Tomatis-Therapie

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Alfred Tomatis

Die Tomatis-Therapie (auch als Tomatis-Hörkur, Horchtraining, Mozart-Therapie, Audio-Psycho-Phonologie und anderen Bezeichnungen propagiert) ist eine umstrittene pseudomedizinische Methode für den HNO-Bereich, für die kein wissenschaftlicher Wirksamkeitsnachweis bekannt ist. Sie soll bei Schwerhörigkeit, Gedächtnis- und Verhaltensstörungen, Lernstörungen, Legasthenie, Autismus, Depressionen, Schizophrenie und anderen Störungen und Erkrankungen helfen.

Methode

Tomatis war der Ansicht, dass für die kindliche Sprachentwicklung vor allem das rechte Ohr entscheidend sei. Eine wesentliche Ursache der Legasthenie sei ein linksdominantes Hören im Gehirn, das durch seine Methode auf das anzustrebende rechtsdominante Hören umgepolt werden müsse. Überhaupt spiele das Ohr für die kindliche Entwicklung einen herausragenden Rolle; eine besondere Bedeutung habe die Stimme der Mutter, und dies etwa ab dem 4. Schwangerschaftsmonat. Tomatis glaubte, dass eKomplikationen in der Schwangerschaft oder bei der Geburt oder eine Ablehnung des Kindes durch die Mutter dazu führe, dass das Kind unbewusst nicht zuhöre. Dadurch würden die Mittelohrmuskeln ihre Spannung verlieren und die Hörfähigkeit beeinträchtigt.[1]

Bei der Tomatis-Therapie werden dem Patienten über Kopfhörer Sprache, Geräusche und Musik angeboten, deren Klang techniscb verändert ist. Insbesondere werden hoch- oder tieffrequente Anteile verstärkt. Vor allem Musik von Mozart sei gut geeignet. Sie wird so gefiltert, das nur noch hohe Töne (ab 8000 Hz) enthalten sind. Zusätzlich wird die Stimme der Mutter dargeboten (die dazu z.B. einen Text vorlesen muss). Die Stimme wird so verändert, wie sie angeblich im Mutterleib wahrgenommen würde. Sie ist dann zwar nicht zu verstehen, sei aber unverwechselbar. Die Geräusche, Klänge und die Stimme werden wechselnd lateralisiert dargeboten mit dem Ziel, eine Dominanz des rechten Ohrs zu erreichen. Durch die Therapie würden auch die Mittelohrmuskeln trainiert, was nicht nur die Hörfähigkeit verbessere, sondern auch die Befindlichkeit insgesamt.

Eine Variante der Tomatis-Methode wurde von dem französischen Arzt Guy Berard entwickelt und vor allem in den 1990er-Jahren propagiert, das sog. Auditory Integration Training (AIT), auch Berard AIT genannt.

Kritik

Eine realitätsbezogene Begründung seiner Thesen hat der 1920 geborene Alfred Tomatis nicht vorgelegt. Überprüfungen der Tomatis-Methode wurden bei Legasthenikern vorgenommen, verliefen aber erfolglos. So wurde vom Werner-Otto-Institut in Hamburg ein Bericht über eine Studie vorgelegt, in dem das Tomatis-Verfahren mit einem Placebo-Training verglichen wurde. Nach zweijährigem Training war das Resultat ernüchternd, denn die Placebo-Trainierten schnitten sogar besser als die Untersuchungsgruppe ab. Auch die Académie National de Médicine in Paris sprach sich 1993 gegen die Tomatis-Methode aus.[2] Die Theorie bediene sich nicht einmal ansatzweise der üblichen medizinischen Argumentationsweise. So behaupte Tomatis, dass 80% der Legastheniker schwerhörig seien, wohingegen nachgewiesenermaßen der Anteil Schwerhöriger bei diesen Personen nicht höher als in der Normalbevölkerung ist. Die Theorien von Tomatis seien nur in populärwissenschaftlichen Heften und Blättern erschienen und es gebe keine Veröffentlichung in einer medizinischen Fachzeitschrift. In der Tat findet sich im medizinischen Fachschrifttum keine einzige Publikation von Tomatis, die eine Wirksamkeit der Methode gezeigt hätte.

Auch ie AIT-Methode von Berard wird in Fachkreisen kritisch bewurteilt. Sie wurde u.a. von Mudford et al. (2000) an 16 autistischen Kindern hinsichtlich seiner Wirksamkeit untersucht und es stellte sich heraus, dass keines der Kinder von der Therapie profitierte. [3] Diese Erkenntnis teilen Dawson und Watling (2000), die alle verfügbaren Studien dieser Therapierichtung unter die Lupe nahmen.[4] Die Amerikanische Akademie für Kinderheilkunde sprach sich 1998 dahingehend aus, dass es keine wissenschaftlich belegbaren Beweise für die Wirksamkeit dieser Therapieform gäbe.[5] Die American Speech-Language-Hearing Association ASHA kommt ebenfalls zu dem Urteil, dass die Methode keine wissenschaftlichen Standards für Wirksamkeit und Sicherheit erfüllt und sieht keine rechtfertigung für ihren Einsatz.[6] In den letzten Jahren wird die Methode verstärkt zur Behandlung von ADHS-Kindern beworben. Wissenschaftliche Studien, welche die Wirksamkeit der Tomatis-Methode bzw. des Auditory Integration Trainings bei ADHS-Patienten untersucht hätten, liegen nicht vor.

Nach Angaben von Stollhoff (2000) trat Tomatis Ende der 1970er Jahre aus der französischen Ärztekammer aus und wurde seitdem nicht mehr als Arzt betrachtet.[7] Außerdem wird die Tomatis-Methode von französischen HNO-Ärzten abgelehnt.

Siehe auch

Quellennachweise

  1. D. Karch, V. Uttenweiler, G. Groß-Selbeck, E. Kruse, D. Rating, A. Ritz, H.G. Schlack, H. v. Wedel: "Hörtraining" nach Tomatis und Klangtherapie. Gemeinsame Stellungnahme der Gesellschaft für Neuropädiatrie, der ADANO der Deutschen Gesellschaft für Hals-Nasen-Ohren-Heilkunde, Kopf- und Halschirurgie und der Deutschen Gesellschaft für Phoniatrie und Pädaudiologie
  2. http://www.legasthenie.de/lrs/tomatis.htm
  3. Mudford OC, Cross BA, Breen S, Cullen C, Reeves D, Gould J, Douglas J: Auditory integration training for children with autism: no behavioral benefits detected. Am J Ment Retard, 105, 118-129, 2000
  4. Dawson G, Watling R: Interventions to facilitate auditory, visual and motor integration in autism: a review of evidence. J Autism Dev Disord, 30, 415-421, 2000
  5. American Academy of Pediatrics: Auditory integration training and faciliated communication for autism. Pediatrics, 102 (2 Pt 1), 431-433, 1998
  6. American Speech-Language-Hearing Association (2004): Auditory Integration Training (Technical Report)
  7. Stollhoff K: Tomatis-Therapie. Was ist dran an dieser Hörkur? Pädiatrie hautnah, Nr.10, 408-409, 2000