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==Verfahren==
 
==Verfahren==
Den Methoden ist gemeinsam, dass aus einer Tonaufnahme der Stimme des Patienten ein Frequenzspektrum berechnet wird, in dem die Intensität des Sprachsignals über der Frequenz grafisch dargestellt wird. Sodann wird an Einzelheiten des Kurvenverlaufs heruminterpretiert, wobei jede Methode ihren eigenen Regeln folgt. Zur Spektralanalyse wird die softwaretechnisch leicht zu implementierende Fourier-Transformation (FFT, Fast Fourier Transform) benutzt. Es stehen auch zahlreiche kostenlose und Shareware-Programme zur Verfügung, mit denen Spektren von Audiosignalen auf einem PC dargestellt und teilweise noch sehr viel weitergehende Analysen möglich sind. Bei der Stimmanalyse beschränkt sich die Darstellung aber überwiegend auf zeitlich gemittelte Spektren. Merkmale, die im Zeitverlauf des Sprachsignals vorhanden sind, wie Modulation usw., gehen dabei weitgehend verloren. Nur wenige Anbieter verwenden sog. Spektrogramme, bei denen der Frequenz-Zeit-Verlauf grafisch aufgetragen ist und die solche Merkmale zumindest teilweise wiedergeben.
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Den Methoden ist gemeinsam, dass aus einer Tonaufnahme der Stimme des Patienten ein Frequenzspektrum berechnet wird, in dem die Intensität des Sprachsignals über der Frequenz grafisch dargestellt wird. Sodann wird an Einzelheiten des Kurvenverlaufs heruminterpretiert, wobei jede Methode ihren eigenen Regeln folgt. Zur Spektralanalyse wird die softwaretechnisch leicht zu implementierende Fourier-Transformation (FFT, Fast Fourier Transform) benutzt. Es existieren zahlreiche kostenlose und Shareware-Programme, mit denen Spektren von Audiosignalen auf einem PC dargestellt und teilweise noch sehr viel weitergehende Analysen möglich sind. Bei der Stimmanalyse beschränkt sich die Darstellung aber überwiegend auf zeitlich gemittelte Spektren. Merkmale, die im Zeitverlauf des Sprachsignals vorhanden sind, wie Modulation usw., gehen dabei weitgehend verloren. Nur wenige Anbieter verwenden sog. Spektrogramme, bei denen der Frequenz-Zeit-Verlauf grafisch aufgetragen ist und die solche Merkmale zumindest teilweise wiedergeben.
    
Im Folgenden werden einige der am Markt befindlichen Systeme näher betrachtet.
 
Im Folgenden werden einige der am Markt befindlichen Systeme näher betrachtet.
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===Vocalyse===
 
===Vocalyse===
 
[[Image:Vocalyse01.jpg|thumb|Vocalyse-Frequenzspektren]]
 
[[Image:Vocalyse01.jpg|thumb|Vocalyse-Frequenzspektren]]
''Vocalyse'' ist eine eingetragene Wortmarke der Firma ''Annegret Heinen IFG Individuelle Förderung Gesundheit'' aus Friedrichshafen. Bei diesem Verfahren zur Stimmanalyse nimmt der Klient selbst einige Sprechproben von sich auf und schickt die Aufnahme z.B. als MP3-Datei an die Firma IFG. Durchgeführt wird dort eine Spektralanalyse im Frequenzbereich bis etwa 5 kHz. Aus diesem Frequenzspektrum werden über "spezielle Interpretationsverfahren" zahlreiche Aussagen abgeleitet, nämlich eine weitreichende Persönlichkeitsanalyse, Hinweise auf "Stoffwechselentgleisungen" und "Blockaden" nebst psychologischen Deutungen, Informationen über den Zustand der Wirbelsäule, und einiges mehr. Zur Zuordnung von Organen und Merkmalen im Spektrum habe man beruhend auf "Erfahrungen" etwa 2.500 Frequenzen "gesammelt" und in einer Tabelle zusammengestellt. Am Ende der Analyse wird ein ''Environmental Intelligence Quotient Evi IQ'' des Kunden berechnet. Auf Wunsch wird außerdem ein Tonträger mit individuellen "rhythmovogue plus Rhythmen" erstellt (siehe [[Rhythmovogue]]).
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''Vocalyse'' ist eine eingetragene Wortmarke der Firma ''Annegret Heinen IFG Individuelle Förderung Gesundheit'' aus Friedrichshafen. Bei diesem Verfahren nimmt der Klient selbst einige Sprechproben von sich auf und schickt die Aufnahme z.B. als MP3-Datei an die Firma IFG. Durchgeführt wird dort eine Spektralanalyse im Frequenzbereich bis etwa 5 kHz. Aus diesem Frequenzspektrum werden über "spezielle Interpretationsverfahren" zahlreiche Aussagen abgeleitet, nämlich eine weitreichende Persönlichkeitsanalyse, Hinweise auf "Stoffwechselentgleisungen" und "Blockaden" nebst psychologischen Deutungen, Informationen über den Zustand der Wirbelsäule, und einiges mehr. Zur Zuordnung von Organen und Merkmalen im Spektrum habe man beruhend auf "Erfahrungen" etwa 2.500 Frequenzen "gesammelt" und in einer Tabelle zusammengestellt. Am Ende der Analyse wird ein ''Environmental Intelligence Quotient Evi IQ'' des Kunden berechnet. Auf Wunsch wird außerdem ein Tonträger mit individuellen "rhythmovogue plus Rhythmen" erstellt (siehe [[Rhythmovogue]]).
    
Problematisch ist unter anderem, dass die Tonaufnahmen unter nicht kontrollierten Bedingungen von den Patienten selbst aufgenommen werden. Beispielsweise treten bei einem Mikrofon auf oder über einer Tischplatte häufig bei bestimmten Frequenzen Einbrüche im Spektrum auf (direkter und reflektierter Schall löschen sich teilweise aus). Gerade in derartige Details werden aber bei Vocalyse Aussagen über den Gesundheitszustand hineininterpretiert.
 
Problematisch ist unter anderem, dass die Tonaufnahmen unter nicht kontrollierten Bedingungen von den Patienten selbst aufgenommen werden. Beispielsweise treten bei einem Mikrofon auf oder über einer Tischplatte häufig bei bestimmten Frequenzen Einbrüche im Spektrum auf (direkter und reflektierter Schall löschen sich teilweise aus). Gerade in derartige Details werden aber bei Vocalyse Aussagen über den Gesundheitszustand hineininterpretiert.
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Das mit vielen pseudowissenschaftlichen Aussagen beworbene Verfahren<ref>A. Heinen: VitaSon-Vocalyse-Stimmfrequenzanalyse. [[CoMed]] 12/2004, 37-42</ref> geht auf einen Dr.&nbsp;med. Arno Heinen zurück. Heinen zufolge stünde mit seiner Erfindung "erstmals eine objektivierbare Grundlage zur Beurteilung [...] psychosomatischer Vorgänge" zur Verfügung. Einige Aussagen des Mediziners Heinen widersprechen völlig den bekannten Fakten der Sinnesphysiologie. So behauptet er zur sog. Knochenleitung, über die ebenfalls Schall zum Innenohr gelangen und damit gehört werden kann, dass dieser Schall und der normale Luftschall (der also über das Trommelfell empfangen wird) "zu unterschiedlichen Zeiten im Hirn" eintreffen würden. Das ist falsch, da auch bei der Knochenleitung der Schall an den Sinneszellen im Innenohr in Nervenreize umgesetzt wird und nicht anderswo im Körper. Weiter führt Heinen aus, ''"dass, falls die über den Körper aufgenommenen Frequenzen ab 4.000&nbsp;Hz die über das Ohr gehörten Frequenzen in der Dezibelzahl übersteigen, der Betroffene einen Verlust des materiellen Zeit-Raumgefühls erfährt. Diese Menschen fallen bei Überholmanövern als panisch werdende Beifahrer auf."'' Falls Heinen mit "gehörten Frequenzen in der Dezibelzahl übersteigen" meint, dass der Betreffende mehr über Knochenleitung als über Luftschall hört, würde das schlicht eine drastische Fehlfunktion des Gehörs oder einen blockierten Gehörgang bedeuten.
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Das mit pseudowissenschaftlichen Aussagen beworbene Verfahren<ref>A. Heinen: VitaSon-Vocalyse-Stimmfrequenzanalyse. [[CoMed]] 12/2004, 37-42</ref> geht auf einen Dr.&nbsp;med. Seinen Worten zufolge stünde mit seiner Erfindung "erstmals eine objektivierbare Grundlage zur Beurteilung [...] psychosomatischer Vorgänge" zur Verfügung. Einige Behauptungen des Mediziners Heinen widersprechen völlig den bekannten Fakten der Sinnesphysiologie. So schreibt er zur sog. Knochenleitung, über die ebenfalls Schall zum Innenohr gelangen und damit gehört werden kann, dass dieser Schall und der normale Luftschall (der also über das Trommelfell empfangen wird) "zu unterschiedlichen Zeiten im Hirn" eintreffen würden. Das ist falsch, da auch bei der Knochenleitung der Schall an den Sinneszellen im Innenohr in Nervenreize umgesetzt wird und nicht anderswo im Körper. Weiter führt Heinen aus, ''"dass, falls die über den Körper aufgenommenen Frequenzen ab 4.000&nbsp;Hz die über das Ohr gehörten Frequenzen in der Dezibelzahl übersteigen, der Betroffene einen Verlust des materiellen Zeit-Raumgefühls erfährt. Diese Menschen fallen bei Überholmanövern als panisch werdende Beifahrer auf."'' Falls Heinen mit "gehörten Frequenzen in der Dezibelzahl übersteigen" meint, dass der Betreffende mehr über Knochenleitung als über Luftschall hört, würde das schlicht eine drastische Fehlfunktion des Gehörs oder einen blockierten Gehörgang bedeuten.
    
Des weiteren ist von "vererbten Frequenzteilen" die Rede, die mit der Stimmanalyse erkannt werden könnten. Außerdem seien Aussagen darüber möglich, ob "der Ehefrau durch Übernahme einer Fremdrhythmik eine ihr "fremde" Krankheit" droht bzw. inwieweit "der Ehemann das Eintreten einer Krankheit durch Übernahme entsprechender Frequenzen von der Ehefrau (Sauger-Geber-Verhältnis)" verhindern könne.
 
Des weiteren ist von "vererbten Frequenzteilen" die Rede, die mit der Stimmanalyse erkannt werden könnten. Außerdem seien Aussagen darüber möglich, ob "der Ehefrau durch Übernahme einer Fremdrhythmik eine ihr "fremde" Krankheit" droht bzw. inwieweit "der Ehemann das Eintreten einer Krankheit durch Übernahme entsprechender Frequenzen von der Ehefrau (Sauger-Geber-Verhältnis)" verhindern könne.
    
===Voxsana===
 
===Voxsana===
Dieses Verfahren zur Stimmanalyse wird von der ''Voxsana GbR'' bzw. der ''Deutschen Fachgemeinschaft für Audio-Psycho-Phonologie FAPP'' einer Monika Warner aus Dietzenbach propagiert. Die Funktionsweise ist den vorstehenden sehr ähnlich, allerdings bezieht man sich auf die Vorstellungen des französischen Arztes [[Tomatis-Therapie|Alfred Tomatis]]. Die Methode wird besonders damit beworben, dass man mit ihr die Wirksamkeit von Maßnahmen zur [[Entschlackung|"Ausleitung"]] von Schadstoffen aus dem Körper nachweisen könne.<ref>H. Schreiber: Die Stimmfrequenzanalyse. Ein diagnostisches Verfahren bei der Quecksilberausleitung und anderen Schwermetallen und Umweltgiften. [[CoMed]] 01/2003, 98-101</ref> Ohne Rechtfertigung werden Frequenzen bestimmten Körperfunktionen und Substanzen zugeordnet:
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Dieses Verfahren wird von der ''Voxsana GbR'' bzw. der ''Deutschen Fachgemeinschaft für Audio-Psycho-Phonologie FAPP'' einer Monika Warner aus Dietzenbach propagiert. Die Funktionsweise ist den vorstehenden sehr ähnlich, allerdings bezieht man sich auf die Vorstellungen des französischen Arztes [[Tomatis-Therapie|Alfred Tomatis]]. Die Methode wird besonders damit beworben, dass man mit ihr die Wirksamkeit von Maßnahmen zur [[Entschlackung|"Ausleitung"]] von Schadstoffen aus dem Körper nachweisen könne.<ref>H. Schreiber: Die Stimmfrequenzanalyse. Ein diagnostisches Verfahren bei der Quecksilberausleitung und anderen Schwermetallen und Umweltgiften. [[CoMed]] 01/2003, 98-101</ref> Ohne Rechtfertigung werden Frequenzen bestimmten Körperfunktionen und Substanzen zugeordnet:
    
:''2.048 bis 4.096 Hz &ndash; (Zuckerstoffwechsel) Kuhmilch''
 
:''2.048 bis 4.096 Hz &ndash; (Zuckerstoffwechsel) Kuhmilch''
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Die unterste Oktave von&nbsp;64 bis 128&nbsp;Hz beispielsweise würde die "Frequenzen sämtlicher Spurenelemente, 84&nbsp;nebeneinander" enthalten. Die Okave darüber enthalte "die Frequenzen sämtlicher Neurotransmitter".  
 
Die unterste Oktave von&nbsp;64 bis 128&nbsp;Hz beispielsweise würde die "Frequenzen sämtlicher Spurenelemente, 84&nbsp;nebeneinander" enthalten. Die Okave darüber enthalte "die Frequenzen sämtlicher Neurotransmitter".  
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Man beruft sich bei diesen Phantasien auch auf den Chemiker Alfred Partheil (1861-1909), der angeblich "den Zusammenhang zwischen Frequenz und Molekulargewicht entdeckte". Tatsächlich hatte Partheil 1903 lediglich festgestellt, dass das Verhältnis von der höchsten damals bekannten Atommasse (Uran) zur niedrigsten (Wasserstoff) etwa dem musikalischen Tonumfang vom Subkontra-C (C<sub>2</sub>) bis zum viergestrichenen h (h<sup>4</sup>) entspricht. Die relative Atommasse mit 16 multipliziert würde die Frequenz des Tons in Hertz ergeben. Dies ist jedoch eine belanglose Zahlenspielerei ohne physikalische Entsprechung. Einen Bezug zur menschlichen Stimme herzustellen, ist absurd.
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Man beruft sich bei diesen Phantasien auch auf den Chemiker Alfred Partheil (1861-1909), der angeblich "den Zusammenhang zwischen Frequenz und Molekulargewicht entdeckte". Tatsächlich hatte Partheil 1903 lediglich festgestellt, dass das Verhältnis von der höchsten damals bekannten Atommasse (Uran) zur niedrigsten (Wasserstoff) etwa dem musikalischen Tonumfang vom Subkontra-C (C<sub>2</sub>) bis zum viergestrichenen h (h<sup>4</sup>) entspricht. Die relative Atommasse mit 16 multipliziert würde die Frequenz des Tons in Hertz ergeben. Das ist jedoch eine belanglose Zahlenspielerei ohne physikalische Entsprechung. Einen Zusammenhang zur menschlichen Stimme herzustellen, ist absurd.
    
[[image:Voxsana01.jpg|thumb|400px|"Diagnose" mit Voxsana]]
 
[[image:Voxsana01.jpg|thumb|400px|"Diagnose" mit Voxsana]]
Von Warner und anderen wird das Verfahren auch massiv zur Anwendung bei Kindern beworben, bei Schulproblemen oder "wenn Sie sich sorgen, weil Ihr Kind sich ungewöhnlich verhält". Die Befürworter üben sich dabei auch in der sog. [[Ritalinkritik]]. ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-/ Hyperaktivitätsstörung) bei Kindern sei oft eine Fehldiagnose. Vielmehr bräuchten die Betroffenen eine "Schwermetallausleitung". Das sei mit Hilfe der Stimmfrequenzanalyse nachweisbar. Es wird dazu auf "Lücken" im Spektrum verwiesen. Gemeint sind damit Frequenzbereiche mit niedrigerer Schallintensität, die infolge der Skalierung der vertikalen Achse in den Voxsana-Diagrammen als "Lücken" dargestellt werden. Lücken würden "offensichtliche Defizite" anzeigen. Eines der Defizite sei, dass die betroffenen Kinder nicht zuhören können. Dazu wird medizinisch grob falsch behauptet, dass "Frequenzen, die in der Stimme fehlen" darauf hinweisen würden, dass sie "vom Ohr nicht richtig wahrgenommen werden." Weiterhin sei ein Defizit im Neurotransmitterhaushalt und an Mineralien und Spurenelementen aus den Spektren ablesbar und eben eine Belastung mit Schwermetallen.
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Von Warner und anderen wird das Verfahren auch massiv zur Anwendung bei Kindern beworben, bei Schulproblemen oder "wenn Sie sich sorgen, weil Ihr Kind sich ungewöhnlich verhält". Die Befürworter üben sich dabei auch in der sog. [[Ritalinkritik]]: ADHS (Aufmerksamkeitsdefizit-/ Hyperaktivitätsstörung) bei Kindern sei oft eine Fehldiagnose. Vielmehr bräuchten die Betroffenen eine "Schwermetallausleitung". Das sei mit Hilfe der Stimmfrequenzanalyse nachweisbar. Es wird dazu auf "Lücken" im Spektrum verwiesen. Gemeint sind damit Frequenzbereiche mit niedrigerer Schallintensität, die infolge der Skalierung der vertikalen Achse in den Voxsana-Diagrammen als "Lücken" dargestellt werden. Lücken würden "offensichtliche Defizite" anzeigen. Eines davon sei, dass die betroffenen Kinder nicht zuhören können. Dazu wird medizinisch grob falsch behauptet, dass "Frequenzen, die in der Stimme fehlen" darauf hinweisen würden, dass sie "vom Ohr nicht richtig wahrgenommen werden." Weiterhin sei ein Defizit im Neurotransmitterhaushalt und an Mineralien und Spurenelementen aus den Spektren ablesbar und eben eine Belastung mit Schwermetallen.
    
==Siehe auch==
 
==Siehe auch==
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