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'''Spirulina''' Produkte sind [[Nahrungsergänzungsmittel]] und werden aus der Cyanobakterie (Blaualge) ''Spirulina platensis'' gewonnen. Es handelt sich dabei rechtlich gesehen um Lebensmittel die dem [[LFGB]]-Gesetz unterliegen.
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'''Spirulina'''-Produkte sind [[Nahrungsergänzungsmittel]] und werden aus der Cyanobakterie (Blaualge) ''Spirulina platensis'' gewonnen. Es handelt sich dabei rechtlich gesehen um Lebensmittel, die dem [[LFGB]]-Gesetz unterliegen. Ein gesundheitlicher Nutzen einer Einnahme von Spirulina ist wissenschaftlich nicht nachgewiesen.
  
 
==Systematik==
 
==Systematik==
Bei Spirulina platensis-Produkten (landläufig als Spirulina-Algen angepriesen; lat. Arthrospira platensis) handelt es sich analog zu den [[Afa-Algen]] um Cyanobakterien (Eubakterien). Wie andere sog. "Mikroalgen" auch, zeichnen sich diese Bakterien dadurch aus, dass sie lange Ketten bilden können und auf diese Weise eine den Algenpflanzen ähnliche Struktur zeigen.
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Bei Spirulina platensis-Produkten (landläufig als Spirulina-Algen beworben; lat. Arthrospira platensis) handelt es sich wie auch bei den [[Afa-Algen]] um Cyanobakterien (Eubakterien). Wie andere so genannte "Mikroalgen" zeichnen sich diese Bakterien dadurch aus, dass sie lange Ketten bilden können und auf diese Weise eine den Algenpflanzen ähnliche Struktur zeigen. Spirulina bildet, wie der Name bereits andeutet, spiralig gewundene Ketten.
  
==Einsatzgebiete==
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==Inhaltsstoffe==
Die Spirulina-Produkte werden zur Vorbeugung und Behandlung von Fibromyalgie, erhöhter Blutfettwerte, Krebsvorbeugung, gegen HIV- und Herpes-Infektion, geschwächter Immunabwehr, Allergien, Leberschäden und auch zur Gewichtsreduktion beworben.
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Trockenpräparate aus Spirulina enthalten durchschnittlich:<ref>[http://www.ernaehrung.de/lebensmittel/de/G004400/Spirulia-getrocknet.php Tabelle der Hauptnährstoffe von Spirulina, getrocknet]</ref><ref>Clement G: Production and characteristic constituents of the algae Spirulina platensis and maxima. Ann Nutr Aliment 29: 477-88, 1975</ref>
Klinische Studien, die die Wirksamkeit beweisen würden, liegen für die angepriesenen Indikationen liegen nicht bzw. für den Menschen nicht vor. Die in den Produkten enthaltenen Vitamine (Vitamin&nbsp;B12, Betakarotine) sind in einer Form vorhanden, die beim Menschen keinerlei Effekt ausübt oder die Serumspiegel dieser Vitamine nicht verändert.
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*59,78% Proteine
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*20,2% Kohlenhydrate
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*4,06% Fette, hier vor allem Gammalinolensäure
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*5,47% Mineralstoffe (Kalzium, Eisen, Magnesium, Natrium, Zink)
  
==Vermarktung==
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Das in den Produkten enthaltene Vitamin Vitamin&nbsp;B12 ist zu einem überwiegenden Teil in einer Form enthalten, die beim Menschen keinerlei Effekt ausübt oder die Serumspiegel dieser Vitamine nicht verändern kann. Deswegen wird es auch als Pseudovitamin B12 bezeichnet.<ref>Watanabe F. et. al: [http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/10552882 Pseudovitamin B(12) ist he predominant cobamide of algal health food, spirulina tablets] J Agric Fodd Chem. 1999 Nov;47(11):4736-41</ref>
Im Internet und im [[MLM|Strukturvertrieb]], aber auch über Apotheken können die Mittel bezogen werden. Es kam auch schon zu Verurteilungen von Spirulina-Anbietern auf Grund unlauterer Werbung.
 
  
==Zucht- und Ernte von Spirulina==
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So stellten Dagnelie et&nbsp;al. bei einem Kind mit Vitamin&nbsp;B12-Defizit fest, dass zwar die Serumspiegel nach Zufuhr von Spirulina anstieg, sich der Zustand der megaloblastären Anämie (mit vergrößertem mittleren Zellvolumen MCV) aber verschlechterte, was auf eine Unwirksamkeit der des Präparates schließen lässt. Im Gegensatz dazu verbesserte (normalisierte) sich das MCV nach Umstellung auf fischreiche Kost. Nach Ansicht dieser Autoren ist es nicht gerechtfertigt, Algen oder andere Pflanzenprodukte als sichere Vitamin&nbsp;B12-Quelle zu bezeichnen, da die tatsächliche Bioverfügbarkeit von Vitamin&nbsp;B12 aus diesen Ressourcen fraglich ist.<ref>Dagnelie PC, van Staveren WA, van den Berg H: Vitamin B-12 from algae appears not to be bioavailable. Am J Clin Nutr 53: 695-697, 1991</ref>
[[image:Spirulina3.jpg|Spirulina platensis|thumb]]
 
Spirulina kommt in stark alkalischen Salzseen (pH-Wert zwischen&nbsp;9 und&nbsp;11) vor, sie besiedelt flache, subtropische bis tropische Gewässer mit hohem Salzgehalt, vor allem in Mittelamerika, Südostasien, Afrika und Australien.
 
  
Spirulina wird heute in Aquakulturen bei einer Wassertemperatur von bis zu 35° Celsius produziert. Zur Ernte pumpt man das Wasser mit den Mikroorganismen durch einen Filter oder eine Zentrifuge und trocknet den so gewonnenen Schlamm anschließend mit Heißluft.
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==Einsatzgebiete==
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===Nahrung===
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Bereits die spanischen Conqistadoren sollen berichtet haben, dass die Azteken Spirulina als Nahrungsgrundlage verwendeten. Gesichert ist, dass das Volk der Kanembu Spirulina aus dem Tschad-See geerntet hat. Diese Nahrungsquelle diente offensichtlich in den genannten Kulturen dem Zweck der Nahrungsmittelversorgung in Notfällen oder als Beimischung zur Normalkost.
  
Da sich die einzelnen pflanzenartig wachsenden Bakterienstränge zusammenballen und schnell wachsend sind, kann man sie leicht ernten. Bereits die spanischen Conqistadoren sollen berichtet haben, dass die Azteken Spirulina als Nahrungsgrundlage verwendet haben sollen. Gesichert ist, dass das Volk der Kanembu Spirulina aus dem Tschad-See geerntet hat. Diese Nahrungsquelle diente offensichtlich in allen genannten Kulturen dem Zweck der Nahrungsmittelversorgung in Notfällen oder als Beimischung zur Normalkost.
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===Nahrungsergänzungsmittel===
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Die Spirulina-Produkte werden zur Vorbeugung und Behandlung von Fibromyalgie, erhöhter Blutfettwerte, Krebsvorbeugung, gegen HIV- und Herpes-Infektion, geschwächter Immunabwehr, Allergien, Leberschäden und auch zur Gewichtsreduktion beworben. Klinische Studien, die die Wirksamkeit beweisen, liegen für die beworbenen Indikationen nicht bzw. für den Menschen nicht vor.
  
Spirulina wächst nur unter warmen Umweltbedingungen. Oberhalb und unterhalb des 35.&nbsp;Breitengrades nördlich bzw. südlich des Äquators findet man Spirulina nur in Form von Nahrungssupplementen in Lebensmittelläden oder in thermisch regulierten Zuchtbecken.
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===Tierfutter===
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In der intensiven Landwirtschaft gilt Spirulina als hochwertiger Proteinlieferant in der Hühner-<ref>Venkataraman LV, Somasekaran T, Becker EW: Replacement value of blue-green alga (Spirulina platensis) for fishmeal and a vitamin-mineral premix for broiler chicks. Br Poult Sci 35: 373-81, 1994</ref> und Karpfenzucht<ref>Nandeesha MC, Gangadhara B, Manissery JK, Venkataraman LV: Growth performance of two Indian major carps, catla (Catla catla) and rohu (Labeo rohita) fed diets containing different levels of Spirulina platensis. Bioresour Technol 80: 117-20, 2001</ref> in Indien. Dort dient Spirulina platensis also als billige Proteinquelle in der Tierzucht, um teure pflanzliche Proteinquellen zu ersetzen. Spirulia ist Bestandteil einiger Futtermittel für Fische und Katzen.
  
In der intensiven Landwirtschaft gilt Spirulina als hochwertiger Proteinlieferant für die Aufzucht von Hühnern<ref>Venkataraman LV, Somasekaran T, Becker EW: Replacement value of blue-green alga (Spirulina platensis) for fishmeal and a vitamin-mineral premix for broiler chicks. Br Poult Sci 35: 373-81, 1994</ref> und Karpfen<ref>Nandeesha MC, Gangadhara B, Manissery JK, Venkataraman LV: Growth performance of two Indian major carps, catla (Catla catla) and rohu (Labeo rohita) fed diets containing different levels of Spirulina platensis. Bioresour Technol 80: 117-20, 2001</ref> in Indien. In dieser Region dient Spirulina platensis also als billige Proteinquelle zur Tierzucht, um teure pflanzliche Proteinquellen zu ersetzen. Spirulina ist auch Bestandteil vieler Fischfutter und einiger Katzenfuttermittel.
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==Vermarktung==
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Im Internet und im [[MLM|Strukturvertrieb]], aber auch über den Internetversand können die Mittel bezogen werden. Es kam bereits zu Verurteilungen von Spirulina-Anbietern auf Grund unlauterer Werbung.
  
==Inhaltsstoffe und empfohlene Verzehrmenge==
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==Kultivierung und Ernte von Spirulina==
Spirulina platensis wird heutzutage in der Regel industriell hergestellt, um auf dem Gesundheitsmarkt angeboten zu werden. Während man in Afrika, Asien und Südamerika die Produktion in kleinen Mengen dezentral bewerkstelligt, wird z.B. in den USA der Weg beschritten, Spirulina-Stämme zu isolieren und als Reinzucht in isolierten Tanks zu vermehren.
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[[image:Spirulina3.jpg|Spirulina platensis|thumb]]
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Spirulina kommt natürlich in stark alkalischen Salzseen (pH-Wert zwischen&nbsp;9 und&nbsp;11) vor und besiedelt flache, subtropische bis tropische Gewässer mit hohem Salzgehalt, vor allem in Mittelamerika, Südostasien, Afrika und Australien.
  
Die Endprodukte zeichnen sich unstrittig durch einen vergleichsweise hohen Gehalt an B-Vitaminen, Betakarotin, Mineralien (Kalzium, Eisen, Magnesium, Natrium, Zink) sowie Gammalinolensäure aus. Bis zu 70% der Trockenmasse besteht aus Protein,<ref>Clement G: Production and characteristic constituents of the algae Spirulina platensis and maxima. Ann Nutr Aliment 29: 477-88, 1975</ref> 10–19% Kohlenhydrate, 7–15% Fette und 5–9% Mineralstoffe.<ref>http://de.wikipedia.org/wiki/Spirulina#Kultivierung_und_Inhaltsstoffe</ref>
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Spirulina gedeiht nur unter warmen klimatischen Bedingungen innerhalb des Bereiches zwischen dem 35.&nbsp;Breitengrad nördlich bzw. südlich des Äquators. Außerhalb dieser Klimazone kann Spirulina nur in thermisch regulierten Aquakulturen bei einer Wassertemperatur von bis zu 35° Celsius kultiviert werden. Zur Ernte pumpt man das Wasser mit den Mikroorganismen durch einen Filter oder eine Zentrifuge und trocknet das so gewonnene Sediment anschließend mit Heißluft.
  
Der Gehalt der Substanzen in Spirulina platensis bedeutet aber nicht, dass jene auch vollumfänglich in den menschlichen Organismus aufgenommen werden. So zeigte die Untersuchung von Dagnelie et&nbsp;al.<ref>Dagnelie PC, van Staveren WA, van den Berg H: Vitamin B-12 from algae appears not to be bioavailable. Am J Clin Nutr 53: 695-697, 1991</ref>, dass das Vitamin&nbsp;B12 von Spirulina in einer Form vorliegt, die offensichtlich im Menschen nicht bioverfügbar ist. Dagnelie et&nbsp;al. (1991) stellten bei einem Kind mit Vitamin&nbsp;B12-Defizit fest, dass zwar die Serumspiegel nach Zufuhr von Spirulina anstiegen, dass sich aber der Zustand der megaloblastären Anämie (mit vergrößertem mittleren Zellvolumen MCV) verschlechterte, was auf eine Unwirksamkeit der Zubereitung schließen lässt. Im Gegensatz dazu verbesserte (normalisierte) sich das MCV, als auf fischreiche Kost umgestellt wurde. Nach Ansicht dieser Autoren ist es nicht gerechtfertigt, Algen oder andere Pflanzenprodukte als sichere Vitamin&nbsp;B12-Quelle zu bezeichnen, denn die tatsächliche Bioverfügbarkeit von Vitamin&nbsp;B12 aus diesen Ressourcen ist fraglich.
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Da sich die einzelnen pflanzenartig wachsenden Bakterienstränge zusammenballen und schnell wachsend sind, kann man sie leicht ernten.
  
Aktuelle Studien wie Pugh et al. (2001) deuten darauf hin, dass in ''Spirulina platensis'' -, ''Aphanizomenon flos aquae''- und ''[[Chlorella]]'' ''pyrenoidosa''-Zubereitungen im Zellkulturversuch immunmodulatorisch wirksame hochmolekulare Polysaccharide in einem Anteil von 0,5-2% enthalten sind.<ref>Pugh N, Ross SA, ElSohly HN, ElSohly MA, Pasco DS: Isolation of three high molecular weight polysaccharide preparations with potent immunostimulatory activity from Spirulina platensis, aphanizomenon flos-aquae and Chlorella pyrenoidosa. Planta Med 67: 737-42, 2001</ref> Diese führen in Zellkultur-Prüfmodellen zu einer Aktivierung menschlicher weißer Blutkörperchen (Monozyten, Makrophagen), die für die Immunabwehr zuständig sind. Daraus aber eine heilsame Wirkung beim Menschen abzuleiten, ist falsch. Alle möglichen, als Antigene wirkenden Substanzen (bis hin zu reinem Wasser), können je nach Versuchsaufbau eine Aktivitätserhöhung bestimmter Zellfraktionen auslösen. Dies deshalb, weil eine Änderung der Laborbedingungen immer einen Einfluss auf die kultivierten Zellen ausübt. Selbst wenn im Serum des Menschen ein analoger Effekt zu erzielen wäre, würde dies lediglich bedeuten, dass die Zufuhr dieser Polysaccharide (deren Aufnahme aus dem Darm in das Serum bis heute nicht nachgewiesen wurde) wie eine Antigenzufuhr wirkt. Ein gesundheitlicher Nutzen entsteht dadurch nicht automatisch.
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Spirulina platensis wird heute in der Regel industriell hergestellt, um auf dem Gesundheitsmarkt angeboten zu werden. Während man in Afrika, Asien und Südamerika die Produktion in kleinen Mengen dezentral bewerkstelligt, wird z.B. in den USA der Weg beschritten, Spirulina-Stämme zu isolieren und als Reinzucht in isolierten Tanks zu vermehren.
  
Allerdings existiert bis heute keine einzige klinische Studie, die glaubhaft und seriös einen gesundheitlichen Vorteil der dauerhaften Einnahme von Spirulinaprodukten bei den behaupteten Indikationen nachgewiesen hätte.
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==Wirksamkeit==
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Studien wie Pugh et al. deuten darauf hin, dass in ''Spirulina platensis'', [[AFA-Algen]] (''Aphanizomenon flos aquae'') und ''[[Chlorella]]'' ''pyrenoidosa''-Zubereitungen im Zellkulturversuch immunmodulatorisch wirksame hochmolekulare Polysaccharide in einem Anteil von 0,5-2% enthalten sind.<ref>Pugh N, Ross SA, ElSohly HN, ElSohly MA, Pasco DS: Isolation of three high molecular weight polysaccharide preparations with potent immunostimulatory activity from Spirulina platensis, aphanizomenon flos-aquae and Chlorella pyrenoidosa. Planta Med 67: 737-42, 2001</ref> Diese führen in Zellkultur-Prüfmodellen zu einer Aktivierung menschlicher weißer Blutkörperchen (Monozyten, Makrophagen), die für die Immunabwehr zuständig sind. Daraus aber eine heilsame Wirkung beim Menschen abzuleiten, ist falsch. Verschiedene als Antigene wirkende Substanzen (bis hin zu reinem Wasser) können je nach Versuchsaufbau eine Aktivitätserhöhung bestimmter Zellfraktionen auslösen, weil eine Änderung der Laborbedingungen immer einen Einfluss auf die kultivierten Zellen ausübt. Selbst wenn im Serum des Menschen ein analoger Effekt zu erzielen wäre, würde dies lediglich bedeuten, dass die Zufuhr dieser Polysaccharide (deren Aufnahme aus dem Darm in das Serum bis heute nicht nachgewiesen wurde) wie eine Antigenzufuhr wirkt. Ein gesundheitlicher Nutzen entsteht dadurch nicht zwangsläufig.
  
Die üblicherweise empfohlene Verzehrmenge von Spirulina schwankt. In Deutschland werden diverse Produkte mit folgenden Verzehrmengen angepriesen: Aquaflor Spirulina Pulver (1,5-2&nbsp;g/d), Bluegreen Spirulina Plus (1,6&nbsp;g/d), WHC Spirulina (2,4&nbsp;g/d). Allerdings sind uns, vor allem in einschlägigen werbenden Artikeln aus dem Esoterik-Bereich, die oftmals in Zusammenhang mit der Schaltung von Anzeigen der Algenanbieter auffallen, auch Verzehrempfehlungen bis zu 10&nbsp;Gramm/d und mehr aufgefallen. Die maximale Obergrenze wird derzeit bei 50&nbsp;Gramm pro Tag angesetzt.
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Allerdings existiert bis heute keine einzige klinische Studie, die glaubhaft und seriös einen gesundheitlichen Vorteil der dauerhaften Einnahme von Spirulinaprodukten bei den behaupteten Indikationen nachwies.
  
==Medizinische Wirksamkeit bis heute unklar==
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Die Behauptung, Extrakte von Spirulina platensis seien gegen HIV/AIDS wirksam, ist bis heute unbewiesen. Es liegen nur wenige Laborstudien wie Ayehunie et&nbsp;al. vor, die zeigen, dass im Zellkulturversuch die Vermehrung des HI1-Virus in menschlichen T-Zell-Linien durch einen wässrigen Auszug von Spirulina (Arthrospira) platensis in Konzentrationen von 0,2-1,2&nbsp;Mikrogramm Extrakt pro&nbsp;ml Zellsuspension um etwa 50% gehemmt werden kann.<ref>Ayehunie et.al.: [http://www.ncbi.nlm.nih.gov/pubmed/959352 Inhibition of HIV-1 replication by an aqueous extract of Spirulina platensis (Arthrospira platensis)] J Acquir immune Deficit Syndr Hum Retrovirol. 1998 May 1;18(1):7-12</ref> Bis heute gibt es jedoch keine Studie und nicht einmal eine glaubwürdige Fallbeschreibung dazu, dass dieser Effekt bei HIV-Infizierten ebenso eintritt. Die Überlebenszeit von HIV-Infizierten, die sich zusätzlich mit Spirulina versorgen, wurde bis heute im Vergleich zu solchen Personen, die dies nicht tun, nicht untersucht. Es gibt also bis auf Zellkulturversuche keinen verwertbaren Hinweis darauf, dass Spirulina bei HIV oder gar im symptomatischen Stadium AIDS einen therapeutischen Nutzen hat.
Die Behauptung, Extrakte von Spirulina platensis seien gegen HIV/AIDS wirksam, ist bis heute unbewiesen. Zwar gibt es einige wenige Laborstudien wie Ayehunie et&nbsp;al. (1998), die zeigen, dass im Zellkulturversuch die HIV-1 Vermehrung in menschlichen T-Zell-Linien durch einen wässrigen Auszug von Spirulina (Arthrospira) platensis in Konzentrationen von 0,2-1,2&nbsp;Mikrogramm Extrakt pro&nbsp;ml Zellsuspension um etwa 50% hemmen kann, aber es gibt bis heute keine einzige Studie und nicht einmal eine glaubwürdige Fallbeschreibung, dass dieser Effekt bei HIV-Infizierten ebenso eintritt. Dies wäre leicht zu bewerkstelligen, wenn man den Betroffenen neben ihrer normalen antiviralen Therapie einfach Spirulina-Tabletten verabreichen würde und regelmäßig die Virenlast im Serum messen würde. Bliebe sie dauerhaft unverändert im Vergleich zu einer konventionell behandelten Gruppe, wäre dies als Erfolg zu werten, denn bis heute gibt es kein einziges, wirklich dauerhaft die Virenreplikation beendendes Mittel. Die Überlebenszeit von HIV-Infizierten, die sich zusätzlich mit Spirulina versorgen, wurde bis heute im Vergleich zu solchen Personen, die dies nicht tun, nicht untersucht. Es gibt also bis auf Zellkulturversuche keine verwertbaren Hinweis darauf, dass Spirulina bei HIV oder gar im symptomatischen Stadium AIDS einen therapeutischen Nutzen hätte.
 
  
In der Behandlung des Übergewichts gibt es bis heute keine einzige Studie, die einen gewichtsreduzierenden Effekt auch nur untersucht hätte, geschweige denn glaubhaft einen Nutzen nachgewiesen hätte. Den einzigen angeblichen Nachweis bietet Becker et&nbsp;al.<ref>Becker EW, Jakober B, Luft D: Clinical and biochemical evaluations of the alga Spirulina with regard to its application in the treatment of obesity. A double-blind cross-over study. Nutr Rep Int 33: 565–574, 1986</ref> in einer aufgrund ihrer Fallzahl faktisch nicht aussagekräftigen placebokontrollierten Studie in einem Journal der Lebensmittelindustrie.
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In der Behandlung der Adipositas gibt es bis heute keine Studie, die einen gewichtsreduzierenden Effekt auch nur untersuchte, geschweige denn einen Nutzen glaubhaft nachwies. Den einzigen angeblichen Nachweis bieten Becker et&nbsp;al.<ref>Becker EW, Jakober B, Luft D: Clinical and biochemical evaluations of the alga Spirulina with regard to its application in the treatment of obesity. A double-blind cross-over study. Nutr Rep Int 33: 565–574, 1986</ref> in einer aufgrund ihrer Fallzahl faktisch nicht aussagekräftigen placebokontrollierten Studie in einem Journal der Lebensmittelindustrie.
  
Die Behauptung, dass Spirulina gegen Krebs vorbeugend schützen würde, ist bis heute nicht belegt. Zwar gibt es einige Zellkulturversuche, in denen wiederum immunmodulatorische Wirkungen von Spirulinaextrakten beschrieben wurden,<ref>Hirahashi T, Matsumoto M, Hazeki K, Saeki Y, Ui M, Seya T: Activation of the human innate immune system by Spirulina: augmentation of interferon production and NK cytotoxicity by oral administration of hot water extract of Spirulina platensis. Int Immunopharmacol 2: 423-34, 2002</ref> aber diese Versuche wurden nur bei gesunden Freiwilligen durchgeführt und zeigen den üblichen Anstieg der Natural Killer (NK)-Zellen im Serum bei der Zufuhr von oral resorbierbaren Antigenen. Einen Anti-Tumor-Effekt daraus ableiten zu wollen, wäre falsch, da NK-Zellen nur immunologisch markierte Zellen angreifen und vernichten. Selbst wenn ihre Zahl im Serum drastisch erhöht würde, die Tumorzelle sich aber nicht als körpereigen darstellt (z.B. bei Adenokarzinom-Zellen), nutzt der Effekt einer NK-Stimulation dem Krebskranken überhaupt nichts. Eine spezielle Markierung oder Veränderung der Oberflächenstruktur von Tumorzellen durch die wässrigen Spirulina-Extrakte ist bis heute nicht nachgewiesen worden. Insofern sind solche Versuche immunologische Augenwischerei.
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Die Behauptung, dass Spirulina gegen Krebs vorbeugend schütze, ist bis heute nicht belegt. Zwar gibt es einige Zellkulturversuche, in denen wiederum immunmodulatorische Wirkungen von Spirulinaextrakten beschrieben wurden,<ref>Hirahashi T, Matsumoto M, Hazeki K, Saeki Y, Ui M, Seya T: Activation of the human innate immune system by Spirulina: augmentation of interferon production and NK cytotoxicity by oral administration of hot water extract of Spirulina platensis. Int Immunopharmacol 2: 423-34, 2002</ref> aber diese Versuche wurden nur bei gesunden Freiwilligen durchgeführt und zeigen den üblichen Anstieg der Natural Killer (NK)-Zellen im Serum bei der Zufuhr von oral resorbierbaren Antigenen. Es wäre falsch, daraus einen Anti-Tumor-Effekt ableiten zu wollen, da NK-Zellen nur immunologisch markierte Zellen angreifen und vernichten. Selbst wenn ihre Zahl im Serum drastisch erhöht würde, die Tumorzelle sich aber nicht als körpereigen darstellt (z.B. bei Adenokarzinom-Zellen), nutzt der Effekt einer NK-Stimulation dem Krebskranken überhaupt nicht. Eine spezielle Markierung oder Veränderung der Oberflächenstruktur von Tumorzellen durch die wässrigen Spirulina-Extrakte wurde bis heute nicht nachgewiesen. Insofern besitzen solche Versuche keinerlei Aussagekraft.
  
Es gibt allerdings Studien wie jene von Mishima et&nbsp;al. (1998), die das Polysaccharid Kalzium-Spirulan aus Spirulina platensis-Zubereitungen isolierten und im Zellkulturversuch als Hemmstoff in Zelllinien ausgewählter Melanom-, Kolonkarzinom- und Fibrosarkom-Linien anwendeten. Sie spritzen die Substanz in den Zellsud und stellten fest, dass die Polysaccharide eins von verschiedenen Anheftungsenzymen, die diese Tumorzellen benötigen, um während des Metastasierungsprozesses sich in gesunden Geweben festzusetzen, blockiert wurde. Dieser Effekt wurde aber bisher am lebenden Tier oder gar am Menschen nicht untersucht. Es wurden auch keine Fallbeschreibungen über heilende Wirkungen dieser Tumorarten veröffentlicht. Es steht auch der Beweis aus, dass eine direkte, spezifisch die Tumorzellen eliminierende Wirkung des Kalzium-Spirulan existiert. Wenn überhaupt, kann es höchstens einen Teil der Anheftungskapazität bestimmter Tumorzellen bremsen und damit eine Metastasierung verlangsamen.<ref>Mishima T, Murata J, Toyoshima M, Fujii H, Nakajima M, Hayashi T, Kato T, Saiki I: Inhibition of tumor invasion and metastasis by calcium spirulan (Ca-SP), a novel sulfated polysaccharide derived from a blue-green alga, Spirulina platensis. Clin Exp Metastasis 16: 541-50, 1998</ref>
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Es gibt allerdings Studien wie jene von Mishima et&nbsp;al., die das Polysaccharid Kalzium-Spirulan aus Spirulina platensis-Zubereitungen isolierten und im Zellkulturversuch als Hemmstoff in Zelllinien ausgewählter Melanom-, Kolonkarzinom- und Fibrosarkom-Linien anwendeten. Sie spritzten die Substanz in den Zellsud und stellten fest, dass die Polysaccharide eines von verschiedenen Anheftungsenzymen blockierten, die diese Tumorzellen benötigen, um sich während des Metastasierungsprozesses in gesunden Geweben festzusetzen. Dieser Effekt wurde aber bisher nicht am lebenden Tier oder gar am Menschen untersucht. Es wurden auch keine Fallbeschreibungen über heilende Wirkungen bei diesen Tumorarten veröffentlicht. Ebenso steht der Beweis aus, dass eine direkte, spezifisch die Tumorzellen eliminierende Wirkung des Kalzium-Spirulan existiert. Wenn überhaupt, kann es höchstens einen Teil der Anheftungskapazität bestimmter Tumorzellen bremsen und damit eine Metastasierung verlangsamen.<ref>Mishima T, Murata J, Toyoshima M, Fujii H, Nakajima M, Hayashi T, Kato T, Saiki I: Inhibition of tumor invasion and metastasis by calcium spirulan (Ca-SP), a novel sulfated polysaccharide derived from a blue-green alga, Spirulina platensis. Clin Exp Metastasis 16: 541-50, 1998</ref>
  
Die einzige Studie, die bisher im Fachschrifttum publiziert wurde und sich mit der Spirulinabehandlung bei Kranken befasst, ist jene von Mathew et&nbsp;al. (1995) von der indischen medizinischen Universität Kerala. Die Autoren untersuchten Veränderungen des Schleimhautepithels der Mundhöhle von tabakkauenden Arbeitern. Es sollte untersucht werden, ob die 12-monatige Einnahme von 1&nbsp;Gramm Spirulina platensis täglich einen Einfluss auf die Neigung zu Verhornungsstörungen (Leukoplakie) bei diesen Patienten hatte. 20&nbsp;von 44&nbsp;Patienten unter Spirulinagabe und nur&nbsp;3 von&nbsp;43 placebobehandelten Patienten zeigten eine Rückbildung der Leukoplakie im Mundhöhlenbereich. Eine Veränderung der Serumwerte von Retinol oder Betakarotin unter Spirulina-Einnahme wurde nicht festgestellt. Da es sich bei der Leukoplakie nicht um eine Krebserkrankung, sondern eine eventuell zu einem Mundhöhlenkarzinom führende Gewebsveränderung handelt, zeigt diese Studie zweierlei: Eine Wirkung bei Krebs ist nicht untersucht worden und offenbar hat das carotinoidreiche Spirulina keinen Einfluss auf den Vitaminspiegel im Serum.<ref>Mathew B, Sankaranarayanan R, Nair PP, Varghese C, Somanathan T, Amma BP, Amma NS, Nair MK: Evaluation of chemoprevention of oral cancer with Spirulina fusiformis. Nutr Cancer 24: 197-202, 1995</ref> Dies stützt die Beschreibung von Dagnelie et&nbsp;al. (1991), die ebenfalls keine Resorption von Vitaminen (hier: Vit.&nbsp;B12) feststellen konnten.
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Die einzige Studie, die bisher im Fachschrifttum publiziert wurde und sich mit der Spirulinabehandlung bei Kranken befasst, ist jene von Mathew et&nbsp;al. von der medizinischen Universität Kerala (Indien). Die Autoren untersuchten Veränderungen des Schleimhautepithels der Mundhöhle von Tabak kauenden Arbeitern. Es sollte untersucht werden, ob die zwölfmonatige Einnahme von 1&nbsp;Gramm Spirulina platensis täglich einen Einfluss auf die Neigung zu Verhornungsstörungen (Leukoplakie) bei diesen Patienten hatte. 20&nbsp;von 44&nbsp;Patienten unter Spirulinagabe und nur&nbsp;3 von&nbsp;43 placebobehandelten Patienten zeigten eine Rückbildung der Leukoplakie im Mundhöhlenbereich. Eine Veränderung der Serumwerte von Retinol oder Betakarotin unter Spirulina-Einnahme wurde nicht festgestellt. Da es sich bei der Leukoplakie nicht um eine Krebserkrankung, sondern eine eventuell zu einem Mundhöhlenkarzinom führende Gewebsveränderung handelt, zeigt diese Studie, dass eine Wirkung bei Krebs nicht untersucht worden ist und offenbar das carotinoidreiche Spirulina keinen Einfluss auf den Vitaminspiegel im Serum hat.<ref>Mathew B, Sankaranarayanan R, Nair PP, Varghese C, Somanathan T, Amma BP, Amma NS, Nair MK: Evaluation of chemoprevention of oral cancer with Spirulina fusiformis. Nutr Cancer 24: 197-202, 1995</ref> Dies stützt die Beschreibung von Dagnelie et&nbsp;al., die ebenfalls keine Resorption von Vitaminen (hier: Vit.&nbsp;B12) feststellen konnten.<ref>Dagnelie PC, van Staveren WA, van den Berg H: Vitamin B-12 from algae appears not to be bioavailable. Am J Clin Nutr 53: 695-697, 1991</ref>
  
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Zusammenfassend lässt sich sagen, dass eine medizinische Wirksamkeit wissenschaftlich nicht nachgewiesen werden konnte.
 
==Gefahren==
 
==Gefahren==
Durch schwermetallbelastete Produkte wie auch durch Spirulinaprodukte, die (möglicherweise durch Beimengungen microcystinproduzierender Cyanobakterien anderer Gattungen) Microcystine enthalten, besteht eine mögliche Gesundheitsgefährdung. So gab es einen Einzelfall in Deutschland, bei dem reversible Leber- und Nervenbeeinträchtigungen durch ein nachweislich microcystinhaltiges Spirulinaprodukt eintraten.
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Durch schwermetallbelastete Produkte wie auch durch Spirulinaprodukte, die (möglicherweise durch Beimengungen microcystinproduzierender Cyanobakterien anderer Gattungen) Microcystine enthalten, besteht eine mögliche Gesundheitsgefährdung. Microcystine sind stark hepatotoxisch (giftig für die Leber) und gelten als Tumorpromotoren.<ref>DFG - Senatskommission zur Beurteilung der gesundheitlichen Unbedenklichkeit von Lebensmitteln: [http://www.dfg.de/download/pdf/dfg_im_profil/reden_stellungnahmen/2006/sklm_microcystine_28092005.pdf Microcystine in Algenprodukten zur Nahrungsergänzung] Endfassung vom 28. September 2005</ref>
 
 
In der Spirulina-Szene wird gerne die Legende verbreitet, dass die Produkte, gerade weil sie im industriellen Maßstab unter Reinbedingungen erzeugt würden, hochqualitativ seien. Dass die resultierenden Produkte im Einzelfall alles andere als hochqualitativ sind, zeigte vor mehr als 15&nbsp;Jahren die Studie von Johnson und Shubert (1986), die Schwermetalle aus verschmutztem Zuchtwasser zu einer Anreicherung von Blei, Kadmium und Quecksilber in den Endprodukten führen können.<ref>Johnson PE, Shubert LE: Accumulation of mercury and other elements by Spirulina (Cyanophyceae). Nutr Rep Int 34: 1063–1070, 1986</ref> Bei späteren Untersuchungen von Spirulina-Endprodukten wurden von Nakashima et&nbsp;al. (1989) Beimengungen von Tierhaaren und Insektenfragmenten gefunden.<ref>Nakashima MJ, Angold S, Beavin BB, Bradicich RB, Decker SJ, Dzidowski GR, Levesque E, Locatelli RG, Mably M, Paredes A: Extraction of light filth from spirulina powders and tablets: collaborative study. J Assoc Off Anal Chem 72: 451-453, 1989</ref> Zusätzlich waren die Produkte teilweise mit Mineralöl oder Reinigungsölen belastet. Dies deutet auf miserable Produktionsbedingungen einzelner Anbieter hin.
 
 
 
Auch wenn in der Fachliteratur nachgewiesen wurde, dass Spirulina platensis keine Algentoxine der Microcystin-Klasse (vgl. [[AFA-Algen]]) enthält, wurden Paralex bereits einzelne Spirulina-Produkte bekannt, die nachweislich Microcystine in Mengen bis zu 77&nbsp;parts per billion (ppb) enthalten haben. Eine Betroffene, die das Spirulinaprodukt eines deutschen Anbieters in Tagesdosen von 10-15&nbsp;Gramm über mehrere Wochen einnahm, verspürte nach den ersten 4&nbsp;Wochen zunehmende Leberschmerzen und im weiteren Verlauf Sensibilitätsstörungen ('Ameisenlaufen') im Bereich der Zehen. Die sie beratende Heilpraktikerin, die ihr diese Spirulinakur empfohlen hatte, schob dies zunächst in typisch säftepathologischer Manier auf Symptome der 'Giftausleitung', obwohl es sich eindeutig um erste Symptome einer chronischen Microcystinvergiftung gehandelt haben muss. Da die Erkrankte pro Monat bis zu 450&nbsp;Gramm der Algen verzehrte und damit schnell in den mutmaßlichen Toxizitätsbereich der Microcystine (ab etwa 40&nbsp;Mikrogramm Gesamtaufnahmemenge) gelangte, und die Symptome nach Absetzen des Produktes rückbildungsfähig waren, deutet alles auf eine Vergiftung durch Microcystine hin. Die Leberschwellung einschließlich einer Erhöhung der Transaminasen ließ am schnellsten nach, die Nervenausfallserscheinungen hingegen gingen nur langsam über viele Wochen zurück.
 
 
 
==Laboranalyse vor der Einnahme dringend angezeigt==
 
Es ist dringend empfehlen, sich vor der Entscheidung zu einer angeblich gesundheitsfördernden Spirulinakur eine ELISA-Analytik zum Gehalt an Microcystinen im Endprodukt in einem Fachlabor (z.B. www.gbu-net.de) zu fertigen. Liegt der Gehalt an Microcystinen oberhalb von 1&nbsp;ppb, sollte die Anwendung unterbleiben. Entscheidend ist für den Verbraucher, auf der Vorlage eines etablierten ELISA-Tests zu bestehen, denn dieser ist derzeit der preiswerteste und gleichzeitig sicherste Test zum Nachweis der gefährlichsten Gifte aus der Microcystinfamilie. Andere Testmethoden sind nicht so empfindlich und gaukeln dem Verbraucher eine Scheinsicherheit vor.
 
 
 
Im oben angedeuteten Fall der Verbraucherin konnte eine Rückgabe der Spirulinaprodukte mit voller Kostenerstattung (es handelte sich um eine 6-Monats-Packung) nach Vorlage des Laborzertifikats durch den Vertreiber erreicht werden.
 
 
 
Es ist zwar davon auszugehen, dass nicht Spirulina platensis selbst die Microcystinquelle in Spirulina-Produkten ist. Es scheint vielmehr so zu sein, dass andere Cyanobakterien, die zur Microcystinproduktion befähigt und mit Spirulina häufig vergesellschaftet sind, in den angeblichen Reinzuchtbecken eingeschleppt wurden bzw. im Herstellungsprozess nicht abgetrennt werden können. Je nach Seriosität und Zuverlässigkeit des Herstellers besteht dann die Gefahr, dass ein microcystinhaltiges Endprodukt in den Handel gelangt.
 
  
==Deutsche Lebensmittelüberwachung versagt kläglich==
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In der Spirulina-Szene wird häufig die Legende verbreitet, die Produkte seien hochqualitativ, gerade weil sie im industriellen Maßstab unter Reinbedingungen erzeugt würden. Dass die resultierenden Produkte im Einzelfall alles andere als hochqualitativ sind, zeigte vor mehr als 15&nbsp;Jahren die Studie von Johnson und Shubert, die ergab, dass Schwermetalle aus verschmutztem Zuchtwasser zu einer Anreicherung von Blei, Kadmium und Quecksilber in den Endprodukten führen können.<ref>Johnson PE, Shubert LE: Accumulation of mercury and other elements by Spirulina (Cyanophyceae). Nutr Rep Int 34: 1063–1070, 1986</ref> Bei späteren Untersuchungen von Spirulina-Endprodukten fanden Nakashima et&nbsp;al. Beimengungen von Tierhaaren und Insektenfragmenten.<ref>Nakashima MJ, Angold S, Beavin BB, Bradicich RB, Decker SJ, Dzidowski GR, Levesque E, Locatelli RG, Mably M, Paredes A: Extraction of light filth from spirulina powders and tablets: collaborative study. J Assoc Off Anal Chem 72: 451-453, 1989</ref> Zusätzlich waren die Produkte teilweise mit Mineralöl oder Reinigungsölen belastet. Dies deutet auf miserable Produktionsbedingungen einzelner Anbieter hin.
Die deutschen Lebensmittelüberwachungsbehörden des Bundes und der Länder unternehmen derzeit überhaupt nichts, um microcystinhaltige Algenprodukte aus dem Verkehr zu nehmen. Dies liegt hauptsächlich daran, dass es keinen etablierten Microcystin-Grenzwert für eine Maximalbelastung in Nahrungsmitteln gibt. Würde dieser dem WHO-Trinkwassergrenzwert entsprechen (maximal 1&nbsp;ppb bzw. 1&nbsp;Mikrogramm pro Liter/kg), wäre allerdings der Fisch- und Muschelhandel in der BRD einzustellen, denn hier gilt ein derzeitiger Maximalwert von 200&nbsp;ppb als noch toleriert. Da nachweislich bereits ab Belastungen von 30&nbsp;ppb eine Krebsgefahr (Leberkarzinom) in China nachgewiesen wurde<ref>Yu SZ: Primary prevention of hepatocellular carcinoma. J Gastroenterol Hepatol 10: 674-682, 1995</ref><ref>Yu SZ, Chen G: Blue-green algae toxins and liver cancer. Chin J Cancer Res 6: 9-17, 1994</ref> und im trächtigen Rattenmodell schon ab einer Applikation von 4&nbsp;ppb Microcystinen ins Bauchfell mikroskopisch erkennbare Organschäden der Rattenfeten gezeigt werden konnten<ref>Zhang Z, Lian M, Liu Y, Wei G, Yu S, Kang S, Zhang Y, Chen C: Teratosis and damage of viscera induced by microcystin in SD rat fetuses. Zhonghua Yi Xue Za Zhi 82: 345-347, 2002</ref>, ist offensichtlich, dass die deutschen Lebensmittelüberwachungsbehörden einen neuen Lebensmittelskandal vertuschen helfen wollen. Dieser hätte zur Folge, dass man einmal mehr zugeben müsste, dass in Deutschland verseuchte Lebensmittel legal im Handel sind.
 
  
Jene deutschen Bundesbehörden und Fachverbände, die für medizinische Produkte zuständig sind, sehen das Microcystinproblem sehr wohl, tragen aber vor, angeblich aus rechtlichen Gründen nicht intervenieren zu können. Die Arzneimittelüberwachung sei nicht für Lebensmittel zuständig. Auch fehlt diesen Behörden offenbar die Laborkapazität und -ausbildung, um im Microcystinbereich überwachend tätig zu werden.
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Spirulina platensis selbst enthält keine Microcystine. Jedoch werden oft andere Cyanobakterien, die zur Microcystinproduktion befähigt und mit Spirulina häufig vergesellschaftet sind, in angebliche Reinzuchtbecken eingeschleppt, die dann im Herstellungsprozess nicht abgetrennt werden. Je nach Seriosität und Zuverlässigkeit des Herstellers besteht dann die Gefahr, dass ein microcystinhaltiges Endprodukt in den Handel gelangt. So wurden bereits einzelne Spirulina-Produkte bekannt, die nachweislich Microcystine in Mengen bis zu 77&nbsp;parts per billion (ppb) enthielten.
  
Algenprodukte müssten in der BRD gemäß der EG-Verordnung Nr.&nbsp;258/97 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27.&nbsp;Januar 1997 über neuartige Lebensmittel und neuartige Lebensmittelzutaten<ref>Amtsblatt Nr. L 043 vom 14/02/1997 S. 0001 - 0006</ref> laut Artikel&nbsp;1 Abs.&nbsp;2d als Lebensmittel und Lebensmittelzutaten aus Mikroorganismen, Pilzen oder Algen betrachtet werden. Da sie vor dem Jahr 1997 nicht in relevanter Menge im Verkehr waren, wären sie gemäß der Novel-Food-Verordnung zulassungspflichtig und ihr derzeitiger Handel erscheint schlicht und ergreifend rechtswidrig. Obwohl bereits heute das Lebensmittel- und Bedarfsgegenständegesetz der Bundesrepublik Deutschland es in §&nbsp;8 Abs.&nbsp;2 LMBG untersagt, Stoffe auf den Markt zu bringen, deren Verzehr dazu geeignet ist, die Gesundheit zu schädigen, den Behörden aber durchaus solche Fälle intern bekannt sind, ist dies ein Skandal der besonderen Art. Microcystine stellen eine schleichende Krebsgefahr dar und sind gerade für Kinder und Schwangere gefährlich. Dass die Produkte nicht vom Markt gezogen werden, obgleich die Inverkehrbringung gefährlicher Stoffe nach §&nbsp;51 Abs.&nbsp;1 LMBG ein Strafdelikt mit bis zu 3&nbsp;Jahren Gefängnis ist, zeigt, dass die deutsche Lebensmittelüberwachung faktisch unlautere Anbieter toleriert. Wo nicht offiziell gesucht wird, wird auch nichts gefunden. Das Versagen der staatlichen Kontrollbehörden muss durch private Initiativen kompensiert werden.
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Bereits ab Belastungen von 30&nbsp;ppb konnte eine Krebsgefahr (Leberkarzinom) nachgewiesen werden<ref>Yu SZ: Primary prevention of hepatocellular carcinoma. J Gastroenterol Hepatol 10: 674-682, 1995</ref><ref>Yu SZ, Chen G: Blue-green algae toxins and liver cancer. Chin J Cancer Res 6: 9-17, 1994</ref>, und da im Versuch bei trächtigen Ratten schon ab einer Applikation von 4&nbsp;ppb Microcystinen ins Bauchfell mikroskopisch erkennbare Organschäden der Rattenfeten gezeigt werden konnten<ref>Zhang Z, Lian M, Liu Y, Wei G, Yu S, Kang S, Zhang Y, Chen C: Teratosis and damage of viscera induced by microcystin in SD rat fetuses. Zhonghua Yi Xue Za Zhi 82: 345-347, 2002</ref>, sind die gültigen Grenzwerte offenbar überdenkenswürdig.
  
==Erste Firmen wegen unlauterer Werbung in Deutschland verurteilt==
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==Rechtliche Situation==
Der Berliner Verband Sozialer Wettbewerb&nbsp;e.V., Kantstraße&nbsp;100, 10627&nbsp;Berlin, hat kürzlich erfolgreich einen Anbieter verklagt, der mit irreführenden Werbeaussagen für N.V.&nbsp;Spirulina geworben hatte (LG Essen, Az. 44&nbsp;0&nbsp;89/02, Urteil vom 12.&nbsp;Juni 2002).
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Algenprodukte müssten in der Deutschland gemäß der EG-Verordnung Nr.&nbsp;258/97 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27.&nbsp;Januar 1997 über neuartige Lebensmittel und neuartige Lebensmittelzutaten<ref>Amtsblatt Nr. L 043 vom 14/02/1997 S. 0001 - 0006</ref> laut Artikel&nbsp;1 Abs.&nbsp;2d als Lebensmittel und Lebensmittelzutaten aus Mikroorganismen, Pilzen oder Algen betrachtet werden. Da sie vor dem Jahr 1997 nicht in relevanter Menge im Verkehr waren, sind sie gemäß der Novel-Food-Verordnung zulassungspflichtig. <ref>http://ec.europa.eu/food/food/biotechnology/novelfood/nfnetweb/mod_search/index.cfm?action=mod_search.details&seqfce=45</ref>
  
Der Beklagte hatte in einer 45-minütigen Werbesendung für sein Produkt mit folgenden Aussagen geworben: "Spirulina kann in den Spiruletten das Sonnenlicht wirklich einfangen. Das kann man jetzt wortwörtlich nehmen: Das Licht ist eingefangen worden und wird beim Schlucken in den Organismus eingegeben. Das heißt also nichts anderes, dass ich neben Vitalstoffen, Vitaminen, Mineralien und Spurenelementen auch Licht esse. Und dieses Licht koordiniert ganz viele unterschiedliche Prozesse in unseren Körperzellen".
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In der Liste der beantragten und zugelassenen neuartigen Lebensmittel der EU sind keine Spirulina-Produkte aufgeführt.<ref>[http://ec.europa.eu/food/food/biotechnology/novelfood/app_list_en.pdf Applications under Regulation (EC) N° 258/97 of the European Parliament and of the Council]</ref> Ebenso liegt keine Notifizierung über die Feststellung der wesentlichen Gleichwertigkeit mit anderen traditionellen Lebensmitteln vor. <ref> Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR): [http://ec.europa.eu/food/food/biotechnology/novelfood/app_list_en.pdf Notifizierungen neuartiger Lebensmittel gemäß Artikel 5 der Verordnung (EG) Nr. 258/97]</ref> Somit ist die Vermarktung solcher Produkte innerhalb der EU illegal.
  
Die Richter stellten fest, dass es sich bei diesen Werbeaussagen um Irreführungen im Sinne der §§&nbsp;3&nbsp;UWG, 17&nbsp;I S.&nbsp;2 Nr.&nbsp;5a LMBG handelte. Dass eine Pflanze Sonnenlicht speichere und reproduzieren könne, sei wissenschaftlich nicht belegt. Die Kammer ging davon aus, dass die beanstandeten Werbeaussagen von dem angesprochenen Zuschauerkreis nicht ohne Weiteres als unsinnige Erklärung erkannt werden könnten. Vielmehr sei davon auszugehen, dass zumindest ein Teil der Angesprochenen dies für tatsächlich möglich hält. Die Kammer hielt es angesichts der Struktur des Zuschauerkreises des Werbesenders, in dem die Sendung lief, für möglich, dass solche Beteuerungen von einem relevanten Kreis der Zuschauer geglaubt würden und zu einer Kaufentscheidung führen könnten.
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==Siehe auch==
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*[[Abamav]]
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*[[AFA-Algen]]
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*[[Chlorella]]
  
==Fazit==
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==Weblinks==
Fragwürdiges Produkt ohne glaubhaften Wirksamkeitsnachweis. Ursprünglich nur als Notfall-Lebensmittel und Tierfuttermittel im Gebrauch, wird es z.T. unter fragwürdigen hygienischen Bedingungen produziert und verkauft. Eine Laborüberprüfung auf Microcystine und Schwermetalle ist vor der dauerhaften Einnahme bei unabhängigen Prüflabors unbedingt zu empfehlen, da die deutsche Lebensmittelüberwachung keinerlei Anstalten unternimmt, diesen Markt ausreichend zu kontrollieren. Dies deshalb, weil dann auch andere Lebensmittelsektoren (z.B. Fischindustrie) von Microcystinskandalen betroffen wären. Aus medizinscher Sicht ist vom Kauf und der Anwendung, vor allem im Kindesalter, eindeutig abzuraten.
+
*https://www.medizin-transparent.at/spirulina-wirkung/
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*[http://www.test.de/Algenpraeparate-Die-gruene-Gefahr-4196341-4196343/ Stiftung Warentest: Algenpräparate: Die grüne Gefahr] test 02/2011 mit Video
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*https://de.wikipedia.org/wiki/Spirulina
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*https://en.wikipedia.org/wiki/Spirulina_(dietary_supplement) (englisch)
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*Barrett, Stephen: [http://www.quackwatch.com/01QuackeryRalatedTopics/algae.html Algae: False Claims and Hype] www.Quackwatch.com (englisch)
  
 
==Quellennachweise==
 
==Quellennachweise==
 
<references/>
 
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[[category:Abnehmen]]
 
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Aktuelle Version vom 28. März 2021, 11:04 Uhr

Spirulina Produkt

Spirulina-Produkte sind Nahrungsergänzungsmittel und werden aus der Cyanobakterie (Blaualge) Spirulina platensis gewonnen. Es handelt sich dabei rechtlich gesehen um Lebensmittel, die dem LFGB-Gesetz unterliegen. Ein gesundheitlicher Nutzen einer Einnahme von Spirulina ist wissenschaftlich nicht nachgewiesen.

Systematik

Bei Spirulina platensis-Produkten (landläufig als Spirulina-Algen beworben; lat. Arthrospira platensis) handelt es sich wie auch bei den Afa-Algen um Cyanobakterien (Eubakterien). Wie andere so genannte "Mikroalgen" zeichnen sich diese Bakterien dadurch aus, dass sie lange Ketten bilden können und auf diese Weise eine den Algenpflanzen ähnliche Struktur zeigen. Spirulina bildet, wie der Name bereits andeutet, spiralig gewundene Ketten.

Inhaltsstoffe

Trockenpräparate aus Spirulina enthalten durchschnittlich:[1][2]

  • 59,78% Proteine
  • 20,2% Kohlenhydrate
  • 4,06% Fette, hier vor allem Gammalinolensäure
  • 5,47% Mineralstoffe (Kalzium, Eisen, Magnesium, Natrium, Zink)

Das in den Produkten enthaltene Vitamin Vitamin B12 ist zu einem überwiegenden Teil in einer Form enthalten, die beim Menschen keinerlei Effekt ausübt oder die Serumspiegel dieser Vitamine nicht verändern kann. Deswegen wird es auch als Pseudovitamin B12 bezeichnet.[3]

So stellten Dagnelie et al. bei einem Kind mit Vitamin B12-Defizit fest, dass zwar die Serumspiegel nach Zufuhr von Spirulina anstieg, sich der Zustand der megaloblastären Anämie (mit vergrößertem mittleren Zellvolumen MCV) aber verschlechterte, was auf eine Unwirksamkeit der des Präparates schließen lässt. Im Gegensatz dazu verbesserte (normalisierte) sich das MCV nach Umstellung auf fischreiche Kost. Nach Ansicht dieser Autoren ist es nicht gerechtfertigt, Algen oder andere Pflanzenprodukte als sichere Vitamin B12-Quelle zu bezeichnen, da die tatsächliche Bioverfügbarkeit von Vitamin B12 aus diesen Ressourcen fraglich ist.[4]

Einsatzgebiete

Nahrung

Bereits die spanischen Conqistadoren sollen berichtet haben, dass die Azteken Spirulina als Nahrungsgrundlage verwendeten. Gesichert ist, dass das Volk der Kanembu Spirulina aus dem Tschad-See geerntet hat. Diese Nahrungsquelle diente offensichtlich in den genannten Kulturen dem Zweck der Nahrungsmittelversorgung in Notfällen oder als Beimischung zur Normalkost.

Nahrungsergänzungsmittel

Die Spirulina-Produkte werden zur Vorbeugung und Behandlung von Fibromyalgie, erhöhter Blutfettwerte, Krebsvorbeugung, gegen HIV- und Herpes-Infektion, geschwächter Immunabwehr, Allergien, Leberschäden und auch zur Gewichtsreduktion beworben. Klinische Studien, die die Wirksamkeit beweisen, liegen für die beworbenen Indikationen nicht bzw. für den Menschen nicht vor.

Tierfutter

In der intensiven Landwirtschaft gilt Spirulina als hochwertiger Proteinlieferant in der Hühner-[5] und Karpfenzucht[6] in Indien. Dort dient Spirulina platensis also als billige Proteinquelle in der Tierzucht, um teure pflanzliche Proteinquellen zu ersetzen. Spirulia ist Bestandteil einiger Futtermittel für Fische und Katzen.

Vermarktung

Im Internet und im Strukturvertrieb, aber auch über den Internetversand können die Mittel bezogen werden. Es kam bereits zu Verurteilungen von Spirulina-Anbietern auf Grund unlauterer Werbung.

Kultivierung und Ernte von Spirulina

Spirulina platensis

Spirulina kommt natürlich in stark alkalischen Salzseen (pH-Wert zwischen 9 und 11) vor und besiedelt flache, subtropische bis tropische Gewässer mit hohem Salzgehalt, vor allem in Mittelamerika, Südostasien, Afrika und Australien.

Spirulina gedeiht nur unter warmen klimatischen Bedingungen innerhalb des Bereiches zwischen dem 35. Breitengrad nördlich bzw. südlich des Äquators. Außerhalb dieser Klimazone kann Spirulina nur in thermisch regulierten Aquakulturen bei einer Wassertemperatur von bis zu 35° Celsius kultiviert werden. Zur Ernte pumpt man das Wasser mit den Mikroorganismen durch einen Filter oder eine Zentrifuge und trocknet das so gewonnene Sediment anschließend mit Heißluft.

Da sich die einzelnen pflanzenartig wachsenden Bakterienstränge zusammenballen und schnell wachsend sind, kann man sie leicht ernten.

Spirulina platensis wird heute in der Regel industriell hergestellt, um auf dem Gesundheitsmarkt angeboten zu werden. Während man in Afrika, Asien und Südamerika die Produktion in kleinen Mengen dezentral bewerkstelligt, wird z.B. in den USA der Weg beschritten, Spirulina-Stämme zu isolieren und als Reinzucht in isolierten Tanks zu vermehren.

Wirksamkeit

Studien wie Pugh et al. deuten darauf hin, dass in Spirulina platensis, AFA-Algen (Aphanizomenon flos aquae) und Chlorella pyrenoidosa-Zubereitungen im Zellkulturversuch immunmodulatorisch wirksame hochmolekulare Polysaccharide in einem Anteil von 0,5-2% enthalten sind.[7] Diese führen in Zellkultur-Prüfmodellen zu einer Aktivierung menschlicher weißer Blutkörperchen (Monozyten, Makrophagen), die für die Immunabwehr zuständig sind. Daraus aber eine heilsame Wirkung beim Menschen abzuleiten, ist falsch. Verschiedene als Antigene wirkende Substanzen (bis hin zu reinem Wasser) können je nach Versuchsaufbau eine Aktivitätserhöhung bestimmter Zellfraktionen auslösen, weil eine Änderung der Laborbedingungen immer einen Einfluss auf die kultivierten Zellen ausübt. Selbst wenn im Serum des Menschen ein analoger Effekt zu erzielen wäre, würde dies lediglich bedeuten, dass die Zufuhr dieser Polysaccharide (deren Aufnahme aus dem Darm in das Serum bis heute nicht nachgewiesen wurde) wie eine Antigenzufuhr wirkt. Ein gesundheitlicher Nutzen entsteht dadurch nicht zwangsläufig.

Allerdings existiert bis heute keine einzige klinische Studie, die glaubhaft und seriös einen gesundheitlichen Vorteil der dauerhaften Einnahme von Spirulinaprodukten bei den behaupteten Indikationen nachwies.

Die Behauptung, Extrakte von Spirulina platensis seien gegen HIV/AIDS wirksam, ist bis heute unbewiesen. Es liegen nur wenige Laborstudien wie Ayehunie et al. vor, die zeigen, dass im Zellkulturversuch die Vermehrung des HI1-Virus in menschlichen T-Zell-Linien durch einen wässrigen Auszug von Spirulina (Arthrospira) platensis in Konzentrationen von 0,2-1,2 Mikrogramm Extrakt pro ml Zellsuspension um etwa 50% gehemmt werden kann.[8] Bis heute gibt es jedoch keine Studie und nicht einmal eine glaubwürdige Fallbeschreibung dazu, dass dieser Effekt bei HIV-Infizierten ebenso eintritt. Die Überlebenszeit von HIV-Infizierten, die sich zusätzlich mit Spirulina versorgen, wurde bis heute im Vergleich zu solchen Personen, die dies nicht tun, nicht untersucht. Es gibt also bis auf Zellkulturversuche keinen verwertbaren Hinweis darauf, dass Spirulina bei HIV oder gar im symptomatischen Stadium AIDS einen therapeutischen Nutzen hat.

In der Behandlung der Adipositas gibt es bis heute keine Studie, die einen gewichtsreduzierenden Effekt auch nur untersuchte, geschweige denn einen Nutzen glaubhaft nachwies. Den einzigen angeblichen Nachweis bieten Becker et al.[9] in einer aufgrund ihrer Fallzahl faktisch nicht aussagekräftigen placebokontrollierten Studie in einem Journal der Lebensmittelindustrie.

Die Behauptung, dass Spirulina gegen Krebs vorbeugend schütze, ist bis heute nicht belegt. Zwar gibt es einige Zellkulturversuche, in denen wiederum immunmodulatorische Wirkungen von Spirulinaextrakten beschrieben wurden,[10] aber diese Versuche wurden nur bei gesunden Freiwilligen durchgeführt und zeigen den üblichen Anstieg der Natural Killer (NK)-Zellen im Serum bei der Zufuhr von oral resorbierbaren Antigenen. Es wäre falsch, daraus einen Anti-Tumor-Effekt ableiten zu wollen, da NK-Zellen nur immunologisch markierte Zellen angreifen und vernichten. Selbst wenn ihre Zahl im Serum drastisch erhöht würde, die Tumorzelle sich aber nicht als körpereigen darstellt (z.B. bei Adenokarzinom-Zellen), nutzt der Effekt einer NK-Stimulation dem Krebskranken überhaupt nicht. Eine spezielle Markierung oder Veränderung der Oberflächenstruktur von Tumorzellen durch die wässrigen Spirulina-Extrakte wurde bis heute nicht nachgewiesen. Insofern besitzen solche Versuche keinerlei Aussagekraft.

Es gibt allerdings Studien wie jene von Mishima et al., die das Polysaccharid Kalzium-Spirulan aus Spirulina platensis-Zubereitungen isolierten und im Zellkulturversuch als Hemmstoff in Zelllinien ausgewählter Melanom-, Kolonkarzinom- und Fibrosarkom-Linien anwendeten. Sie spritzten die Substanz in den Zellsud und stellten fest, dass die Polysaccharide eines von verschiedenen Anheftungsenzymen blockierten, die diese Tumorzellen benötigen, um sich während des Metastasierungsprozesses in gesunden Geweben festzusetzen. Dieser Effekt wurde aber bisher nicht am lebenden Tier oder gar am Menschen untersucht. Es wurden auch keine Fallbeschreibungen über heilende Wirkungen bei diesen Tumorarten veröffentlicht. Ebenso steht der Beweis aus, dass eine direkte, spezifisch die Tumorzellen eliminierende Wirkung des Kalzium-Spirulan existiert. Wenn überhaupt, kann es höchstens einen Teil der Anheftungskapazität bestimmter Tumorzellen bremsen und damit eine Metastasierung verlangsamen.[11]

Die einzige Studie, die bisher im Fachschrifttum publiziert wurde und sich mit der Spirulinabehandlung bei Kranken befasst, ist jene von Mathew et al. von der medizinischen Universität Kerala (Indien). Die Autoren untersuchten Veränderungen des Schleimhautepithels der Mundhöhle von Tabak kauenden Arbeitern. Es sollte untersucht werden, ob die zwölfmonatige Einnahme von 1 Gramm Spirulina platensis täglich einen Einfluss auf die Neigung zu Verhornungsstörungen (Leukoplakie) bei diesen Patienten hatte. 20 von 44 Patienten unter Spirulinagabe und nur 3 von 43 placebobehandelten Patienten zeigten eine Rückbildung der Leukoplakie im Mundhöhlenbereich. Eine Veränderung der Serumwerte von Retinol oder Betakarotin unter Spirulina-Einnahme wurde nicht festgestellt. Da es sich bei der Leukoplakie nicht um eine Krebserkrankung, sondern eine eventuell zu einem Mundhöhlenkarzinom führende Gewebsveränderung handelt, zeigt diese Studie, dass eine Wirkung bei Krebs nicht untersucht worden ist und offenbar das carotinoidreiche Spirulina keinen Einfluss auf den Vitaminspiegel im Serum hat.[12] Dies stützt die Beschreibung von Dagnelie et al., die ebenfalls keine Resorption von Vitaminen (hier: Vit. B12) feststellen konnten.[13]

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass eine medizinische Wirksamkeit wissenschaftlich nicht nachgewiesen werden konnte.

Gefahren

Durch schwermetallbelastete Produkte wie auch durch Spirulinaprodukte, die (möglicherweise durch Beimengungen microcystinproduzierender Cyanobakterien anderer Gattungen) Microcystine enthalten, besteht eine mögliche Gesundheitsgefährdung. Microcystine sind stark hepatotoxisch (giftig für die Leber) und gelten als Tumorpromotoren.[14]

In der Spirulina-Szene wird häufig die Legende verbreitet, die Produkte seien hochqualitativ, gerade weil sie im industriellen Maßstab unter Reinbedingungen erzeugt würden. Dass die resultierenden Produkte im Einzelfall alles andere als hochqualitativ sind, zeigte vor mehr als 15 Jahren die Studie von Johnson und Shubert, die ergab, dass Schwermetalle aus verschmutztem Zuchtwasser zu einer Anreicherung von Blei, Kadmium und Quecksilber in den Endprodukten führen können.[15] Bei späteren Untersuchungen von Spirulina-Endprodukten fanden Nakashima et al. Beimengungen von Tierhaaren und Insektenfragmenten.[16] Zusätzlich waren die Produkte teilweise mit Mineralöl oder Reinigungsölen belastet. Dies deutet auf miserable Produktionsbedingungen einzelner Anbieter hin.

Spirulina platensis selbst enthält keine Microcystine. Jedoch werden oft andere Cyanobakterien, die zur Microcystinproduktion befähigt und mit Spirulina häufig vergesellschaftet sind, in angebliche Reinzuchtbecken eingeschleppt, die dann im Herstellungsprozess nicht abgetrennt werden. Je nach Seriosität und Zuverlässigkeit des Herstellers besteht dann die Gefahr, dass ein microcystinhaltiges Endprodukt in den Handel gelangt. So wurden bereits einzelne Spirulina-Produkte bekannt, die nachweislich Microcystine in Mengen bis zu 77 parts per billion (ppb) enthielten.

Bereits ab Belastungen von 30 ppb konnte eine Krebsgefahr (Leberkarzinom) nachgewiesen werden[17][18], und da im Versuch bei trächtigen Ratten schon ab einer Applikation von 4 ppb Microcystinen ins Bauchfell mikroskopisch erkennbare Organschäden der Rattenfeten gezeigt werden konnten[19], sind die gültigen Grenzwerte offenbar überdenkenswürdig.

Rechtliche Situation

Algenprodukte müssten in der Deutschland gemäß der EG-Verordnung Nr. 258/97 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 27. Januar 1997 über neuartige Lebensmittel und neuartige Lebensmittelzutaten[20] laut Artikel 1 Abs. 2d als Lebensmittel und Lebensmittelzutaten aus Mikroorganismen, Pilzen oder Algen betrachtet werden. Da sie vor dem Jahr 1997 nicht in relevanter Menge im Verkehr waren, sind sie gemäß der Novel-Food-Verordnung zulassungspflichtig. [21]

In der Liste der beantragten und zugelassenen neuartigen Lebensmittel der EU sind keine Spirulina-Produkte aufgeführt.[22] Ebenso liegt keine Notifizierung über die Feststellung der wesentlichen Gleichwertigkeit mit anderen traditionellen Lebensmitteln vor. [23] Somit ist die Vermarktung solcher Produkte innerhalb der EU illegal.

Siehe auch

Weblinks

Quellennachweise

  1. Tabelle der Hauptnährstoffe von Spirulina, getrocknet
  2. Clement G: Production and characteristic constituents of the algae Spirulina platensis and maxima. Ann Nutr Aliment 29: 477-88, 1975
  3. Watanabe F. et. al: Pseudovitamin B(12) ist he predominant cobamide of algal health food, spirulina tablets J Agric Fodd Chem. 1999 Nov;47(11):4736-41
  4. Dagnelie PC, van Staveren WA, van den Berg H: Vitamin B-12 from algae appears not to be bioavailable. Am J Clin Nutr 53: 695-697, 1991
  5. Venkataraman LV, Somasekaran T, Becker EW: Replacement value of blue-green alga (Spirulina platensis) for fishmeal and a vitamin-mineral premix for broiler chicks. Br Poult Sci 35: 373-81, 1994
  6. Nandeesha MC, Gangadhara B, Manissery JK, Venkataraman LV: Growth performance of two Indian major carps, catla (Catla catla) and rohu (Labeo rohita) fed diets containing different levels of Spirulina platensis. Bioresour Technol 80: 117-20, 2001
  7. Pugh N, Ross SA, ElSohly HN, ElSohly MA, Pasco DS: Isolation of three high molecular weight polysaccharide preparations with potent immunostimulatory activity from Spirulina platensis, aphanizomenon flos-aquae and Chlorella pyrenoidosa. Planta Med 67: 737-42, 2001
  8. Ayehunie et.al.: Inhibition of HIV-1 replication by an aqueous extract of Spirulina platensis (Arthrospira platensis) J Acquir immune Deficit Syndr Hum Retrovirol. 1998 May 1;18(1):7-12
  9. Becker EW, Jakober B, Luft D: Clinical and biochemical evaluations of the alga Spirulina with regard to its application in the treatment of obesity. A double-blind cross-over study. Nutr Rep Int 33: 565–574, 1986
  10. Hirahashi T, Matsumoto M, Hazeki K, Saeki Y, Ui M, Seya T: Activation of the human innate immune system by Spirulina: augmentation of interferon production and NK cytotoxicity by oral administration of hot water extract of Spirulina platensis. Int Immunopharmacol 2: 423-34, 2002
  11. Mishima T, Murata J, Toyoshima M, Fujii H, Nakajima M, Hayashi T, Kato T, Saiki I: Inhibition of tumor invasion and metastasis by calcium spirulan (Ca-SP), a novel sulfated polysaccharide derived from a blue-green alga, Spirulina platensis. Clin Exp Metastasis 16: 541-50, 1998
  12. Mathew B, Sankaranarayanan R, Nair PP, Varghese C, Somanathan T, Amma BP, Amma NS, Nair MK: Evaluation of chemoprevention of oral cancer with Spirulina fusiformis. Nutr Cancer 24: 197-202, 1995
  13. Dagnelie PC, van Staveren WA, van den Berg H: Vitamin B-12 from algae appears not to be bioavailable. Am J Clin Nutr 53: 695-697, 1991
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