Stimmfrequenzanalyse

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Die Stimmfrequenzanalyse oder Stimmanalyse ist ein außerwissenschaftliches Verfahren, bei dem mit technischen Hilfsmitteln der Klang der menschliche Stimme untersucht wird und daraufhin Diagnosen von Erkrankungen gestellt werden. Auf dem deutschen Alternativmedizinmarkt sind eine Reihe von derartigen Dienstleistungen unter verschiedenen Namen zu finden. Die Analysen basieren im Wesentlichen auf einer einfachen Spektralanalyse.

Neben der hier thematisierten Anwendung in der Alternativmedizin finden automatische Analysen der menschlichen Stimme auch Anwendung in bestimmten Lügendetektoren, als biometrisches Verfahren zur Personenerkennung in elektronischen Zugangssystemen sowie in der Logopädie (Stimmheilkunde) zur Diagnose und zur Dokumentation von Therapiefortschritten.

Verfahren

Den Methoden ist gemeinsam, dass aus einer Tonaufnahme der Stimme des Patienten ein Frequenzspektrum berechnet wird, in dem die Intensität des Sprachsignals über der Frequenz grafisch dargestellt wird. Sodann wird an Einzelheiten des Kurvenverlaufs heruminterpretiert, wobei jede Methode ihren eigenen Regeln folgt. Zur Spektralanalyse wird die softwaretechnisch leicht zu implementierende Fourier-Transformation (FFT, Fast Fourier Transform) benutzt. Es stehen auch zahlreiche kostenlose und Shareware-Programme zur Verfügung, mit denen Spektren von Audiosignalen auf einem PC dargestellt und teilweise noch sehr viel weitergehende Analysen möglich sind. Bei der Stimmanalyse beschränkt sich die Darstellung aber überwiegend auf zeitlich gemittelte Spektren. Merkmale, die im Zeitverlauf des Sprachsignals vorhanden sind, wie Modulation usw., gehen dabei weitgehend verloren. Nur wenige Anbieter verwenden sog. Spektrogramme, bei denen der Frequenz-Zeit-Verlauf grafisch aufgetragen ist und die solche Merkmale zumindest teilwiese wiedergeben.

Im Folgenden werden einige der am Markt befindlichen Systeme näher betrachtet.

Stimmanalyse nach Vitz

Heinz-Udo Vitz

Diese Methode wird von dem Kaufmann, Computerexperten und Medizinlaien Heinz-Udo Vitz ("ich bin eine Art Klavierstimmer des Körpers") im Rahmen seines Internationalen Instituts für Stimmanalyse propagiert. Sie wird auch als Piusona-Stimmanalyse vermarktet.

Die Stimme des Klienten wird elektronisch in 10 Datenblöcken von je 7 Sekunden aufgezeichnet. Dabei muss der Patient laut von 1 bis 40 zählen. Das aufgezeichnete Signal wird wie oben beschrieben mittels Fouriertransformation in Einzelfrequenzen zerlegt, die grafisch auf einem Bildschirm angezeigt werden. Für jeden Sprecher soll sich so ein einzigartiges Muster ergeben, welches nach Aussagen der Erfinder mit dem genetischen Fingerabdruck vergleichbar wäre. "Gestörte Frequenzen" würden Rückschlüsse auf gesundheitliche Probleme erlauben.

Die Methode beinhaltet eine anschließende Therapie. Basierend auf der Stimmanalyse wird dem Klienten dabei die Tonfrequenz zurück gegeben, die bei der Analyse als fehlend oder falsch erkannt wurde. Der Klient erhält dazu eine CD mit dem für ihn gefundenen Ton, den er über Kopfhörer anhören muss. Als Indikationen werden unter anderem genannt:

  • Tinnitus
  • Hautkrankheiten
  • Allergien
  • Gezielte Beeinflussung von Organen
  • Depressionen
  • Stärkung des Immunsystems und Lösung von Blockaden

Mediale Beachtung fand die Methode im Enveda-Magazin, im ZDF (Praxis unterwegs mit Dr. med. Günter Gerhardt), Sat.1 (Akte Ulrich Meyer 2004) und bei RTL. Wissenschaftliche Fachartikel sind unbekannt geblieben. Bezug genommen wird auf einen Musiker namens Pius Vögel, der eine Pension im Allgäu betreibt und durch Zufall erkannt habe, welche Bedeutung bestimmte Töne für die menschliche Gesundheit hätten.

Vocalyse

Vocalyse-Frequenzspektren

Vocalyse ist eine beim deutschen Patent- und Markenamt eingetragene Wortmarke der Firma Annegret Heinen IFG Individuelle Förderung Gesundheit aus Friedrichshafen. Bei diesem Verfahren zur Stimmanalyse nimmt der Klient selbst einige Sprechproben von sich auf und schickt die Aufnahme z.B. als MP3-Datei an die Firma IFG. Durchgeführt wird dort eine Spektralanalyse im Frequenzbereich bis etwa 5 kHz. Aus diesem Frequenzspektrum werden über "spezielle Interpretationsverfahren" zahlreiche Aussagen abgeleitet, nämlich eine weitreichende Persönlichkeitsanalyse, Hinweise auf "Stoffwechselentgleisungen" und "Blockaden" nebst psychologischen Deutungen, Informationen über den Zustand der Wirbelsäule, und einiges mehr. Zur Zuordnung von Organen und Merkmalen im Spektrum habe man beruhend auf "Erfahrungen" etwa 2.500 Frequenzen "gesammelt" und in einer Tabelle zusammengestellt. Am Ende der Analyse wird ein Environmental Intelligence Quotient Evi IQ des Kunden berechnet. Auf Wunsch wird außerdem ein Tonträger mit individuellen "rhythmovogue plus Rhythmen" erstellt (siehe Rhythmovogue).

Problematisch ist unter anderem, dass die Tonaufnahmen unter nicht kontrollierten Bedingungen von den Patienten selbst aufgenommen werden. Beispielsweise treten bei einem Mikrofon auf oder über einer Tischplatte häufig bei bestimmten Frequenzen Einbrüche im Spektrum auf (direkter und reflektierter Schall löschen sich teilweise aus). Gerade in derartige Details werden aber bei Vocalyse Aussagen über den Gesundheitszustand hineininterpretiert.

Das mit vielen pseudowissenschaftlichen Aussagen beworbene Verfahren[1] geht auf einen Dr. med. Arno Heinen zurück. Heinen zufolge stünde mit seiner Erfindung "erstmals eine objektivierbare Grundlage zur Beurteilung [...] psychosomatischer Vorgänge" zur Verfügung.

Einige Aussagen des Mediziners Heinen widersprechen völlig den bekannten Fakten der Sinnesphysiologie. So behauptet er zur sog. Knochenleitung, über die ebenfalls Schall zum Innenohr gelangen und damit gehört werden kann, dass dieser Schall und der normale Luftschall (der also über das Trommelfell empfangen wird) "zu unterschiedlichen Zeiten im Hirn" eintreffen würden. Das ist Unsinn, da auch bei der Knochenleitung der Schall an den Sinneszellen im Innenohr in Nervenreize umgesetzt wird und nicht anderswo im Körper. Weiter führt Heinen aus, "dass, falls die über den Körper aufgenommenen Frequenzen ab 4.000 Hz die über das Ohr gehörten Frequenzen in der Dezibelzahl übersteigen, der Betroffene einen Verlust des materiellen Zeit-Raumgefühls erfährt. Diese Menschen fallen bei Überholmanövern als panisch werdende Beifahrer auf." Falls Heinen mit "gehörten Frequenzen in der Dezibelzahl übersteigen" meint, dass der Betreffende mehr über Knochenleitung als über Luftschall hört, bedeutet das schlicht eine drastische Fehlfunktion des Gehörs oder einen blockierten Gehörgang.

Des weiteren ist von "vererbten Frequenzteilen" die Rede, die mit der Stimmanalyse erkannt werden könnten. Außerdem seien Aussagen darüber möglich, ob "der Ehefrau durch Übernahme einer Fremdrhythmik eine ihr "fremde" Krankheit" droht bzw. inwieweit "der Ehemann das Eintreten einer Krankheit durch Übernahme entsprechender Frequenzen von der Ehefrau (Sauger-Geber-Verhältnis)" verhindern könne.

Voxsana

Dieses Verfahren zur Stimmanalyse wird von der Voxsana GbR bzw. der Deutschen Fachgemeinschaft für Audio-Psycho-Phonologie FAPP einer Monika Warner aus Dietzenbach propagiert. Die Funktionsweise ist den vorstehenden sehr ähnlich, allerdings beruft man sich auf die Vorstellungen des französischen Arztes Alfred Tomatis. Die Methode wird besonders damit beworben, dass man mit ihr die Wirksamkeit von Maßnahmen zur "Ausleitung" von Schadstoffen aus dem Körper nachweisen könne.[2] Ohne Rechtfertigung werden Frequenzen bestimmten Körperfunktionen und Substanzen zugeordnet:

2.048 bis 4.096 Hz – (Zuckerstoffwechsel) Kuhmilch
1.024 bis 2.048 Hz – (Gefäßsteuernde Substanzen)
   512 bis 1.024 Hz – (Endorphine Schilddrüsenhormone) Nahrungsmittelzusätze (E-Nummern)
   256 bis   512 Hz – (Essentielle Fettsäuren, Hormone, fettlösliche Vitamine) Umweltgifte, Zucker, Lebensmittel-Farbstoffe
   128 bis   256 Hz – (Aminosäuren, Neurotransmitter, Wasserlösliche Vitamine) Quecksilber, Blei, Geopathien
     64 bis   128 Hz – (Spurenelemente) Cadmium, Blei, Quecksilber, Cadmium, Blei, Quecksilber, Kupfer, Zinn, Platin

Die unterste Oktave von 64 bis 128 Hz beispielsweise würde die "Frequenzen sämtlicher Spurenelemente, 84 nebeneinander" enthalten. Die Okave darüber enthalte "die Frequenzen sämtlicher Neurotransmitter".

Teilweise beruft man sich auf den Chemiker Alfred Partheil (1861-1909), der angeblich "den Zusammenhang zwischen Frequenz und Molekulargewicht entdeckte". Tatsächlich hatte Partheil 1903 lediglich festgestellt, dass das Verhältnis von der höchsten damals bekannten Atommasse (Uran) zur niedrigsten (Wasserstoff) etwa dem musikalischen Tonumfang vom Subkontra-C (C2) bis zum viergestrichenen h (h4) entspricht. Die relative Atommasse mit 16 multipliziert würde die Frequenz des Tons in Hertz ergeben. Dies ist jedoch eine reine Zahlenspielerei ohne physikalische Entsprechung. Einen Bezug zur menschlichen Stimme herzustellen, ist vollkommen unsinnig.

"Diagnose" mit Voxsana

Befürworter des Verfahrens üben sich auch in der sog. Ritalinkritik. ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-/ Hyperaktivitätsstörung) bei Kindern sei oft eine Fehldiagnose. Vielmehr bräuchten die Betroffenen eine "Schwermetallausleitung". Das sei mit Hilfe der Stimmfrequenzanalyse nachweisbar. Es wird dazu auf "Lücken" im Spektrum verwiesen. Gemeint sind damit Frequenzbereiche mit niedrigerer Schallintensität, die infolge der Skalierung der vertikalen Achse in den Voxsana-Diagrammen als "Lücken" dargestellt werden. Lücken würden "offensichtliche Defizite" anzeigen. Eines der Defizite sei, dass die betroffenen Kinder nicht zuhören können. Dazu wird beispielsweise medizinisch grob falsch behauptet, dass "Frequenzen, die in der Stimme fehlen" darauf hinweisen würden, dass sie "vom Ohr nicht richtig wahrgenommen werden." Weiterhin sei ein Defizit im Neurotransmitterhaushalt und an Mineralien und Spurenelementen aus den Spektren ablesbar und eben eine Belastung mit Schwermetallen.

Siehe auch

Quellennachweise

  1. A. Heinen: VitaSon-Vocalyse-Stimmfrequenzanalyse. CoMed 12/2004, 37-42
  2. H. Schreiber: Die Stimmfrequenzanalyse. Ein diagnostisches Verfahren bei der Quecksilberausleitung und anderen Schwermetallen und Umweltgiften. CoMed 01/2003, 98-101