Diese Systematik ähnelt der Ayurveda-Denkweise.

Ein weiteres Element ist der Taoismus, der in der Anfangsphase des Konfuzianismus ein alternatives philosophisches Modell darstellte. Der religiöse Zweig des Taoismus stand mit dem philosophischen Bereich (Mystik, Quietismus, Körperübungen) und dem naturphilosophisch orientierten Bereich (Yin/ Yang, 5 Elemente-Lehre, Wandlung Yi-Jing) in Beziehung. Der Taoismus war auf Langlebigkeit des Menschen ausgerichtet, was ebenfalls an die ayurvedische Lehre vom langen Leben erinnert.

In der Gegenwart werden ärztliche Therapeuten in China in fünf Jahren Universitätsstudium ausgebildet, das entweder die TCM- oder die hochschulmedizinische Ausrichtung beinhaltet. In jedem Fall wird jeweils ein Ausbildungsjahr im anderen Sektor verbracht. So kommt es zu einer Vermischung beider Sektoren, die dazu führte, dass aus der chinesischen Volksmedizin stammende Heilmittel innerhalb Chinas nach entsprechender klinischer Prüfung ihren Weg in die Hochschulmedizin gefunden haben.

Lehre

Qi

Eine Schlüsselrolle im medizinischen Denken der chinesischen Tradition spielt der Begriff „Qi“. Qi wird oft als „Kraft“ oder „Energie“ übersetzt. Der Organismus erscheint als außerordentlich komplexes Gefüge dynamischer Qi-Strukturen. Es ist eine auf Gleichgewicht aufgebaute Dynamik. Ist das Gleichgewicht empfindlich gestört, braucht es den Arzt, der mit seinem erfahrenen Blick und im Gespräch mit dem Patienten die Ursache der Störungen zu ermitteln sucht. Es ist dann etwa von „Leber-Qi“ die Rede, von „Herz-Qi“, von „aufsteigendem Qi“, von „Qi-Schwäche“ usw.

Fünf-Wandlungsphasen-Lehre

Neben der Polarität zwischen Yin und Yang haben fünf Wandlungsphasen eine grundlegende Bedeutung in der TCM.

  • Holz wird als das kleine Yang bezeichnet und der Leber zugeordnet.
  • Feuer ist das große Yang und wird dem Herzen zugeschrieben.
  • Metall ist das kleine Yin und steht für die Lunge,
  • Wasser ist das große Yin und steht für die Niere.
  • Die Erde wird mit Milz und Magen in Verbindung gebracht

Ist man beispielsweise aufmerksam, voll guten Willens und Ideen, aber trotzdem wenig durchsetzungsfähig, so schätzt man dies in der TCM als eine Diskrepanz zwischen starker Leber und schwachem Herzen ein, wobei dabei nicht die tatsächlichen Organe gemeint sind.

Der menschliche Organismus schließlich wird als ein Zusammenwirken von fünf Funktionskreisen begriffen, von denen jedes seinen besonderen Bezug zu einem der fünf Elemente und einer der fünf Jahreszeiten hat[1]. Diese Funktionskreise werden nach Organen benannt, haben mit diesen aber nichts zu tun.

  • Die Mitte (orbis lienalis) erfüllt die Aufgabengebiete der Aufnahme und Interaktion mit der Außenwelt.
  • Die Leber (orbis hepaticus) schafft die Voraussetzungen für die Mobilisierung der Aktivität und regelt die Dynamik des Menschen.
  • Das Herz (orbis cardialis) drückt sich durch eine intakte Koordination des Menschen aus.
  • Die Lunge (orbis pulmonalis) reguliert die rhythmischen Fähigkeiten des gesamten Organismus wie Atmung, Herzschlag und das Zusammenspiel der Organe untereinander.
  • Die Niere (orbis renalis) ist Sitz der angeborenen Konstitution und verliert im Laufe des Lebens ihre Kraft.

Dies zeigt, dass die Organbezeichnungen in der TCM mit der anatomischen Entsprechung nichts zu tun haben. Diese Denkansätze waren u.a. davon geprägt, dass Leichensektionen in China nicht durchgeführt wurden.

Das Konzept der 'Winde'

In der TCM wird betont, dass der Organismus nur durch die Assimilation äußerer Einflüsse lebensfähig ist. Dies bezieht sich auf einen naheliegenden Analogieschluss, da ein Mensch ohne die Zufuhr von Wasser, Luft und Nahrung nicht lange lebensfähig ist. Die TCM ist aber ebenso der Ansicht, dass der Mensch diesen Einflüssen nicht schutzlos ausgeliefert ist, denn sein Organisationsprinzip helfe ihm, Einflüsse zuzulassen oder auszugrenzen. Im Analogiemodell stehen bestimmte Faktoren für die Einflüsse von außen. Sie werden als Winde, Kälte, Feuchtigkeit oder als Verbindung verschiedener dieser Einflüsse bezeichnet. Je nach Reaktion des Organismus (z.B. durch hohes Fieber, Frösteln, geöffnete Hautporen beim Schwitzen) interpretiert die TCM dies als Aktivierung des wei qi, mit dem das Eindringen der Störung verhindert wird. Die Heilmaßnahmen der TCM zielen folgerichtig verstärkt darauf, das wei qi zu stärken.

Beeinflusst ein äußerer Wind den Patienten, kann dieser aber auch verinnerlicht werden, wenn er nicht ausreichend abgewehrt werden kann. Diesen Zustand nennt die TCM dann inneren Wind und bekämpft diesen mit symptomorientierten Mitteln.

Allgemein gesprochen zielt die TCM auf die Unterstützung der postulierten Regulationsmöglichkeiten des Menschen: auf die Ausscheidung von Schweiß, Urin, Stuhl, Blut, auf die Erweichung, Umwandlung und Ableitung von Schleim, auf die Kräftigung oder Verfügbarmachung von Synthese- und Wachstumsleistungen oder die Zerstreuung und Ableitung scheinbarer pathologischer Produkte.

Bedeutung der Befindlichkeit

Weil die äußere Beobachtung sowie die Befragung des Patienten die einzige Möglichkeit für den TCM-Therapeuten war, Informationen zu erhalten, wird der subjektiven Befindlichkeit des Patienten ein hoher Stellenwert eingeräumt. Im Westen wird dies als positiv empfunden, da hier die Gesprächsseite in der Arzt-Patienten-Beziehung geringer ausgeprägt ist.

Die Befragung ist oft sehr ausführlich. Es werden Temperaturempfindungen, Schwitzverhalten, Schmerzen, Beschaffenheit und Besonderheiten von Auswurf, Ausfluss, Urin und Stuhl, Appetenzverhalten wie Hunger und Durst, Schlafverhalten, Funktionszustand von Augen, Ohren, Nase und Geschmack, Menstruationsauffälligkeiten und die Selbsteinschätzung des Allgemeinbefindens abgefragt.

Zusätzlich untersucht der Arzt den (auch bekleideten) Patienten, indem er dessen Haut- und Gesichtsfarbe, die 'Kraft der Augen' und die 'Form des Fleisches' untersucht. Er beurteilt die Zunge, deren Belag und Form von Bedeutung ist. Er tastet den Puls an der A. radialis und versucht daraus Schlüsse auf den Organismus zu ziehen. Dabei spielt die Pulsstärke, die Pulslänge, seine 'Konsistenz' und die 'Beweglichkeit des Pulses' eine Rolle.

Arzneimittel

TCM3.jpg

Die therapeutischen Ziele werden mit sehr unterschiedlichen Arzneimitteln verfolgt. Dabei kennt die TCM eine mehrere tausend Jahre alte Tradition, diese Präparate in Arzneimittelbüchern aufzuschreiben und der Nachwelt weiterzureichen. Häufig handelt es sich um vielbändige Enzyklopädien, die viele tausend Substanzen beschreiben. Eines der bekanntesten, aber auch jüngsten ist das 'Buch der Heilenden Kräuter' aus dem 16. Jahrhundert.

Die Arzneimittel sind pflanzlicher, tierischer und mineralischer Herkunft; es werden aber auch Fermentationsprodukte (Rotes Reismehl) benutzt. Die pflanzlichen Produkte dominieren mit etwa 90%. Es werden je nach Pflanze und Anwendungsziel Wurzeln, Wurzelstöcke, Rinden, Hölzer, Blätter, Zweige, Blüten, Früchte oder Samen verwendet.

Die ursprüngliche Anwendungsform war der Sud (Dekokt). Die gesamte Rezeptur wird in einer entsprechenden Flüssigkeit eingeweicht, erhitzt und etwa 20 Minuten gekocht, danach abgekühlt und gefiltert. Daneben finden auch Pulver, Salben, Wachse und wachsartige Zubereitungen, Pasten und Flüssigkeiten Verwendung.

Jede Einzeldroge besitzt ihr spezifisches Profil, das sich aus dem Temperaturverhalten (siebenstufige Skala) und der Geschmacksrichtung (sauer, bitter, süß, scharf, salzig und neutral) ergibt. Beides sind gemäß der chinesischen Pharmakologie elementare Eigenschaften der Arzneien. Sie stehen in einem direkten Zusammenhang mit bestimmten Wirktendenzen. Diese sind wiederum spezifisch funktionskreisbezogen. Im Ergebnis werden für jedes Mittel Indikationen und Kontraindikationen angegeben. Zur weiteren Bestimmung gehören Kombinierbarkeit und Unverträglichkeit mit anderen Drogen, die Toxizität und die Dosierung entsprechend der Verabreichungsform.

Auch den Lebensmitteln wird nach dem Vorbild der Arzneimittel ein bestimmtes Wirkprofil zugeschrieben. Diesem entsprechend lassen sich die gängigen Lebensmittel therapiebegleitend und vorbeugend einsetzen.

Missverständnisse zur TCM im Westen

Im Westen wird die TCM häufig mit Akupunktur oder Qigong gleichgesetzt, aber dies ist ein Trugschluss. Die TCM gliedert sich in verschiedene Bereiche, wobei die Akupunktur oder gymnastische Übungen eher untergeordnete Gebiete darstellen. In der TCM dominiert vielmehr eine Kräuter- und Heilmittelmedizin, die mit einem althergebrachten Diagnosesystem kombiniert ist. Viele Missverständnisse, Fehleinschätzungen und Vorurteile, die im Westen gegenüber der TCM bestehen, basieren darauf, dass man in China nach der politischen Öffnung begann, Ausländern für harte Devisen die chinesische Medizin wie einen Exportartikel anzudienen. Angebliches oder tatsächlich authentisches Wissen der TCM wird dabei vermarktet.

Weiterhin gehört es zu den typischen Missverständnissen in Europa, dass Begriffen der TCM (zum Beispiel Yin und Yang, Fünf-Elemente-Lehre) bzw. ihren Organzuordnungen die tatsächlichen anatomischen Strukturen zugeordnet werden. Das ist in der TCM nicht der Fall. Wenn man vom kleinen Yang spricht, bedeutet das nicht automatisch die tatsächliche Leber, sondern lediglich den Bereich des Organismus, der in der TCM dem Funktionskreis Leber zugeordnet wird.

So wird Holz als das kleine Yang bezeichnet und der Leber zugeordnet. Feuer ist das große Yang und wird dem Herzen zugeschrieben. Metall ist das kleine Yin und steht für die Lunge, Wasser ist das große Yin und steht für die Niere. Die Erde wird mit Milz und Magen in Verbindung gebracht, was ein naheliegender (wenn auch falscher) Analogieschluss ist.

Zusätzlich werden noch verschiedene Funktionsabläufe in der TCM beschrieben, die man als Energieflüsse beschreibt. Im Westen versteht man dies als Ch'i und kommt dadurch schnell zum falschen Schluss, dies mit Karma oder mutmaßlichen, angeblich realen Energiefeldern (z.B. Bioenergetik) zu vermengen. Dabei ist dies falsch, da die Energieflüsse nur Umschreibungen äußerlich erkennbarer Verhaltensweisen sind.

Immer wieder entsteht im Westen der Eindruck, die TCM sei ein gänzlich anderes System der Diagnose und Therapie des Menschen. Sie wird gern mit dem Modebegriff 'ganzheitlich' ausgestattet, was aber nicht der Realität entspricht. Die TCM ist eine praktische Medizin, deren Ursprung durch ein großes Manko geprägt war: die chinesischen Vorstellungen über das Innere des menschlichen Organismus wurden anfänglich nicht durch Sektion von Leichen, also dem Erwerb anatomischer Kenntnisse, erworben. Grund dafür war ein viele Jahrhunderte geltendes Verbot der Leichenöffnung. Es war vielen Ärzten also gar nicht möglich, Anatomie zu betreiben. Man war auf Übermittlungen dieses Wissens aus Indien und dem arabischen Raum angewiesen.

Durch die äußere Beobachtung des Menschen versuchte man, diese Lücken auszugleichen. Wie auch bei der Ayurveda, kann selbst die genaueste Beobachtung des Verhaltens oder der Äußerlichkeiten des Menschen wie auch die Analyse von Körpersäften wie Blut, Speichel, Schweiß, Sekreten, Auswurf, Urin und Stuhl keine umfängliche Bewertung des Inneren ermöglichen. in manchen Fällen werden zwar häufig korrekte Arzneimittel verwendet, die entweder die Symptome oder sogar das zugrunde liegende Leiden gezielt behandeln können, dies beruht aber nicht auf einer Analyse der tatsächlichen Krankheitsursachen.

Im Westen wurde durch die anatomischen Lehren, die vor allem im 19. Jahrhundert durch die in Europa stattfindende mikroskopische Entwicklung stark befördert wurden, hingegen im Rahmen der Hochschulmedizin die Basis für die Diagnostik. Diese Stütze fehlte der TCM vollständig.

Es bleibt aber immer die Gefahr, dass ein TCM-Therapeut und ein Hochschulmediziner bei der Diagnose aneinander vorbei reden. Der erste betreibt eine an groben, äußerlichen Befunden orientierte Diagnostik und Therapie, der zweite eine möglichst zielgenaue, apparativ gestützte Therapie. Aus diesem Grund ist es zwangsläufig, dass beide Herangehensweisen auch unterschiedliche Krankheitsklassifikationen verwenden müssen. Daher besteht die Gefahr, dass ein in Wirklichkeit unwirksames oder sogar gefährliches TCM-Produkt zu einem Wundermittel stilisiert wird, wie zum Beispiel Mahuang. Andererseits können durchaus wirksame Arzneimittel der TCM als unwirksam klassifiziert werden.

Rechtliche Situation für die TCM in Europa

Wer in Deutschland TCM anwenden will, stößt schnell auf Probleme. Hauptgrund ist der Umstand, dass es sich bei TCM-Arzneimitteln häufig um Pflanzengemische oder sonstige, nicht standardisierte Zubereitungen handelt. Diese können aus formalen Gründen nicht als Fertigarznei angemeldet werden. Es bleibt hier überwiegend nur der Weg gemäß § 21 AMG. Der Arzt verordnet eine Zubereitung, der Patient geht damit zum Apotheker, dieser beschafft die Rohware(n) und produziert die Arznei. Dieser Weg bedarf keiner Arzneimittelregistrierung, wenn der Apotheker nicht mehr als 99 Packungen der gleichen Arznei täglich abgibt.

Dennoch gibt es viele Zubereitungen und Gemische, die in China als Fertigarznei direkt im Verkehr sind. Man kann diese nicht immer direkt gemäß § 73 Abs. 3 AMG importierten, weil deren Herstellung in China nicht standardisiert ist. Bei einigen Pflanzen fehlen auch die Monographien im Westen, was eine Qualitätskontrolle erschwert. Dies liegt daran, dass eine Reihe von TCM-Heilpflanzen in Europa nicht heimisch sind und importiert werden müssen. Erschwert wird dies durch unseriöse Anbieter aus dem Fernen Osten, die z.B. auch schwermetall- oder pestizidbelastete Rohware auf den internationalen Markt bringen.

Anbieter von TCM-Produkten können ihr Produkt lediglich als Nahrungsergänzung vertreiben. Diese dürfen nicht mit Heilaussagen beworben werden und zwar weder bei Ärzten/Apothekern noch beim Patienten selbst. Das führt zur abstrusen Situation, dass wirksame Produkte in einem Graumarkt vertrieben werden müssen, der neben lauteren auch unlautere Anbieter aufweist. Letztendlich wird der Verbraucher verunsichert, weil er nur schwer zwischen seriösen und unseriösen Produkten unterscheiden kann. Nicht selten sind auch Ärzte und Apotheker hier überfordert.

Wirksamkeit

Von wissenschaftlicher Seite, insbesondere der evidenzbasierten Medizin, wird die therapeutische Wirksamkeit vieler Behandlungsmethoden der TCM bestritten.

Die zusammenfassende Endbewertung der Stiftung Warentest für die "Traditionelle Chinesische Medizin (TCM)" kommt zu folgendem Ergebnis: "[...] Die Wirksamkeit der TCM ist außer für Kopfschmerzen für keine andere Erkrankung belegt. Die Risiken sind erheblich. Den diagnostischen Techniken der TCM konnte keine Zuverlässigkeit bestätigt werden. Eine Nutzen-Risiko-Abwägung fällt bei Kopfschmerzen aufgrund des schwachen Wirksamkeitsnachweises und der bestehenden Risiken eher negativ, für alle anderen Erkrankungen negativ aus. TCM ist zur Behandlung von Kopfschmerzen wenig geeignet, zur Diagnose oder Therapie bei allen anderen Erkrankungen nicht geeignet [...]".[2]

Kritik

Die Grundkonzepte der TCM widersprechen naturwissenschaftlichen Prinzipien, da sie aus einer Zeit stammen, in der anatomische und physiologische Kenntnisse kaum vorhanden waren und die Medizin auf magischem Denken beruhte.

Ein weiterer Kritikpunkt an der TCM ist, dass die aktuell praktizierte TCM nicht Jahrtausende, sondern erst durch die Förderung unter Mao Zedong entstand und damit gerade einmal mehrere Jahrzehnte alt sei.[35] Heute fördere die chinesische Regierung die Verbreitung der TCM im Ausland, um das eigene Prestige zu steigern.[3]

Gefahren

Da die Apotheken in Deutschland der Kontrolle der Arzneimittelbehörden unterworfen sind, werden sämtliche dort verkauften Produkte mittels vorgeschriebener Verfahren analysiert und müssen bestimmte Qualitätsmerkmale erfüllen. Unerwünschte Wirkungen können bei chinesischen Arzneien wie bei allen Medikamenten bei unsachgemäßer Einnahme auftreten. Bei den chinesischen Abkochungen von Pflanzenteilen handelt es sich teilweise um potente Substanzen, die schwere Störungen hervorrufen können, wenn sie zur falschen Zeit oder bei der falschen Indikation eingenommen werden.

Bei der Vermarktung über das Internet können auch ungetestete Präparate unklarer Zusammensetzung gehandelt werden. Durch die Verwendung exotischer Pflanzen, die unbekannte Mengen an verschiedenen, teils ungetesteten oder undeklarierten Inhaltsstoffen enthalten, sowie den möglichen Schadstoff- oder Pestizidgehalt der Mittel kann es zu teilweise schwerwiegenden Nebenwirkungen kommen.

Da nur ein geringer Teil der Heilpflanzen aus kontrolliertem Anbau stammt, kann es zur Überschreitung der Grenzwerte für Schadstoffe in den daraus hergestellten Arzneimitteln kommen, wie zum Beispiel für Schwermetalle Cadmium, Blei und Quecksilber oder Verunreinigungen mit den krebserregenden Schimmelpilzgiften aus der Gruppe der Aflatoxine.[4] Einige pflanzliche Präparate und Mixturen erwiesen sich als potentiell hepatotoxisch (leberschädigend).[5]

Pflanzliche Präparate, die Aristolochiasäure enthalten, erwiesen sich als karzinogen (krebserregendend) und stark nephrotoxisch (nierenschädigend).[6] Deshalb wurden in Deutschland diese Produkte aufgrund eines Stufenplanverfahrens (vom 3. Juni 1981), alle „Aristolochiasäure-haltigen Human- und Tierarzneimittel, einschließlich phytotherapeutischer und homöopathischer Arzneimittel, die unter Verwendung Aristolochiasäure-haltiger Pflanzen hergestellt werden“, verboten. Doch auch nach dem Verbot taucht Aristolochiasäure, begünstigt durch den Vertrieb über das Internet, immer wieder in Naturheilmitteln auf, so 1992 in Belgien in dem Schlankheitsmittel „Fang Ji“. Damals hatten die Hersteller aufgrund eines Übersetzungsfehlers statt „Han Fang Ji“ (Stephania tetrandra) „Guang Fang Ji“ (Aristolochia fangchi) in die Präparate gemischt. Etliche Anwenderinnen wurden dialysepflichtig, einige entwickelten später Karzinome in den ableitenden Harnwegen.[7] 39 Frauen mussten die Nieren prophylaktisch entfernen lassen, weil sie Schlankheitstees mit Aristolochiasäure zum Abnehmen getrunken hatten.[8]

Prinzipiell besteht das Problem, dass Mittel der TCM auch Substanzen enthalten können, die nicht im Begleitschreiben enthalten sind. Australische Forscher untersuchten im Jahre 2012 15 verschiedene TCM-Mittel und gewannen aus diesen 49.000 genetische Spuren, die die Herkunft der Inhaltsstoffe aufzeigten. Die Forscher fanden unter anderem Spuren geschützter Pflanzen- und Tierarten sowie Spuren von krebserregenden Substanzen. Dreiviertel der untersuchten Mittel enthielt Spuren von Lebewesen, die nicht in einem Begleitschreiben aufgeführt waren.[9][10]

Pflanzliche Medikamente aus der TCM werden mitunter auch mit undeklarierten synthetischen Substanzen gepanscht, die die Wirksamkeit des angeblich rein natürlichen Arzneimittels erhöhen sollen. Teilweise handelt es sich um illegale Substanzen, die in Deutschland wegen ihrer Gefährlichkeit vom Markt genommen oder niemals zugelassen wurden, wie zum Beispiel den Appetitszügler Siburamin.[11]

Anmerkungen zum Artenschutz

Tigerkadaver
Gefangen gehaltene Asiatische Schwarzbären zur Gewinnung von Galle

Die Traditionelle Chinesische Medizin verwendet nicht nur Materialien pflanzlicher, sondern auch tierischer Herkunft.[12] Besonders beliebt sind z.B. Mittel zur Potenzsteigerung, wie u.a. Tigerknochen, Rhinozeroshörner und Schlangen(teile). Ein weiteres chinesisches Tigerprodukt ist der Tigerknochenwein. Die Gewinnung von Rohstoffen für die TCM ist eine wichtige Ursache für das Aussterben einiger Tierarten.[13][14][15][16][17]

Weitere Beispiele für die Gefährdung von Tierarten durch die TCM sind der massenhafte Fang von Seepferdchen[18][19], Haien (Haiknorpel[20]) oder Riesenmantas zu "medizinischen" Zwecken, wodurch einige dieser Arten bereits vom Aussterben bedroht sind. Nach Angaben der australischen Zeitung "The Sydney Morning Herald" nehme der Bestand an Riesenmantas (Manta birostris) ab und dies liege an einem zunehmenden "Bedarf" auf dem chinesischen Alternativmedizinmarkt. Das Interesse gilt dabei den "gill rakers", fadenförmige Gebilde, die diese bis zu 1.400 Kilo schweren Riesenrochen zur Filterung des Wassers benutzen. Behauptet wird beispielsweise, dass diese Gebilde das Immunsystem "stärken" oder vor Krebs oder viralen Erkrankungen schützen sollen. Die australische Regierung plant nun ein Fangverbot. Die "gill rakers" erzielen im südchinesischen Guangzhou, wo 99% dieser Tierprodukte gehandelt werden, einen Preis von 251 US-Dollar/Kilo.[21]

Ursodeoxycholsäure, ein weiteres Mittel der Traditionellen Chinesischen Medizin, das in der Galle des Asiatischen Schwarzbären vorkommt, bringt bei deren Gewinnung in so genannten Bärenfarmen unvorstellbare Tierquälerei für circa 10.000 Asiatische Schwarzbären mit sich.[22] Bei vielen aus solchen Farmen geretteten Bären wurde Leberkrebs festgestellt und in der verkauften Gallenflüssigkeit konnten Karzinogene nachgewiesen werden.[23]

Auch Pflanzenarten werden durch die Nutzung in der TCM aufgrund der massenhaften Entnahme aus der Natur in ihrem Bestand gefährdet. Ein Beispiel dafür ist der Asiatische Ginseng (Panax ginseng), der als Wildpflanze vom Aussterben bedroht ist.

Literatur

  • Eckart WU: Geschichte der Medizin. Springer Verlag, Berlin, 3. Aufl., 33-36, 1998
  • Stöger EA, Zhicen L, Zhao D, Yuan S, Friedl F: Arzneibuch der chinesischen Medizin. Dt. Apotheker Verlag, Stuttgart, 2001
  • Huston, Peter: China, Chi, and Chicanery – Examining Traditional Chinese Medicine and Chi Theory, Skeptical Inquirer, September/Oktober 1995, vol. 19, 5
  • Barry L. Beyerstein / Wallace Sampson: Traditional Medicine and Pseudoscience in China: A Report of the Second CSICOP Delegation . Skeptical Inquirer, Juli / August 1996, vol. 20, 4


Weblinks



Quellennachweise

  1. Anders als bei uns geht man im traditionellen China, analog zu den Fünf Wandlungsphasen, von fünf Jahreszeiten aus. Diese fünf Jahreszeiten sind Frühjahr (Element Holz), Sommer (Element Feuer), Herbst (Element Metall), Winter (Element Wasser) und die Übergangszeiten (Doyo, Element Erde). Frühjahr, Sommer, Herbst und Winter erstrecken sich über jeweils 73 Tage, und die Jahreszeit Erde über viermal etwa 18 Tage (jeweils etwa 18 Tage zwischen Frühjahr und Sommer, zwischen Sommer und Herbst, zwischen Herbst und Winter und zwischen Winter und Frühjahr).
  2. Stiftung Warentest "Die andere Medizin" Alternative Heilmethoden für Sie bewertet
  3. http://www.sciencebasedmedicine.org/acupuncture-a-proclamation-from-chairmen-mao-partt-iii/
  4. Gute Pillen – Schlechte Pillen, 2005/02, S. 4: http://gutepillen-schlechtepillen.de/pages/archiv/jahrgang-2005/nr.-2-dez.-2005/produkte-der-traditionellen-chinesischen-medizin-mit-schadstoffen-belastet-bleierne-regenwuermer.php?searchresult=1&sstring=TCM#wb_325 Produkte der traditionelle chinesischen Medizin mit Schadstoffen belastet]
  5. http://www.pharmazeutische-zeitung.de/index.php?id=52632
  6. http://www.bfs-ev.de/index.php?menuid=27&reporeid=1205
  7. http://www.aerzteblatt.de/v4/news/news.asp?id=30886
  8. http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/10841870
  9. Coghlan, M. L., et al. "Deep Sequencing of Plant and Animal DNA Contained within Traditional Chinese Medicines Reveals Legality Issues and Health Safety Concerns", PLoS Genet. 8, e1002657 (2012)
  10. http://www.nature.com/news/screen-uncovers-hidden-ingredients-of-chinese-medicine-1.10430
  11. Gute Pillen – Schlechte Pillen, 2011/06, S. 14: Gepanschtes: Kriminell und weit verbreitet, Gefährliches aus dem asiatischen Raum
  12. http://www.sciencebasedmedicine.org/?p=432
  13. http://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/0,1518,636780,00.html
  14. http://www.spiegel.de/wissenschaft/natur/0,1518,146139,00.html
  15. http://www.wwf.de/presse/details/news/bestandszahlen_2009_tiger_am_abgrund/
  16. http://help.orf.at/?story=8403
  17. Traditional Chinese Medicine and Endangered Species
  18. http://wissen.spiegel.de/wissen/dokument/dokument.html?id=25604186&top=SPIEGEL
  19. http://www.bio.tamu.edu/USERS/ajones/pubs_files/news/ROESSIGER_Seepferdchen.pdf
  20. http://www.greenpeace-magazin.de/index.php?id=4796
  21. http://www.smh.com.au/environment/animals/chinese-medicine-proves-disastrous-for-manta-rays-20121019-27wrg.html
  22. http://www.geo.de/GEO/natur/tiere/3599.html
  23. BEARS HOWL IN AGONY TO PRODUCE HEALTH PILLS SOLD HERE, James Fielding, UK News