Sekte: Unterschied zwischen den Versionen

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Sehr anziehend wirken auf viele Interessierte auch die außergewöhnlichen Methoden und Erlebnisse, die oft schon beim ersten Besuch einer Gruppenveranstaltung vorgetragen werden. Das können z.B. "Wunderheilungen", Berichte über ungeahnte Fähigkeiten der Führungspersönlichkeit, ungewöhnliche Meditationen, exstatische Gruppenerlebnisse oder ähnliches sein. Zur Anziehungskraft der Gruppe trägt in vielen Fällen auch das Elitebewusstsein der Gruppe bei.
 
Sehr anziehend wirken auf viele Interessierte auch die außergewöhnlichen Methoden und Erlebnisse, die oft schon beim ersten Besuch einer Gruppenveranstaltung vorgetragen werden. Das können z.B. "Wunderheilungen", Berichte über ungeahnte Fähigkeiten der Führungspersönlichkeit, ungewöhnliche Meditationen, exstatische Gruppenerlebnisse oder ähnliches sein. Zur Anziehungskraft der Gruppe trägt in vielen Fällen auch das Elitebewusstsein der Gruppe bei.
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==Gruppenstruktur==
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===Vorspielung einer freundlichen Gruppenathmosphäre===
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Viele Sekten machen sich das Bedürfnis einer Person nach Verständnis, Zuwendung und Nähe zu Nutze, wenn sie neue Mitglieder oder Anhänger werben. Die Gruppenmitglieder werden daher darin geschult, auf eine persönlich ansprechende Weise mit potentiellen Interessenten umzugehen. Nicht selten werden gezielt gegengeschlechtliche Werber eingesetzt, um vermutete Beziehungswünsche bzw. Partnersuche als emotionalen Zugang zu nutzen. Bis die wirklichen Motive der Gruppe deutlich werden, sind die „Neuen" jedoch oft schon so in die Gruppenstruktur verwoben, dass sie mehr Aufwand zum Ausstieg benötigen als in der Anfangsphase.
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Die anfängliche ständige Begleitung durch mindestens ein Gruppenmitglied verfolgt das Ziel, dass Interessenten nicht die Möglichkeit erhalten sollen, sich kritisch mit anderen (neuen) Anhängern auseinander zu setzen oder mit Personen zu sprechen, die der Gruppierung skeptisch gegenüberstehen. Andere Meinungen sind in konfliktträchtigen Gruppierungen grundsätzlich nicht erwünscht und stellen vor allem in der Anwerbungsphase ein Risiko für den Anwerberfolg dar. Angeworbene sollen erst gar nicht auf die Idee kommen, dass eine gezielte Strategie hinter dem überaus wohlwollenden und freundschaftlichen Verhalten stecken könnte.
  
 
==Weblinks==
 
==Weblinks==

Version vom 9. Dezember 2010, 09:12 Uhr

Eine Sekte (von lat. secta Richtung, von sequi folgen, engl. cult) ist eine kleinere religiöse Gemeinschaft, die sich von einer größeren Gemeinschaft gelöst hat und meist von dieser abgelehnt wird. [1] In einem erweiterten Sinne gilt "Sekte" auch als Bezeichnung für eine philosophische oder politische Gruppierung, die durch ihre Lehre im Konflikt zu herrschenden Überzeugungen steht.

In der modernen Religionswissenschaft wurde der Begriff Sekte durch Bezeichnungen wie "religiöse Sondergemeinschaft", "neureligiöse Gemeinschaft" oder "Neue religiöse Bewegung" ersetzt. Deutsche Großkirchen verwenden den Begriff jedoch weiter, etwa durch die Berufsbezeichnung "Sektenbeauftragte/r".

Umgangssprachlich werden religiöse oder pseudoreligiöse Gruppen oder Organisationen und Firmen dann als Sekte bezeichnet, wenn diese in irgendeiner Weise als gefährlich oder problematisch angesehen werden. Der amerikanische Psychiater Robert Jay Lifton beschreibt in einer zu Beginn der 1980er Jahre verfassten Analyse fundamentalistisch-totalitärer Kultgruppen (cults) und ordnet diesen bestimmte Merkmale zu:

  • ein charismatischer Führer, als Objekt der Verehrung
  • ökonomische, sexuelle oder andere Ausbeutung der Gruppenmitglieder durch den oder die Anführer
  • Kontrolle aller Kommunikation in einer bestimmten Umgebung (Milieukontrolle), damit auch Isolation vom bisherigen sozialen Umfeld
  • Forderung nach einer "Reinheit": radikale Trennung zwischen Gut und Böse in der Umwelt und in sich selbst
  • eigene Sprachregelungen und proprietäre Wortwahl
  • Leugnung der Existenzberechtigung Anderer (dispensing of existence): Wer die Wahrheit nicht erkannt hat, gilt als verworfen und hat in letzter Konsequenz keine Existenzberechtigung.

Der Begriff Sekte ist nach wie vor umstritten. Vielfach wird die Verwendung des Begriffes aus Gründen der persönlichen Toleranz abgelehnt. Demnach wird der Begriff Sekte als Abwertung verstanden. Andere lehnen ihn ab, weil er auf ein religiöses Weltbild hinzudeuten scheint. Demnach wird der Begriff Sekte als Aufwertung verstanden.[2]

Versprechungen

Versprechungen zu Gewinnung von neuen Mitgleidern

Eine Sekte verspricht, die Welt bzw. den Einzelnen erlösen zu können bzw. zu verändern oder einfach auf den richtigen Weg zu bringen. Mit diesen Versprechungen gewinnt sie neue Mitglieder und hält die bisherigen bei der Stange. Die Werbetaktik reicht vom liebevollen Umwerben ("Love-Bombing") über engagierte Überzeugungsarbeit für großartige Weltverbesserungs- oder Rettungspläne bis hin zu einschüchternden Warnungen vor irdischen oder kosmischen Katastrophen oder ewiger Verdammnis. Versprochen werden Rundumlösungen im Sinne eines rettenden Rezepts. Es wird die Lösung für alle Fragen und persönlichen Probleme angeboten. Es geht darum, ein unglaubliches Ziel zu erreichen oder ein schreckliches Menschheitsdrama zu überleben. Dem Einzelnen wird versprochen, dass er als Mitglied dieser Sekte den Weltuntergang heil überstehen werde. Es werden Sehnsüchte angesprochen und andererseits Ängste mobilisiert, auf die dann mit passenden Versprechungen reagiert wird. Idealistisch klingende, utopische und wunderartige Lösungen werden aufgezeigt. Die Sekte behauptet, dass sie als einzige die totale Errettung bzw. Erlösung für eine absehbare Zukunft noch in diesem Leben oder nach dem Tod bieten kann.

Bekehrung zu einem vollständig anderem Leben

Die Gemeinschaft verspricht, dass mit ihrer Hilfe jeder ein anderer, vollkommener Mensch werden kann. Die Gruppe scheint etwas anzubieten, was sonst noch nirgends zu finden war. Dies kann die Erlösung oder Errettung der Welt, die Schaffung einer humanen Gesellschaft, der Sieg über Elend, Unterdrückung, Krankheit und Verzweiflung, der Sieg über das Böse oder den angeblichen Hauptfeind sein, oder es geht ganz irdisch um den traumhaften persönlichen, beruflichen und geschäftlichen Erfolg.

Als Voraussetzung dafür, dass sich das Leben des Mitglieds wie versprochen grundsätzlich neu gestaltet, wird allerdings eine totale Umkehr oder Bekehrung (Konversion) gefordert. Die von der Sekte vorgeschriebene neue Lebensweise ist angeblich für die Erfüllung ihrer großartigen Versprechungen unverzichtbar. Um den entscheidenden "Durchbruch" zur "eigentlichen" Persönlichkeit zu erreichen, müssen durch wesentliche Verhaltens- und Einstellungsänderungen angebliche Blockaden im Gehirn oder gegenüber den anderen Menschen oder gar im Zusammenhang mit einem "transpersonalen" geistigen Universum beseitigt werden.

Das Versprechen der Gruppierung, dass sich das Leben des Neulings und seine Persönlichkeit in einem umfassenden Sinn zum Positiven hin verändern soll, wird von dem gemeinsamen Glauben daran in der Gemeinschaft getragen. Die Anhänger lassen sich von der Euphorie der anderen Mitglieder anstecken. Außenstehenden stellt sich dieses von Hoffnung getragene neue Leben als "euphorische Phase" dar. In dieser begeisterten Stimmung will das neue Mitglied nicht über seine Perspektiven reden und sich schon gar nicht den kritischen Fragen von Außenstehenden stellen. Das Engagement für die Gemeinschaft fordert den Neuling als ganzen Menschen. Er will sich im Sinne der Gemeinschaft ändern bzw. weiter entwickeln und damit seinem Leben vermeintlich einen wirklichen Sinn geben, glücklicher und heil werden, eine höhere Moral als die "Durchschnittsmenschen" erreichen oder auch Teil haben an der endgültigen gesellschaftlichen oder gar kosmischen, universalen und endzeitlichen (Er-)Lösung.

Schaffung von Elitebewusstsein

Die Gemeinschaft wirbt damit, dass ausschließlich sie für die Erfüllung der Wünsche der Geworbenen garantieren kann. Nur durch sie könne ein Suchender ein erfolgreicher Mensch werden oder das erstrebte Heil erlangen. Kein anderer Anbieter sei dazu wirklich in der Lage.

Der in der Gemeinschaft gepflegte, betont freundschaftliche und liebevolle Umgang wird als klarer Beweis dafür gesehen, dass hier so etwas wie die "rettende" oder "wahre Familie" gefunden werden könne. Gerade wer in einer persönlichen Krise steckt, wird anfällig sein für die angebotene, intensive zwischenmenschliche Wärme. Entsprechend kann sich der, der sich in der Gruppe "fallen lässt", leicht davon überzeugen, dass er die Gemeinschaft braucht.

Auch erste — vielleicht nur zufällige oder eingebildete - spirituelle Erlebnisse, gesundheitliche Besserungen, geistige Erkenntnisse oder spontane Harmonie- beziehungsweise "Befreitheits"-Gefühle werden als Beweis gedeutet für die Erklärung der Gemeinschaft, dass gerade diese Gemeinschaft den Schlüssel für das ersehnte Weiterkommen besitze.

Einfache Erklärungen

Die meisten Sekten nutzen die persönliche Suche vieler Menschen nach Orientierung und Werten. Die von traditionellen Religionen, der Wissenschaft oder anderen gegebenen Antworten wirken für viele zu widersprüchlich, kompliziert und unbefriedigend oder gar unmenschlich. Dagegen üben einfache Erklärungen, die eine sehr eindeutige Trennung zwischen Richtig und Falsch oder Gut und Böse zu Grunde legen und komplizierte Zusammenhänge negieren, eine große Anziehungskraft aus. Problematische Gruppen und Anbieter wissen um diesen Orientierungsbedarf und stimmen ihr Angebot gezielt darauf ab: Es werden einfache, leicht nachvollziehbare Erklärungen gegeben und Wege beschrieben, wie man genau das, was man möchte, angeblich auf ganz sichere Weise erreichen kann.

Ansprechen des Neugierverhaltens des Menschen

Viele Sekten sprechen das natürliche Neugierverhalten der meisten Menschen an. Bereits durch die Versprechungen der Anwerber, dass man durch die Gruppe, ihre Lehre und ihre Methoden ungeahnte und erstrebenswerte persönliche und gesellschaftliche Ziele erreichen kann, geht von der Gruppierung eine besondere Anziehungskraft aus. Verstärkt wird diese oftmals durch geheimnisvolle Aussagen über außergewöhnliche Erfahrungen, die man nur in dieser Gruppe machen kann und welche auch nicht rational oder wissenschaftlich erklärbar sind.

Begibt sich eine interessierte Person zum ersten Mal zu einer Veranstaltung einer Sekte, wird dort alles versucht, diese für eine Mitgliedschaft zu gewinnen. In vielen Gruppierungen gibt es aus diesem Grund ganz bestimmte Regeln, wie mit "Neuen" umgegangen werden muss, um sie an die Gruppe zu binden. Oft finden ganz bestimmte Veranstaltungen nur für Interessierte statt. Häufig tritt dabei die Führungspersönlichkeit oder ein Führungsmitglied der Gruppe auf, die eine besondere Ausstrahlung hat und die Überzeugung vermittelt, über geheimnisvolles Wissen zu verfügen, erleuchtet oder auserwählt zu sein. Kritische Gedanken bezüglich der Gruppe, ihrer Ideologie oder gar gegenüber ihrer Führungspersönlichkeit existieren nicht. Diese Harmonie innerhalb der Gruppe trägt ebenfalls zur Anziehungskraft der Gruppe bei.

Sehr anziehend wirken auf viele Interessierte auch die außergewöhnlichen Methoden und Erlebnisse, die oft schon beim ersten Besuch einer Gruppenveranstaltung vorgetragen werden. Das können z.B. "Wunderheilungen", Berichte über ungeahnte Fähigkeiten der Führungspersönlichkeit, ungewöhnliche Meditationen, exstatische Gruppenerlebnisse oder ähnliches sein. Zur Anziehungskraft der Gruppe trägt in vielen Fällen auch das Elitebewusstsein der Gruppe bei.

Gruppenstruktur

Vorspielung einer freundlichen Gruppenathmosphäre

Viele Sekten machen sich das Bedürfnis einer Person nach Verständnis, Zuwendung und Nähe zu Nutze, wenn sie neue Mitglieder oder Anhänger werben. Die Gruppenmitglieder werden daher darin geschult, auf eine persönlich ansprechende Weise mit potentiellen Interessenten umzugehen. Nicht selten werden gezielt gegengeschlechtliche Werber eingesetzt, um vermutete Beziehungswünsche bzw. Partnersuche als emotionalen Zugang zu nutzen. Bis die wirklichen Motive der Gruppe deutlich werden, sind die „Neuen" jedoch oft schon so in die Gruppenstruktur verwoben, dass sie mehr Aufwand zum Ausstieg benötigen als in der Anfangsphase.

Die anfängliche ständige Begleitung durch mindestens ein Gruppenmitglied verfolgt das Ziel, dass Interessenten nicht die Möglichkeit erhalten sollen, sich kritisch mit anderen (neuen) Anhängern auseinander zu setzen oder mit Personen zu sprechen, die der Gruppierung skeptisch gegenüberstehen. Andere Meinungen sind in konfliktträchtigen Gruppierungen grundsätzlich nicht erwünscht und stellen vor allem in der Anwerbungsphase ein Risiko für den Anwerberfolg dar. Angeworbene sollen erst gar nicht auf die Idee kommen, dass eine gezielte Strategie hinter dem überaus wohlwollenden und freundschaftlichen Verhalten stecken könnte.

Weblinks

Quellennachweise

  1. Ursula Herrmann, 1993. Fremdwörterlexikon, Lexikographisches Institut München, Orbis Verlag
  2. http://www.agpf.de/Begriff.htm