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[[image:Dalai_Lama2.jpg|[[Dalai Lama]] als tibetischer Feudalherr 1956 (Bild:<ref>http://www.linkezeitung.de/cms/index.php?option=com_content&task=view&id=4284&Itemid=199</ref>|300px|thumb]]
 
[[image:Dalai_Lama2.jpg|[[Dalai Lama]] als tibetischer Feudalherr 1956 (Bild:<ref>http://www.linkezeitung.de/cms/index.php?option=com_content&task=view&id=4284&Itemid=199</ref>|300px|thumb]]
Der '''tibetische Buddhismus''', bekannt auch als Vajrayana oder „Diamantgefährt“ ist eine besondere Form des Buddhismus, die ab dem 4. Jahrhundert u. Z. als Untergliederung des Mahayana oder „Großen Gefährtes“ entstand. Er versteht sich als höchstentwickelte Schule der buddhistischen Lehre, die alle anderen Schulen übertreffe beziehungsweise in sich vereine. Angeblich sei sie von Buddha selbst zusammengestellt worden, erst tausend Jahre später sei die Menschheit reif genug gewesen, sie zu erfahren. Mitte des 7. Jahrhunderts u. Z. wurde sie von indischen Mönchen in Tibet eingeführt und entwickelte sich, nach anfänglichen Schwierigkeiten, ab dem 11. Jahrhundert zur letztlich alles durchherrschenden kulturellen Kraft des zentralen Himalayaraumes. Vajrayana stellt auch im Westen die weitestverbreitete Form des Buddhismus dar und wird oft, entgegen ihrer Realität, als besonders friedliebend verklärt.
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Der '''tibetische Buddhismus''', bekannt auch als Vajrayana oder „Diamantgefährt“ ist eine besondere Form des [[Buddhismus]], die ab dem 4. Jahrhundert u. Z. als Untergliederung des Mahayana oder „Großen Gefährtes“ entstand. Er versteht sich als höchstentwickelte Schule der buddhistischen Lehre, die alle anderen Schulen übertreffe beziehungsweise in sich vereine. Angeblich sei sie von Buddha selbst zusammengestellt worden, erst tausend Jahre später sei die Menschheit reif genug gewesen, sie zu erfahren. Mitte des 7. Jahrhunderts u. Z. wurde sie von indischen Mönchen in Tibet eingeführt und entwickelte sich, nach anfänglichen Schwierigkeiten, ab dem 11. Jahrhundert zur letztlich alles durchherrschenden kulturellen Kraft des zentralen Himalayaraumes. Vajrayana stellt auch im Westen die weitestverbreitete Form des Buddhismus dar und wird oft, entgegen ihrer Realität, als besonders friedliebend verklärt. Derzeit ist eine Demokratisierung der Gesellschaft in Tibet im Gange.
    
==Geschichte==
 
==Geschichte==
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Zugang zu den Geheimpraktiken des „Phallusgefährtes“ hatte seit jeher nur eine kleine Elite innerhalb der monastischen Hierarchie, die sich im Verborgenen eigens rekrutierter „Sexgefährtinnen“ (tibet.: Songyum) bediente. Während die einfachen Mönche zu sexueller Enthaltsamkeit beziehungsweise zu tantrischen Praktiken lediglich in Gestalt von [[Visualisieren|Visualisierungsübungen]], (Masturbation und ohne anwesende Frau) verpflichtet werden, hatten höhere Lamas schon immer ihre geheimen Konkubinen.
 
Zugang zu den Geheimpraktiken des „Phallusgefährtes“ hatte seit jeher nur eine kleine Elite innerhalb der monastischen Hierarchie, die sich im Verborgenen eigens rekrutierter „Sexgefährtinnen“ (tibet.: Songyum) bediente. Während die einfachen Mönche zu sexueller Enthaltsamkeit beziehungsweise zu tantrischen Praktiken lediglich in Gestalt von [[Visualisieren|Visualisierungsübungen]], (Masturbation und ohne anwesende Frau) verpflichtet werden, hatten höhere Lamas schon immer ihre geheimen Konkubinen.
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Die beteiligten Mädchen und Frauen werden durch massive Einschüchterung und Bedrohung, unter anderem mit grausigen Höllenqualen, zu absolutem Stillschweigen verpflichtet. Überdies wird den Frauen suggeriert, sie könnten durch die sexuelle Beziehung mit einem Lama jede Menge „gutes [[Karma]]“ für künftige Inkarnationen ansammeln; allerdings nur, wenn sie diese geheim hielten. Seitens der Lamas werden sexuelle Praktiken mit realen Frauen kategorisch abgestritten, selbst dann, wenn sie ihnen unabstreitbar nachgewiesen worden sind. In der Regel wird behauptet, bei den tantrischen Ritualen handle es sich ausschließlich um imaginatives Geschehen, um das „meditative Visualisieren der Vereinigung einer männlichen Gottheit mit einer weiblichen Gefährtin“ mit dem Ziel, zu tieferen Einsichten in die „Integration polarer Gegensätze“ zu gelangen. Tatsächlich sind derlei Visualisierungsübungen nur ein Aspekt der tantrischen Praxis, auf den höheren Stufen der Einweihung bedienen sich die Lamas sehr wohl ganz realer Frauen. Gerüchte und Berichte über sexuell ausbeuterische Beziehungen tibetischer Lamas zu Schülerinnen, auch aus dem Westen, hatten sich seit Jahren derart verdichtete, dass das Thema nicht länger verschwiegen oder als Einzelfall unter den Tisch geredet werden konnte. Selbst der Dalai Lama sah sich genötigt, Position zu beziehen.  
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Die beteiligten Mädchen und Frauen werden durch massive Einschüchterung und Bedrohung, unter anderem mit grausigen Höllenqualen, zu absolutem Stillschweigen verpflichtet. Überdies wird den Frauen suggeriert, sie könnten durch die sexuelle Beziehung mit einem Lama jede Menge „gutes [[Karma]]“ für künftige Inkarnationen ansammeln; allerdings nur, wenn sie diese geheim hielten. Seitens der Lamas werden sexuelle Praktiken mit realen Frauen kategorisch abgestritten, selbst dann, wenn sie ihnen unabstreitbar nachgewiesen worden sind. In der Regel wird behauptet, bei den tantrischen Ritualen handle es sich ausschließlich um imaginatives Geschehen, um das „meditative Visualisieren der Vereinigung einer männlichen Gottheit mit einer weiblichen Gefährtin“ mit dem Ziel, zu tieferen Einsichten in die „Integration polarer Gegensätze“ zu gelangen. Tatsächlich sind derlei Visualisierungsübungen nur ein Aspekt der tantrischen Praxis, auf den höheren Stufen der Einweihung bedienen sich die Lamas sehr wohl ganz realer Frauen. Gerüchte und Berichte über sexuell ausbeuterische Beziehungen tibetischer Lamas zu Schülerinnen, auch aus dem Westen, hatten sich seit Jahren derart verdichtet, dass das Thema nicht länger verschwiegen oder als Einzelfall unter den Tisch geredet werden konnte. Selbst der Dalai Lama sah sich genötigt, Position zu beziehen.  
    
Erwartungsgemäß wälzte er aber die Schuld an dem Missbrauch auf die jeweiligen Schülerinnen ab, die „ihre spirituellen Lehrmeister zu sehr verwöhnen; sie verderben sie“.
 
Erwartungsgemäß wälzte er aber die Schuld an dem Missbrauch auf die jeweiligen Schülerinnen ab, die „ihre spirituellen Lehrmeister zu sehr verwöhnen; sie verderben sie“.
Der Zweck der (angeblich nur visualisierten) tantrischen Sexbeziehungen liege im übrigen keineswegs in der Befriedigung sexueller Lust. Vielmehr werde die sexuelle Praktik ausschließlich zur „Bewusstseinsintensivierung“ benutzt.  
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Der Zweck der (angeblich nur visualisierten) tantrischen Sexbeziehungen liege im Übrigen keineswegs in der Befriedigung sexueller Lust. Vielmehr werde die sexuelle Praktik ausschließlich zur „Bewusstseinsintensivierung“ benutzt.  
    
Mit Sinnenfreude habe das alles nichts zu tun: Vajrayana bediene sich „geschickter Mittel, mit deren Hilfe die Kraft der Begierde so gelenkt werden kann, dass sie für den spirituellen Pfad nutzbar wird und Begierde schließlich selbst das Mittel zur Überwindung der Begierde wird“.  
 
Mit Sinnenfreude habe das alles nichts zu tun: Vajrayana bediene sich „geschickter Mittel, mit deren Hilfe die Kraft der Begierde so gelenkt werden kann, dass sie für den spirituellen Pfad nutzbar wird und Begierde schließlich selbst das Mittel zur Überwindung der Begierde wird“.  
 
Im Widerspruch hierzu steht ein Kompendium, das der tibetische Lama Gedün Chöpel (1895-1951) Anfang der 1930er Jahre für seinesgleichen verfasst hat. Unter ausdrücklicher Bezugnahme auf das indische Kamasutra erörtert Chöpel nicht nur allerlei Stellungen des Beischlafs und die dazugehörigen rhythmischen Bewegungen, sondern mithin auch die Kunst, währenddessen anregende Geräusche zu erzeugen. Detailliert beschreibt er auch einzelne Techniken zur Stimulierung von Penis und Klitoris sowie die Anwendung verschiedener Hilfsgeräte bei Erektionsproblemen.
 
Im Widerspruch hierzu steht ein Kompendium, das der tibetische Lama Gedün Chöpel (1895-1951) Anfang der 1930er Jahre für seinesgleichen verfasst hat. Unter ausdrücklicher Bezugnahme auf das indische Kamasutra erörtert Chöpel nicht nur allerlei Stellungen des Beischlafs und die dazugehörigen rhythmischen Bewegungen, sondern mithin auch die Kunst, währenddessen anregende Geräusche zu erzeugen. Detailliert beschreibt er auch einzelne Techniken zur Stimulierung von Penis und Klitoris sowie die Anwendung verschiedener Hilfsgeräte bei Erektionsproblemen.
Die als Sexgefährtinnen in Frage kommenden Frauen müssen bestimmte Kriterien erfüllen: Laut tantrischer Lehre solle die Songyum mit „Anmut und Jugend“ ausgestattet sein und aus „gutem Hause“ stammen. Ihre Haut dürfe nicht zu dunkel und nicht zu hell sein und ihrer Vagina müsse ohne Unterlass ein „Duft wie von verschiedenen Lotusarten oder süßem Lilienholz“ entströmen. In einem Tantratext werden fünf Arten von Sexgefährtinnen, auch „Weisheitsgefährtinnen“ genannt, unterschieden: Die Achtjährige, die Zwölfjährige, die Sechzehnjährige, die Zwanzig- und die Fünfundzwanzigjährige. Jede Altersstufe diene ganz bestimmten Zwecken. Lama Chöpel rät davon ab, „mit Gewalt in ein junges Mädchen einzudringen“, das sich zu sehr wehre; es könne dies ihre Geschlechtsteile verletzen, was sie womöglich für weitere Praktiken unbrauchbar mache. Ratsam sei in solchem Falle, sich lediglich zwischen ihren Schenkeln zu reiben. Allemal empfehle es sich, Kinder vor dem Geschlechtsverkehr mit etwas Honig oder mit Süßigkeiten zu beschenken. Im übrigen sei es durchaus rechtens, ein Mädchen, das die sexuelle Vereinigung verweigere, dazu zu zwingen. Mit Frauen im fortgerückteren Alter, so die Lehre des Vajrayana, solle tunlichst nicht praktiziert werden: ab dreißig gelten Frauen als Manifestationen bösartiger Geister; ab Ende dreißig werden sie nur noch als „Hundeschnauze, Saugfresse, Schakalfratze, Tigerdrachen, Eulengesicht“ und dergleichen bezeichnet.
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Die als Sexgefährtinnen in Frage kommenden Frauen müssen bestimmte Kriterien erfüllen: Laut tantrischer Lehre solle die Songyum mit „Anmut und Jugend“ ausgestattet sein und aus „gutem Hause“ stammen. Ihre Haut dürfe nicht zu dunkel und nicht zu hell sein und ihrer Vagina müsse ohne Unterlass ein „Duft wie von verschiedenen Lotusarten oder süßem Lilienholz“ entströmen. In einem Tantratext werden fünf Arten von Sexgefährtinnen, auch „Weisheitsgefährtinnen“ genannt, unterschieden: Die Achtjährige, die Zwölfjährige, die Sechzehnjährige, die Zwanzig- und die Fünfundzwanzigjährige. Jede Altersstufe diene ganz bestimmten Zwecken. Lama Chöpel rät davon ab, „mit Gewalt in ein junges Mädchen einzudringen“, das sich zu sehr wehre; es könne dies ihre Geschlechtsteile verletzen, was sie womöglich für weitere Praktiken unbrauchbar mache. Ratsam sei in solchem Falle, sich lediglich zwischen ihren Schenkeln zu reiben. Allemal empfehle es sich, Kinder vor dem Geschlechtsverkehr mit etwas Honig oder mit Süßigkeiten zu beschenken. Im übrigen sei es durchaus rechtens, ein Mädchen, das die sexuelle Vereinigung verweigere, dazu zu zwingen. Mit Frauen im fortgerückteren Alter, so die Lehre des Vajrayana, solle tunlichst nicht praktiziert werden: ab Dreißig gelten Frauen als Manifestationen bösartiger Geister; ab Ende Dreißig werden sie nur noch als „Hundeschnauze, Saugfresse, Schakalfratze, Tigerdrachen, Eulengesicht“ und dergleichen bezeichnet.
    
===Tantra===
 
===Tantra===
Den (tibetisch-)tantrischen Praktiken geht es stets um die Transformation sexueller Energie in Macht, von Macht über einzelne Personen bis hin zur phantasmagorischen Macht, auf das Geschehen des Universums Einfluss zu nehmen. Zur Freisetzung derartiger (All-)Macht, bedarf der männliche Lama spezifisch weiblicher Energie. Diese Energie, in den Vorstellungen des Tantrismus ein durchaus materiell zu verstehendes „Elixier“, sucht der Lama sich mittels rituellen Sexualkontaktes zu Frauen anzueignen. In der Absorption der weiblichen Energie – diese wird vor allem in Menstruationsblut oder Vaginalsekret gewähnt – könne der Lama eine Art mystischer „Doppelgeschlechtlichkeit“ aufbauen, die die Urkräfte des Kosmos (tibet.: yab/yum) in ihm integriere und dadurch ins Omnipotente steigere. Ziel ist es, zum sogenannten Adibuddha zu werden, zum Herrn allen weltlichen und überweltlichen Geschehens. Interessant sind insofern die Ritualgegenstände, mit denen die Lamas bei ihren Zeremonien hantieren: in der Rechten führen sie stets das phallussymbolische Diamantszepter (sanskrit: Vajra), in der Linken die vaginasymbolische Glocke (sanskrit: Gantha): der Lama versteht sich als Herr des männlichen wie auch es weiblichen Prinzips, er ist Mann und Frau.
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Den (tibetisch-)[[Tantra|tantrischen]] Praktiken geht es stets um die Transformation sexueller Energie in Macht, von Macht über einzelne Personen bis hin zur phantasmagorischen Macht, auf das Geschehen des Universums Einfluss zu nehmen. Zur Freisetzung derartiger (All-)Macht, bedarf der männliche Lama spezifisch weiblicher Energie. Diese Energie, in den Vorstellungen des Tantrismus ein durchaus materiell zu verstehendes „Elixier“, sucht der Lama sich mittels rituellen Sexualkontaktes zu Frauen anzueignen. In der Absorption der weiblichen Energie – diese wird vor allem in Menstruationsblut oder Vaginalsekret gewähnt – könne der Lama eine Art mystischer „Doppelgeschlechtlichkeit“ aufbauen, die die Urkräfte des Kosmos (tibet.: yab/yum) in ihm integriere und dadurch ins Omnipotente steigere. Ziel ist es, zum sogenannten Adibuddha zu werden, zum Herrn allen weltlichen und überweltlichen Geschehens. Interessant sind insofern die Ritualgegenstände, mit denen die Lamas bei ihren Zeremonien hantieren: in der Rechten führen sie stets das phallussymbolische Diamantszepter (sanskrit: Vajra), in der Linken die vaginasymbolische Glocke (sanskrit: Gantha): der Lama versteht sich als Herr des männlichen wie auch es weiblichen Prinzips, er ist Mann und Frau.
    
Das Entscheidende des Sexualkontaktes zwischen dem Lama und seiner „Weisheitsgefährtin“ ist zunächst die kategorische Verhinderung des Samenergusses: das „männliche Elixier“ müsse unbedingt im Körper zurückgehalten und dort mit dem anzueignenden „weiblichen Elixier“ verbunden werden. Das erstrebte „weibliche Elixier“, so die Vorstellung des Vajrayana, werde (auf [[Magie|magisch]]-[[Mystik|mystische]] Art) durch den in die Vagina eingeführten Penis aufgesogen. Das Sperma vereinige sich mit den absorbierten weiblichen Fluiden und steige als „Medizin ewigen Lebens“ zum Schädeldach hinauf. Der Lama trage nun beide Lebenselixiere in sich, er werde sozusagen zu einem „aus sich selbst Geborenen“, der den Fluch der Wiedergeburt überwunden hat.
 
Das Entscheidende des Sexualkontaktes zwischen dem Lama und seiner „Weisheitsgefährtin“ ist zunächst die kategorische Verhinderung des Samenergusses: das „männliche Elixier“ müsse unbedingt im Körper zurückgehalten und dort mit dem anzueignenden „weiblichen Elixier“ verbunden werden. Das erstrebte „weibliche Elixier“, so die Vorstellung des Vajrayana, werde (auf [[Magie|magisch]]-[[Mystik|mystische]] Art) durch den in die Vagina eingeführten Penis aufgesogen. Das Sperma vereinige sich mit den absorbierten weiblichen Fluiden und steige als „Medizin ewigen Lebens“ zum Schädeldach hinauf. Der Lama trage nun beide Lebenselixiere in sich, er werde sozusagen zu einem „aus sich selbst Geborenen“, der den Fluch der Wiedergeburt überwunden hat.
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Auch mit Herrschaftsantritt des derzeitigen Dalai Lama änderten sich die sozialen Bedingungen in Tibet nicht.
 
Auch mit Herrschaftsantritt des derzeitigen Dalai Lama änderten sich die sozialen Bedingungen in Tibet nicht.
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==ökonomische Ausbeutung der Bevölkerung==
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==Ökonomische Ausbeutung der Bevölkerung==
 
Bis 1959, als der jetzige Dalai Lama Tibet vorstand, befand sich fast das ganze bewirtschaftbare Land in Großgrundbesitz, auf dem Leibeigene arbeiteten. Diese Güter standen im Besitz von zwei Gruppen: reiche säkulare Fürsten und reiche theokratische Lamas. Sogar ein Autor, der mit der alten Ordnung sympathisiert muss zugeben, dass „ein großer Teil des Grundbesitzes des Klöstern gehörte und die meisten großen Reichtum anhäuften“. Ein großer Teil des Reichtums wurde angehäuft „durch aktive Teilhabe an Handel, Wirtschaft und Geldverleih.“<ref>Pradyumna P. Karan, The Changing Face of Tibet: The Impact of Chinese Communist Ideology on the Landscape (Lexington, Kentucky: University Press of Kentucky, 1976), 64.</ref>
 
Bis 1959, als der jetzige Dalai Lama Tibet vorstand, befand sich fast das ganze bewirtschaftbare Land in Großgrundbesitz, auf dem Leibeigene arbeiteten. Diese Güter standen im Besitz von zwei Gruppen: reiche säkulare Fürsten und reiche theokratische Lamas. Sogar ein Autor, der mit der alten Ordnung sympathisiert muss zugeben, dass „ein großer Teil des Grundbesitzes des Klöstern gehörte und die meisten großen Reichtum anhäuften“. Ein großer Teil des Reichtums wurde angehäuft „durch aktive Teilhabe an Handel, Wirtschaft und Geldverleih.“<ref>Pradyumna P. Karan, The Changing Face of Tibet: The Impact of Chinese Communist Ideology on the Landscape (Lexington, Kentucky: University Press of Kentucky, 1976), 64.</ref>
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Säkularen Führern ging es auch gut. Ein Beispiel ist der Chef der tibetischen Armee, ein Mitglied des Kabinetts des Dalai Lama, dem 4000 Quadatkilometer gehörten mit 3500 Leibeigenen<ref>Gelder and Gelder, The Timely Rain, 62 and 174.</ref>.
 
Säkularen Führern ging es auch gut. Ein Beispiel ist der Chef der tibetischen Armee, ein Mitglied des Kabinetts des Dalai Lama, dem 4000 Quadatkilometer gehörten mit 3500 Leibeigenen<ref>Gelder and Gelder, The Timely Rain, 62 and 174.</ref>.
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==Drakonische Strafen==
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==Sklaverei und Leibeigenschaft==
Im Gegensatz zu der in der westlichen Welt, insbesondere in [[Esoterik|esoterischen Kreisen]] proklamierten Sanftheit des Buddhismus in Tibet, waren auch die Strafen für Vergehen grausam. Das tibetische Strafrecht leitete sich aus einem Gesetzeswerk Dschingis Khans des frühen 13. Jahrhundert ab und zeichnete sich durch extreme Grausamkeit aus. Zu den bis weit in das 20. Jahrhundert hinein üblichen Strafmaßnahmen zählten öffentliche Auspeitschung, das Abschneiden von Gliedmaßen, Herausreißen der Zungen, Ausstechen der Augen, das Abziehen der Haut bei lebendigem Leibe und dergleichen. Obgleich der 13. Dalai Lama 1913 das Abhacken von Gliedern unter Verbot gestellt hatte, wurden derlei Strafen noch bis in die 1950er Jahre hinein vorgenommen.
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In der feudalen tibetischen Gesellschaft waren Leibeigenschaft und Sklaverei üblich. Tibetische Jungen wurden regulär ihren Eltern auf dem Lande genommen, in die Klöster gebracht und dort zu Mönchen ausgebildet. Einmal dort, waren sie für ihr Leben gebunden. Tashi-Tsering, ein Mönch, berichtet, dass es normal war, dass Bauernkinder in den Klöstern sexuell missbraucht wurden. Er selbst war ein Opfer wiederholter Vergewaltigungen beginnend im Alter von 9 Jahren.<ref>Melvyn Goldstein, William Siebenschuh, and Tashì-Tsering, The Struggle for Modern Tibet: The Autobiography of Tashì-Tsering (Armonk, N.Y.: M.E. Sharpe, 1997)</ref>. Die klösterlichen Domänen dienten auch zur Aushebung von Kindern zur lebenslangen Dienerschaft, Tänzern und Soldaten.
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Dabei wurden für den selben Rechtsverstoß Menschen aus verschiedenen Klassen mit unterschiedlicher Strafzumessung und Bestrafung belegt. Im Gesetz über die Sühne für einen Getöteten wurde festgelegt: "''Die Menschen gehören unterschiedlichen Klassen an, deshalb ist der Wert ihres Lebens unterschiedlich''." Der Wert des Lebens der Hocharistokratie wie der Prinzen und der Großen Lebenden Buddhas wurde mit Gold nach ihrem Körpergewicht bemessen; der Wert von Frauen, Metzgern, Jägern und Schmieden, die zur untersten Unterschicht der unteren Klasse gehörten, entsprach dem Wert eines Strohseils. Die Strafbestimmungen bei Körperverletzung sahen vor: "''Verletzt ein Diener seinen Herrn, müssen ihm seine Hände oder Füße abgehackt werden; wenn ein Herr seinen Diener beim Prügeln verwundet hat, muss er ihn nur medizinisch behandeln lassen und braucht ihm keine Entschädigung zu zahlen''." Die damalige tibetische Lokalregierung sowie die großen Klöster hatten eigene Gerichte und Gefängnisse, die Gutsherren unterhielten auf ihren Gutsanwesen ebenfalls eigene Gefängnisse.
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Im alten Tibet gab es eine kleine Anzahl von Bauern, die eine Art freien Bauernstand darstellten sowie vielleicht 10000 Menschen, die die „Mittelklasse“ ausmachten, Familien von Kaufleuten, Inhaber kleiner Geschäfte und kleine Händler. Tausende Andere waren Bettler. Es gab auch Sklaven, die normalerweise als Hausdiener gehalten wurden und keinerlei Lohn erhielten. Ihre Kinder wurden ebenfalls in die Sklaverei geboren.<ref>Gelder and Gelder, The Timely Rain, 110.</ref>
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Die Mehrzahl der ländlichen Bevölkerung waren Leibeigene. Sie wurden etwas besser behandelt als Sklaven, aber es gab für sie keinerlei Schulbildung und medizinische Versorgung. Sie hatten die lebenslange Verpflichtung, auf dem Land des Fürsten oder Klosters ohne Bezahlung zu arbeiten, die Häuser der Herren zu reparieren, ihre Waren zu transportieren und Feuerholz für sie zu sammeln. Sie mussten auch Tiere hüten und bei Bedarf transportieren.<ref>Melvyn C. Goldstein, A History of Modern Tibet 1913-1951 (Berkeley: University of California Press, 1989), 5 and passim</ref> Ihre Herren wiesen sie an, was angebaut werden sollte und welche Tiere gezüchtet werden sollten. Sie durften nicht ohne Zustimmung ihres Herrn oder Lamas heiraten. Sie konnten ohne Weiteres von ihrem Familien getrennt werden, wenn ihr Besitzer sie zur Arbeit zu einem entfernten Ort schickte.<ref>Anna Louise Strong, Tibetan Interviews (Peking: New World Press, 1959), 15, 19-21, 24</ref>
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Im Jahre 1959 besuchte Anna Louise Strong eine Ausstellung über Folterwerkzeuge, die von tibetischen Landlords benutzt wurden. Man sah dort Handschellen aller Größen inclusive von kleinen für Kinder ferner Instrumente zum Ausstechen der Augen, solche zum Brechen der Hände und zum Zerschneiden der Achillessehnen. Es gab Brandzeichen, Peitschen und spezielle Geräte zum Aufschlitzen des Bauches. Die Ausstellung präsentierte Fotographien und Zeugenaussagen von Opfern, die geblendet oder verstümmelt worden waren wegen Diebstahl. Da gab es den Schäfer, dessen Herr ihm eine Entschädigung schuldete in Yuan und Weizen, sich aber weigerte zu zahlen. Als er sich darauf eine Kuh seines Herrn nahm wurden ihm die Hände abgehackt. Einem anderen Hirten wurden die Hände gebrochen, weil er sich darüber beschwert hatte, daß sein Herr ihm seine Frau weggenommen hatte. Man sah Bilder von kommunistischen Aktivisten mit abgeschnittenen Nasen und Oberlippen und von einer Frau, der nach ihrer Vergewaltigung die Nase abgeschnitten wurde<ref> Strong, Tibetan Interviews, 91-96</ref>.
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Den Leibeigenen wurden Steuern abverlangt für eine Heirat, für jedes Kind und für jeden Todesfall in der Familie. Steuern waren fällig für jedes religiöse Fest und für öffentliches Tanzen und Trommeln, dafür, ins Gefängnis zu kommen und dafür, aus diesem entlassen zu werden. Wer keine Arbeit fand, wurde für Arbeitslosigkeit besteuert und für eine Fahrt in ein anderes Dorf auf der Suche nach Arbeit wurde eine Wegesteuer verlangt. Wenn jemand eine Steuer nicht zahlen konnte, lieh das Kloster ihm das Geld zum Zinssatz von 20 bis 50%. Manche Schulden wurden vom Vater an den Sohn und weiter an den Enkel vererbt. Schuldner, die ihren Verpflichtungen nicht nachkommen konnten, riskierten, in die Sklaverei verkauft zu werden<ref>Gelder and Gelder, The Timely Rain, 175-176; and Strong, Tibetan Interviews, 25-26</ref>.
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==Sklaverei und Leibeigenschaft==
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==Buddhismus in der Esoterik==
In der feudalen tibetischen Gesellschaft waren Leibeigenschaft und Sklaverei üblich. Tibetische Jungen wurden regulär ihren Eltern auf dem Lande genommen, in die Klöster gebracht und dort zu Mönchen ausgebildet. Einmal dort, waren sie für ihr Leben gebunden. Tashi-Tsering, ein Mönch, berichtet, dass es normal war, dass Bauernkinder in den Klöstern sexuell missbraucht wurden. Er selbst war ein Opfer wiederholter Vergewaltigungen beginnend im Alter von 9 Jahren<ref>Melvyn Goldstein, William Siebenschuh, and Tashì-Tsering, The Struggle for Modern Tibet: The Autobiography of Tashì-Tsering (Armonk, N.Y.: M.E. Sharpe, 1997).
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In westlichen esoterischen Kreisen ist der Buddhismus, insbesondere der Zen-Buddhismus bzw. der Tibetische Buddhismus sehr beliebt. Dabei werden unter dem Begriff "Buddhismus" zahlreiche, oft willkürlich kombinierte Versatzstücke verschiedener buddhistischer Religionen mit anderen Religionen (z.B. Hinduismus, [[Schamanismus|Schamanische Glaubensvorstellungen]]) und esoterischen Inhalten kombiniert. Auf die traditionellen Inhalte buddhistischer und anderer Religionen wird dabei keine Rücksicht genommen. Teilweise sind Inhalte auch frei erfunden. Der Begriff "Buddhismus" dient dabei lediglich als Label zur Vermarktung esoterischer Produkte.
</ref>. Die klösterlichen Domänen dienten auch zur Aushebung von Kindern zur lebenslangen Dienerschaft, Tänzern und Soldaten.
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Im alten Tibet gab es eine kleine Anzahl von Bauern, die eine Art freien Bauernstand darstellten sowie vielleicht 10000 Menschen, die die „Mittelklasse“ ausmachten, Familien von Kaufleuten, Inhaber kleiner Geschäfte und kleine Händler. Tausense andere waren Bettler. Es gab auch Sklaven, die normalerweise als Hausdiener gehalten wurden und keinerlei Lohn erhielten. Ihre Kinder wurden ebenfalls in die Sklaverei geboren<ref>Gelder and Gelder, The Timely Rain, 110.</ref>.  
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Beispiele:
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*[[Helena Blavatsky]] verkündete ab 1880 den "Esoterischen Buddhismus", der von dem [[Theosophie|Theosophen]] A. P. Sinnett im Jahr 1883 mit dem Werk "Esoteric Buddhism" verbreitet worden ist. Blavatsky, die das westliche Buddhismus-Verständins stark geprägt hat, machte dabei keinen Unterschied zwischen bramahnischen und buddistischen Kernlehren.<ref>]http://www.buddhayana-ev.de/inhalte/texte/buddhismus-esoterik.htm Hans Gruber: Ist Buddhismus Esoterik?]</ref> Auch das theosophische/[[Anthroposophie|anthroposophische]] Verständnis vom [[Karma]] und der [[Reinkarnation]] stammt von Blavatsky.
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Die Mehrzahl der ländlichen Bevölkerung waren Leibeigene. Sie wurden etwas besser behandelt als Sklaven, aber es gab für sie keinerlei Schulbildung und medizinische Versorgung. Sie hatten die lebenslange Verpflichtung, auf dem Land des Fürsten oder Klosters ohne Bezahlung zu arbeiten, die Häuser der Herren zu reparieren, ihre Waren zu transportieren und Feuerholz für sie zu sammeln. Sie mussten auch Tiere hüten und bei Bedarf transportieren<ref>Melvyn C. Goldstein, A History of Modern Tibet 1913-1951 (Berkeley: University of California Press, 1989), 5 and passim</ref>. Ihre Herren wiesen sie an, was angebaut werden sollte und welche Tiere gezüchtet werden sollten. Sie durften nicht ohne Zustimmung ihres Herrn oder Lamas heiraten. Sie konnten ohne weiteres von ihrem Familien getrennt werden, wenn ihr Besitzer sie zur Arbeit zu einem entfernten Ort schickte<ref>Anna Louise Strong, Tibetan Interviews (Peking: New World Press, 1959), 15, 19-21, 24</ref>.
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*[[Tantra|Tantrische Praktiken]] sind besondern im [[Wellness]]-Bereich sowie in esoterischen Kulten, Psychogruppen und [[Sekte]]n beliebt.
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Den Leibeigenen  wurden Steuern abverlangt für eine Heirat, für jedes Kind und für jeden Todesfall in der Familie. Steuern waren fällig für jedes religiöses Fest und für öffentliches Tanzen und Trommeln, dafür ins Gefängnis zu kommen und dafür aus diesem entlassen zu werden. Wer keine Arbeit fand, wurde für Arbeitslosigkeit besteuert und für eine Fahrt in ein anderes Dorf auf der Suche nach Arbeit wurde eine Wegesteuer verlangt. Wenn jemand eine Steuer nicht zahlen konnte, lieh das Kloster ihm das Geld zum Zinssatz von 20 bis 50%. Manche Schulden wurden vom Vater an den Sohn und weiter an den Enkel vererbt. Schuldner, die ihren Verpflichtungen nicht nachkommen konnten riskierten, in die Sklaverei verkauft zu werden<ref>Gelder and Gelder, The Timely Rain, 175-176; and Strong, Tibetan Interviews, 25-26</ref>.
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*Aus dem buddhistisch geprägten Kulturkreis werden [[Meditation]]stechniken übernommen und/oder nachgeahmt.
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==Quellen und Weblinks==
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==Siehe auch==
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*[[Ole Nydahl]]
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==Literatur und Weblinks==
 
*Goldner, Colin: „Dalai Lama: Fall eines Gottkönigs“, Alibri-Verlag; 2. überarb. u. erw. Auflage, August 2008  
 
*Goldner, Colin: „Dalai Lama: Fall eines Gottkönigs“, Alibri-Verlag; 2. überarb. u. erw. Auflage, August 2008  
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*http://www.michaelparenti.org/Tibet.html   
 
*http://www.michaelparenti.org/Tibet.html   
 
*http://www.focus.de/politik/ausland/tid-9463/interview-friedliches-tibet-ist-ein-mythos_aid_268452.html  
 
*http://www.focus.de/politik/ausland/tid-9463/interview-friedliches-tibet-ist-ein-mythos_aid_268452.html  
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*http://www.adelinde.net/2641/die-sexualitat-des-dalai-lama/
 
*http://www.adelinde.net/2641/die-sexualitat-des-dalai-lama/
 
*http://www.denkladen.de/shop_content.php/coID/29/product/Goldner--Buddhismus
 
*http://www.denkladen.de/shop_content.php/coID/29/product/Goldner--Buddhismus
*http://www.nexus-magazin.de/artikel/lesen/die-blutige-geschichte-des-buddhismus
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*http://www.buddhismus-heute.de/archive.issue__22.position__8.de.html
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*http://jetzt.sueddeutsche.de/texte/anzeigen/357408/2/1#texttitel
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*http://www.iivs.de/~iivs01311/Kalachakra/dec.dt.htm
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*http://www.tibetinfopage.de/dalai.htm#4
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*http://www.dw-world.de/dw/article/0,,2703850,00.html
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*http://www.tibet-initiative.de/de/tibet/geschichte
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*http://buddhistische-sekten.de/index.html
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*[http://www.youtube.com/watch?v=PEyGxEiZ1LE Panorama-Bericht vom 20.11.1997 Teil 1] und [http://www.youtube.com/watch?v=gh5Bu95_tyI&feature=related Teil 2]
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==Quellennachweise==
 
<references/>
 
<references/>
    
[[category:Religion]]
 
[[category:Religion]]
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