Therapeutic Touch

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"Diplom-Lebensberater" und "Energietherapeut" Wolfgang Maly: Therapeutic Touch Anwendung (Bild: ARD)

Therapeutic Touch (TT) ist eine markenrechtlich geschützte pseudomedizinische Methode des Handauflegen und Geistheilen. Erfinderinnen der vitalistischen Methode mit Wellnesscharakter sind Dolores Krieger und Dora Kunz.

Therapeutic Touch gilt als die am häufigsten wissenschaftlich untersuchten Methoden aus diesem Bereich. Eine Wirksamkeit, die über allgemeine Effekte durch Zuwendung und Placeboeffekte hinausgingen, konnte bei diesen Untersuchungen nicht festgestellt werden. TT-Behandler konnten ihre behauptete Fähigkeit, ein so genanntes "Energiefeld des Menschen" (siehe: Aura) wahrzunehmen, unter kontrollierten Bedingungen nicht demonstrieren.

Die Miterfinderin Dolores Krieger, Mitglied der Pflegeschule der New Yorker Universität, hat seit Beginn der frühen 1970er Jahren die Meinung vertreten, dass die Gesundheit eines Menschen von einer harmonischen Wechselbeziehung zwischen ihm und seiner gesamten Umgebung beeinflusst würde. Krieger spekulierte, dass "Energien" vom Individuum in die Umgebung und von der Umgebung zum Individuum fließen würden und dass bei Erkrankten diese Wechselbeziehung gestört sei. Diese Energie - von Krieger Prana oder "life force" (siehe auch Lebenskraft, vis vitalis des historischen Vitalismus) genannt - könnte bei erkrankten Personen durch einen Heiler, der Therapeutic Touch anwenden würde, wieder zum Fließen gebracht werden. Herausgehoben wurde dabei, dass der Patient nicht an die Behandlung glauben müsse und das mangelnde Überzeugung des Behandelten keinerlei Einfluss auf den positiven Heilungserfolg hätte. Die Behandlungsweise des Therapeutic Touch basiert darauf, dass das Energiefeld des Patienten durch den Therapeuten entdeckt und beeinflusst werden kann.

Das Gesamtkonzept erhielt den Namen Therapeutic Touch, ist aber auch unter anderen Bezeichnungen verbreitet, so Touch of Healing. Ähnliche Methoden sind Touch for Health (TFH, Gesund durch Berühren, auch Touch for Health Applied Kinesiology) oder Quantum Touch. Wie bei fast allen Methoden aus diesem Bereich sind Abgrenzungen mit Hilfe des Markenrechts zu beobachten: die jeweiligen Erfinder sichern sich die Markenrechte um sich das kommerzielle Monopol ihrer eigenen Methode zu sichern und dadurch bei der Preisgestaltung für Seminarangebote, Therapeuten-Diplome und Literatur frei zu sein.

Methode

Beim Therapeutic Touch werden mit den Händen Bewegungen in der Nähe des Behandelten ausgeführt. Zu einem Körperkontakt soll es dabei nicht kommen.

  • Zu Beginn einer TT-Sitzung findet das "centering exercise" statt. Damit ist eine kurze Meditationsphase gemeint, die Behandler und Patient zusammen verbringen und der Behandler sich versucht auf seine Heilung zu konzentrieren. (Aus rechtlichen Gründen behaupten TT-practitionen jedoch stets nicht selbst zu heilen, sondern den Behandelten bei einer Selbstheilung zu unterstützen. Auf diese Weise können Medizinlaien als TT-practitioner behandeln.)
  • In einer folgenden "assessment"-Phase bewegt der Behandler seine Hand weniger cm über der bekleideten Körperoberfläche hin und her um vermutete Unterschiede und Ungleichgewichte der angenommenen "Energie" (Human Energy Field -HEF) zu nennen.
  • Die letzte Phase ist das "unruffling". Dabei wird die HEF mit der Hand hin oder herbewegt. Auch werden schüttelnde Handbewegungen ausgeführt, als ob der Behandler Wasser abschütteln wolle. Dadurch sollen überschüssige Energiefelder quasi weggewedelt werden.

Anwendung in Krankenhäusern

Therapeutic Touch auf der Intensivstation des St. Gertrauden-Krankenhauses Berlin (Bild: ARD)
Therapeutic Touch während einer Operation im St. Gertrauden-Krankenhaus Berlin (Bild: ARD)

In den USA wurde die Methode durch intensive Lobbyarbeit insbesondere unter Krankenschwestern bekannt gemacht. Dort sollen angeblich 50.000 Krankenschwestern, in TT kostenpflichtig ausgebildet worden sein. Die "North American Nursing Diagnosis Association" erfand dazu eine angebliche Krankheit mit der pseudomedizinischen Bezeichnung "Energy Field Disturbance" (Störung des Energiefeldes) die mit TT behandelt werden soll.

Der Skandal von TT-Empfehlungen des kalifornischen "Board of Registered Nursing" (CBRN) führte 2009 zur Absetzung von Board-Mitgliedern durch Gouverneur Arnold Schwarzenegger.[1]

In Deutschland wird Therapeutic Touch am St. Gertrauden-Krankenhaus in Berlin von Krankenschwestern, Krankenpflegern und Ärzten eingesetzt. In einem von der ARD gesendeten Videobetrag "Heilende Botschaften" (2010) wurde bekannt, dass Patienten dieses berliner Krankenhauses die TT-Methode jederzeit anfordern könnten, und dass diese Methode ein selbstverständlicher Teil der Pflege sei. Gezeigt wurde im Video Anwendungen auf einer Intensivstation, in der Chirurgie und während eines chirurgischen Eingriffs. Zur Begründung wurde in dem Video behauptet, dass mit Hilfe von TT es möglich sei auf telepathischem Wege Zellen in einer Laborschale zur Abgabe therapeutisch wirksamer Substanzen anzuregen.[2]

Dolores Krieger und Dora Kunz

Dolores Krieger arbeitete als Krankenpflege-Ausbilderin an der New York University. Zusammen mit Dora van Gelder Kunz (Dora Kunz, 1904-1999) erfand sie die Methode 1972. Kunz ist Theosophin und war von 1975 bis 1987 Präsidentin der "Theosophical Society in America".[3][4]

Der Emily Rosa - Versuch

Versuch
Emily Rosa

Ende der 1990er Jahre machte eine US-amerikanische Schülerin von sich reden. Sie führte mit einem einfachen Versuchsaufbau die TT-Lehren von Dolores Krieger ad absurdum. Der 9-jährigen Emily Rosa kam beim Ansehen eines Videos über Therapeutic Touch eine zündende Idee. Da die Anhänger der Bewegung die Existenz des Prana nur postuliert hatten, wollte sie untersuchen, ob die Heiler überhaupt in der Lage waren, das "Energiefeld" von Patienten wirklich zu erspüren. Schließlich kann man keine Energiefelder manipulieren, wenn man nicht einmal in der Lage ist, das Energiefeld korrekt zu erkennen. Emily dachte sich deshalb einen ganz schlichten Versuchsaufbau aus, der hier dargestellt ist. Ein Pappkarton trennte die Heiler von Emily. Die Heiler streckten nur ihre Hände durch zwei Löcher des Kartons, um die Energie Emilys zu spüren.

Den ersten Versuchsdurchlauf führte Emily im Alter von 9 Jahren selbständig durch, denn die 15 freiwillig teilnehmenden Therapeuten nahmen im Rahmen ihrer wissenschaftlichen Abschlussarbeit am Ende der 4. Schulklasse teil. Die beiden Hände der Teilnehmer lagen auf dem Handrücken, die Handflächen nach oben geöffnet und ungefähr 20-30 cm auseinander. Emily fuhr stets mit ihrer rechten Hand im Abstand von 8-10 cm über eine der beiden Hände des Therapeutic Touch-Therapeuten. Vorher wurde eine Münze geworfen wurde, die entschied, über welche Hand Emily die ihre hielt. Ein zusätzlicher Experimentator führte dabei Emilys Hand exakt über die Hand des Heilers und er sagte dann vernehmlich "Okay", um dem Heiler mitzuteilen, dass die Hand in Position sei. Daraufhin wurde der jeweilige Heiler gebeten, sich soviel oder so wenig Zeit zunehmen, wie er wolle, um zu sagen, über welcher seiner beiden Hände Emilys Hand nun schwebte. Die Zeitspannen reichten von 7-19 Minuten und pro Heiler wurde der Versuch 10mal wiederholt. Bei den insgesamt 150 Versuchsdurchläufen lagen die Heiler mit 70 richtigen Antworten (47%) nicht mal in der Hälfte der Fälle richtig. Sie schnitten also noch schlechter ab, als wenn sie gleich eine Münze geworfen hätten.

Sonderlich begeistert reagierten die Therapeutic Touch-Therapeuten bei diesem Durchlauf natürlich nicht und forderten einen zweiten Durchlauf. Der Ruf danach wurde lauter, als den Heilern mitgeteilt wurde, dass die Ergebnisse des ersten Experiments möglicherweise in einer Fachzeitschrift publiziert würden. Daraufhin erklärte sich Emily im Alter von 11 Jahren zu einem zweiten Durchlauf bereit, allerdings unter strengeren Bedingungen (Video-Aufzeichnung durch ein professionelles Video-Team).

Vor dem Versuchsdurchlauf, der analog zum ersten Durchlauf konzipiert war, war es den Heilern freigestellt, Emilys Energiefeld zu spüren und vorher zu entscheiden, welche ihrer beiden Hände durch Emily gestestet werden sollten. Sieben Heiler zogen ihre linke und sechs Heiler ihre rechte Hand vor. An diesem zweiten Durchlauf nahmen insgesamt 13 Heiler teil, wobei nochmals sieben Heiler aus dem ersten Durchlauf antraten. Die Probanden streckten ihre zu testende Hand durch den Pappkarton und Emily hielt ihre rechte Hand entweder über die Hand des Therapeuten oder eben nicht. Auch hier war es den Heilern freigestellt, so viel Zeit wie notwendig darauf zu verwenden, festzustellen, ob Emily nun ihre rechte Hand über die ihre hielt oder nicht. Die Heiler schnitten bei den 130 Durchläufen mit 53 richtigen Antworten (41%) noch schlechter ab, als beim ersten Mal.[5]

Obgleich die Resultate absolut eindeutig waren und Emily den Anpruch der Therapeutic Touch-Therapeuten durch ein simples, jederzeit überall auf der Welt nachvollziehbares Experiment in ein regelrechtes Debakel verwandelt hatte, fochten die Ergebnisse die Therapeutic Touch-Begründerin Dolores Krieger nicht an. Im typischen Stil von hartnäckigen Befürwortern falscher Heilslehren und Pseudoverfahren unserer Zeit reagierte sie gegenüber der New York Times nur mit den Worten: Es funktioniert. Emily habe schlicht nur nicht verstanden, was Grundlagenforschung sei und es handele sich nur um einen Aprilscherz.

Anwendung bei Krebskranken

Therapeutisch Touch wird auch zur Behandlung von Krebskranken eingesetzt, so vom "Diplom-Lebensberater" und "Energietherapeut" Wolfgang Maly aus Venlo (Niederlande).

Ähnliche Methoden

Weblinks

Quellennachweise

  1. Owen Hammer, James Underdown: State-Sponsored Quackery: Feng Shui and Snake Oil for California Nurses, Skeptical Inquirer, vol 33, 6, Seiten 53–56. Nov/Dez. 2009. [1]
  2. "Heilende Botschaften", Video von Joachim Faulstich, ARD 2010 (http://daserste.de/dasgeheimnisderheilung]
  3. http://www.quackwatch.com/01QuackeryRelatedTopics/tt.html
  4. [http://www.theosophy.com/theos-talk/200504/tt00332.html
  5. Rosa L, Rosa E, Sarner L, Barrett S: A close look at Therapeutic Touch. JAMA, 279, 1005-1010, 1998
  • Walter N: Der Schrecken der Naturheiler hat einen Namen. Pressemitteilung, 1998
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