Reconquista Germanica

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Reconquista Germanica (span. Rückeroberung Deutschland, auch Reconquista Germania oder Die Patrioten) ist ein internetbasiertes verdeckt operierendes Propagandaprojekt neurechter Aktivisten in Deutschland. Der spanische Name Reconquista Germanica bezieht sich auf die Rückereroberung (Reconquista) der Iberischen Halbinsel durch die Christen, welche die muslimischen Eroberer zwischen 718 und 1492 nach Nordafrika zurückdrängten. Die Aktivisten der Gruppe organisierten sich zunächst auf Servern der Gaming-Chat App Discord, mussten später aber auf andere soziale Medien umziehen. Als Gründer wird das Pseudonym Nikolai Alexander genannt, der das Troll-Projekt am 1. September 2017 startete. Gemäß Recherchen der Badischen Zeitung stammt er aus der tschechischen Stadt Ostrov (deutsch: Schlackenwerth) und unterhält ein Spendenkonto bei der Sparkasse Allgäu, gemäß der Süddeutschen Zeitung lebt er in Bayern. Der Gruppierung können schätzungsweise 1500 accounts zugerechnet werden. Der YouTube-Account Reconquista Germanica hat 33.000 Abonnenten.

Zur Tarnung bezeichnet sich die Gruppe als "Vereinigung von Gamern und LARPern", die ein "satirisches Internet-Projekt ohne Bezug zur realen Welt" betreibe.

Das Netzwerk ist streng hierarchisch organisiert, mit Anleihen an militärische Rangbezeichnungen und einer inneren Befehlsstruktur. Einsteiger fangen als Rekruten an und können zum Gefreiten aufsteigen, wenn sie ein Bewerbungsgespräch absolviert haben und gewisse Voraussetzungen erfüllen, etwa „Ordentliches Betragen, Sachverstand, regelmäßige Anwesenheit, Vertrauenswürdigkeit und Mitarbeit“. Andere Ränge sind Nachschub, YouTuber, Offiziere und Generäle. An der Spitze der Hierarchie steht der Oberbefehlshaber Nikolai Alexander. Verbunden mit dem militärischen Aufstieg sind mehr Rechte und damit tiefere Einblicke in das Netzwerk.

Aktivitäten

 
typischer Befehl zum Trollangriff

Die Gruppe ist bei YouTube, Facebook, Twitter und VK.com aktiv. Auf YouTube werden Videos koordiniert kommentiert. Bei Twitter werden bestimmte Hashtags übernommen; das Netzwerk ist jedoch kaum unter dem Hashtag #ReconquistaGermanica sichtbar, sondern organisiert sich mit zahlreichen Pseudonymen oder gefälschten Accounts und arbeitet verdeckt als Troll-Armee.

Per "Chefappell" gesteuert beteiligen sich die Mitglieder an Kampagnen im Internet. Die Folge sind zentral gelenkte Troll-Angriffe mit Kommentaren zu Themen der rechten Szene in Deutschland. Eine Kampagne wurde im Bundestagswahlkampf im September 2017 gefahren. Insgesondere wurde dazu aufgerufen, die AfD zu fördern und ein TV-Duell Merkel-Schulz im Internet koordiniert zu kommentieren:

"Die erste Kampagne startet am 1. September und endet am 24. September mit der Bundestagswahl. Ziel der ersten Kampagne ist es, die AfD so stark wie möglich in den Bundestag zu hieven. Wir werden heute auch den Meme-Krieg gegen die Köterrasse im Bundestag eröffnen." (YouTube)

Auch war die Rede davon, "Durchfall-Konservative wie (Markus) Pretzell und andere Heuchler in Angriff [zu] nehmen und den Höcke-Flügel [zu] stärken". Eine Zielperson war Anfang Februar 2018 laut "Tagesbefehl" der ZDF-Moderator Jan Böhmermann. Doch dieser wurde vorab gewarnt, so dass er der organisierten Online-Attacke mit einem eigenen Tweet zuvorkommen konnte.

Bestimmte YouTube-Videos werden koordiniert hochgevotet. Auch werden täglich Memes produziert und über soziale Netzwerke verbreitet. Es werden Bilder vorgehalten, die von Mitglieder als "Munition" für Propagandazwecke genutzt werden können. Zumeist richten sich diese Angriffe gegen die Person Angela Merkel, gegen Flüchtlinge oder Medien.

Reaktionen und Rezeption

 
Hagen Grell interviewt RG-Chef "Alexander Nikolai". Beide duzen sich (2018)

Mehrere Tageszeitungen und Blogs haben sich in der Vergangenheit mit den Aktivitäten von Reconquista Germanica (Reconquista Germania) befasst und diese als "rechte Trollfabrik" bezeichnet. Der Spiegel verfasste 2017 einen Artikel "Aufmarsch der Trolle". Mindestens ein YouTube-Kanal wurde gesperrt, Discord löschte mehrfach den "RG"-Server. Daraufhin wurde zunächst der "Fall Grün", dann der "Fall Blau" und schließlich der "Fall Gelb" ausgerufen; dabei handelt es sich um Codewörter zum Umzug auf andere Server (so genannte "Ausweichlager"). Diese Begriffe waren von der Wehrmacht im Zweiten Weltkrieg für Invasionen benutzt worden. Wegen häufiger Löschungen in Deutschland scheint es Bestrebungen zu geben, vollständig in nicht nach außen sichtbare Bereiche des Internets oder ins Ausland (z.B. Russland) auszuweichen.

Eine positive Rezeption erfuhr die Gruppe durch den AfD-Aktivisten Hagen Grell sowie durch ScienceFiles (15. Mai 2018: Reconquista Germanica: Nicht rechtsextrem und viel Lärm um herzlich wenig).

Weblinks

Video

Quellennachweise