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==Das Experiment==
 
==Das Experiment==
Alan Sokal reichte im Frühjahr 1996 einen Fachartikel bei der für ihre postmoderne Ausrichtung bekannten Zeitschrift ''Social Text'' (Duke University Press) ein. Die Zeitschrift hatte zuvor zu Beiträgen für eine Sondernummer zum Thema "Science Wars" aufgerufen, die als "Teil der Kampagne gegen political correctness" erscheinen sollten, und eine genaue Prüfung der Artikel versprochen. Der Titel der von Sokal eingereichten Arbeit lautete ''Transgressing the Boundaries: Towards a Transformative Hermeneutics of Quantum Gravity'' (deutsch etwa: ''Die Grenzen überschreiten: Auf dem Weg zu einer transformativen Hermeneutik der Quantengravitation'') <ref>http://www.physics.nyu.edu/faculty/sokal/transgress_v2/transgress_v2_singlefile.html</ref> und war in typischem Slang pseudowissenschaftlicher "postmoderner" Literatur verfasst. ''Social Text'' druckte die Arbeit unbeanstandet ab, obwohl der Inhalt nichts anderes war als die Aneinanderreihung von Zitaten berühmter französischer und amerikanischer Intellektueller zu angeblichen gesellschaftlichen und philosophischen Implikationen der Mathematik und Physik. Sokals einziger Beitrag bestand nach seinen Worten aus einem "Klebstoff", um diese Zitate zusammenzufügen.
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Alan Sokal reichte im Frühjahr 1996 einen Fachartikel bei der für ihre postmoderne Ausrichtung bekannten Zeitschrift ''Social Text'' (Duke University Press) ein. Die Zeitschrift hatte zuvor zu Beiträgen für eine Sondernummer zum Thema "Science Wars" aufgerufen, die als "Teil der Kampagne gegen political correctness" erscheinen sollten, und eine genaue Prüfung der Artikel versprochen. Der Titel der von Sokal eingereichten Arbeit lautete ''Transgressing the Boundaries: Towards a Transformative Hermeneutics of Quantum Gravity'' (deutsch etwa: ''Die Grenzen überschreiten: Auf dem Weg zu einer transformativen Hermeneutik der Quantengravitation'') <ref>http://www.physics.nyu.edu/faculty/sokal/transgress_v2/transgress_v2_singlefile.html</ref> und war in typischem Slang pseudowissenschaftlicher "postmoderner" Literatur verfasst. ''Social Text'' druckte die Arbeit unbeanstandet ab, obwohl der Inhalt nichts anderes war als die Aneinanderreihung von Zitaten berühmter französischer und amerikanischer Intellektueller zu angeblichen gesellschaftlichen und philosophischen Implikationen der Mathematik und Physik. Sokals einziger Beitrag bestand nach seinen Worten aus "Klebstoff", um diese Zitate zusammenzufügen.
    
Der Artikel hätte mit Leichtigkeit als kompletter Unsinn erkannt werden können. Beispielsweise heißt es darin: ''"Das Pi Euklids und das G Newtons, die früher als konstant und universal galten, werden heute in ihrer unabwendbaren Historizität gesehen"''. Und im letzten Kapitel sagt Sokal, dass ''"Quantengravitation in dieser Hinsicht eine archetypische postmoderne Wissenschaft"'' sei, die ''"eine starke Widerlegung des in der traditionellen Wissenschaft immanenten Autoritären und Elitären darstellt."''
 
Der Artikel hätte mit Leichtigkeit als kompletter Unsinn erkannt werden können. Beispielsweise heißt es darin: ''"Das Pi Euklids und das G Newtons, die früher als konstant und universal galten, werden heute in ihrer unabwendbaren Historizität gesehen"''. Und im letzten Kapitel sagt Sokal, dass ''"Quantengravitation in dieser Hinsicht eine archetypische postmoderne Wissenschaft"'' sei, die ''"eine starke Widerlegung des in der traditionellen Wissenschaft immanenten Autoritären und Elitären darstellt."''
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==Eleganter Unsinn==
 
==Eleganter Unsinn==
1997 veröffentlichte Sokal zusammen mit seinem belgischen Kollegen Jean Bricmont (geb. 1952) dazu ein Buch mit dem Titel ''Impostures Intellectuelles'' (übersetzt: ''Intellektuelle Hochstapeleien'', deutscher Titel: ''Eleganter Unsinn''), in dem er seine Thesen anhand von Texten bedeutender postmoderner französischer Philosophen erläutert, von denen ein großer Teil der Zitate stammte. Dabei handelte es sich um Jean Baudrillard, Gilles Deleuze, Félix Guattari, Luce Irigaray, Julia Kristeva, Jacques Lacan, Bruno Latour und Paul Virilio sowie, gewissermaßen als historischem Vorläufer, Henri Bergson. Was Sokal und Bricmont unter Missbrauch verstehen, fassen sie in vier Punkten zusammen:<ref>A. Sokal, J. Bricmont (1999): Eleganter Unsinn. S.20/21</ref>
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1997 veröffentlichte Sokal zusammen mit seinem belgischen Kollegen Jean Bricmont (geb. 1952) dazu ein Buch mit dem Titel ''Impostures Intellectuelles'' (übersetzt: ''Intellektuelle Hochstapeleien'', deutscher Titel: ''Eleganter Unsinn''), in dem er seine Thesen anhand von Texten bedeutender postmoderner französischer Philosophen erläutert, von denen ein großer Teil der Zitate in seinem Artikel in ''Social Text'' stammte. Dabei handelte es sich um Jean Baudrillard, Gilles Deleuze, Félix Guattari, Luce Irigaray, Julia Kristeva, Jacques Lacan, Bruno Latour und Paul Virilio sowie, gewissermaßen als historischem Vorläufer, Henri Bergson. Was Sokal und Bricmont unter Missbrauch verstehen, fassen sie in vier Punkten zusammen:<ref>A. Sokal, J. Bricmont (1999): Eleganter Unsinn. S.20/21</ref>
    
# Die weitschweifige Darstellung naturwissenschaftlicher Theorien, von denen man günstigstenfalls eine äußerst vage Vorstellung hat.
 
# Die weitschweifige Darstellung naturwissenschaftlicher Theorien, von denen man günstigstenfalls eine äußerst vage Vorstellung hat.
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# Die Verwendung von im Grunde bedeutungslosen Schlagworten und Sätzen.
 
# Die Verwendung von im Grunde bedeutungslosen Schlagworten und Sätzen.
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Die genannten Autoren sprächen ''"mit einem Selbstbewusstsein, das ihre wissenschaftliche Kompetenz bei weitem übersteigt"''. Sokal und Bricmont betonen, dass sie keinesfalls Philosophie, Geistes- und Sozialwissenschaften in ihrer Gesamtheit angreifen wollten, sondern vor eklatanten Fällen von Scharlatanerie warnen. Insbesondere wollten sie den ''"Nimbus zerstören, den einige Texte besitzen: Sie seien deshalb so schwer zu verstehen, weil die darin vorgebrachten Gedanken so tiefgründig seien"''. Vielmehr erschienen sie oft allein deshalb so schwierig, ''"weil sie absolut nichts aussagen"''.
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Die genannten Autoren sprächen "mit einem Selbstbewusstsein, das ihre wissenschaftliche Kompetenz bei weitem übersteigt". Sokal und Bricmont betonen, dass sie keinesfalls Philosophie, Geistes- und Sozialwissenschaften in ihrer Gesamtheit angreifen wollten, sondern vor eklatanten Fällen von Scharlatanerie warnen. Insbesondere wollten sie den "Nimbus zerstören, den einige Texte besitzen: Sie seien deshalb so schwer zu verstehen, weil die darin vorgebrachten Gedanken so tiefgründig seien". Vielmehr erschienen sie oft allein deshalb so schwierig, "weil sie absolut nichts aussagen".
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==Sokal Affäre Nr. 2==
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(folgt)
    
==Siehe auch==
 
==Siehe auch==
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